Umsatzsteuerpflicht bei Schönheitsoperationen in einem Krankenhaus

Ästhetische Operationen und ästhetische Behandlungen sind nur steuerfrei, wenn sie dazu dienen, Personen zu behandeln oder zu heilen, bei denen aufgrund einer Krankheit, Verletzung oder eines angeborenen körperlichen Mangels ein Eingriff ästhetischer Natur "erforderlich" ist, während Eingriffe zu rein kosmetischen Zwecken steuerpflichtig sind (Anschluss an EuGH-Urteil PCF Clinic, in UR 2013, 335)

 Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass gesundheitliche Probleme psychologischer Art nur dann die Steuerfreiheit ästhetischer Operationen und ästhetischer Behandlungen in Fällen wie z.B. Fettabsaugungen, Soft-Liftings, Augenlid- und Brustoperationen begründen können, wenn hierzu medizinische Feststellungen vorliegen, die von dem "entsprechenden Fachpersonal" zu treffen sind. Dabei ist es nicht ernstlich zweifelhaft, dass der die ästhetische Operation z.B. als Chirurg durchführende Arzt ―anders als z.B. psychologische Psychotherapeuten und auf Leiden psychologischer Art spezialisierte Fachärzte― nicht zu dem "Fachpersonal" gehören, das "medizinische Feststellungen" zu "gesundheitlichen Problemen psychologischer Art" treffen kann, da ihm die hierfür erforderliche unmittelbare berufliche Qualifikation fehlt.

BFH Beschluss vom 19.06.2013 – V S 20/13 BFH/NV 2013, 1643

Begründung:

 Nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG waren in den Streitjahren steuerfrei "die mit dem Betrieb der Krankenhäuser … eng verbundenen Umsätze, wenn … bei Krankenhäusern im vorangegangenen Kalenderjahr die in § 67 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung bezeichneten Voraussetzungen erfüllt … sind … ."

Unionsrechtliche Grundlage war hierfür Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), wonach die Mitgliedstaaten "die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden", von der Steuer befreien.

Zur Steuerfreiheit sog. Schönheitsoperationen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSystRL hat der EuGH mit Urteil PCF Clinic in UR 2013, 335 wie folgt entschieden:"- Dienstleistungen wie … ästhetische Operationen und ästhetische Behandlungen … fallen unter den Begriff ‘ärztliche Heilbehandlungen’ oder ‘Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin’ …, wenn diese Leistungen dazu dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen oder die Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Die rein subjektive Vorstellung, die die Person, die sich einem ästhetischen Eingriff unterzieht, von diesem Eingriff hat, ist als solche für die Beurteilung, ob der Eingriff einem therapeutischen Zweck dient, nicht maßgeblich. Für die Beurteilung, ob Eingriffe wie die im Ausgangsverfahren unter den Begriff ‘ärztliche Heilbehandlungen’ oder ‘Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin’ … fallen, ist es von Bedeutung, dass Dienstleistungen … von einer Person erbracht werden, die zur Ausübung eines Heilberufs zugelassen ist, oder dass der Zweck des Eingriffs von einer solchen Person bestimmt wird. …"

Zur Begründung weist der EuGH unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung darauf hin, dass es für die Steuerfreiheit als ärztliche Heilbehandlung und Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin darauf ankommt, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen oder die Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Auch ästhetische Operationen und ästhetische Behandlungen können, "soweit sie dazu dienen, Personen zu behandeln oder zu heilen, bei denen aufgrund einer Krankheit, Verletzung oder eines angeborenen körperlichen Mangels ein Eingriff ästhetischer Natur erforderlich ist, unter die Begriffe ‘ärztliche Heilbehandlungen’ oder ‘Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin’ … fallen. Wenn der Eingriff jedoch zu rein kosmetischen Zwecken erfolgt, fällt er nicht unter diese Begriffe". Weiter weist der EuGH darauf hin, dass gesundheitliche Probleme, die nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSystRL unter die von der Mehrwertsteuer befreiten Eingriffe fallen, zwar auch psychologischer Art sein können, dass aber die "rein subjektive Vorstellung, die die Person, die sich einem ästhetischen Eingriff unterzieht, von diesem Eingriff hat, … als solche für die Beurteilung, ob der Eingriff einem therapeutischen Zweck dient, nicht maßgeblich" ist. Die Beurteilung dieser "medizinischen Frage … muss … auf medizinischen Feststellungen beruhen, die von dem entsprechenden Fachpersonal getroffen worden sind" . Daher ist für die Frage der Steuerfreiheit von Bedeutung, ob die Dienstleistungen von einer Person erbracht werden, die zur Ausübung eines Heilberufs zugelassen ist, oder dass der Zweck des Eingriffs von einer solchen Person bestimmt wird,.

Damit in Übereinstimmung steht die bisherige Rechtsprechung des erkennenden Senats, nach der als Heilbehandlung nur die Tätigkeiten steuerfrei sind, die zum Zweck der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen für bestimmte Patienten ausgeführt werden, so dass eine ärztliche Leistung, die in einem Zusammenhang erbracht wird, der die Feststellung zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der Schutz der Gesundheit ist, nicht steuerfrei ist und es daher für die Umsatzsteuerfreiheit von Schönheitsoperationen nicht ausreicht, dass die Operationen nur von einem Arzt ausgeführt werden können, sondern es vielmehr erforderlich ist, dass auch derartige Operationen dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen, womit es nicht zu vereinbaren ist, Leistungen der Schönheitschirurgen ohne Rücksicht auf ihre medizinische Indikation als steuerfrei zu behandeln.

Ästhetische Operationen und ästhetische Behandlungen sind nur steuerfrei, wenn sie dazu dienen, Personen zu behandeln oder zu heilen, bei denen aufgrund einer Krankheit, Verletzung oder eines angeborenen körperlichen Mangels ein Eingriff ästhetischer Natur "erforderlich" ist, während Eingriffe zu rein kosmetischen Zwecken steuerpflichtig sind

Gesundheitliche Probleme psychologischer Art begründen nur dann die Steuerfreiheit ästhetischer Operationen und ästhetischer Behandlungen, wenn hierzu medizinische Feststellungen vorliegen, die von dem "entsprechenden Fachpersonal" zu treffen sind. Dabei gehört der die ästhetische Operation z.B. als Chirurg durchführende Arzt –anders als z.B. psychologische Psychotherapeuten und auf Leiden psychologischer Art spezialisierte Fachärzte– nicht zu dem "Fachpersonal", das "medizinische Feststellungen" zu "gesundheitlichen Problemen psychologischer Art" treffen kann, da ihm die hierfür erforderliche unmittelbare berufliche Qualifikation fehlt und zudem die abstrakte Gefahr besteht, dass ästhetische Operationen und ästhetische Behandlungen vorgenommen werden, obwohl diese für die Behandlung gesundheitlicher Probleme psychologischer Art nicht "erforderlich" sind. Dass es bei Durchführung ästhetischer Operationen und ästhetischer Behandlungen zur Linderung gesundheitlicher Probleme psychologischer Art zu einer Erhöhung der Heilbehandlungskosten dadurch kommt, dass über die "Erforderlichkeit" der Maßnahme eine zweite ärztliche Beurteilung einzuholen ist, spielt entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine Rolle. Zudem bedarf es für die Feststellung der Steuerfreiheit in diesem Bereich einer Einzelfallbeurteilung, für die der Steuerpflichtige im Hinblick auf seine Beweisnähe im gesteigerten Maß darlegungspflichtig ist.

Das FG hat zutreffend entschieden, dass es für die Steuerfreiheit auf die im jeweiligen Einzelfall bestehende medizinische Indikation ankommt. Das FG hat auch zutreffend entschieden, dass es Sache des Steuerpflichtigen ist, der sich auf eine Steuerbefreiung beruft, die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür darzulegen. Es ist nicht zu beanstanden, dass das FG diesen Nachweis nicht als durch die von Dr. X getroffenen Feststellungen erbracht angesehen hat, da Dr. X bei der Antragstellerin als Arzt beschäftigt ist und er selbst die Operationen durchgeführt hat, die den streitigen Umsätzen zugrunde liegen. Auch die Beurteilung durch Dr. Y, bei dem es sich um einen plastischen Gesichtschirurgen, nicht aber um einen Psychologen, Psychiater oder Neurologen handelt, ist ohne Bedeutung. Das FG ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass in bestimmten medizinischen Bereichen ein Einzelfallnachweis entbehrlich ist, da eine bestimmte Behandlungsform immer der Heilung einer Krankheit dient, dies aber für den Sonderfall einer Schönheitsoperation, die im Hinblick auf Gesundheitsprobleme durchgeführt wird, die psychologischer Art sind, nicht zutrifft, da psychische Störungen auch und ggf. sogar vorrangig mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie behandelt werden können. Feststellungen des operierenden Arztes reichen daher nicht aus, um in Fällen wie Fettabsaugungen, Soft-Liftings, Augenlid- und Brustoperationen, den für die Steuerfreiheit erforderlichen Nachweis der Behandlung gesundheitlicher Probleme psychologischer Art zu erbringen.

In Übereinstimmung mit dem EuGH-Urteil PCF Clinic in UR 2013, 335 steht bei der gebotenen summarischen Prüfung auch, dass das FG entschieden hat, dass beim Vorliegen von fachpsychiatrischen oder fachpsychotherapeutischen Befunden oder von konsiliarisch durch einen Psychiater erstellten Eigenbefunden oder durch den Nachweis einer kontinuierlichen Therapie wegen psychischer Störungen vor Beginn des plastischen Eingriffs durch einen Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Nervenarzt, Facharzt für psychosomatische Medizin oder psychologischen Psychotherapeuten oder durch den Nachweis einer psychiatrischen/psychotherapeutischen Krankenhausbehandlung oder Rehabilitation wegen einer psychischen Störung von einer Steuerfreiheit auszugehen sein kann. Kann danach die erforderliche Einzelfallprüfung im Hinblick auf nach § 203 des Strafgesetzbuches strafbewährte Offenbarungsverbote nicht nachgewiesen werden, geht dies zu Lasten der Antragstellerin. Dass sich die Antragstellerin von den insoweit möglicherweise bestehenden Schweigepflichten im Hinblick auf das bei ihr durchzuführende Besteuerungsverfahren nicht hat entbinden lassen, begründet, wie das FG zu Recht entschieden hat, keine Steuerfreiheit. Schließlich ist das FG-Urteil auch insoweit zutreffend, als es den Gesundheitsbegriff der WHO, auf den es auch nach dem EuGH-Urteil PCF Clinic in UR 2013, 335.