Zwangsläufigkeit von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastung

Zwangsläufigkeit gegeben: Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG.

FG Düsseldorf, Urteil vom 15.08.2014, 3 K 2493/12 E

Begründung:

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

Nach dem BFH-Urteil können Zivilprozesskosten – in Änderung der bis dato ständigen Rechtsprechung – unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Zur Begründung hat der BFH ausgeführt, dass die Auffassung, der Steuerpflichtige übernehme das Prozesskostenrisiko “freiwillig”, verkenne, dass streitige Ansprüche wegen des staatlichen Gewaltmonopols regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren seien. Dies folge aus dem Rechtsstaatsgrundsatz. Es sei ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren. Die Parteien würden zur gewaltfreien Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten der Staatsbürger vielmehr auf den Weg vor die Gerichte verwiesen. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung sei für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. Denn der Steuerpflichtige müsse, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten. Dieser Unausweichlichkeit stehe nicht entgegen, dass mit den Kosten eines Zivilprozesses in der Regel nur die unterliegende Partei (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO) belastet sei. Denn der Einwand, der Unterliegende hätte bei gehöriger Prüfung seiner Rechte und Pflichten erkennen können, der Prozess werde keinen Erfolg haben, werde der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Als außergewöhnliche Belastungen seien Zivilprozesskosten jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen habe. Er müsse diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider – auch des Kostenrisikos – eingegangen sein. Demgemäß seien Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten habe.

Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung mit den vom BFH vorgenommenen Erwägungen an. Dem zwischenzeitlich ergangenen anders lautenden Urteil des FG Düsseldorf vom 11. Februar 2014 (13 K 3724/12 E, EFG 2014, 850, BFH: VI R 17/14) folgt er hingegen nicht.

In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze sind der Klägerin die streitgegenständlichen Aufwendungen aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Sie hat sich auch nicht mutwillig oder leichtfertig auf das Zivilverfahren eingelassen. Die Kosten stellen sich vielmehr als unausweichlich dar, da die Rechtsverfolgung aus der Sicht eines verständigen Dritten hinreichende Aussicht auf Erfolg bot. Dafür spricht bereits, dass die Klägerin im Beschwerdeverfahren weit überwiegend Erfolg gehabt hat (76 % zu 24 %). Der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen steht nicht entgegen, dass die Klägerin aufgrund der Insolvenz ihres geschiedenen Ehemannes letztlich die gesamten Rechtsanwaltskosten und auch die auf ihren geschiedenen Ehemann entfallenden Gerichtskosten (Zweitschuldnerhaftung) tragen musste. Denn auch insoweit hat sich letztlich das jedem Verfahren innewohnende Prozess- bzw. Kostenrisiko realisiert. Dieser Umstand führt nicht dazu, dass die hinreichende Erfolgsaussicht (teilweise) rückwirkend entfällt.

Auch die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 33 Abs. 1 und 2 EStG sind erfüllt. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 26. Juni 2013 (BGBl. I 2013, 1809) – AmthilfeRLUmsG –, wonach Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen sind, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, gelangt im Streitfall nicht zur Anwendung. Da der Gesetzgeber keine besondere Anwendungsbestimmung aufgestellt hat, gilt die am 1. Januar 2013 in Kraft getretene Norm (Art. 31 Abs. 1 des AmtshilfeRLUmsG) gemäß § 52 Abs. 1 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2013.