Hinzurechnung von Hotelaufwendungen als Mietaufwendungen zur Gewerbesteuer.

Hinzurechnung von Hotelaufwendungen als Mietaufwendungen zur Gewerbesteuer.

FG Münster 04.02.2016 9 K 1472/13 G Revision zugelassen.

Sachverhalt:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwand der Klägerin als Reiseveranstalterin für die vorübergehende Verschaffung von Hotels, Hotelzimmern und Hotelzimmerkontingenten der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. d und e des Gewerbesteuergesetzes unterliegt.

Begründung:

Anders als bei der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer sind nicht sämtliche Einnahmen und Ausgaben einer im Inland ansässigen natürlichen oder juristischen Person, die gewerbliche Einkünfte erzielt, in die Ermittlung des Gewerbegewinns einzubeziehen. Vorgreiflich und mit unmittelbarer Auswirkung auf die Ermittlung des Gewerbeertrags begrenzt § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG 2002 den Umfang des Gewerbeertrags, da der Gewerbesteuer nur jeder stehende Gewerbebetrieb unterliegt, soweit er im Inland betrieben wird. Die in § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG 2002 vorgesehene Kürzung des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland betriebene Betriebsstätte entfällt, wiederholt in diesem Sinne nur deklaratorisch die Begrenzung, die sich aus dem Steuergegenstand in § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG bereits ergibt- Beide Normen zusammen bekräftigen den systematischen Ansatz des Gewerbesteuerrechts, nur inländische Erträge eines Gewerbebetriebs der Gewerbesteuer zu unterwerfen.

Dies bedeutet freilich nicht, dass ein Reiseveranstalter, der Auslandsreisen durchführt, hinsichtlich seiner im Ausland erbrachten Reiseleistungen grundsätzlich nicht der deutschen Gewerbesteuer unterliegt. Wie sich auch aus § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG 2002 ergibt, soll aber der Teil des Gewerbeertrags, der durch eine ausländische Betriebsstätte des Gewerbebetriebs erzielt wird, aus der Bemessungsgrundlage ausgeschieden werden.

Der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterfallen hiernach ein Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen. Was unter Miet- und Pachtzinsen zu verstehen ist, entscheidet sich nach Zivilrecht (BFH-Urteile vom 31.7.1985 VIII R 261/81, BFHE 145, 134, BStBl II 1986, 304; vom 10.7.1996 I R 132/94, BFHE 181, 337, BStBl II 1997, 226; Blümich/Hofmeister, EStG/KStG/GewStG, § 8 GewStG Rz. 201; Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 8 Nr. 1 Buchst. d Rz. 22). Unerheblich ist, ob auf das konkrete Vertragsverhältnis deutsches Recht anwendbar ist. Ausreichend ist, dass der Vertrag als Miet- oder Pachtvertrag zu beurteilen wäre, wenn auf ihn deutsches Recht anwendbar wäre. Der konkrete Vertrag muss sich jedenfalls seinem wesentlichen Gehalt nach als Miet- oder Pachtvertrag im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) darstellen. Das bedeutet übertragen auf Verträge für die Überlassung von Schiffen, dass es sich um einen Vertrag handeln muss, der in erster Linie die Verpflichtung des Schiffseigners zum Inhalt haben muss, der anderen Vertragspartei gegen Entgelt entweder den Gebrauch der Schiffe während der Mietzeit oder den Gebrauch der Schiffe und den Genuss der Früchte während der Vertragslaufzeit zu gewähren. Im Bereich der Schiffscharter entspricht es der Auffassung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, dass jedenfalls dann kein Mietvertrag, sondern ein Vertragsverhältnis eigener Art vorliegt, wenn der konkrete Vertrag wesentliche, einem Mietvertrag fremde Elemente enthält. Das gilt insbesondere, wenn der Vertrag die Gestellung der Schiffsmannschaft dem Vercharterer auferlegt. Hierbei handelt es sich nicht um eine bloße Nebenleistung zur Raumvermietung des Schiffs, sondern um eine Leistung, die das Wesen des gesamten Vertrags entscheidend beeinflusst.

Die streitgegenständlichen Schiffscharterverträge enthalten wesentliche Elemente, die ihrer Qualifikation als Mietverträge entgegenstehen. Insbesondere werden die Schiffe mitsamt der Crew überlassen. Diese Personalgestellung durch den Vercharterer ist auch wesentlich, da es der Klägerin nicht allein um die mietweise Überlassung des Schiffs, sondern gerade um die Durchführung einer Schiffsreise unter Zuhilfenahme des bewährten Schiffspersonals ging.

Im Übrigen unterliegen die Aufwendungen für die im Tenor unter 3. bezeichneten Reisevorleistungen jedenfalls teilweise der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG 2002.

Die Beteiligten gehen hinsichtlich der vorgenannten Reisevorleistung davon aus, dass diese der inländischen Betriebsstätte der Klägerin zuzuordnen sind und damit dem Grunde nach bei der Berücksichtigung des Gewerbeertrags zu berücksichtigen sind, weil insoweit keine ausländischen Betriebsstätten der Klägerin vorliegen (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 7 Satz 1, § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG 2002; vgl. dazu bereits allgemein unter II.1). Dem folgt der erkennende Senat zumindest in Bezug auf die Hotelunterkunft als solche. Wie bereits dargelegt, unterliegt ein Reiseveranstalter, der Auslandsreisen durchführt, hinsichtlich seiner im Ausland erbrachten Reiseleistungen der deutschen Gewerbesteuer, falls er im Ausland keine Betriebsstätte unterhält bzw. soweit die von ihm erbrachten Leistungen einer etwaigen ausländischen Betriebsstätte nicht zuzuordnen sind. Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Unterkunft der Reiseleiter der Klägerin im Einzelfall zu einer Betriebsstätte führen könnte, ließen sich dieser Betriebsstätte allenfalls etwaige eigenständige örtliche Sport- und Freizeitprogramme der Klägerin zuordnen.

Enthält ein Vertrag wesentliche mietfremde Elemente, so scheidet eine Qualifikation als Mietvertrag i.S. des § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG 2002 aus. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn es sich um einen sog. Vertrag eigener Art (sui generis) handelt, wie beispielsweise in dem vorab genannten Fall der Schiffscharter (s. unter III.). Sind demgegenüber die Hauptpflichten in einem einheitlichen Vertrag trennbar, weil ein sog. typengemischter Vertrag vorliegt, und enthält der typengemischte Vertrag trennbare mietvertragliche Hauptpflichten, so kommt insoweit eine Hinzurechnung in Betracht.

Ebenso wenig kann sich der Senat der Auffassung anschließen, es handele sich um Verträge sui generis, die keinen teilbaren mietvertraglichen Bestandteil aufwiesen. Zutreffend weist die Klägerin zwar darauf hin, dass alle Verträge aus einem Leistungsbündel bestehen und sich nicht allein in der Zurverfügungstellung von Hotels oder Hotelzimmern erschöpfen. Insoweit wird auch in der zivilrechtlichen Literatur der Beherbergungsvertrag zutreffend als Typenkombinationsvertrag betrachtet (aus der jüngeren Literatur Ahrens/Richter, Wettbewerb in Recht und Praxis 2011, 814, 818; Staudinger/Oechsler (2014) M. Vertragstypen, Rz. 35; Rodegra, Monatsschrift für Deutsches Recht 2013, 1257). Hieraus kann aber allein nicht der Schluss gezogen werden, dass ein Vertrag sui generis vorliegt. Rechtlich können die Mietbestandteile von anderen Hauptpflichten (beispielsweise Frühstück oder Büffet) klar getrennt werden. Dass praktisch eine Aufteilung der Gegenleistung gleichwohl Schwierigkeiten begegnet, ist zwar nicht von der Hand zu weisen, beruht aber nicht auf der rechtlichen Typenvermischung, durch die ein eigenständiger Vertragstypus entstanden wäre, sondern auf der nicht offen gelegten Kalkulation der Vertragsparteien. Das Problem der Aufteilbarkeit der Gegenleistung kann allein jedoch keine Rückwirkung auf die entscheidende rechtliche Trennbarkeit der Hauptleistungspflicht haben,

Ist dem Grunde nach eine Hinzurechnung vorzunehmen, wird der Senat im Rahmen seines Endurteils gleichwohl die genaue Höhe der hinzuzurechnenden Beträge noch zu ermitteln haben. Denn nicht das gesamte Vertragsentgelt ist der Hinzurechnung zu unterwerfen, sondern nur der Teil der auch tatsächlich als Entgelt für die Nutzungsüberlassung unbeweglicher und beweglicher Wirtschaftsgüter gezahlt worden und einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Die Vergütung für hiervon zu trennende wirtschaftlich eigenständige Leistungen ist in die Hinzurechnung nicht mit einzubeziehen, soweit nicht die Voraussetzungen eines eigenständigen Hinzurechnungstatbestandes erfüllt sind.

Bei der Anmietung von Hotels und Hotelzimmern bzw. Kontingenten führt dies dazu, dass folgende selbständige Leistungen grundsätzlich nicht der Hinzurechnung unterliegen und aus dem Gesamtentgelt anteilig ausgeschieden werden müssen wie Verpflegungsleistungen, Beförderungsleistungen (Shuttleservice),  spezielle Wellness- und Sportleistungen, allerdings nicht die Nutzung der/des hauseigenen Sauna/Schwimmbads, Willkommens- und Unterhaltungsveranstaltungen, Ausflüge etc. (insoweit auch OFD Nordrhein-Westfalen vom 4. 11. 2013 G 1422 – 2013/0023 – St 161, DStR 2014, 373).

Da die Hinzurechnung indes allein im Umfang der Miet- und Pachtzinsen erfolgen darf, sind aus dem Entgelt auch reine Betriebskosten (wie z.B. Wasser, Strom, Heizung) und eigenständig zu beurteilende Nebenleistungen (wie z.B. Personalkosten für die übliche Rezeption und für die Reinigung der Räumlichkeiten, Stellung von Handtüchern) auszuscheiden (teilweise abweichend OFD Nordrhein-Westfalen in DStR 2014, 373). Insoweit handelt es sich um Aufwendungen, die nicht für die Überlassung der Räumlichkeiten, sondern für weitere Leistungsbestandteile gezahlt werden, die keinen Mietcharakter haben. Diese Begrenzung wird auch durch den Grundgedanken der Vorschrift getragen. Wenn ein Eigentümer von Hotelräumlichkeiten mit demjenigen verglichen werden soll, der hat diese anmietet, hat der Mieter nur insoweit einen Finanzierungsanteil, den er durch seinen Betrieb erwirtschaften und finanzieren muss, als er die Netto-Kaltmiete für die Räumlichkeiten zahlen muss. Hinsichtlich der übrigen Kostenstruktur bestehen zwischen den Vergleichsunternehmen grundsätzlich kein Unterschied und daher auch keine Notwendigkeit zur Herstellung einer Finanzierungsneutralität.

Anmerkung:

Das Gericht berücksichtigt bei seinen Ausführungen gerade nicht, dass der Gesetzgeber diese kurzfristige Überlassung der Hotelzimmer nicht in die Hinzurechnung der Gewerbesteuer einbeziehen wollte. So wurde in dem Gesetzesentwurf zum Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 Bundesdrucksache 16/4841 sowie Drucksache Bundesrat 220/07  Deutscher Bundestag Seite hierzu ausgeführt:

„Liegt kein reiner Miet- oder Pachtvertrag, sondern ein sog. gemischter Vertrag vor, ist die Hinzurechnung nur möglich, wenn die Vermietung oder Verpachtung eine von den übrigen Leistungen trennbare Hauptleistung ist; für die Hinzurechnung ist nur das Entgelt zu berücksichtigen, das auf die Vermietung oder Verpachtung entfällt (vgl. Abschnitt 53 Abs. 1 Satz 14 und 15 GewStR).

Nach diesen Grundsätzen sind z. B. auch Verträge über kurzfristige Hotelnutzungen oder kurzfristige Kfz-Mietverträge zu beurteilen. Eine Hinzurechnung wird danach regelmäßig ausscheiden.“