Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags infolge Betriebsaufgabe

Führt eine Betriebsaufgabe zur Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags, ist die im Jahr der ursprünglichen Vornahme des Gewinnabzugsbetrags eintretende Gewinnerhöhung Teil des laufenden Gewinns.

BFH Urteil vom 27.04.2016 – X R 16/15 BFH/NV 2016, 1444

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte einen Textil-Einzelhandel geführt. Mitte 2010 erklärte sie die Betriebsaufgabe. Zum 31. Dezember 2007 hatte sie Investitionsabzugsbeträge in Höhe von 12.000 EUR nach § 7g Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes gebildet. Mit der Einkommensteuererklärung 2010 reichte sie eine berichtigte Erklärung für 2007 ein, in der sie den Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 3 EStG i.d.F. des UntStRefG rückgängig machte. Die Gewinnerhöhung von 12.000 EUR erklärte sie als begünstigten Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 4 EStG. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) machte den Investitionsabzugsbetrag durch geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 rückgängig und lehnte die Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG ab. Mit der Klage machte die Klägerin in erster Linie die Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG für das Jahr 2007 geltend. Ihren ursprünglichen Hilfsantrag für das Jahr 2010 verfolgt sie in zweiter Instanz nicht mehr.

Begründung:

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Der aus der Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags resultierende Gewinn des Jahres 2007 ist laufender Gewinn, so dass der Klägerin ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG nicht zusteht.

Nach § 16 Abs. 4 EStG wird unter bestimmten persönlichen, im Streitfall nie umstritten gewesenen Voraussetzungen ein Veräußerungsgewinn auf Antrag zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er 45.000 EUR übersteigt. Der Veräußerungsgewinn aus einer Veräußerung eines ganzen Gewerbebetriebs oder Teilbetriebs i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens übersteigt (§ 16 Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils ist für den Zeitpunkt der Veräußerung nach § 4 Abs. 1 EStG oder nach § 5 EStG zu ermitteln (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EStG). Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG gilt als Veräußerung auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs. Bei Ermittlung des Aufgabegewinns treten an die Stelle des nach § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG anzusetzenden Veräußerungspreises nach § 16 Abs. 3 Satz 6 EStG der Veräußerungspreis für die einzelnen dem Betrieb gewidmeten und im Rahmen der Aufgabe veräußerten Wirtschaftsgüter, nach § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG der gemeine Wert der nicht veräußerten Wirtschaftsgüter sowie die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Aufgabe erzielten sonstigen Erträge.

Der durch die Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG i.d.F. des UntStRefG entstehende Gewinn ist nicht Teil des Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinns, insbesondere kein sonstiger im Zusammenhang mit der Aufgabe erzielter Ertrag.

Hatte der Steuerpflichtige eine Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 EStG a.F. für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsgutes gebildet, bis zur Betriebsveräußerung das Wirtschaftsgut aber nicht angeschafft oder hergestellt, so war die Ansparabschreibung aufzulösen. Die Auflösung erfolgte ex nunc und erhöhte als sonstiger Ertrag im zuletzt genannten Sinne den Veräußerungsgewinn. Für Aufgabegewinne konnte nichts anderes gelten. Aufgelöste Ansparabschreibungen nahmen daher an der Begünstigung des § 16 Abs. 4 EStG teil.

An die Stelle der vormaligen Auflösung der Ansparabschreibung ex nunc tritt nach § 7g Abs. 3 EStG i.d.F. des UntStRefG die Rückgängigmachung des Abzugs ex tunc, nämlich in dem Wirtschaftsjahr, in dem der Investitionsabzugsbetrag ursprünglich gebildet worden ist. Dieser Korrekturmechanismus schließt die Zuordnung der dadurch bewirkten Gewinnerhöhung zum begünstigten Aufgabegewinn aus (i.E. ebenso HHR/Meyer, § 7g EStG Rz 5 “Verhältnis zu §§ 16, 34”, HHR/Geissler, § 16 EStG Rz 24 a.E.), auch wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Betriebsaufgabe und der gerade durch die Betriebsaufgabe bedingten Rückgängigmachung nicht zu bestreiten ist.

Die Rückgängigmachung eines zu Lasten des laufenden Gewinns vorgenommenen Abzugs kann sich nur zu Gunsten dieses laufenden Gewinns auswirken. Die Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags hat schon begrifflich zur Folge, dass die Gewinnermittlung des betreffenden Jahres wieder auf dem Zustand vor dem Abzug beruht, und stellt so die vor dem Abzug bestehenden Verhältnisse wieder her. Insofern ist die Gewinnerhöhung durch Rückgängigmachung in Wahrheit eine Aufhebung der ursprünglichen Gewinnminderung. Wäre sie Teil eines begünstigten Veräußerungs- oder Aufgabegewinns, hätte der zwischenzeitlich vorgenommene Abzug einen Teil des ursprünglich laufenden Gewinns in einen begünstigten Gewinn umgewandelt. Eine derartige Umwidmung wäre gerade keine Rückgängigmachung mehr.

Vielmehr können Ereignisse, die zwar von dem Zeitpunkt der Betriebsaufgabe ausgehen, steuerrechtlich jedoch auf frühere Zeitpunkte oder Zeiträume zurückwirken, den Aufgabegewinn nicht beeinflussen. Das gilt unabhängig davon, ob diese Rückwirkung verfahrensrechtlich auf § 7g Abs. 3 Satz 2, 3 EStG i.d.F. des UntStRefG oder auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zu stützen ist. Die steuerliche Rückwirkung ist eine Frage des materiellen Rechts. Ereignisse mit steuerlicher Rückwirkung zeitigen ihre steuerliche Wirkung nicht in dem Veranlagungszeitraum, in dem sie sich ereignen, sondern in dem Veranlagungszeitraum, für den sie steuerlich von Bedeutung sind. Folgerichtig und damit korrespondierend sind dann aber nicht nur spätere Ereignisse, die Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Veräußerung oder Aufgabe haben, in die Ermittlung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns einzubeziehen, sondern umgekehrt auch Ereignisse, die zwar im Zusammenhang mit der Veräußerung oder Aufgabe stehen, aber Rückwirkung auf frühere Zeitpunkte haben, aus der Ermittlung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns auszuklammern. Eine Betriebsaufgabe kann grundsätzlich auch den laufenden Gewinn beeinflussen.

Dies entspricht der Behandlung rückwirkender Ereignisse nach Betriebsveräußerung und -aufgabe. Bei der Veräußerung eines Gewerbebetriebs wirken spätere Veränderungen des Veräußerungspreises nach Maßgabe von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurück und beeinflussen so rückwirkend den Veräußerungsgewinn, und zwar unabhängig davon, welche Gründe für die Minderung oder Erhöhung des Erlöses maßgebend waren.

Wenn für die Möglichkeit, den Veräußerungsgewinn rückwirkend zu ändern, die Gründe der Änderung nicht maßgeblich sind, ist es außerdem konsequent, dass für die steuerlichen Folgen aus der Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags, namentlich die Qualifikation als laufender Gewinn, die Gründe der Änderung ebenfalls nicht maßgebend sind. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Rückgängigmachung auf einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe oder auf sonstigen Gründen beruht.