Klärung der Höhe des Verlustrücktrags im Rücktragsjahr

Unabhängig von dem Änderungsrahmen des § 177 Abs. 1 AO ist über die Höhe des Verlustrücktragsvolumens im Rücktragsjahr zu entscheiden.
BFH Beschluss vom 09.02,2017-X B 49/16
Sachverhalt:
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte im Streitjahr 2010 gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Zimmerei. Da er seine Einkommensteuererklärung zunächst nicht einreichte, schätzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) die Besteuerungsgrundlagen. Diese Einkommensteuerfestsetzung wurde bestandskräftig.
Aufgrund eines Verlustrücktrags aus dem Jahr 2011 in das Streitjahr in Höhe von 17.047 EUR setzte das FA die Einkommensteuer im Änderungsbescheid vom 14. April 2014 auf 1.780 EUR herab.
Nach einer steuerlichen Außenprüfung verringerte das FA den Verlustrücktrag auf 9.659 EUR und erhöhte die Einkommensteuerfestsetzung auf 3.882 EUR. Im sich hieran anschließenden Einspruchsverfahren reichte der Kläger seine Einkommensteuererklärung nach und begehrte die Berücksichtigung des dort angegebenen Gewinns sowie der von ihm erklärten Vorsorgeaufwendungen. Außerdem verlangte er die Berücksichtigung des Verlustrücktrags aus dem Jahr 2011 in der ursprünglichen Höhe.
Begründung:
Die Beschwerde des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Ausweislich des Tatbestands des FG-Urteils (dort S. 2) hat sich der Kläger neben der Berücksichtigung eines Verlustrücktrags aus dem Jahr 2011 in einer solchen Höhe, dass sich eine Einkommensteuerfestsetzung auf 0 EUR ergebe, auch (ausdrücklich) gegen die Erhöhung des Gewinns aus Gewerbebetrieb um den hinzugeschätzten Kassenfehlbetrag gewandt. Zu diesem Klagegegenstand schweigt das FG-Urteil. Soweit es auf den Verlustrücktrag aus dem Jahr 2011 eingeht, erläutert das FG nur, warum § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG einen höheren Verlustrücktrag, wie vom Kläger begehrt, hier nicht möglich mache und verweist insoweit auf den Änderungsrahmen nach § 177 Abs. 1 AO. Bezugnahmen auf andere FG-Entscheidungen zwischen den Beteiligten oder die Einspruchsentscheidung hinsichtlich der Höhe der Kassendifferenzen in den Folgejahren enthält das FG-Urteil nicht.
Ein Eingehen auf die Höhe der Gewinnschätzung im Streitjahr wäre aber erforderlich gewesen, um dem Kläger so nicht nur die Möglichkeit zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Hinzuschätzung zu geben, sondern es ihm auch zu ermöglichen das Volumen seines Verlustrücktrags zu bestimmen. Denn anders als im Fall eines Verlustvortrags wird über den nach § 10d Abs. 1 EStG als Verlustrücktrag abgezogenen Betrag nicht im Feststellungsverfahren nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG entschieden, das (erstmals) im Jahr der Verlustentstehung durchzuführen ist, sondern im Rahmen der Entscheidung zur Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte des Rücktragsjahres.
Eine Entscheidung im Verlustrücktragsjahr über die nach § 10d Abs. 1 EStG als Verlustrücktrag “abgezogenen… Beträge” als Grundlage der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs im Verlustentstehungsjahr gemäß § 10d Abs. 4 EStG setzt eine Entscheidung zur Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte des Rücktragsjahres voraus. Diese Größe bestimmt einerseits das Maximalvolumen für den Verlustrücktrag, ist andererseits aber zugleich Grundlage für die Ausübung des den Feststellungsbescheid des Verlustentstehungsjahres betreffenden Antrags gemäß § 10d Abs. 1 Satz 5 EStG, vom Verlustrücktrag im konkreten Streitfall (teilweise) abzusehen. Diese Entscheidung, die aus dem Verlustfeststellungsbescheid des Verlustentstehungsjahres nicht abzuleiten ist und –umgekehrt– auch nicht selbst mit Grundlagenwirkung i.S. des § 171 Abs. 10 AO für diesen Feststellungsbescheid des Verlustentstehungsjahres ausgestattet ist, begründet eine Beschwer des Steuerpflichtigen. Denn im Rücktragsjahr ist nicht über die Höhe des (hier: in 2011) entstandenen Verlusts, sondern verbindlich darüber zu entscheiden, in welcher Höhe mit Blick auf die in diesem Veranlagungszeitraum verwirklichten Besteuerungsmerkmale ein Verlustrücktrag in Betracht kommt; diese Entscheidung über die Höhe der “abgezogenen… Beträge” geht als Berechnungsgrundlage in den Feststellungsbescheid des Verlustentstehungsjahres ein, ohne dort selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlage zu sein.
Vorliegend war also im Rahmen der streitigen Einkommensteuerfestsetzung über die Höhe des Verlustrücktrags zu entscheiden. Eine solche Entscheidung setzte voraus, dass sich das FG über die Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte Klarheit verschaffte. Insoweit musste es über die Höhe der Gewinnschätzung entscheiden, unabhängig von dem Änderungsrahmen des § 177 Abs. 1 AO. Dies musste das FG in den Entscheidungsgründen den Beteiligten darlegen und erläutern.