Überversorgungsprüfung für Pensionsrückstellungen

An den Grundsätzen der sog. Überversorgungsprüfung bei der stichtagsbezogenen Bewertung von Pensionsrückstellungen wird festgehalten.
Auch wenn bei der Prüfung stichtagsbezogen auf die “aktuellen Aktivbezüge” des Zusageempfängers abzustellen ist, kann es bei dauerhafter Herabsetzung der Bezüge geboten sein, den Maßstab im Sinne einer zeitanteiligen Betrachtung zu modifizieren (gl.A. BMF-Schreiben vom 3. November 2004, BStBl I 2004, 1045, Rz 19).
Die “aktuellen Aktivbezüge” umfassen auch variable Gehaltsbestandteile, die im Rahmen einer Durchschnittsberechnung für die letzten fünf Jahre zu ermitteln sind (gl.A. BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 1045, Rz 11).
Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung prägen das –durch die betriebliche Altersversorgung zu ergänzende– Versorgungsniveau auch dann, wenn sie im Wesentlichen auf eigenen Beitragsleistungen beruhen.
BFH Urteil vom 20.12.2016 – I R 4/15
Sachverhalt:
Streitig sind die Bewertung einer Verpflichtung aus einer Pensionszusage und der einkommens- und gewerbeertragserhöhende Ansatz von verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA).
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine im Jahr 1991 errichtete GmbH, betrieb auch in den Jahren 2005 bis 2007 (Streitjahre) ein handwerkliches Unternehmen. Der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag mit dem damals alleinigen Gesellschafter C (geb. 1941) sah zunächst ein Bruttomonatsgehalt von 7.000 DM zzgl. Tantieme in Höhe von “bis zu 50 % vom Jahresüberschuss vor Steuer nach Feststellung der Bilanz” vor. Eine Regelung zur privaten Nutzung eines betrieblichen Kfz enthielt der Vertrag nicht. Die Klägerin stellte zudem die Söhne des C (D, geb. 1967, und E, geb. 1970) als reguläre Arbeitskräfte an.
Im Dezember 1993 erteilte die Klägerin dem C eine Versorgungszusage (unverfallbarer Anspruch auf ein unveränderliches Ruhegehalt von 6.000 DM p.M. ab Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. auf Hinterbliebenenversorgung). Die Klägerin schloss mit der… Versicherung (F) eine nicht dynamisierte (partielle) Rückdeckungsversicherung ab und leistete einen jährlichen Beitrag in Höhe von 19.063 DM; die Ansprüche aus der Versicherung verpfändete sie an C. Mit der Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 1998 übersandte die Klägerin die Anlage WA und machte unter “Vergütungen an Anteilseigner und ihnen nahestehende Personen” Angaben zur Zuführung zu Pensionsrückstellungen in Höhe von 54.444 DM.
Begründung:
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, da das FG rechtsfehlerhaft von einer einkommens- und gewerbeertragswirksamen Kürzung der Rückstellung für die Pensionsverpflichtung der Klägerin sowie von einem Ansatz von vGA (anteilige Pensionsleistungen) schon dem Grunde nach abgesehen hat. Die Sache ist allerdings nicht spruchreif und daher an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Bei der Berechnung der sog. Überversorgung sind zugunsten der Klägerin die Aktivbezüge des Begünstigten in einem größeren Umfang einzubeziehen. Die hierzu erforderlichen Feststellungen sind im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
Die Klägerin hatte in den Gewinnermittlungen der Streitjahre für ihre Verpflichtungen aus den Versorgungsversprechen grundsätzlich eine Rückstellung zu bilden (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs). Der Rückstellungsansatz für den Versorgungsanspruch des C verstößt aber gegen § 5 Abs. 6 i.V.m. § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 (Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 i.V.m. Nr. 1 Satz 4) EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (KStG), für die Ermittlung des Gewerbeertrages darüber hinaus i.V.m. § 7 des Gewerbesteuergesetzes.
Gemäß § 6a Abs. 1 EStG darf für eine Pensionsverpflichtung eine Rückstellung (Pensionsrückstellung) nur gebildet werden, wenn der Pensionsberechtigte einen Rechtsanspruch auf einmalige oder laufende Pensionsleistungen hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG), die Pensionszusage keinen Vorbehalt hinsichtlich der Minderung oder des Entzugs der Pensionsanwartschaft oder -leistung enthält (§ 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG) und die Pensionszusage schriftlich erteilt ist (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG). Die Rückstellung ist höchstens mit dem Teilwert der Pensionsverpflichtung anzusetzen (§ 6a Abs. 3 Satz 1 EStG); der Wert ist in § 6a Abs. 3 Satz 2 EStG geregelt. Dabei sind nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG Erhöhungen oder Verminderungen der Pensionsleistungen nach dem Schluss des Wirtschaftsjahrs, die hinsichtlich des Zeitpunkts ihres Wirksamwerdens oder ihres Umfanges ungewiss sind, bei der Berechnung des Barwerts der künftigen Pensionsleistungen und der Jahresbeträge erst zu berücksichtigen, wenn sie eingetreten sind. Entsprechendes gilt für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses des Pensionsberechtigten (§ 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG).
Die hieraus sich ergebende Berechnung des Teilwerts nach dem sog. Stichtagsprinzip lässt sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Falle einer Zusage von Versorgungsbezügen in Höhe fester Beträge nicht durch eine entsprechend höher bemessene Versorgung umgehen. Eine solche Höherbemessung, die als Vorwegnahme künftiger Entwicklungen anzusehen sein kann, führt als sog. Überversorgung zur anteiligen Kürzung der Pensionsrückstellung, und zwar typisierend dann, wenn (und soweit) die Versorgungsanwartschaft zusammen mit der Rentenanwartschaft aus der gesetzlichen Rentenversicherung 75 % der am Bilanzstichtag bezogenen Aktivbezüge übersteigt. Im Hinblick auf die Schwierigkeit, die letzten Aktivbezüge und die zu erwartenden Sozialversicherungsrenten zu schätzen, hat der BFH zur Prüfung einer möglichen Überversorgung auf die vom Arbeitgeber während der aktiven Tätigkeit des Begünstigten im jeweiligen Wirtschaftsjahr tatsächlich erbrachten Arbeitsentgelte abgestellt. Das Überschreiten der dort angeführten Grenze deutet regelmäßig auf einen Verstoß gegen § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG hin
ie dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen ist, zielt die Regelung darauf, auf der Grundlage einer stichtagsbezogenen Bewertung und möglicherweise abweichend vom allgemeinen Teilwertbegriff des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG (“gilt als Teilwert”) einen zum Bilanzstichtag “überhöhten” Ansatz, der auf der Annahme eines ansteigenden säkularen Einkommenstrends beruht, auszuschließen. Damit soll vermieden werden, dass Aufwand vorgezogen wird, der bei üblicher Leistungsplangestaltung erst in künftigen Perioden verrechnet werden kann. Der IV. Senat des BFH hat hierzu im mit Blick auf die Gleichbehandlung von Festbetragszusagen und teildynamisierten Pensionszusagen erläutert, dass der allgemeine Grundsatz, “daß künftige Erhöhungen oder Verminderungen der Pensionsleistungen, die hinsichtlich des Zeitpunkts ihres Wirksamwerdens oder ihres Umfangs ungewiß sind, bei der Rückstellungsbildung erst berücksichtigt werden dürfen, wenn sie eingetreten sind”, auch Gegenstand der insoweit “klarstellenden” Neufassung des § 6a Abs. 3 EStG.
Dass die im Urteil erörterte arbeitsrechtliche Ausgangslage (zur einseitigen Absenkung des Versorgungsversprechens) inzwischen abweichend zu würdigen sein könnte, berührt die im vorliegenden Verfahren allein maßgebliche Auslegung des Gesetzestextes nicht. Zum einen beruht die Entscheidung nicht auf einer “abschließend(en) arbeitsrechtlich(en)” Beurteilung der dortigen streitgegenständlichen Pensionszusagen. Zum anderen bezieht sich der steuerrechtliche Maßstab der Überversorgung unabhängig von arbeitsrechtlichen Maßgaben ausschließlich auf die aus § 6a EStG abzuleitende Bewertung der Versorgungsanwartschaft). Insoweit geht es auch nicht darum, das Versorgungsversprechen (im Sinne der zivilrechtlichen Verpflichtung) “steuerrechtlich nicht anzuerkennen” oder “Versorgungshöchstgrenzen” aufzustellen; tragend ist vielmehr die stichtagsbezogene Bewertung, die dem Zweck des betrieblichen Versorgungsversprechens (“Schließen einer ‘Versorgungslücke'”) entspricht, zugleich aber die Höhe der gewinnmindernden Rückstellungen begrenzt und damit die Berücksichtigung einer sog. Überversorgung auf der Grundlage einer indiziellen Würdigung vermeidet. Dies ist auch bei einem Versorgungsversprechen einer Kapitalgesellschaft an ihren Anteilseigner keine Frage der Veranlassung aus dem Gesellschaftsverhältnis (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG).
Hiernach hält das FG der sog. Überversorgungs-Rechtsprechung zu Unrecht entgegen, sie orientiere sich nicht an klaren und eindeutigen Parametern. Insbesondere ist auch der Begriff der “am Bilanzstichtag bezogenen Aktivbezüge” –wie aufgezeigt– Gegenstand der Gesetzesauslegung.
Dass –so das FG– die Anknüpfung an die “aktuellen Aktivbezüge” bei Gesellschafter-Geschäftsführern zu einem “unüberwindbaren Spannungsfeld” führe, da man die Vergütung nach erteilter Zusage möglichst am oberen Ende der zulässigen Bandbreite des Fremdüblichen halten müsse, um nicht eine Überversorgung auszulösen, kann für die alle Direktzusagen betreffende stichtagsbezogene Bewertung einer Pensionsrückstellung in § 6a EStG nicht ausschlaggebend sein. Jedenfalls ist in der Senatsrechtsprechung anerkannt, dass es im Zuge einer Verminderung des Gehalts in einer Unternehmenskrise (d.h. bei einer nur vorübergehenden betriebsbedingten Gehaltsherabsetzung) nicht zwingend sofort zu einer Absenkung der Versorgung kommen muss, um einen Verstoß gegen die Überversorgungsgrundsätze zu vermeiden. Wenn den Anforderungen an das Schriftlichkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG genügt ist, kann insoweit von der Annahme einer Überversorgung abzusehen sein.
Ein solcher Ausnahmefall liegt aber hier nicht vor. Von einer “Unternehmenskrise” kann mit Blick auf die durch die Anteilsübertragungen an die Söhne des vormaligen Alleingesellschafters und die weiteren Geschäftsführerbestellungen in Gang gesetzte Generationennachfolge nicht die Rede sein. Vielmehr ist für C sechs Jahre vor der Fälligkeit des Versorgungsversprechens eine dauerhafte Gehaltskürzung vereinbart worden, die ein Abweichen von den beschriebenen Überversorgungsgrundsätzen –und damit der grundsätzlichen Maßgabe des am Bilanzstichtag aktuell bezogenen Gehalts– ebenso wenig rechtfertigt wie die Situation einer Neuzusage.
Dem lässt sich nicht mit Erfolg der Gesichtspunkt eines gesetzgeberischen Förderungsgedankens zur sog. Altersteilzeit entgegenhalten. Denn es ist nicht ersichtlich, dass diesem Gesichtspunkt auch bei der Grenzbestimmung im Rahmen des Stichtagsprinzips Bedeutung zukommen sollte.
Auch wenn hiernach für die stichtagsbezogene Überversorgungsprüfung auf die jeweils aktuellen Bezüge abzustellen ist, darf in der soeben (zu cc) beschriebenen Situation einer Herabsetzung der Bezüge nicht außer Acht bleiben, dass eine Überversorgung im Einzelfall erst infolge der Herabsetzung eingetreten sein kann. Dann muss durch eine zeitanteilige Aufteilung gewährleistet werden, dass die Bewertungsbegrenzung nicht in einen Anwartschaftsteil hineinwirkt, der zu den früheren Stichtagen jeweils nicht “überversorgend” war.
Die Aktivbezüge werden im Übrigen nicht ausschließlich durch die Festbezüge bestimmt. Einzubeziehen sind –wie auch im BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 1045 Rz 11 vorgesehen– ebenfalls variable Gehaltsbestandteile; maßgebend hierfür ist eine Durchschnittsberechnung, die sich –in Anlehnung an § 34 Abs. 1 EStG und mit Blick auf die verwaltungsmäßige Handhabbarkeit– auf die vergangenen fünf Jahre beziehen kann. Nach den Feststellungen des FG hat C in den Jahren 2003 und 2004 Tantiemen bezogen; für eine (fünfjährige) Durchschnittsberechnung fehlt allerdings die Feststellung zum Tantiemebezug in 2001.
Dem FG ist ebenfalls nicht darin zu folgen, Komponenten aus dem berechnungsrelevanten –gerade durch einen Anspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung geprägten– Versorgungsniveau unter dem Gesichtspunkt auszuscheiden, dass sie auf eigenen Leistungen des Versorgungsanwärters beruhen.
Der Gesichtspunkt der sog. Überversorgung baut auf der Überlegung auf, dass der Arbeitgeber eine lebensstandardbewahrende Versorgung zusagt, indem er eine “nach der gesetzlichen Rentenversicherung verbleibende Versorgungslücke von etwa 20 bis 30 v.H. der letzten Aktivbezüge” schließt.
Insoweit ist es sachgerecht, dass –wie im BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 1045 Rz 12 vorgesehen– für die Prüfung der Grenze sämtliche am Bilanzstichtag durch den Arbeitgeber vertraglich zugesagten Altersversorgungsansprüche (insbesondere Direktzusage, Direktversicherung) einschließlich der zu erwartenden Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung herangezogen werden. Die gesetzliche Rente ist für eine Mehrzahl der Fälle die tragende Säule der Versorgung – dies sowohl mit Blick auf die Anspruchshöhe als auch die Durchsetzbarkeit des Anspruchs; nicht zuletzt lässt sich diese Versorgung durch die zuverlässigen Mitteilungen des gesetzlichen Trägers auch ohne weitere Schwierigkeiten in der Besteuerungspraxis einbeziehen. Einer weiteren Differenzierung der gesetzlichen (Renten-)Versorgung bedarf es bei der hier gebotenen Typisierung nicht. Sie würde im Übrigen gerade zu der vom FG beklagten Notwendigkeit führen, Details der Versorgungssituation (z.B. mit Rücksicht auf einen früheren Versorgungsausgleich, Berufsausbildungszeiten oder einen Anspruch aus einem ausländischen Versicherungssystem) gegenüber dem Arbeitgeber offenzulegen. Demgemäß müssen auch Einzelfragen zur Finanzierung der gesetzlichen Versorgung des C (hier: die fehlenden Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung der DDR) unberücksichtigt bleiben.