Aufteilung eines Erstattungsbetrages auf zusammenveranlagte Ehegatten

Werden Einkommensteuer-Vorauszahlungen für zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute geleistet, kann aus der Sicht des Finanzamts als Zahlungsempfänger mangels entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen aufgrund der zwischen den Eheleuten bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft angenommen werden, dass derjenige Ehegatte, der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehepartners begleichen will (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).

Das hat zur Folge, dass bei einer Überzahlung beide Ehegatten erstattungsberechtigt sind. Der Erstattungsbetrag ist zwischen ihnen hälftig aufzuteilen. Allein der Umstand, dass über das Vermögen des anderen Ehegatten das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Die Entscheidung über die Aufteilung eines Erstattungsbetrags auf Ehegatten ist nicht notwendigerweise einheitlich zu treffen, weswegen keine Pflicht zur Beiladung des anderen Ehegatten nach § 60 Abs. 3 FGO Satz 1 besteht.
Eine notwendige Beiladung nach § 218 Abs. 3 AO i.V.m. § 174 Abs. 5 AO ist in Fällen, in denen das Finanzamt den diesbezüglichen Antrag (§ 174 Abs. 5 Satz 2 AO) nicht gestellt hat, nicht geboten.

BFH Beschluss vom 20.02.2017 – VII R 22/15 BFH/NV 2017, 906

Begründung:

Die Revision ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung des vom FA seiner Ehefrau zugerechneten hälftigen Betrags hat und dass der angefochtene Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) rechtmäßig ist.

Nach § 37 Abs. 2 AO ist erstattungsberechtigt (Erstattungsgläubiger), auf dessen Rechnung eine Zahlung ohne rechtlichen Grund bewirkt worden ist. Das ist nach der Rechtsprechung des BFH derjenige, dessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte, wobei es nicht darauf ankommt, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist.
D
iese Grundsätze gelten auch für den Fall, dass mehrere Personen als Gesamtschuldner die überzahlte Steuer schulden, wie es bei zusammen veranlagten Ehegatten hinsichtlich der Einkommensteuer und der daran anknüpfenden Steuer der Fall ist (§ 26b EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann das FA als Zahlungsempfänger in Ermangelung entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen, solange die Ehe besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben, davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will und dass die Zahlung der Einkommensteuer auf Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden ist. Dabei sind für die Beurteilung der mit der Zahlung verfolgten Absicht diejenigen Umstände zu berücksichtigen, die dem FA im Zeitpunkt der Zahlung erkennbar waren. Das hat zur Folge, dass beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO erstattungsberechtigt sind. Der Erstattungsbetrag ist dann –wie im Streitfall auch geschehen– zwischen beiden Ehegatten nach Köpfen aufzuteilen.

Die Umstände, dass die gegen den Kläger festgesetzten Einkommensteuer-Vorauszahlungen 2010 auf dessen Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) beruhen und dass er für den streitgegenständlichen Abrechnungszeitraum sämtliche Vorauszahlungen geleistet hat, führen nicht dazu, dass das FA im maßgeblichen Zeitpunkt, in dem die Einkommensteuer-Vorauszahlungen vom Konto des Klägers abgebucht worden sind, von einer abweichenden Tilgungsbestimmung des Klägers hätte ausgehen müssen.

Dass über das Vermögen der Ehefrau des Klägers am 14. August 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und dass der Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid (auch) dem in diesem Verfahren bestellten Insolvenzverwalter zugestellt wurde, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Nach den Feststellungen des FG, gegen die keine Verfahrensrügen erhoben worden sind und an die der Senat infolgedessen nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, hat der Kläger den Abbuchungen von seinem Konto nicht widersprochen und gegenüber dem FA im Zeitpunkt der Abbuchung keine ausdrückliche Tilgungsbestimmung getroffen. Wie der erkennende Senat entschieden hat, gibt allein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Ehegatten keinen zwingenden Hinweis auf eine bestimmte Tilgungsabsicht, so dass im Zeitpunkt der Bewirkung der Vorauszahlungen nicht ohne
Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die Vorauszahlungen allein auf Rechnung des vom Insolvenzverfahren nicht betroffenen Ehegatten bewirkt werden sollten. Das FA muss nämlich in diesem Zeitpunkt keine Vermutungen über eine bestimmte wirtschaftliche Interessenlage auf Seiten des steuerpflichtigen Ehegatten für den Fall anstellen, dass die Vorauszahlungen später zu einem Erstattungsanspruch führen könnten. Ebenso ist es nicht gehalten, Vermutungen darüber anzustellen, ob das Insolvenzverfahren andauert oder ob der Anspruch ggf. nachträglich der Insolvenzmasse zugeführt wird.

Bei der rechtlichen Beurteilung hat sich der Senat bei seiner Entscheidung von den Überlegungen leiten lassen, dass es auch während eines Insolvenzverfahrens eines der Ehegatten durchaus Gründe für den anderen Ehegatten geben kann, Steuervorauszahlungen auf Rechnung beider Ehegatten zu bewirken und dass gerade bei nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die noch bestehende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft der Grund für den nicht insolventen Ehepartner sein kann, bei einer bestehenden Gesamtschuld auch auf die Schuld des jeweils anderen Ehegatten zu leisten, um diesen zu unterstützen, seine Gläubiger zu befriedigen und somit zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens beizutragen, zu der es im Streitfall auch gekommen ist.

Entgegen der Auffassung der Revision kann eine abweichende Tilgungsbestimmung des Klägers auch nicht daraus abgeleitet werden, dass das FA die Vorauszahlungsbescheide vom 4. März und vom 12. April 2010 nicht nur dem Prozessbevollmächtigten des Klägers, sondern auch dem Insolvenzverwalter bekannt gegeben hat. Entscheidend ist, dass der Kläger auf die ihm bekannt gegebenen Bescheide die festgesetzten und geschuldeten Einkommensteuer-Vorauszahlungen tatsächlich geleistet und dabei keine Tilgungsbestimmung getroffen hat. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob das FA den für das Insolvenzverfahren seiner Ehefrau bestellten Insolvenzverwalter aufgrund der Gesamtschuldnerschaft zu Recht als zusätzlichen Bekanntgabeadressaten der Bescheide ansehen konnte, zumal die Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen gegenüber dem Kläger selbst bei einer rechtsfehlerhaften Bekanntgabe der Vorauszahlungsbescheide gegenüber dem Insolvenzverwalter unberührt bliebe.

Trotz der Bekanntgabe der Vorauszahlungsbescheide an den Insolvenzverwalter konnte das FA in Ermangelung einer anderweitigen Tilgungsbestimmung von einer Zahlung des Klägers auch auf die Steuerschuld seiner Ehefrau ausgehen. Denn die Vorauszahlungen schuldeten die Ehegatten als Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 AO), so dass das FA erwarten konnte, dass zumindest der Kläger die Gesamtschuld begleichen werde. Jedenfalls musste es nicht davon ausgehen, dass allein aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der dadurch veranlassten Einzelbekanntgabe an den Kläger und an den Insolvenzverwalter der Kläger Zahlungen nur auf seine eigene Steuerschuld leisten würde.

Unbeachtlich für die Bestimmung des Tilgungswillens des Klägers ist der Umstand, dass im Fall der Insolvenz eines der Ehegatten das Veranlagungswahlrecht durch den Insolvenzverwalter ausgeübt wird, denn nach den Feststellungen des FA waren der Kläger und seine Ehefrau im maßgeblichen Zeitpunkt der Leistung der Vorauszahlungen noch zusammen veranlagt. Einen Antrag auf Aufhebung der Zusammenveranlagung hat der Insolvenzverwalter nicht gestellt.

Das FG war nicht verpflichtet, die Ehefrau des Klägers gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO beizuladen. Nach dieser Bestimmung sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, (notwendig) beizuladen. Ein Fall der notwendigen Beiladung liegt im Streitfall jedoch nicht vor. Wie der erkennende Senat entschieden hat, reicht der Umstand, dass zusammen veranlagten Ehegatten nicht mehr als 100 % der in den Zusammenveranlagungsbescheiden durch Anrechnung der von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einbehaltenen Lohnsteuer festgestellten Erstattungsbeträge erstattet werden dürfen, nicht aus, um die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung gegenüber den Ehegatten zu begründen, denn über Steuerschulden und Guthaben von Steuerpflichtigen wird im Steuererhebungsverfahren grundsätzlich gegenüber jedem Steuerpflichtigen gesondert und einzeln entschieden, auch wenn mehrere Steuerpflichtige im Steuerfestsetzungsverfahren bei Zusammenveranlagung von Eheleuten als Einheit behandelt worden sind und daher die festgesetzte Steuer als Gesamtschuldner schuldeten.

Auch nach der Änderung des § 218 AO durch das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22. Dezember 2014 (BGBl I 2014, 2417), mit dem in § 218 Abs. 3 AO eine Regelung eingefügt worden ist, nach der nachträglich gegenüber dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person die entsprechenden steuerlichen Folgerungen gezogen werden können, wenn eine Anrechnungsverfügung oder ein Abrechnungsbescheid auf Grund eines Rechtsbehelfs oder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder eines Dritten zurückgenommen und in dessen Folge ein für ihn günstigerer Verwaltungsakt erlassen wird, gilt die angeführte BFH-Rechtsprechung weiterhin. Denn ausweislich der Gesetzesbegründung (BTDrucks 18/3017, S. 35) soll die neue Regelung nur in den Fällen gelten, in denen der andere Ehegatte oder Lebenspartner an dem Verfahren, das zur Aufhebung geführt hat, beteiligt wurde. Hierzu verweist § 218 Abs. 3 Satz 2 AO auf die entsprechende Geltung des § 174 Abs. 4 und 5 AO. Hinsichtlich der Rechtswirkungen gegenüber Dritten stellt § 174 Abs. 5 Satz 1 AO auf die Beteiligung des Dritten an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, ab. In diesem Zusammenhang bestimmt § 174 Abs. 5 Satz 2 AO, dass die Hinzuziehung oder Beteiligung Dritter zu diesem Verfahren zulässig ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH hat die danach für zulässig zu erachtende Beiladung jedoch nur dann zu erfolgen, wenn die Finanzbehörde diese veranlasst oder beantragt hat. Der Gesetzesbegründung kann nicht entnommen werden, dass § 218 Abs. 3 AO in jedem Fall –insbesondere bei der Beteiligung eines Ehegatten– von einer notwendigen Beiladung des Dritten nach § 60 Abs. 3 FGO ausgeht. Im Streitfall hat das FA den von der Rechtsprechung geforderten Antrag nicht gestellt, weshalb eine notwendige Beiladung nach § 218 Abs. 3 i.V.m. § 174 Abs. 5 AO nicht geboten war. Zudem ist im Streitfall der Abrechnungsbescheid weder auf Grund eines Rechtsbehelfs noch auf Grund eines Antrags des Klägers oder dessen Ehefrau zurückgenommen worden, so dass bereits aus diesem Grund der Anwendungsbereich des § 218 Abs. 3 AO nicht eröffnet ist.
E
ntgegen der Ansicht der Revision bestand für das FG kein Anlass, den Sachverhalt hinsichtlich der von den Ehegatten erteilten Einzugsermächtigung weiter aufzuklären (§ 76 Abs. 1 FGO). Nach den Feststellungen des FG hat das FA die festgesetzten Vorauszahlungsbeträge vom Konto des Klägers abgebucht, so dass die Steuerschuld getilgt worden ist. Aus der Sicht des FG bestand daher kein Anlass, an der Wirksamkeit der von beiden Ehegatten erteilten Einzugsermächtigung zu zweifeln, zumal selbst eine unwirksam erteilte Einzugsermächtigung nichts an der Überzahlung und der Entstehung des streitgegenständlichen Erstattungsanspruchs geändert hätte. Daher hätte sich dem FG die Frage nicht aufdrängen müssen, ob die Ehefrau des Klägers aufgrund des Insolvenzverfahrens noch die rechtliche Befugnis hatte, die Ermächtigung selbst zu erteilen. Im Übrigen hat das FG festgestellt, dass nur der Kläger Kontoinhaber war, so dass auch nur er über das Guthaben verfügen konnte. Dass er selbst die Einzugsermächtigung unterschrieben und damit die Abbuchungen ermöglicht hat, bestreitet die Revision nicht.