Zur Steuerbarkeit der in einem Freihafen zu behandelnden Umsätze innerhalb eines Organkreises

Leitsatz
§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStG bewirkt nicht, dass eine im Freihafen ansässige Organgesellschaft als im Inland ansässig gilt.
Die Beschränkung der Wirkungen der Organschaft auf das Inland verstößt weder gegen Unionsrecht noch gegen Verfassungsrecht.
BFH v. 22.2.2017 – XI R 13/15, BFH/NV 2017,1001

Sachverhalt:
Der BFH sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie die Umsätze in einem Freihafen bei einer bestehenden Organschaft zu beurteilen sind. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war eine
Holding-Gesellschaft, die im Streitjahr 2007 sowohl unmittelbar als auch mittelbar Beteiligungen an diversen Produktions- und Vertriebsgesellschaften hielt. Zu den Tochtergesellschaften
der Klägerin gehörte auch eine im Hamburger Freihafen ansässige Gesellschaft.

Der Freihafen in Hamburg wurde zwischenzeitlich mit Wirkung zum 1.1.2013 aufgehoben.

Begründung:

Die Tochtergesellschaft erbrachte im Streit jahr vornehmlich Theaterleistungen i. S. d. § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG. Den Vertrieb der Eintrittskarten übernahmen Gesellschaften, die eben-
falls dem Organkreis der Klägerin angehörten. Sie handelten dabei im fremden Namen und auf fremde Rechnung. Die Klägerin behandelte die Leistungen gegenüber der im Hamburger Freihafen ansässigen Gesellschaft als nicht steuerbare Umsätze im Rahmen des Organkreises.

Nach Ansicht des BFH sind die Leistungen gegenüber der im Freihafen ansässigen Tochtergesellschaft steuerbar und steuerpflichtig. Es handelt sich nicht um steuerbare Innenumsätze innerhalb eines Organkreises. Der Ort der durch die Klägerin erbrachten sonstigen Leistungen liegt gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 UStG a. F. bzw. § 3a Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 i.V. m. Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG
a. F. im Freihafen. Damit sind die Umsätze grundsätzlich nicht steuerbar, da der Freihafen nicht zum umsatzsteuerlichen Inland gehörte.

Allerdings sieht § 1 Abs.3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStG davon eine Ausnahme vor. Die Umsätze sind “wie Umsätze im Inland” zu behandeln, wenn die Eingangsleistungen ausschließlich oder
zumindest zum Teil für eine nach § 4 Nr. 8 bis 27 steuerfreie (vorsteuerschädliche) Tätigkeit verwendet werden. Da hier die Leistungen für steuerfreie Leistungen nach § 4 Nr. 20 UStG verwendet wurden, verlagert sich der Ort der Eingangsleistungen in das Inland. Damit liegen aufgrund dieser Fiktion im Inland steuerbare Umsätze der Klägerin vor, die auch nicht umsatzsteuerfrei
sind.

Darüber hinaus liegen aber auch nicht die Voraussetzungen für eine Organschaft gegenüber der Tochtergesellschaft im Freihafen vor. Zwar war die Tochter unstreitig finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich in das Unternehmen der Klägerin eingegliedert, jedoch beschränken sich die Auswirkungen der Organschaft auf das Inland (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG).

Für die Beurteilung der Organschaft liegt hier nach Auffassung des BFH kein im Inland gelegener Unternehmensteil vor. Der BFH wendet hier somit zwei unterschiedliche Inlandsbegriffe an. Für die Frage des Ortes der erbrachten sonstigen Leistungen liegt der Freihafen fiktiv im Inland.
In Bezug auf die umsatzsteuerrechtliche Organschaft liegt der Freihafen jedoch im Drittland, so dass die Wirkungen der Organschaft nicht durchgreifen können.