Einkommensbesteuerung Alleinerziehender, wenn der andere Elternteil keinen Barunterhalt leistet

Daraus, dass der andere Elternteil seiner Barunterhaltsverpflichtung nicht nachkommt, kann kein Anspruch auf einen höheren Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) abgeleitet werden.

Eine mehrfache Freistellung des Existenzminimums eines Kindes ist nicht geboten (Anschluss an BVerfG-Beschluss vom 27. Juli 2010 2 BvR 2122/09 BFH/NV 2010, 1994).

Ein Alleinerziehender kann weder wegen der Unterhaltsleistungen an seine Kinder noch wegen seiner besonderen Belastungssituation als Alleinerziehender außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend machen.

Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass eigenes Einkommen eines Alleinerziehenden auch insoweit steuerpflichtig ist, als es für den Unterhalt der Kinder eingesetzt wird.

BFH Urteil vom 17.09.2015-III R 36/14 BFH/NV 2016, 545

Sachverhalt:

Streitig ist die Einkommensbesteuerung Alleinerziehender. Die alleinstehende Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Mutter zweier in den Jahren 2001 und 2002 geborener Kinder, die in ihrem Haushalt leben. Der Kindsvater leistet keinen Unterhalt. Die ihm für die Kinder zustehenden Freibeträge gemäß § 32 Abs. 6 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2011 geltenden Fassung (EStG) wurden auf die Klägerin übertragen. Die Klägerin erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Durch Einkommensteuerbescheid vom 12. November 2013 wurde sie vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) für das Streitjahr zur Einkommensteuer veranlagt. Die Steuer wurde unter Anwendung des Grundtarifs und unter Gewährung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende festgesetzt.

Begründung;

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen höheren Entlastungsbetrag für Alleinerziehende.  Das FA hat den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) zutreffend angesetzt. Im Streitjahr 2011 sah § 24b Abs. 1 Satz 1 EStG einen Betrag in Höhe von 1.308 EUR vor. Dieser wurde der Klägerin in vollem Umfang gewährt, wie sich aus der Einspruchsentscheidung vom 10. April 2014 ergibt.

Die Höhe des Entlastungsbetrags begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Zweifeln. Nach der Rechtsprechung des Senats ist § 24b EStG eine verfassungsrechtlich nicht gebotene Begünstigung und damit eine Sozialzwecknorm.Das BVerfG hat diese Rechtsprechung nicht beanstandet. Es hat offen gelassen, ob § 24b EStG einer tatsächlichen Mehrbelastung Rechnung trägt oder allein der sozialen Förderung dient. Selbst für den Fall, dass eine solche die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mindernde Mehrbelastung tatsächlich bestehen sollte, räumt es dem Gesetzgeber bei der Festlegung der Höhe dieses Entlastungsbetrags einen Einschätzungsspielraum ein.

Ein Anspruch auf einen höheren Entlastungsbetrag kann insbesondere nicht daraus abgeleitet werden, dass der andere Elternteil seiner Barunterhaltsverpflichtung nicht nachkommt. Die Grundkonzeption für die steuerliche Berücksichtigung der dem Steuerpflichtigen durch seine Kinder entstehenden finanziellen Belastung ergibt sich aus § 31 Satz 1 EStG. Danach wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch Kindergeld nach Abschnitt X des EStG bewirkt. Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 EStG). Das Gesetz unterscheidet dabei nicht danach, ob die Eltern des Kindes in einem gemeinsamen Haushalt leben.

Berücksichtigt hat der Gesetzgeber dabei auch die Fallkonstellation, dass bei Elternpaaren, welche die Voraussetzungen für die Wahl der Zusammenveranlagung (§ 26 Abs. 1 Satz 1 EStG) nicht erfüllen, einer der Elternteile seiner Unterhaltspflicht nicht im Wesentlichen nachkommt. Insoweit sieht § 32 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 EStG vor, dass auf entsprechenden Antrag der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf den Elternteil übertragen wird, der seiner Unterhaltspflicht im Wesentlichen nachkommt. Unabhängig von der Erfüllung der Unterhaltspflicht kann zudem bei minderjährigen Kindern der dem anderen Elternteil zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf den alleinerziehenden Elternteil übertragen werden (§ 32 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 2 EStG).

Die Gewährung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende steht demgegenüber nicht im Zusammenhang mit der Erfüllung von Unterhaltspflichten, sondern soll eine Kompensation dafür schaffen, dass Alleinerziehende keine Synergieeffekte aus der gemeinsamen Haushaltsführung mit einer anderen erwachsenen Person erzielen können. Im Streitfall wurden bei der Besteuerung der Klägerin sowohl die auf sie entfallenden Kinderfreibeträge und Freibeträge für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf als auch die vom Kindsvater übertragenen Kinderfreibeträge und Freibeträge für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf berücksichtigt. Der Grundfreibetrag für die Klägerin und die Freibeträge für die Kinder sind zusammen höher als die Einkünfte der Klägerin. Dadurch wäre das Einkommen der Klägerin vollumfänglich von Einkommensteuer freigestellt, also insbesondere auch, soweit es der Deckung ihres eigenen Existenzminimums und des von ihr bestrittenen Existenzminimums ihrer Kinder diente.

Einkommensteuer entstand im Streitfall nur, weil die Zahlung von Kindergeld für die Klägerin günstiger war als der Ansatz der für die Berücksichtigung der Kinder vorgesehenen Freibeträge (vgl. § 31 Sätze 2 und 4 EStG). Die Klägerin hat insofern mehr und nicht weniger als das verfassungsrechtlich gebotene Minimum an einkommensteuerrechtlicher Entlastung erhalten. Die Zahlung von Kindergeld bei gleichzeitigem Ansatz von Freibeträgen für das gleiche Kind kann nicht verlangt werden. Eine mehrfache Freistellung des Existenzminimums ist nicht geboten (BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2010, 1994, unter II.1.).

Die Unterhaltsleistungen der Klägerin an ihre Kinder können nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a EStG abgezogen werden. Nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG können zwar Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person bis zu einer bestimmten Höhe vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Voraussetzung hierfür ist aber unter anderem, dass weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld für die unterhaltene Person hat (§ 33a Abs. 1 Satz 4 EStG). Aufwendungen für den Unterhalt eines Kindes des Steuerpflichtigen sind daher insbesondere dann nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG abzugsfähig, wenn das Kind wegen Überschreitens der Altersgrenze nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht mehr für einen Kinderfreibetrag oder für das Kindergeld berücksichtigt wird, sich aber weiterhin in Ausbildung befindet.

Im Streitfall wurde der Abzug demnach zu Recht versagt, da die Klägerin Anspruch auf Kindergeld für ihre Kinder hatte. Dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da eine mehrfache Freistellung des Existenzminimums nicht geboten ist (BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2010, 1994, unter II.1.) und verfassungsrechtlich keine Verpflichtung besteht, Unterhaltsleistungen über das Existenzminimum hinaus steuerrechtlich in voller Höhe zu berücksichtigen. Ein zusätzlicher Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG scheidet bereits mangels Volljährigkeit und mangels auswärtiger Unterbringung der Kinder aus.

Die Klägerin hat auch weder im Hinblick auf die Unterhaltsleistungen an ihre Kinder noch im Hinblick auf ihre Stellung als Alleinerziehende Anspruch auf einen Abzug außergewöhnlicher Belastungen nach § 33 EStG. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird nach § 33 Abs. 1 Satz 1 EStG auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

Die Vorschrift will Fällen Rechnung tragen, in denen das Existenzminimum höher liegt als im Normalfall. Aufwendungen im Sinne der Vorschrift sind bewusste und gewollte Vermögensverwendungen. Die Aufwendungen sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die typischen Aufwendungen der Lebensführung sind dagegen ungeachtet ihrer Höhe im Einzelfall aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen. Sie werden durch den Grundfreibetrag (§ 32a EStG) berücksichtigt. Familienbedingte Aufwendungen sind ab 1996 durch die Regelungen des Familienleistungsausgleichs (Kinderfreibetrag oder Kindergeld) abgegolten.

Danach kann die Klägerin weder wegen der Unterhaltsleistungen an ihre Kinder noch wegen ihrer besonderen Belastungssituation als Alleinerziehende einen Anspruch auf Abzug außergewöhnlicher Belastungen nach § 33 EStG herleiten. Bei den Unterhaltsleistungen handelt es sich schon nicht um außergewöhnliche Aufwendungen, zudem sind sie bereits durch das der Klägerin gewährte Kindergeld berücksichtigt. Die besondere Belastungssituation Alleinerziehender wird durch den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) abgegolten.

Keine Restschuldbefreiung bei Lottogewinn in Millionenhöhe

Beantragt der Steuerschuldner währen der insolvenzrechtlichen Wohlverhaltensphase einen Erlass der restlichen Steuern aus persönlichen Billigkeitsgründen (schlechte wirtschaftliche Lage und daraus angeblich resultierende Gesundheitsprobleme), so kann es den daraufhin gewährten Erlass nach § 130 AO zurücknehmen, wenn sich herausstellt, dass der Steuerschuldner im Zeitpunkt des Erlassantrages einen Lottogewinn in Millionenhöhe verschwiegen hat.

Einem Rechtsstreit hierüber fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn vom Insolvenzgericht eine Restschuldbefreiung erteilt wurde, die nicht mehr widerrufen werden kann.

Es spricht unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Gläubiger im Insolvenzverfahren, dem Sinn und Zweck der Restschuldbefreiung, einem Schuldner einen Verbleib im sog. „Schuldturm” zu ersparen sowie grundlegenden Gerechtigkeitsvorstellungen, bei einer Restschuldbefreiung nicht nur den Anfall einer Erbschaft (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO), sondern auch einen Lottogewinn in Millionenhöhe zu berücksichtigen.

BFH Beschluss vom 09.03.2016 – VB 82/15

Sachverhalt:

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieben einen Gewerbebetrieb. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten wurde am … November 2011 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) meldete Steuerforderungen von 42.710,76 EUR (Kläger) und 1.741,31 EUR (Klägerin) an. Das Verfahren wurde am 12. September 2012 bzw. am 11. Dezember 2012 aufgehoben. Während des dritten Jahres der Wohlverhaltensphase wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 22. August 2014 bzw. die Klägerin mit Schreiben vom 17. September 2014 an das FA und beantragten einen Steuererlass. Der Kläger erhalte eine Altersrente von nur 1.166,38 EUR und die Klägerin von 192,96 EUR. Der Insolvenzantrag belaste die Kläger wirtschaftlich und gesundheitlich schwer. Um das Verfahren zu beenden, hätten sich die Kinder der Kläger bereitgefunden, einen Betrag von 40.000 EUR den Gläubigern zur Verfügung zu stellen, der entsprechend der Konkursquote auf die Gläubiger aufgeteilt werden könne. Nach Zahlung der auf das FA entfallenden Beträge von 5.880 EUR (14,7 %) bzw. von 233,78 EUR (3,6 %) müsse das FA als Gegenleistung erklären, dass sich die Steuerforderungen damit erledigt hätten. Das FA nahm das Angebot an und erklärte am 22. bzw. 29. September 2014 den Erlass der restlichen Steuerschulden.

Nachdem das FA aufgrund einer Grunderwerbsteuermitteilung über den Kauf eines Hauses in der Wohlverhaltensphase erfahren hatte, dass die Kläger im Juli 2014 einen Lottogewinn über 1.010.057 EUR erhalten hatten, nahm es den gewährten Erlass am 15. Dezember 2014 nach § 130 Abs. 2 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) zurück.

Begründung:

Das FG hat das wesentliche Vorbringen des Klägers, wonach der erhebliche Lottogewinn nicht zum Insolvenzvermögen nach § 35 der Insolvenzordnung (InsO) gehört, weil er weder im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch im Zeitraum bis zum Abschluss als Neuvermögen angefallen ist, und er deshalb nicht verpflichtet sei, dem FA hiervon Mitteilung zu machen, im Tatbestand ausführlich wiedergegeben und sich in seinen Gründen damit auseinandergesetzt. Es hat ausgeführt, dass dieser Umstand zwar nicht bei der Feststellung des Insolvenzvermögens, wohl aber bei der Frage der Gewährung eines Billigkeitserlasses für den Erlass der restlichen Steuerschulden zu berücksichtigen sei. Die Kläger haben somit nicht schlüssig einen Verfahrensfehler in Form der Verletzung des rechtlichen Gehörs dargelegt.

Im Übrigen bedarf es keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass das FA bei der Gewährung eines Billigkeitserlasses aus persönlichen Gründen nicht auf bestimmte Erwägungen beschränkt ist, sondern allgemein berücksichtigen kann, dass es nicht der Billigkeit entspricht, Steuerschulden zu erlassen, wenn ein Steuerschuldner sich nicht –wie nach § 227 AO vorausgesetzt– in einer wirtschaftlichen Notlage befindet, sondern aufgrund eines beträchtlichen Lottogewinns die Steuerschulden in einem Schlage hätte tilgen können und dass ein bereits gewährter Erlass nach § 130 AO zurückgenommen werden kann, wenn im Erlassantrag der Lottogewinn verheimlicht und wahrheitswidrig auf eine angeblich wegen der Steuerschulden bestehende schwere Gesundheitsgefährdung hingewiesen wurde.

Es erscheint auch insolvenzrechtlich nicht ausgeschlossen, dass eine Restschuldbefreiung, mit der nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes dem Schuldner ein lebenslänglicher „Schuldturm” erspart werden sollte, dann nicht mehr erforderlich ist und mit den Grundsätzen der Billigkeit nicht mehr zu vereinbaren ist, wenn dies wegen der durch überraschende Umstände völlig geänderten Vermögensverhältnisse nicht mehr erforderlich erscheint. Der mit der Erteilung der Restschuldbefreiung verbundene Eingriff in die Gläubigerrechte ist dann durch sachliche Gründe nicht mehr zu rechtfertigen. Auch in § 295 InsO ist geregelt, dass ein –wie beim Lottogewinn– nicht erwirtschafteter Erbschaftanfall während der Wohlverhaltensphase wegen des Risikos der Ausschlagung immerhin zur Hälfte an die Gläubiger auszukehren ist. Denn –so die amtliche Begründung– „in diesem Falle wäre es unbillig, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu gewähren, ohne dass er dieses Vermögen antasten muss” (BTDrucks 12/2443, S. 192).

 

Offenbare Unrichtigkeit bei manuelle Erfassung der Steuererklärung nach gescheiterter elektronischer Übermittlung (ELSTER)

Hat das FA die Daten aus der komprimierten und unterschriebenen Steuererklärung manuell erfasst, weil die elektronische Datenübermittlung nicht erfolgreich gewesen ist, kommt ein Berichtigung nach § 129 AO in Betracht.

Zur Klärung dieser tatsächlichen Vorfrage sind sämtliche Beweismittel zugelassen; nicht dieser Sachverhalt, sondern die bei der manuellen Eingabe der Daten vorgekommene Unrichtigkeit muss offenbar sein.

BFH Beschluss vom 04.03.2016 – IX B 113/15

Sachverhalt:

Das Finanzgericht (FG) hat festgestellt, dass die Einkommensteuererklärung 2008 der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nicht als elektronische Datei an den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt –FA–) übermittelt worden ist. Vielmehr haben die Kläger die von ihrem Steuerberater nach der fehlgeschlagenen elektronischen Übermittlung ausgedruckte komprimierte Steuererklärung unterschrieben und in Papierform an das FA gesandt. Die Veranlagungsstelle des FA hat sodann die Angaben aus dieser komprimierten Steuerklärung von Hand erfasst. Dabei sind die in der komprimierten Steuererklärung enthaltenen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zwar von der Bearbeiterin abgehakt (Kennziffer 120), dann jedoch nicht übernommen worden (Einkommensteuerbescheid vom 22. November 2010). Daraus hat das FG geschlossen, dass ein mechanischer Fehler (Übertragungsfehler) beim Erlass des Steuerbescheids in Betracht kam und vorlag, weil dem FA die elektronischen Erklärungsdaten bei der Veranlagung nicht vorlagen. Gegen diese tatsächlichen Feststellungen des FG haben die Kläger keine Verfahrensrügen erhoben. An sie wäre der Bundesfinanzhof (BFH) deshalb im Revisionsverfahren ebenso gebunden wie an die tatsächliche Würdigung des FG (§ 118 der Finanzgerichtsordnung –FGO–), da sie zumindest möglich ist.

Mit nach § 129 der Abgabenordnung (AO) berichtigtem Bescheid erfasste das FA am 19. April 2011 die unstreitig von den Klägern erzielten und auch erklärten Vermietungseinkünfte und änderte die Einkommensteuer entsprechend.

Die Kläger meinen, das FA sei zur Berichtigung nicht befugt gewesen. Ein Fehler bei der Auslegung und Anwendung des Rechts könne nicht ausgeschlossen werden. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG hat im Wesentlichen ausgeführt, die Sachbearbeiterin habe mit dem Haken bei Kennziffer 120 in der komprimierten Steuerklärung unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass die von den Klägern erklärten Einkünfte der Besteuerung hätten zugrunde gelegt werden sollen. Ein Rechtsanwendungsfehler sei danach auszuschließen. Deshalb sei die Berichtigung nach § 129 AO gerechtfertigt. Auf die Verletzung von Dienstvorschriften könnten sich die Kläger nicht mit Erfolg berufen; auch sei nicht zu fragen, ob der Fehler hätte vermieden werden können.

Begründung:

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die hier allein streitige Frage, ob im konkreten Fall bei der Veranlagung ein Rechtsanwendungsfehler auszuschließen ist, hat das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der BFH darf die tatsächliche Würdigung nur eingeschränkt überprüfen. Im Rahmen der Revision kontrolliert der BFH insbesondere, ob die Denkgesetze oder ob allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind. Solche Fehler bei der Tatsachenwürdigung führen nach ständiger Rechtsprechung des BFH jedoch grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision, da es sich insofern grundsätzlich um (schlichte) Fehler bei der Rechtsanwendung handelt, die vom numerus clausus der Zulassungsgründe nicht erfasst werden. Nicht jeder Fehler bei der Rechtsanwendung kann die Zulassung der Revision rechtfertigen, weil das Zulassungsverfahren sonst die ihm zugedachte Filterwirkung nicht entfalten und nicht zur Entlastung des BFH beitragen könnte.

Etwas anderes gilt, wenn der Rechtsfehler besonders schwerwiegend und deshalb geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Anhaltspunkte dafür liegen im Streitfall nicht vor. Ob darüber hinaus die Revision auch dann zugelassen werden sollte, wenn ein Finanzgericht einen neuen allgemeinen Erfahrungssatz aufgestellt hat, der im Interesse gleichmäßiger Rechtsanwendung Gegenstand einer revisionsrechtlichen Prüfung sein kann (dazu Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 96 Rz 135 ff.), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, denn das FG hat einen solchen allgemeinen Erfahrungssatz nicht aufgestellt.

Da die Beurteilung der Streitfrage mithin allein von der tatsächlichen Würdigung der Einzelfallumstände abhängt, hat die Rechtssache keine grundsätzliche, d.h. über den Einzelfall hinausweisende, Bedeutung. Zwar hat das FG Sachsen-Anhalt den Leitsatz aufgestellt, solange die Akten in Papierform geführt würden, liege eine offenbare Unrichtigkeit i.S. von § 129 AO nicht vor, wenn zur Feststellung eines eventuellen Erfassungsfehlers ein Abgleich des Akteninhalts mit dem EDV-Speicher der Finanzverwaltung erforderlich werde (FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 6. Mai 2010 5 K 98/08, Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1757). Die Kläger meinen, im Streitfall sei das FG von dieser Entscheidung abgewichen, indem es zur Feststellung des Erfassungsfehlers (sachverständige) Zeugen vernommen und den Inhalt des Datenspeichers der Finanzverwaltung ermittelt habe.

Letzteres trifft zwar zu, betrifft aber zunächst nur die Frage, ob überhaupt ein Erfassungsfehler in Betracht kommt. Das wäre nicht der Fall, wenn dem FA bei der Veranlagung die Daten aus der Steuerklärung auch in elektronischer Form vorgelegen hätten, so dass eine manuelle Erfassung nicht erforderlich gewesen wäre. Diese Frage hat indes noch nichts mit dem Fehler selbst und seiner Ursache zu tun, sondern betrifft nur die Umstände, unter denen die Veranlagung stattgefunden hat. Ob der Fehler dann tatsächlich auf einem mechanischen Versehen beruht oder durch einen die Berichtigung nach § 129 AO ausschließenden Denkprozess beeinflusst gewesen sein kann, wird dadurch nicht präjudiziert.

Im Übrigen hat der BFH das zitierte Urteil des FG Sachsen-Anhalt zwar im Ergebnis bestätigt. Er hat damit aber nicht den vom FG in seinem Leitsatz herausgestellten Rechtsgrundsatz gebilligt, sondern lediglich ausgeführt, dass er an die tatsächliche Würdigung des FG gebunden sei.

Im Streitfall fehlt es bereits deshalb an einer Abweichung im Grundsätzlichen (Divergenz), weil das FG keine Grundsätze aufgestellt, sondern lediglich die von ihm festgestellten Umstände gewürdigt hat. Ob das FG Sachsen-Anhalt von der Rechtsprechung des BFH abgewichen ist, könnte auch in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden.

Ein Verfahrensmangel ist schon nicht hinreichend dargelegt. Es kann dahinstehen, ob und in welchen Fällen das Gericht einen nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen nicht nachgelassenen Schriftsatz überhaupt berücksichtigen muss. Soweit die Kläger inzident auch rügen, dass sie sich auf die vom FG in der mündlichen Verhandlung erstmals erwähnte Rechtsprechung nicht spontan hätten erklären können, hätten sie in der mündlichen Verhandlung die Vertagung oder zumindest einen Schriftsatznachlass beantragen müssen. Im Übrigen haben die Kläger auch nicht dargelegt, was die unterbliebene Sachverhaltsermittlung ihres Erachtens hätte zu Tage fördern sollen und weshalb bei Berücksichtigung dessen das Urteil anders hätte ausfallen können

Einstweiliger Rechtsschutz bei Ablehnung eines Erlassantrags

Gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erlass von Säumniszuschlägen kommt als Mittel des einstweiligen Rechtsschutzes nicht die Aussetzung der Vollziehung, sondern die einstweilige Anordnung in Betracht.

BFH Beschluss vom 30.09.2015 – IB 86/15

Sachverhalt:

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) erließ nach vorangegangener Außenprüfung und einer im gerichtlichen Klageverfahren erzielten tatsächlichen Verständigung am 22. November 2013 gegen den Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) –einen eingetragenen Verein– geänderte Körperschaftsteuerbescheide für die Streitjahre (2000 bis 2008). Die nach erfolglosen Einspruchsverfahren in Bestandskraft erwachsenen Änderungsbescheide weisen auch Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer aus, über die das FA danach verschiedene Abrechnungsbescheide erlassen hat und von denen (nach Stand vom 29. Oktober 2014) noch 822.545,91 EUR offen sind. Den am 28. Januar 2014 gestellten Antrag auf Erlass der Säumniszuschläge lehnte das FA ab. Hiergegen erhob der Antragsteller Klage beim Finanzgericht (FG) Köln, über die dieses noch nicht entschieden hat.

Der Antragsteller beantragte im Hinblick auf die Säumniszuschläge beim FA die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Nach Ablehnung dieses Antrags beantragte er beim FG wiederum AdV, hilfsweise den Erlass einer einstweiligen Anordnung für die Dauer des Hauptsacheverfahrens.

Begründung:

Den Antrag auf AdV der Säumniszuschläge hat das FG zu Recht als unzulässig abgelehnt. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Der Antrag kann gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 FGO schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Die AdV setzt demnach eine Anfechtungssituation voraus, das heißt einen (vollziehbaren) Verwaltungsakt, den der Steuerpflichtige zumindest mit dem außergerichtlichen Rechtsbehelf (Einspruch) angefochten ha), über welchen noch nicht bestandskräftig entschieden ist.

Eine Anfechtungssituation liegt hier nicht vor. Die Säumniszuschläge entstehen kraft Gesetzes (§ 240 der Abgabenordnung –AO–) und können daher als solche nicht Gegenstand einer AdV sein. Soweit in den Änderungsbescheiden des FA konkrete Leistungsgebote in Bezug auf die jeweiligen Säumniszuschläge zu sehen waren, wäre insoweit zwar die Möglichkeit einer AdV in Betracht zu ziehen. Doch sind diese Bescheide inzwischen ebenso in Bestandskraft erwachsen wie die nachfolgenden Abrechnungsbescheide. Und bei der Ablehnung des Erlassantrags (§ 227 AO) hinsichtlich der Säumniszuschläge durch das FA handelt es sich nicht um einen vollziehbaren Verwaltungsakt, der einer AdV zugänglich wäre. Für die von der Beschwerde für den Fall der Ablehnung von Billigkeitsanträgen befürwortete „teleologische Extension” des § 69 FGO besteht angesichts der Möglichkeit einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO kein Raum.

Keine Leichtfertigkeit bei irrtümlicher Doppeleintragung infolge missverständlicher Bescheinigungen

Ein leichtfertiges Handeln des Steuerberaters bei der Vorbereitung der Steuererklärung kann dem Steuerpflichtigen steuerrechtlich nicht zugerechnet werden.

Ein Steuerpflichtiger ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die von einem Steuerberater vorbereitete Steuererklärung in allen Einzelheiten nachzuprüfen. Er darf vielmehr im Regelfall darauf vertrauen, dass der Steuerberater die Steuererklärung richtig und vollständig vorbereitet, wenn er diesem die für die Erstellung der Steuererklärung erforderlichen Informationen vollständig verschafft hat.

Wenn der Steuerberater aufgrund missverständlicher Bescheinigungen zuverlässiger Stellen dieselben Aufwendungen doppelt in die Einkommensteuererklärung einträgt, handelt ein Steuerpflichtiger, der nicht über eigene Kenntnisse des Einkommensteuerrechts verfügt, bei der Überprüfung der vorbereiteten Steuererklärung nicht leichtfertig, wenn er bei einem Vergleich mit der Steuererklärung des Vorjahres feststellt, dass dieser dieselbe Eintragungssystematik zugrunde lag und sie vom FA nicht beanstandet worden ist.

BFH Urteil vom 17.11.2015 – X R 35/14 BFH/NV 2016, 728

Sachverhalt:

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2006 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger erzielte als angestellter Arzt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, ferner Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Die Klägerin war als Arbeitnehmerin tätig.

Der Kläger ist Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks. Zu den Pflichtbeiträgen, die der Höhe nach denen zur gesetzlichen Rentenversicherung entsprechen, zahlt der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Regelungen (im Streitjahr § 172 Abs. 2 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch –SGB VI–; seit 1. Januar 2012 § 172a SGB VI) einen hälftigen Zuschuss.

In der vom Arbeitgeber des Klägers erstellten Lohnsteuerbescheinigung für 2006 waren die Beiträge zur Altersvorsorge –gesondert nach Arbeitnehmeranteil und Arbeitgeberzuschuss– angegeben. Dass es sich um Beiträge an ein Versorgungswerk handelte, war aus den Lohnsteuerbescheinigungen nicht erkennbar.

Begründung:

Anders als das FG meint, verlängert sich die Festsetzungsfrist im Streitfall nicht gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf fünf Jahre. Es fehlt an der dafür erforderlichen Voraussetzung, dass eine Steuer leichtfertig verkürzt worden ist.

Dass ein etwaiges leichtfertiges Handeln des Steuerberaters bei der Vorbereitung der Steuererklärung den Klägern steuerrechtlich nicht zugerechnet werden kann, ist zwischen den Beteiligten nicht mehr umstritten. Da auch der erkennende Senat sich den Rechtsgrundsätzen dieser Entscheidung anschließt, bedarf es keiner weiteren Ausführungen zu dieser Frage.

Den Klägern ist aber auch in eigener Person keine leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) vorzuhalten. Zwar haben sie den objektiven Tatbestand dieser Ordnungswidrigkeitsnorm verwirklicht, indem sie gegenüber dem FA unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht haben (§ 378 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Es fehlt aber an der Leichtfertigkeit und damit am subjektiven Tatbestand des § 378 AO. Das FG hat in rechtlicher Hinsicht zu geringe Anforderungen an die Feststellung von Leichtfertigkeit gestellt. Die von ihm festgestellten und herangezogenen Tatsachen tragen seinen Schluss, der Kläger habe leichtfertig gehandelt, daher nicht.

Leichtfertigkeit bedeutet einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit, der etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, im Gegensatz dazu aber auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abstellt. Das FG hat nicht festgestellt, dass der als …arzt tätige Kläger über besondere Kenntnisse im Einkommensteuerrecht, insbesondere hinsichtlich der Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben, verfügt. In Ermangelung besonderer persönlicher Fähigkeiten des Klägers im Bereich des Einkommensteuerrechts gilt daher hier ein der groben Fahrlässigkeit angenäherter Leichtfertigkeitsbegriff. Danach handelt leichtfertig, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, und dem sich deshalb aufdrängen muss, dass er dadurch Steuern verkürzt.

Ein Steuerpflichtiger ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die von einem Steuerberater vorbereitete Steuererklärung in allen Einzelheiten nachzuprüfen. Er darf vielmehr im Regelfall darauf vertrauen, dass der Steuerberater die Steuererklärung richtig und vollständig vorbereitet, wenn er diesem die für die Erstellung der Steuererklärung erforderlichen Informationen vollständig verschafft hat.

Nach den Feststellungen des FG hatte der Kläger nicht (positiv) erkannt, dass in der von seinem Steuerberater vorbereiteten Steuererklärung dieselben Beträge doppelt angesetzt worden waren. Ihm war allerdings aufgefallen, dass die in Zeile 63 eingetragene Zahl mit der Summe der Eintragungen zu den Zeilen 61 und 65 identisch war. Dieser Umstand veranlasste den Kläger, in seine Steuererklärung für das Vorjahr (2005) zu schauen, in der er dieselbe Eintragungssystematik fand, die vom FA seinerzeit nicht beanstandet worden war. Aus diesem Grund nahm er auch die von seinem Steuerberater vorgenommene Eintragung in Zeile 63 hin, deren Erläuterungstext (freiwillige Versicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen, Pflichtbeiträge von Nichtarbeitnehmern) nicht zu dem von ihm verwirklichten Sachverhalt passte, zumal er davon ausging, die Zahlungen an das Versorgungswerk seien anstelle von solchen in die gesetzliche Rentenversicherung geleistet worden. Die Systematik der Berechnung der abziehbaren Altersvorsorgeaufwendungen war dem Kläger nicht bekannt.

Diese –auf der persönlichen Anhörung des Klägers beruhenden– Sachverhaltsfeststellungen lassen den vom FG gezogenen Schluss auf das Vorliegen von Leichtfertigkeit nicht zu. Anders als das FA in seiner Revisionserwiderung meint, gilt auch im Streitfall der Grundsatz, dass der Steuerpflichtige die von seinem Steuerberater vorbereitete Steuererklärung nicht in allen Einzelheiten nachprüfen muss. Nach Auffassung des FA soll dieser Grundsatz hier nicht anwendbar sein, da der Kläger seinen Steuerberater nicht darauf hingewiesen habe, dass die Bescheinigung des Versorgungswerks unvollständig gewesen sei. Damit habe er dem Steuerberater nicht alle erforderlichen Informationen verschafft.

Dem ist nicht zu folgen. Dem Kläger ist eine evtl. Missverständlichkeit oder unglückliche Gestaltung der Bescheinigung des Versorgungswerks sowie der Lohnsteuerbescheinigung nicht zuzurechnen. Vor allem trifft ihn in dieser Beziehung keine Leichtfertigkeit.

Dabei ist zunächst in den Blick zu nehmen, dass es sich sowohl bei dem Arbeitgeber des Klägers (einem städtischen Klinikum) als auch bei dem Versorgungswerk (einer Körperschaft des öffentlichen Rechts) um Institutionen handelt, deren Bescheinigungen man –weder für sich genommen noch in ihrer Kombination– nicht mit Misstrauen begegnen muss. Hinsichtlich der Lohnsteuerbescheinigung ist zudem auf den amtlichen Vordruck zu verweisen, der dem Arbeitgeber von vornherein keine Differenzierung zwischen Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung und solchen an berufsständische Versorgungseinrichtungen ermöglicht, da für beide Kategorien nur ein einheitliches –zwingend zu verwendendes– Feld existiert.

Beide Bescheinigungen waren zudem in ihrem unmittelbaren Er-klärungsgehalt zutreffend. So hatte insbesondere das Versorgungswerk die „auf Ihrem Konto im Jahr 2006 eingegangene Beitragssumme” mitgeteilt, was eine für sich genommen richtige Auskunft darstellt. Dieser Jahreskontoausweis war nur insofern geeignet, zu Missverständnissen zu führen, als er keinen Hinweis auf den Umstand enthielt, dass es sich bei dem Kläger um einen pflichtversicherten Arbeitnehmer handelte.

Gleichwohl genügte es, wenn der Kläger seinem Steuerberater die bei ihm vorhandenen –von vertrauenswürdigen Organisationen ausgestellten– Belege übergab, zumal es sich um einen Dauersachverhalt handelte. Es würde die an einen Steuerpflichtigen zu stellenden Anforderungen überspannen, wenn man verlangen würde, derartige Belege, deren Text für sich genommen unstreitig zutreffend ist, darauf zu überprüfen, ob sie –für sich genommen oder in ihrer Kombination– geeignet sind, zu einer Doppelerfassung zu führen. Dies gilt umso mehr, als die Identität der vom Versorgungswerk und vom Arbeitgeber bescheinigten Beträge auch von steuerrechtlich ausgebildeten Personen –dem Steuerberater des Klägers sowie dem Veranlagungs-Sachbearbeiter, dem beide Bescheinigungen jedenfalls für das frühere weitere Streitjahr 2007 unstreitig vorgelegen haben– nicht erkannt worden ist, obwohl für 2007 im FA sogar eine „Intensivprüfung” der Steuererklärung der Kläger vorgenommen worden.

Dies vorausgeschickt, war es zwar möglicherweise (einfach) fahrlässig, nicht aber leichtfertig, wenn der Kläger die von ihm erkannte Identität der Eintragungen in der Zeile 63 einerseits und den Zeilen 61 und 65 andererseits lediglich zum Anlass nahm, diesen Umstand mit der –vom FA unbeanstandet gelassenen– Einkommensteuererklärung für das Vorjahr abzugleichen. Auch ein solcher Vorjahresvergleich stellt eine grundsätzlich geeignete –wenn auch wegen des Umstands, dass eine Nichtbeanstandung durch das FA nicht zwingend auf die Korrektheit der Steuererklärung schließen lässt, nicht ganz sichere– Methode dar, eine fehlende Plausibilität der Eintragungen des Steuerberaters aufzudecken. Dass der Kläger nach durchgeführtem Vorjahresvergleich –der nicht zu einem Hinweis auf die objektive Unrichtigkeit der Eintragung geführt hatte– seine Prüfung nicht fortsetzte, insbesondere keine Rückfrage an seinen Steuerberater richtete, kann nicht als leichtfertig bewertet werden, weil sich weitere Maßnahmen aus Sicht des Klägers nicht aufdrängten.

Hinsichtlich des Texts der Erläuterung zu Zeile 63 lässt sich der Niederschrift über die persönliche Anhörung des Klägers schon nicht eindeutig entnehmen, ob er den Widerspruch zwischen dem im Steuererklärungsformular enthaltenen Erläuterungstext und dem tatsächlich verwirklichten Sachverhalt bereits bei seiner Überprüfung der vorbereiteten Steuererklärung erkannt und für sich damit erklärt hatte, die entsprechenden Zahlungen seien anstelle von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet worden, oder ob diese Erklärung lediglich eine Reaktion auf den Vorhalt in der mündlichen Verhandlung vor dem FG darstellte.

Hätte der Kläger den Widerspruch bei Überprüfung der Steuererklärung nicht erkannt, wäre ihm dies jedenfalls nicht als Leichtfertigkeit vorwerfbar. Zum einen kommt ihm auch hier der Rechtsgrundsatz zugute, dass er aufgrund der vollständigen Verschaffung der erforderlichen Informationen nicht verpflichtet war, die vorbereitete Steuererklärung in allen Einzelheiten nachzuprüfen. Zum anderen ist gerade der für die Erklärung der Altersvorsorgeaufwendungen vorgesehene Abschnitt des Einkommensteuererklärungsformulars durch die Verwendung einer solchen Fülle einander sehr ähnlicher Fachbegriffe gekennzeichnet, dass ein Missverständnis, das einem steuerrechtlich nicht vorgebildeten Laien unterläuft, nicht stets als grob fahrlässig angesehen werden kann.

Für den Fall, dass der Kläger den Widerspruch zwischen dem Formulartext und seiner beitragsrechtlichen Situation bereits bei Überprüfung der Steuererklärung erkannt hätte, wäre seine weitere Aussage dahingehend zu verstehen, dass er auch insoweit einen Vorjahresvergleich vorgenommen habe, der zu dem Ergebnis geführt habe, dass in der Steuererklärung 2005 vergleichbare Angaben gemacht und vom FA nicht beanstandet worden seien. Dass der Kläger sich mit diesem Vorjahresvergleich begnügt hat, kann unter den im Streitfall gegebenen Umständen –wie oben bereits ausgeführt– nicht als leichtfertig angesehen werden.

Im Kern hält das FG dem Kläger vor, er hätte wissen müssen, dass dieselben Aufwendungen nicht doppelt geltend gemacht werden dürfen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass über dieselben Aufwendungen –in einem grundsätzlich ordnungsgemäßen Verfahren und von grundsätzlich vertrauenswürdigen Organisationen– auch zwei Bescheinigungen ausgestellt worden sind. Der Kläger war berechtigt, die Beantwortung der Frage, wie diese Bescheinigungen in der Einkommensteuererklärung zu verwerten waren und wie die Altersvorsorgeaufwendungen nach der komplexen, gerade erst in Kraft getretenen Neuregelung durch das Alterseinkünftegesetz zu erklären waren, auf den von ihm beauftragten Steuerberater zu verlagern. Ihn selbst traf keine Pflicht zur ins Einzelne gehenden Überprüfung der vorbereiteten Steuererklärung, sondern nur eine überschlägige Prüfungspflicht. Diese Pflicht hat er, indem er nach Durchführung eines keine Auffälligkeiten zeigenden Vorjahresvergleichs von weiteren Ermittlungsmaßnahmen absah, jedenfalls nicht in leichtfertiger Weise verletzt.

Verjährungshemmende Wirkung einer Steuerfahndungsprüfung

Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO endet – auch im Falle einer nach Abgabe der Steueranmeldung wegen § 168 Satz 2 AO noch nicht festgesetzten Steuer – erst, wenn die auf Grund der Ermittlungen der Fahndungsprüfung zu erlassenden Bescheide unanfechtbar geworden sind.

BFH Urteil vom 17.12.2015 – V R 59/14 BFH/NV 2016, 531

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) –eine zwischenzeitlich im Handelsregister gelöschte und nicht wieder eingetragene GmbH– übte im Streitjahr 2000 das Gewerbe aus. Einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer war X.

Am 4. September 2001 gab die Steuerfahndungsstelle des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) gegenüber dem Geschäftsführer X die Eröffnung des Steuerstrafverfahrens bekannt. Die Fahndungsprüfung betraf u.a. Ermittlungen wegen Hinterziehung der Umsatzsteuer für 2000. Ausweislich eines Vermerks des FA wurde das gegenüber X eingeleitete Steuerstrafverfahren am 4. Juni 2006 eingestellt.

In den Steuerakten befindet sich eine nicht bekanntgegebene Umsatzsteuerberechnung für 2000 vom 18. März 2003. Danach ging das FA von einer festzusetzenden Umsatzsteuerschuld von 49.084,02 EUR aus. Auf dem dazugehörigen Prüfhinweis ist handschriftlich „intern” vermerkt.

Am … Juni 2006 wurde die Klägerin –nachdem der Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen mangels Masse am Anfang 2003 abgewiesen worden war– wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.

Begründung:

Im Streitfall steht der nach § 168 Satz 2 AO erforderlichen Zustimmung zu der am 13. Juli 2010 beim FA eingereichten (korrigierten) Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2000 oder dem Erlass einer davon abweichenden Steuerfestsetzung (§ 167 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 AO) der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht entgegen.

Die reguläre Festsetzungsfrist für die Festsetzung der Umsatzsteuer für 2000 begann mit Ablauf des 31. Dezember 2003 und endete grundsätzlich mit Ablauf des 31. Dezember 2007. Nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist, wenn eine Steueranmeldung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steueranmeldung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Die Jahresumsatzsteuer entsteht mit Ablauf des Besteuerungszeitraums, im Streitfall also mit Ablauf des Kalenderjahrs 2000. Damit beginnt die Festsetzungsfrist spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2003. Die vierjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO endete damit regulär mit Ablauf des 31. Dezember 2007. Feststellungen, die zu einer Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO führen könnten, hat das FG nicht getroffen und sind auch nicht ersichtlich.

Rechtsfehlerhaft hat das FG die Hemmung der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 5 AO verneint. Beginnen die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung der Fahndungsprüfung ist, dass Ermittlungshandlungen vor Ablauf der Festsetzungsfrist tatsächlich vorgenommen worden sind. Darüber hinaus muss für den Steuerpflichtigen erkennbar sein, dass in seinen Steuerangelegenheiten ermittelt wird. Für Steueransprüche, die nicht Gegenstand der Fahndungsprüfung waren, kann keine Ablaufhemmung eintreten. Beim Steuerpflichtigen ist mit den Ermittlungen begonnen worden, wenn sich die Ermittlungshandlungen gegen den betroffenen Steuerschuldner selbst oder –wie im Streitfall– gegen das Vertretungsorgan des Steuerschuldners. Nach den Feststellungen des FG hat die Steuerfahndung am 4. September 2001 dem Geschäftsführer X der Klägerin die Eröffnung des Steuerstrafverfahrens u.a. wegen Hinterziehung der Umsatzsteuer für 2000 eröffnet. Damit hat sie spätestens zu diesem Zeitpunkt –und somit vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist– mit den für den Steuerpflichtigen erkennbaren Ermittlungen von Besteuerungsgrundlagen begonnen.

Die danach gehemmte Festsetzungsfrist ist nicht abgelaufen, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO ist die Dauer der Ablaufhemmung mit der Unanfechtbarkeit der auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Bescheide verknüpft. Dies hat zur Folge, dass der Erlass eines (Änderungs-)Bescheids im Anschluss an eine Fahndungsprüfung grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung zulässig ist. Unerheblich ist demnach, dass diese Bescheide innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Abschluss der Ermittlungen ergehen oder ihre Umsetzung über einen längeren Zeitraum unterbleibt.

Nach diesen Maßstäben kommt es entgegen der Auffassung des FG für den Ablauf der nach § 171 Abs. 5 AO gehemmten Festsetzungsfrist nicht darauf an, ob auf Grund der Fahndungsprüfung Umsatzsteuerbescheide „ergangen” sind. Sind auf Grund der Ermittlungen der Fahndungsprüfung Steuerbescheide zu erlassen, enden die Ablaufhemmung und damit die Festsetzungsfrist erst, wenn diese Steuerbescheide unanfechtbar werden. Im Regelfall endet die –gehemmte– Festsetzungsfrist, wenn die Fahndungsprüfung Besteuerungsgrundlagen ermittelt, die in dem bisherigen Steuerbescheid noch nicht erfasst waren und zu einer geänderten –unanfechtbaren– Steuerfestsetzung führen. Dies gilt auch dann, wenn die ermittelten Besteuerungsgrundlagen zu einer erstmaligen –unanfechtbaren– Steuerfestsetzung führen.

Ebenso ist es im Falle einer –nach Abgabe der Steueranmeldung wegen § 168 Satz 2 AO– noch nicht festgesetzten Steuer. Auch hier endet die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO erst, wenn die auf Grund der Ermittlungen der Fahndungsprüfung noch zu erlassenden Bescheide unanfechtbar geworden sind. Denn soweit Besteuerungsgrundlagen noch nicht festgesetzt und Gegenstand der Fahndungsprüfung sind, ergibt sich stets eine in einem Steuerbescheid zu berücksichtigende Änderung der Besteuerungsgrundlagen, weil sich die Ermittlungen zwangsläufig auf diese auswirken. Dies gilt auch bei zu Gunsten des Steuerpflichtigen gewonnenen Erkenntnissen. Folgt z.B. aus den Ermittlungen der Fahndungsprüfung, dass Angaben eines Steuerpflichtigen in einer Steuererklärung, die bisher noch nicht Gegenstand einer Steuerfestsetzung waren, beanstandungsfrei sind, müssen daher auch diese durch die Fahndungsprüfung gewonnenen Erkenntnisse umgesetzt werden, wenn und soweit die Prüfung –wie im Streitfall– vor Ablauf der Festsetzungsfrist begonnen hat. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO ist somit nur dann ohne Bedeutung, wenn sich auf Grund einer Fahndungsprüfung keine Änderung der Besteuerungsgrundlagen ergibt.

Im Streitfall konnte danach die Umsatzsteuerfestsetzung für 2000 nur dann unterbleiben, wenn sich auf Grund der Ermittlungen der Fahndungsprüfung keine Änderungen gegenüber der bisherigen Bescheidlage ergeben hätten, da die Umsatzsteuer für 2000 Gegenstand der Fahndungsprüfung war und die Festsetzungsfrist im Streitfall noch gehemmt ist. Keine Änderungen hätten sich auf Grund der Ermittlungen nur dann ergeben können, wenn die Erkenntnis gewonnen worden wäre, dass die Klägerin keine Unternehmerin i.S. des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ist. Nur in diesem Fall hätte eine Umsatzsteuerfestsetzung unterbleiben können. Die Unternehmereigenschaft der Klägerin ist indes nicht streitig.

Bilanzierung mittels Credit Linked Notes (CLN) gesicherter Darlehensforderungen

Die Bestimmungen über die Bildung und Berücksichtigung von bilanziellen Bewertungseinheiten sind nicht rückwirkend auf die Zeiträume vor ihrem Inkrafttreten anzuwenden.

Vor dem Inkrafttreten jener Vorschriften kam die Bildung und steuerliche Anerkennung von bilanziellen Bewertungseinheiten nur in Betracht, wenn die strikte Beachtung des Einzelbewertungsgrundsatzes in Verbindung mit dem Imparitätsprinzip dazu führen würde, dass ein den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens widersprechendes Bild entsteht.

Eine Bewertungseinheit zwischen den durch CLN gesicherten Darlehensforderungen einer Bank und deren Rückzahlungsverpflichtungen aus den CLN ist ausgeschlossen, soweit nach den betreffenden Emissionsbedingungen (hier: Vereinbarung einer sog. Zinsunterbeteiligung zugunsten der Gläubiger der CLN) das Ausfallrisiko der Darlehensforderungen im Ergebnis bei der emittierenden Bank verbleibt.

BFH Urteil vom 2.12.2015, I R 83/13

Sachverhalt:

Streitig ist, wie im Streitjahr (2000) Darlehensforderungen einer Bank, die durch Kreditderivate in Form sog. Credit Linked Notes (CLN) –mit gegenläufiger Zinsunterbeteiligung– gesichert waren, steuerbilanziell zu erfassen waren.

Begründung:

Hinsichtlich der Festsetzung der Körperschaftsteuer ist die Revision begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Zwar ist die von der Klägerin gebildete Rückstellung nicht anzuerkennen. Das FG hat aber Teilwertabschreibungen auf die nach dem Vorbringen der Klägerin ausfallgefährdeten Darlehensforderungen des Referenz-Pools mit unzutreffender Begründung abgelehnt. Um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für Teilwertabschreibungen vorliegen, bedarf es indes noch einer weiteren Aufklärung des Sachverhalt.

Gemäß § 8 Abs. 1 KStG 1999 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG 1997 n.F. hat die buchführende Klägerin in ihrer Bilanz das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Darlehensforderungen sind in der Steuerbilanz gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 1997 n.F. ebenso wie in der Handelsbilanz gemäß § 253 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs i.d.F. vor dem Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz –BilMoG–) vom 25. Mai 2009 (BGBl I 2009, 1102, BStBl I 2009, 650) –HGB a.F.– grundsätzlich mit ihren Anschaffungskosten, d.h. ihrem Nennwert anzusetzen (Senatsurteil vom 24. Oktober 2006 I R 2/06, BFHE 215, 230, BStBl II 2007, 469). Ist jedoch der Teilwert einer Forderung aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger als ihr Nennwert, so “kann” statt des Nennwerts der niedrigere Teilwert angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F.). Er entspricht dem Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG 1997 n.F.). Bei Darlehensforderungen einer Bank, die grundsätzlich dem Umlaufvermögen zuzuordnen sind (§ 340e Abs. 1 Satz 2 HGB a.F.), wird ein niedrigerer Teilwert regelmäßig jenem niedrigeren Wert entsprechen, der ihnen gemäß § 253 Abs. 3 Satz 2 HGB a.F. am Abschlussstichtag beizulegen ist. In Befolgung des handelsrechtlichen Niederstwertprinzips “ist” daher gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG 1997 n.F. auch in der Steuerbilanz auf diesen Wert abzuschreiben.

Bei fehlender oder eingeschränkter Bonität des Darlehensschuldners kann der Teilwert der Rückzahlungsforderung unter den Nennwert sinken und –wenn es sich dabei um einen voraussichtlich dauernden Zustand handelt– eine Teilwertabschreibung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1997 n.F. gerechtfertigt sein. Etwaige vorhandene Darlehenssicherheiten –wie im Streitfall die Hypotheken– sind bei der Teilwertbemessung zu berücksichtigen.

Bei der Bemessung des Teilwerts der Darlehensforderungen des Referenzpools sind die –sich gegenläufig zur Minderung des Forderungswerts ergebenden– Reduzierungen der Kapitalrückzahlungsforderungen der Wertpapierinhaber (Credit Default Swap) nach § 9 der Emissionsbedingungen nicht zu berücksichtigen. Sowohl für die Handelsbilanz als auch für die Steuerbilanz gilt gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB a.F. i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG 1997 n.F. sowie gemäß § 6 Abs. 1 EStG 1997 n.F. der Grundsatz der Einzelbewertung. Danach ist jedes Wirtschaftsgut für sich zu bewerten; die einschlägigen Bewertungsregeln sind auf jedes einzelne Wirtschaftsgut und nicht auf eine Gesamtheit verschiedener, zusammengefasster Wirtschaftsgüter anzuwenden.

Die Rechtsprechung lässt es allerdings unter bestimmten Umständen zu, in die Bewertung eines Wirtschaftsguts Sicherheiten oder sonstige “Vorteile” einer Wertminderung kompensatorisch einzubeziehen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 8. November 2000 I R 10/98, BFHE 193, 406, BStBl II 2001, 349, zu noch nicht entstandenen Rückgriffsansprüchen; Senatsurteil in BFHE 215, 230, BStBl II 2007, 469, zu voraussichtlichen Erlösen aus der Verwertung von Kreditsicherheiten; Urteil des Hessischen FG vom 13. September 2011  4 K 3035/07, EFG 2012, 812, zu Ausfallgarantien Dritter). Auf diesem Gedanken beruht auch die für die Bewertung von Rückstellungen in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG 1997 n.F. verankerte Pflicht zur Berücksichtigung künftiger Vorteile, die mit der Erfüllung der Pflicht voraussichtlich verbunden sein werden. Diese Rechtsprechung ist jedoch in Bezug auf die Vorteile des Credit Default Swap nicht einschlägig. Denn eine kompensatorische Berücksichtigung mit der Wertminderung verbundener Vorteile kommt nur in Betracht, wenn die aus jenen Vorteilen resultierenden Ertragschancen selbst nicht bilanzierungsfähig sind (zutreffend Meinert/Helios, Der Betrieb –DB– 2014, 1697, 1700). Sind die Vorteile hingegen ihrerseits bilanziell erfassbar, wäre es systematisch verfehlt, sie kompensatorisch im Rahmen der Wertbemessung eines anderen Wirtschaftsguts zu berücksichtigen. So liegt der Fall hier: Die mit dem Credit Default Swap verbundenen Vorteile werden im Falle ihrer Realisierung bilanziell dadurch abgebildet, dass sich die von der Klägerin zu passivierenden (und tatsächlich passivierten) Rückzahlungsverbindlichkeiten aus den Schuldverschreibungen im Falle von Forderungsausfällen gewinnerhöhend vermindern.

Der begehrten Teilwertabschreibung auf die Darlehensforderungen des Referenzpools stehen keine Grundsätze zu Bewertungseinheiten entgegen. FG und FA leiten ein Verbot der Teilwertabschreibung aus der mit dem Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28. April 2006 (BGBl I 2006, 1095, BStBl I 2006, 353) in das Einkommensteuergesetz 2002 eingefügten Bestimmung des § 5 Abs. 1a des Einkommensteuergesetzes 2002 n.F. (EStG 2002 n.F.) ab. Danach sind die Ergebnisse der in der handelsrechtlichen Rechnungslegung zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken gebildeten Bewertungseinheiten auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich. Darüber hinaus stützen FA und FG ihre Auffassung auf den mit dem BilMoG vom 25. Mai 2009 (a.a.O.) in das Handelsgesetzbuch eingefügten § 254 HGB n.F. Nach dessen Satz 1 sind dann, wenn Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen zum Ausgleich gegenläufiger Wertänderungen oder Zahlungsströme aus dem Eintritt vergleichbarer Risiken mit Finanzinstrumenten zusammengefasst werden (Bewertungseinheit), § 249 Abs. 1, § 252 Abs. 1 Nr. 3 und 4, § 253 Abs. 1 Satz 1 und § 256a HGB n.F. in dem Umfang und für den Zeitraum nicht anzuwenden, in dem die gegenläufigen Wertänderungen oder Zahlungsströme sich ausgleichen.

Auf diese Gesetzesbestimmungen kann aber für den Streitfall ein Ausschluss der Teilwertabschreibung nicht gestützt werden. Das folgt schon daraus, dass die Vorschriften zeitlich nicht auf den Streitfall anwendbar sind, weil sie erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums 2000 in die Gesetze eingefügt worden sind. Eine Rückwirkung für die Zeit vor dem Inkrafttreten hat der Gesetzgeber weder § 5 Abs. 1a EStG 2002 n.F. noch § 254 HGB n.F. beigegeben.

Rückstellungen für Kosten eines zukünftigen Prozesses

Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten können nur gebildet werden, wenn die für das Entstehen der Schuld erforderlichen wesentlichen Tatbestandsmerkmale am Bilanzstichtag erfüllt sind.

Ein zukünftiger Prozesskostenaufwand für einen am Bilanzstichtag noch nicht anhängigen Prozess kann deshalb grundsätzlich nicht zurückgestellt werden. Anderes kann allerdings dann gelten, wenn sich unter Würdigung der Gesamtumstände am Bilanzstichtag die (spätere) Klageerhebung nur noch als selbstverständliche und daher rein formale Handlung darstellt.

BFH Beschluss vom 11.11.2015 – I B 3/15 BFH/NV 2016, 387

Sachverhalt:

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) –eine GmbH– unterhielt als Vertriebsgesellschaft Geschäftsbeziehungen mit der in Frankreich ansässigen D. Nachdem Letztere die Vertragsvereinbarung mit der Klägerin im April 2007 gekündigt hatte, leitete die Klägerin aufgrund einer entsprechenden Abrede in Art. 10 der Vertriebsvereinbarung im März 2008 ein Schiedsgerichtsverfahren ein. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) erkannte die auf den Ablauf des Streitjahres 2007 gebildete Rückstellung für zukünftige Prozesskosten über 517.484 EUR nicht an.

Begründung:

Soweit die Klägerin rügt, es sei von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), ob Rückstellungen für zukünftige Prozesskosten nur nach „Existenz” eines Prozesses oder auch aufgrund anderer –der Prozesseinleitung– vorgelagerter Umstände zu bilden sind, ist ihr Vortrag unschlüssig. Die Ausführungen lassen außer Acht, dass die Frage bereits mit dahin entschieden wurde, dass Verbindlichkeitsrückstellungen (§ 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs i.V.m. § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 und § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 2002) nur gebildet werden können, wenn die für das Entstehen der Schuld erforderlichen wesentlichen Tatbestandsmerkmale am Bilanzstichtag erfüllt sind, und deshalb ein zukünftiger Prozesskostenaufwand für einen am Bilanzstichtag noch nicht anhängigen Prozess grundsätzlich nicht zurückgestellt werden kann; zugleich hat der Senat jedoch im Hinblick auf etwaige Kosten eines noch nicht eingelegten Rechtsmittels gegen ein am Bilanzstichtag noch nicht ergangenes vorinstanzliches Urteil erwogen, von einer wirtschaftlichen Erfüllung der wesentlichen Tatbestandsmerkmale bereits dann auszugehen, wenn sich unter Würdigung der Gesamtumstände die tatsächliche Einlegung des Rechtsmittels am Bilanzstichtag nur noch als selbstverständliche und daher rein formale Handlung darstellt. Demgemäß wäre es für eine schlüssige Rüge erforderlich gewesen, dass die Klägerin sich mit dieser Rechtsprechung auseinandergesetzt und im Einzelnen dargelegt hätte, aus welchen Gründen hiernach im anhängigen Verfahren noch ein grundsätzlicher Klärungsbedarf besteht.

Soweit die Klägerin darauf verweist, dass D zunächst vor dem Landgericht … Klage erhoben und diese mit Rücksicht auf das anstehende schiedsgerichtliche Verfahren noch im Dezember 2007 zurückgenommen habe, ist auch dies nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das FG keine Feststellungen zum konkreten Gegenstand beider Gerichtsverfahren getroffen hat und auch die Beschwerdeschrift hierzu keine substantiierten für den Senat nachvollziehbaren Erläuterungen enthält. Hinzu kommt, dass die Prozessvertreterin noch in der mündlichen Verhandlung vor dem FG auf Nachfrage ausweislich des Protokolls erklärt hatte, keine Kenntnis über den Zeitpunkt der Klagerücknahme zu haben. Demgemäß handelt es sich auch insoweit um einen neuen Vortrag, der in einem Revisionsverfahren keine Berücksichtigung finden könnte (§ 118 Abs. 2 FGO) und der deshalb auch nicht geeignet ist, die Revision zu eröffnen.

Ansparabschreibung nach Buchwerteinbringung in Kapitalgesellschaft

Eine Ansparabschreibung nach § 7g EStG in der bis zum Inkrafttreten des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 darf nicht vorgenommen werden, wenn im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung beim Finanzamt bereits feststeht, dass der Betrieb zu Buchwerten in eine Kapitalgesellschaft eingebracht wird.

Investitionen, die zwischen dem (rückwirkend festgesetzten) steuerlichen Übertragungsstichtag und der späteren notariellen Beurkundung der Ausgliederung bzw. der Eintragung des neu gegründeten übernehmenden Rechtsträgers im Handelsregister vorgenommen werden, sind steuerrechtlich nicht mehr dem eingebrachten Einzelunternehmen, sondern der aufnehmenden Kapitalgesellschaft zuzurechnen.

BFH Urteil vom 27.01.2016 – X R 21/09, BFH/NV 2016, 751

Sachverhalt:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde für das Streitjahr 2003 mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Er betrieb ein im Handelsregister eingetragenes Bauunternehmen, dessen Gewinn er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelte.

Mit notarieller Urkunde vom 30. März 2004 gliederte er das Einzelunternehmen gemäß § 123 Abs. 3 des Umwandlungsgesetzes auf eine neu gegründete GmbH aus, deren Alleingesellschafter und einziger Geschäftsführer er wurde. Er legte der Ausgliederung die Eröffnungsbilanz der GmbH zum 1. Januar 2004 zugrunde, in der die Buchwerte des Einzelunternehmens fortgeführt wurden. Die GmbH wurde am 21. Juni 2004 in das Handelsregister eingetragen. Am 10. Juni 2004 reichte der Kläger für Zwecke einer vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) beabsichtigten Anpassung der Vorauszahlungen seine Einnahmen-Überschuss-Rechnung für 2003 ein. Darin war eine Betriebsausgabe in Höhe von 200.000 EUR für eine Ansparabschreibung i.S. des § 7g Abs. 3, 6 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr enthalten.

Begründung:

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

Steuerpflichtige, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, können nach § 7g Abs. 1 und Abs. 3 EStG 2002 –unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen– für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden, die 40 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten darf, das „der Steuerpflichtige voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen wird”. Ermittelt der Steuerpflichtige –wie im Streitfall– seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG 2002, so kann er statt der Rücklage eine entsprechende Betriebsausgabe abziehen (§ 7g Abs. 6 EStG 2002).

Wird ein Betrieb in eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft eingebracht und erhält der Einbringende dafür neue Anteile an der Gesellschaft (Sacheinlage), so ist das eingebrachte Betriebsvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (BGBl I 2002, 4133) –UmwStG 2002– nach § 20 Abs. 2 bis 8 UmwStG 2002 zu bewerten. Die Kapitalgesellschaft darf das eingebrachte Betriebsvermögen mit seinem Buchwert oder einem höheren Wert ansetzen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2002). Der Wert, mit dem die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt, gilt für den Einbringenden als Veräußerungspreis (§ 20 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 2002).

Wenn die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen mit dem Buchwert ansetzt, tritt sie in die steuerliche Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers ein, insbesondere bezüglich der Bewertung der übernommenen Wirtschaftsgüter, der Absetzungen für Abnutzung und der den steuerlichen Gewinn mindernden Rücklagen (§ 22 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 3 Satz 1 UmwStG 2002).

Diese gesetzlichen Regelungszusammenhänge hat der Große Senat des BFH in seinem Beschluss dahingehend gewürdigt, dass eine Ansparabschreibung nach § 7g EStG 2002 nicht mehr vorgenommen werden dürfe, wenn im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung beim FA bereits feststehe, dass der Betrieb zu Buchwerten in eine Kapitalgesellschaft eingebracht werde.

Zur Begründung hat er ausgeführt, für Fälle der Betriebsveräußerung und -aufgabe sei bereits entschieden, dass eine Ansparabschreibung nicht mehr vorgenommen werden könne, wenn die Investition im Betrieb nicht mehr möglich sei. Nichts anderes könne in Fällen der Einbringung eines Betriebs in eine Kapitalgesellschaft gelten, weil es sich dabei um einen veräußerungs- und tauschähnlichen Vorgang handele. Der Rechtsträger des Betriebs wechsele infolge eines entgeltlichen Vorgangs ebenso wie bei einer Veräußerung. An dieser Einordnung als veräußerungsähnlichen Vorgang ändere sich nichts dadurch, dass die übernehmende Kapitalgesellschaft die Buchwerte des eingebrachten Betriebsvermögens ansetze. Der in § 22 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 3 Satz 1 UmwStG 2002 angeordnete Eintritt der übernehmenden Körperschaft in die steuerliche Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers bedeute keine Gesamtrechtsnachfolge. Der Eintritt beschränke sich vielmehr auf objektbezogene Besteuerungsmerkmale. Der Förderzweck des § 7g EStG 2002 könne durch die Vornahme einer Ansparabschreibung im Einzelunternehmen nicht mehr erreicht werden. An diese Rechtsauffassung des Großen Senats ist der erkennende Senat gemäß § 11 Abs. 7 Satz 3 FGO gebunden.

Vorliegend stand seit der notariellen Beurkundung der Ausgliederung am 30. März 2004 fest, dass das Einzelunternehmen –mit Rückwirkung auf den 1. Januar 2004– in die GmbH eingebracht werde. Erst nach diesem Zeitpunkt hat der Kläger die Ansparabschreibung beim FA geltend gemacht, wobei der Senat offen lassen kann, ob hierfür der Tag der Abgabe der Einkommensteuererklärung 2003 (6. August 2004) oder die Einreichung der Einnahmen-Überschuss-Rechnung für Zwecke der Anpassung der Vorauszahlungen (10. Juni 2004) maßgebend ist.

Soweit der Kläger sich darauf beruft, im Einzelunternehmen seien sowohl vor der notariellen Beurkundung der Ausgliederung als auch im weiteren Verlauf vor der Eintragung im Handelsregister erhebliche Investitionen vorgenommen worden, vermag dies dem Begehren nicht zum Erfolg zu verhelfen. Nach § 20 Abs. 7 Satz 1 UmwStG 2002 sind das Einkommen und das Vermögen des Einbringenden und der übernehmenden Kapitalgesellschaft auf Antrag so zu ermitteln, als ob das eingebrachte Betriebsvermögen mit Ablauf des nach § 20 Abs. 8 UmwStG 2002 maßgebenden Übertragungsstichtags auf die Übernehmerin übergegangen wäre. Das bedeutet, dass auch eine Investition, die der Kläger tatsächlich im Jahre 2004 noch im Einzelunternehmen getätigt hat, mit Antragstellung ertragsteuerlich als Investition der GmbH gilt. Der Einwand des Klägers, dass die Rückwirkungsfiktion des § 20 Abs. 7, 8 UmwStG 2002 etwa für die Umsatzsteuer und die Lohnsteuer nicht gelte und daher nicht allumfassend sei, geht fehl, da die Anwendung des § 7g EStG eine ertragsteuerliche Frage ist, für die die Rückwirkungsfiktion gilt. Es kann dahingestellt bleiben, wann genau der Antrag nach § 20 Abs. 7 Satz 1 UmwStG 2002 gestellt wurde. Die ertragsteuerliche Gewinnermittlung wurde rückwirkend auf den 1. Januar 2004 vorgenommen. Wie § 7 Abs. 1 Satz 2 der notariellen Urkunde vom 30. März 2004 zeigt, war dies bereits zu diesem Zeitpunkt und damit vor Geltendmachung der Ansparabschreibung beabsichtigt.

Erhöhung der Anschaffungskosten von Beteiligungen durch verdeckte Einlagen

Die Beteiligung eines Besitz-Einzelunternehmers an einer Kapitalgesellschaft, mit der die Betriebs-Kapitalgesellschaft umfangreiche Geschäftsbeziehungen pflegt, gehört in der Regel zum notwendigen Betriebsvermögen des Besitzunternehmers.

Ein Wirtschaftsgut des notwendigen Betriebsvermögens, das rechtsirrig nicht in die Bilanz aufgenommen worden ist, ist in die erste verfahrensrechtlich offene Anfangsbilanz erfolgsneutral mit dem Wert einzubuchen, mit dem es zu Buche stehen würde, wenn die Bilanzierung von Anfang an zutreffend vorgenommen worden wäre.

Bei der Ermittlung dieses Einbuchungswerts kann nicht unterstellt werden, der Steuerpflichtige habe in der Vergangenheit Bewertungswahlrechte stets dahingehend ausgeübt, dass sie zu einem möglichst niedrigen Bilanzansatz führen.

Nichtkaufleute waren auch vor 2009 nicht zur Vornahme von Teilwertabschreibungen in der Steuerbilanz verpflichtet.

Überträgt eine Kapitalgesellschaft eine wertlose Forderung gegen einen Dritten an ihren Gesellschafter und erbringt dieser hierfür eine werthaltige Gegenleistung in Höhe des Nennwerts der Forderung, ist die Gegenleistung als verdeckte Einlage in die Kapitalgesellschaft anzusehen, die die Anschaffungskosten der Beteiligung erhöht.

Es verstößt gegen die europarechtliche Kapitalverkehrsfreiheit, dass § 3c Abs. 2 EStG im Jahr 2001 nur bei Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften, nicht aber bei Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschafen den Betrag einer Teilwertabschreibung zur Hälfte vom Betriebsausgabenabzug ausschloss.

Das Halb- bzw. Teilabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG ist in Veranlagungszeiträumen bis 2010 nicht anzuwenden, wenn aus der betreffenden Beteiligung niemals Einnahmen erzielt wurden, die durch das Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren begünstigt waren.

BFH Urteil vom 29.07.2015 – X R 37/13 BFH/NV 2016, 536

Sachverhalt:

Der Revisionskläger ist der Alleinerbe der ursprünglichen Kläger, bei denen es sich um Eheleute handelte, die im Streitjahr 2001 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden und während des Beschwerde- bzw. Revisionsverfahrens verstorben sind. Der ursprüngliche Kläger (Ehemann/E) betrieb zunächst als Einzelunternehmer die Herstellung und den Vertrieb elektronischer Geräte. Seit 1984 verpachtete er das gesamte Anlagevermögen einschließlich des Betriebsgrundstücks an eine Betriebs-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und einziger Geschäftsführer er war. Die Betriebs-GmbH führte die Tätigkeit des Einzelunternehmens fort. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass die Verpachtung als Betriebsaufspaltung anzusehen und E mit dem Besitzunternehmen weiterhin gewerblich tätig war.

Begründung:

Das FG hat –obwohl die Beteiligten vom Beginn des Verfahrens an über diese Frage gestritten haben und sie entscheidungserheblich ist– nicht geprüft, ob die Beteiligung an der D-Vertriebs-GmbH zum Betriebsvermögen des E gehörte. Sollte diese Frage –wofür Vieles spricht– zu bejahen sein, wäre die Beteiligung in die Anfangsbilanz zum 1. Januar des Streitjahres 2001 erfolgsneutral einzubuchen. Bei der Ermittlung des Wertes mit dem die Beteiligung einzubuchen wäre, wären auch nachträgliche Anschaffungskosten aufgrund einer etwaigen von E im Jahr 2000 in die D-Vertriebs-GmbH getätigten verdeckten Einlage zu berücksichtigen. Von diesem entsprechend aufgestockten Wert käme im Streitjahr 2001 eine gewinnmindernde Teilwertabschreibung in Betracht, was im Ergebnis –wenn auch aus anderen Gründen als vom Revisionskläger geltend gemacht– zum Erfolg der Klage führen könnte.

Die Beteiligung des E an der D-Vertriebs-GmbH könnte –was von den Beteiligten im Verwaltungs- und Klageverfahren zutreffend herausgearbeitet worden ist– unter zwei rechtlichen Gesichtspunkten zum Betriebsvermögen gehören: Zum einen wegen einer engen wirtschaftlichen Verflechtung zwischen der D-Vertriebs-GmbH und der Betriebs-GmbH, deren Anteile zweifelsfrei Teil des Betriebsvermögens des E waren (unten aa); zum anderen, wenn eine Betriebsaufspaltung auch im Verhältnis zwischen E und der D-Vertriebs-GmbH bestanden hätte. Aus dem vom FG festgestellten Sachverhalt ergeben sich erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligung an der D-Vertriebs-GmbH jedenfalls in früheren Jahren wegen einer engen wirtschaftlichen Verflechtung mit der Betriebs-GmbH als notwendiges Betriebsvermögen des E anzusehen war.

Die Betriebs-GmbH gehörte im Jahr 1990 zu den Gründungsgesellschaftern der D-Vertriebs-GmbH. Im Jahr 1993, als E und F ihre 75 %- bzw. 25 %-Beteiligungen an der D-Vertriebs-GmbH erwarben, war die Betriebs-GmbH sogar Alleingesellschafterin der D-Vertriebs-GmbH. Schon dies spricht für eine gewisse Bedeutung der D-Vertriebs-GmbH innerhalb der von E beherrschten Firmengruppe.

Der D-Vertriebs-GmbH stand nach der Vertriebsvereinbarung vom 12. Juli 1990 der Alleinvertrieb bestimmter Produkte der Betriebs-GmbH zu. Bereits dieser Umstand indiziert, dass zwischen den beiden Gesellschaften eine wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht bestand. Für das Jahr 1993 –in dem E seine Beteiligung an der D-Vertriebs-GmbH erworben hatte– hat das FG zwar nicht festgestellt, welcher Anteil der von der Betriebs-GmbH insgesamt erzielten Erlöse auf Lieferungen an die D-Vertriebs-GmbH beruhte. Sowohl im Vorjahr des Beteiligungserwerbs (1992) als auch im Jahr 1995 hat dieser Anteil zwischen 16 % und 18 % des Umsatzes der Betriebs-GmbH gelegen, war also jedenfalls nicht geringfügig. In den Jahren 1996 und 1997 lag der Anteil der D-Vertriebs-GmbH am Gesamtumsatz der Betriebs-GmbH dann sogar bei jeweils ca. 50 %.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist –nicht nur im Hinblick auf Aufträge, die ein Einzelunternehmer direkt von einer GmbH erhält, sondern auch in Bezug auf Geschäftsbeziehungen zwischen einer Betriebs-GmbH und einer anderen GmbH, an der der Inhaber des Besitz-Einzelunternehmens beteiligt ist– schon bei einem Umsatzanteil von deutlich unter 50 % notwendiges Betriebsvermögen erwogen worden. Dies gilt beispielsweise für Umsatzanteile von 12,5 % bis 19 %. Danach spricht Vieles dafür, dass die Beteiligung bereits bei ihrem Erwerb im Jahr 1993, spätestens aber beim Erreichen der 50 %-Umsatzschwelle im Jahr 1996 zum notwendigen Betriebsvermögen des E gehört hat. In diesem Fall wäre sie daher zwingend in dessen Bilanzen auszuweisen gewesen.

Zwar mag die Beteiligung durch das erhebliche Absinken der zwischen der Betriebs-GmbH und der D-Vertriebs-GmbH getätigten Umsätze ab dem Jahr 1998 ihre Eigenschaft als notwendiges Betriebsvermögen verloren haben. Wenn sie aber einmal zum Betriebsvermögen gehört hat, kann sie nur dadurch wieder aus dem Betriebsvermögen ausscheiden, dass sie entweder zu notwendigem Privatvermögen wird oder durch eine unmissverständliche Handlung aus dem Betriebsvermögen entnommen wird. Für keine dieser Varianten sind vorliegend nach den Feststellungen des FG bis zum Ende des Streitjahres Anhaltspunkte ersichtlich.

Sollte die Beteiligung an der D-Vertriebs-GmbH nicht schon aus den unter aa) genannten Gründen zum Betriebsvermögen des E gehört haben, bliebe zu prüfen, ob auch zwischen E und der D-Vertriebs-GmbH die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung erfüllt waren.

Jedenfalls die hierfür erforderliche personelle Verflechtung war gegeben, weil dem E die Stimmrechtsmehrheit in der D-Vertriebs-GmbH zustand. Zweifelhaft ist allein, ob auch eine sachliche Verflechtung bestand.

Insoweit scheint dem erkennenden Senat zweifelsfrei, dass die im Eigentum des E stehenden, von der D-Vertriebs-GmbH genutzten Räume als wesentliche Betriebsgrundlage dieser Gesellschaft anzusehen sein dürften. Ausweislich der Beschreibung der Tätigkeiten, die die D-Vertriebs-GmbH in diesen Räumen ausgeübt hat, handelte es sich um wesentliche betriebliche Funktionen einer Vertriebsgesellschaft (Kontrolle des Wareneingangs, Lagerhaltung, Versandabwicklung, Garantie- und Reparaturarbeiten).

Da die D-Vertriebs-GmbH die Miete für die ihr überlassenen Räume im Streitjahr 2001 unmittelbar an E gezahlt hat, könnte das FG der Frage nachgehen, ob es nicht nur für diesen Zeitraum, sondern auch in der Zeit zuvor eine Überlassungsvereinbarung unmittelbar zwischen E und der D-Vertriebs-GmbH gegeben hat. In diesem Fall wäre die für die Annahme einer Betriebsaufspaltung erforderliche sachliche Verflechtung gegeben.

Sollte E hingegen die wesentliche Betriebsgrundlage nur mittelbar –über die Betriebs-GmbH– an die D-Vertriebs-GmbH überlassen haben, wäre zu klären, ob eine solche mittelbare Überlassung für die Annahme einer sachlichen Verflechtung ausreicht. Die höchstrichterliche Rechtsprechung schließt dies nicht gänzlich aus.

Sollte das FG zu dem Ergebnis kommen, dass die Beteiligung an der D-Vertriebs-GmbH zum Betriebsvermögen des E gehörte, wäre sie in die erste offene Anfangsbilanz –d.h. in diejenige zum 1. Januar des Streitjahres 2001– erfolgsneutral mit dem Wert einzubuchen, mit dem sie zu Buche stehen würde, wenn die Bilanzierung von Anfang an zutreffend vorgenommen worden wäre. Diese Rechtsfolge zieht die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung bei Wirtschaftsgütern des notwendigen Betriebsvermögens, die bisher zu Unrecht nicht bilanziert worden sind.

Zwar sind nach den Grundsätzen über den formellen Bilanzenzusammenhang die Bilanzansätze in der letzten Schlussbilanz, die einer bestandskräftigen Veranlagung zugrunde gelegen hat, grundsätzlich unverändert in die Anfangsbilanz des ersten verfahrensrechtlich offenen Jahres zu übernehmen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG und § 252 Abs. 1 Nr. 1 des Handelsgesetzbuches –HGB–). Diese Grundsätze sind hier indes nicht anwendbar, weil es in Bezug auf die Beteiligung an der D-Vertriebs-GmbH an einem Bilanzansatz in der Schlussbilanz zum 31. Dezember 2000 von vornherein fehlt.

Bei der Ermittlung des Wertes, mit dem die Beteiligung einzubuchen wäre, wären sowohl die im Rahmen des Erwerbsvorgangs im Jahre 1993 aufgewendeten Anschaffungskosten zu berücksichtigen, ferner seither entstandene nachträgliche Anschaffungskosten, zu denen insbesondere eine im Jahr 2000 verwirklichte verdeckte Einlage geführt haben könnte (unten aa). Selbst wenn der Teilwert bereits zum 1. Januar 2001 unter die Summe der historischen und nachträglichen Anschaffungskosten gesunken sein sollte, wäre der einzubuchende Wert nicht auf den niedrigeren Teilwert zu begrenzen (unten bb).

Die am 17. Juli 2000 vereinbarten und vorgenommenen Forderungsabtretungen könnten zu einer verdeckten Einlage des E in die D-Vertriebs-GmbH in Höhe von bis zu 944.001,64 DM (Nennwert der Forderung) geführt haben. Dies hätte bei zutreffender Bilanzierung zu einer entsprechenden Erhöhung des Buchwerts der Beteiligung des E geführt, was im Rahmen der Ermittlung des zutreffenden, zum 1. Januar 2001 einzubuchenden Wertes zu berücksichtigen wäre.

Nach den Feststellungen des FG war die Forderung der D-Vertriebs-GmbH gegen die Ö-Vertriebs-GmbH bereits zum Zeitpunkt der Abtretungen am 17. Juli 2000 wertlos, da der Fortbestand der Bürgschaft des E über den 31. Dezember 1998 hinaus nicht habe festgestellt werden können. Der Kläger hat eine Reihe von Revisionsrügen gegen diese Feststellungen vorgebracht. Da der Rechtsstreit aus den unter II.1.a (Zugehörigkeit der Beteiligung an der D-Vertriebs-GmbH zum Betriebsvermögen) genannten Gründen ohnehin zurückzuverweisen und somit die Tatsacheninstanz neu eröffnet ist, bedarf es keiner Entscheidung über diese Rügen mehr. Das FG wird erneut die erforderlichen Feststellungen treffen und ggf. auch über die Frage befinden, ob bereits die Globalzession der Forderungen der D-Vertriebs-GmbH die Abtretung hinderte.

Sollte es dabei bleiben, dass die Forderung zum 17. Juli 2000 bereits ganz oder teilweise wertlos war, so läge in dem Forderungserwerb im Umfang der Wertminderung eine verdeckte Einlage des E in die D-Vertriebs-GmbH. Im Gegenzug für die Abtretung der wertgeminderten Forderung an die Betriebs-GmbH erlangte die D-Vertriebs-GmbH die Befreiung von Verbindlichkeiten sowie Ansprüche auf Warenlieferungen im tatsächlichen Wert von insgesamt bis zu 944.001,64 DM, nämlich in der Höhe, in der der Teilwert der Forderung hinter ihrem Nominalwert zurückblieb. Dies führte bei der D-Vertriebs-GmbH zunächst zu einem Ertrag in der entsprechenden Höhe. Ertragsteuerlich ist die Erbringung einer voll werthaltigen Gegenleistung durch die –ebenfalls von E beherrschte– Betriebs-GmbH gegen die Abtretung einer wertgeminderten Forderung durch die D-Vertriebs-GmbH allerdings insoweit als verdeckte Einlage des E in die D-Vertriebs-GmbH anzusehen. Die Zuführung dieses Vermögenswerts an die D-Vertriebs-GmbH beruhte nicht auf einem Marktvorgang, sondern konnte aus Sicht beider beteiligter Kapitalgesellschaften nur mit dem Gesellschaftsverhältnis zum gemeinsamen Allein- bzw. Mehrheitsgesellschafter E erklärt werden. Damit hätte die D-Vertriebs-GmbH diese bilanzielle Vermögensmehrung außerbilanziell durch Abzug eines entsprechenden Korrekturpostens neutralisieren müssen

Beim Gesellschafter E bewirkte eine verdeckte Einlage gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG eine Erhöhung der Anschaffungskosten seiner Beteiligung an der D-Vertriebs-GmbH, so dass der –in die Anfangsbilanz 2001 aufzunehmende– Beteiligungsbuchwert entsprechend aufzustocken wäre.

Wie der Vorgang bei der Betriebs-GmbH bilanziell zu behandeln ist, ist vor diesem Hintergrund nicht mehr erheblich. Denkbar ist allerdings, dass der Teilwert der Beteiligung des E an der D-Vertriebs-GmbH zum Einbuchungszeitpunkt (1. Januar 2001) unter die Summe der historischen und nachträglichen Anschaffungskosten gesunken ist. Ob der geminderte Teilwert für die Höhe der einzubuchenden Beteiligung maßgebend ist, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen.

In der Steuerbilanz besteht keine Verpflichtung zur Vornahme von Teilwertabschreibungen. Es handelt sich um ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen (vgl. u.a. für nichtabnutzbares Anlagevermögen § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG: „kann”). Im Streitjahr 2001 waren zwar über den Maßgeblichkeitsgrundsatz der damaligen Fassung des § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG Kaufleute bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung zur Teilwertabschreibung auch in der Steuerbilanz verpflichtet. Ob E allerdings Kaufmann im Sinne des HGB und als solcher handelsrechtlich zur Buchführung verpflichtet war, vermag der Senat anhand der Feststellungen des FG nicht zu beurteilen. Allein die in der Verpachtung von Anlagevermögen liegende Tätigkeit begründet ein Handelsgewerbe jedenfalls nicht.

Sollte E kein Kaufmann gewesen sein, so kann die Vornahme einer Teilwertabschreibung vor dem Streitjahr nicht unterstellt werden. Die Einbuchung der Beteiligung an der D-Vertriebs-GmbH hat zu dem Wert zu erfolgen, mit dem sie bei von Anfang an zutreffender Bilanzierung zu Buche stünde. Dabei kann aber nicht unterstellt werden, E hätte von seinem Bewertungswahlrecht dahingehend Gebrauch gemacht, dass es zu einem niedrigeren Bilanzansatz führt, da dies dem Wesen des Wahlrechts widerspricht. Das gilt auch dann, wenn die Inanspruchnahme derartiger Wahlrechte üblich sein sollte.

Von dem Wert, mit dem die Beteiligung an der D-Vertriebs-GmbH zum 1. Januar 2001 nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen einzubuchen wäre, könnte im Streitjahr 2001 eine gewinnmindernde Teilwertabschreibung in Betracht kommen.Der Revisionskläger hat im zweiten Rechtsgang nochmals Gelegenheit, dem FG substantiiert Tatsachen darzulegen, die für einen unter die Summe aus den historischen und nachträglichen Anschaffungskosten gesunkenen Teilwert der Beteiligung des E an der D-Vertriebs-GmbH zum 31. Dezember 2001 sprechen. Dabei sind ausschließlich solche Umstände heranzuziehen, die dem E spätestens bei Aufstellung seiner Bilanz für das Streitjahr bekannt waren. Die von E während des Klageverfahrens vorgelegte „stark vereinfachte Unternehmensbewertung” reicht hierfür nicht aus, zumal sie sich nicht auf das Streitjahr, sondern auf den Bilanzstichtag des Folgejahres bezog.

Soweit die Forderung der D-Vertriebs-GmbH gegen die Ö-Vertriebs-GmbH allerdings bereits am 17. Juli 2000 im Wert gemindert war, kommt eine Teilwertabschreibung auf diese Forderung im Jahre 2001 nicht mehr in Betracht. Sollte sich im Laufe des Verfahrens herausstellen, dass die Forderung nicht oder nicht vollen Umfangs wertgemindert war, so stünde allerdings einer Teilwertabschreibung hinsichtlich dieses Teils unter den üblichen Voraussetzungen nichts im Wege.

Wenn und soweit hingegen die Forderung bereits im Jahre 2000 wertgemindert oder wertlos war, kommt eine Teilwertabschreibung auf diese Forderung im Jahre 2001 unter sämtlichen Aspekten nicht in Betracht. Das gilt unabhängig davon, ob die Forderung zum Privatvermögen oder zum Betriebsvermögen des E gehörte.

die Forderung zum Privatvermögen des E gehörte, hätte er sie niemals in seinem Betriebsvermögen ausweisen dürfen. Wirtschaftsgüter des notwendigen Privatvermögens, die fälschlich in der Bilanz ausgewiesen worden sind, sind im Wege der erfolgsneutralen Korrektur in der ersten offenen Anfangsbilanz auszubuchen. Diese Rechtsfolge hat das FA im angefochtenen Bescheid gezogen; dem hat sich der Revisionskläger unter der –von ihm nicht geteilten– Voraussetzung, dass die Forderung tatsächlich zum Privatvermögen gehören sollte, angeschlossen. Eine Teilwertabschreibung zum 31. Dezember 2001 käme dann mangels abschreibungsfähigen Wirtschaftsguts von vornherein nicht in Betracht.

Falls die Forderung hingegen zum Betriebsvermögen des E gehörte, wäre eine Teilwertabschreibung im Streitjahr 2001 ebenfalls nicht mehr möglich. Durch den Erwerb der wertlosen oder wertgeminderten Forderung im Jahre 2000 hat E eine verdeckte Einlage in die D-Vertriebs-GmbH bewirkt, dies jedoch in der Schlussbilanz 2000 bilanziell nicht nachvollzogen. Für die Beurteilung, ob die nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs im ersten verfahrensrechtlich offenen Jahr vorzunehmende Korrektur erfolgswirksam oder erfolgsneutral vorzunehmen ist, muss darauf abgestellt werden, ob der dem E im bestandskräftig veranlagten Jahr 2000 unterlaufene Bilanzierungsfehler seinerseits erfolgswirksam oder erfolgsneutral war. Letzteres war der Fall.

Zur Beurteilung der Frage, wie sich ein Bilanzierungsfehler ausgewirkt hat, ist nicht ein einzelner Bilanzposten, sondern die bilanzielle Erfassung des gesamten Geschäftsvorfalls zu betrachten. Wenn die gewinnmindernde Buchung eines Bilanzansatzes durch die gewinnerhöhende Buchung eines korrespondierenden Bilanzansatzes ausgeglichen wird, handelt es sich um einen im Ergebnis gewinnneutralen Vorgang. Die Frage, ob ein Fehler gewinnwirksam war, kann nicht durch isolierte Betrachtung eines einzelnen Bilanzpostens, sondern nur durch Saldierung mit allen durch die ggf. fehlerhafte Buchung berührten Bilanzposten beantwortet werden. Allein der Umstand, dass ein Aktiv- oder Passivposten angesprochen ist, trifft noch keine Aussage darüber, ob dies eine Gewinnauswirkung hat oder etwa auf einem gewinnneutralen Aktiv- oder Passivtausch beruht. Für die Erfolgswirksamkeit ist demnach nicht auf einen einzelnen Bilanzposten, sondern auf den Vorgang abzustellen

Nach diesen Grundsätzen ist für die Frage, ob die ggf. fehlerhafte Aktivierung der wertgeminderten Forderung mit dem Nominalwert statt mit dem ggf. zutreffenden Teilwert erfolgswirksam oder erfolgsneutral war, nicht allein die fehlerhafte Erfassung der Forderung, sondern auch die korrespondierende fehlerhafte Nichterfassung der durch die verdeckte Einlage bewirkten Aufstockung des Beteiligungsbuchwerts an der D-Vertriebs-GmbH zu berücksichtigen. Beide Fehler sind untrennbar miteinander verbunden, als sie auf demselben –insgesamt fehlerhaft erfassten– Geschäftsvorfall beruhen. Die fehlerhafte Erfassung bestand darin, dass zwar ein Vermögenswert aktiviert, die Aktivierung aber unter einem falschen Bilanzposten erfolgt ist. Die Fehler haben sich somit gegenläufig ausgewirkt und saldierten sich zu einem gewinnneutralen Ergebnis. Zur Korrektur des Fehlers bedürfte es lediglich eines –gewinnneutralen– Aktivtauschs. Nach alledem ist der etwaige Bilanzierungsfehler auch hinsichtlich der Forderung im ersten offenen Jahr 2001 ergebnisneutral in der Anfangsbilanz zu korrigieren. Für eine Teilwertabschreibung in der Bilanz zum 31. Dezember 2001 ist kein Raum mehr.