Mietverhältnis unter nahen Angehörigen

Hat der Steuerpflichtige seit Jahren ein Wohnhaus an seine Eltern vermietet und zahlen die Eltern nach ihrer Einweisung in ein Pflegeheim und Anordnung einer Betreuung die Miete nicht mehr, ist das Mietverhältnis bis zu seiner Beendigung anzuerkennen, wenn es zeitnah beendet wird. Das ist der Fall, wenn zwischen der Unterbringung im Pflegeheim und der geräumten Übergabe des Objekts in etwa ein halbes Jahr vergangen ist.

Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass ein fremder Vermieter in einer solchen Situation unverzüglich die sofortige Kündigung aussprechen und Zahlungs- und Räumungsklage erheben würde.

BFH Urteil vom 11.07.2017.2017-iX R 42/15 BFH/NV 2017, 1422

Sachverhalt
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen um die steuerliche Anerkennung eines Mietverhältnisses zwischen nahen Angehörigen.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb von seinen Eltern im Jahr 1992 das von ihnen Ende der 1970-er Jahre errichtete, selbst genutzte Einfamilienhaus in X. Dieses vermietete er seither an seine Eltern. Die Mietdauer betrug insgesamt etwa 17 Jahre. Im November 2008 zogen die Eltern des Klägers in ein Pflegeheim; zeitgleich wurde eine Betreuung angeordnet.
Der vereinbarte monatliche Mietzins betrug zunächst 700 EUR. Ab Juli 2003 zahlten die Eltern monatlich Miete in Höhe von 600 EUR. Seit der Unterbringung in das Pflegeheim leisteten die Eltern keine Mietzahlung mehr. Nach den Angaben des Klägers wurde das Mietverhältnis in der Vergangenheit mehrfach überprüft und im Ergebnis bis zum Streitjahr (2009) als unter Fremden üblich anerkannt. Der Kläger kündigte das Mietverhältnis mit Telefax vom 1. Juni 2009 fristlos und forderte die Betreuerin auf, das Haus bis zum 30. Juni 2009 zu räumen. Das Haus wurde schließlich bis Ende Juli 2009 geräumt.

Den vom Kläger für das Streitjahr geltend gemachten Werbungskostenüberschuss aus der Vermietung des Hauses in Höhe von 16.830 EUR ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) in dem Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 9. April 2010 unberücksichtigt. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass die erforderliche Vermietungsabsicht noch fortbestanden habe. Da er bereits im Februar 2009 das Haus zum Verkauf angeboten habe, könnten die geltend gemachten Werbungskosten nicht mehr den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet werden. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Die dagegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 17. Juni 2013 5 K 2636/10 abgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hin hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 6. März 2014 IX B 103/13 (BFH/NV 2014, 887) das Urteil aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben und den Rechtsstreit an das FG zurückverwiesen.
Die Klage hatte auch im zweiten Rechtsgang keinen Erfolg. Das FG entschied mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 2177 veröffentlichten Urteil vom 18. November 2014 5 K 1403/14, dass das zwischen dem Kläger und seinen Eltern bestehende Mietverhältnis spätestens seit Dezember 2008 steuerrechtlich nicht mehr anzuerkennen sei und daher der geltend gemachte Verlust aus der Vermietung des Hauses im Streitjahr nicht steuermindernd berücksichtigt werden könne. Zudem habe der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt seine Vermietungsabsicht (“Einkünfteerzielungsabsicht”) aufgegeben. Er habe das Haus nach der Unterbringung der Eltern im Pflegeheim nicht weiter vermieten wollen und es bereits ab Februar 2009 zum Verkauf angeboten.
Das FG hat im ersten Rechtsgang einen schriftlichen Hinweis erteilt, wonach die vom Kläger vorgebrachten Tatsachen (Zahlungsunfähigkeit der Eltern; Umstände zur Durchführung und Abwicklung des Mietverhältnisses nach der Unterbringung in das Pflegeheim) als wahr unterstellt werden könnten, soweit diese überhaupt entscheidungserheblich seien. Von dieser Sachverhaltswürdigung hat sich das FG im zweiten Rechtsgang durch entsprechenden Hinweis in der mündlichen Verhandlung distanziert. Die daraufhin beantragte Vertagung der mündlichen Verhandlung hat das FG abgelehnt. Ebenso hat es die in diesem Zusammenhang gestellten Beweisanträge des Klägers (Vernehmung der Betreuerin der Eltern; Vernehmung von Mitarbeitern der Sozialverwaltung) im Urteil zurückgewiesen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 und § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) und materiellen Rechts (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres –EStG–). Zur Begründung führt der Kläger an, seine Eltern hätten seit ihrer Unterbringung im Pflegeheim das Haus zwar nicht mehr bewohnt und keine Mietzahlung mehr geleistet. Die rückständigen Mieten hätten aber nicht durchgesetzt werden können, da die Eltern nach der Einweisung in das Pflegeheim nicht mehr über freie Mittel verfügt hätten. Ein gerichtliches Verfahren hätte im Zweifel mehr Zeit in Anspruch genommen als die vom Kläger durchgeführte Abwicklung des Mietverhältnisses. Das Mietverhältnis sei daher bis zu seiner Beendigung im Juli 2009 steuerrechtlich anzuerkennen. Auch die alternative Begründung des FG trage nicht. Dass er im Februar 2009 das Haus auch zum Verkauf angeboten habe, schließe seine fortbestehende Vermietungsabsicht nicht aus. In der Rechtsprechung des BFH sei anerkannt, dass jedenfalls die bis zur Beendigung der Vermietungstätigkeit entstandenen Aufwendungen weiterhin durch die ursprünglich zur Erzielung von Einkünften aufgenommene Vermietungstätigkeit veranlasst seien. Darüber hinaus seien die vom Kläger entrichteten Schuldzinsen für das gesamte Streitjahr als Werbungskosten abziehbar, da der aus der Veräußerung des Hauses im Jahr 2012 erzielte Erlös nicht zur vollständigen Tilgung der Verbindlichkeiten ausgereicht habe.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG vom 18. November 2014 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 9. April 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. November 2010 mit der Maßgabe zu ändern, dass bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens zusätzlich die negativen Einkünfte aus der Vermietung des Hauses in X in Höhe von 15.138,40 EUR steuermindernd berücksichtigt werden. Ferner beantragt er, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das außergerichtliche Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Begründung:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur erneuten Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Die Beurteilung des zwischen dem Kläger und seinen Eltern bestehenden Mietverhältnisses durch das FG am Maßstab des Fremdvergleichs hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Auch tragen die Feststellungen des FG seine Schlussfolgerung nicht, der Kläger habe mit der Unterbringung der Eltern in das Pflegeheim seine Vermietungsabsicht aufgegeben.
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt, wer ein Grundstück, Gebäude oder Gebäudeteil gegen Entgelt zur Nutzung überlässt und beabsichtigt, daraus auf Dauer der Nutzung ein positives Ergebnis zu erzielen. Die Einkünfteerzielungsabsicht kann erst nachträglich einsetzen und auch wieder wegfallen.

Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich und typisierend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, einen solchen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben. Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten lediglich, wenn besondere Umstände gegen das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht sprechen. Hat der Steuerpflichtige den Entschluss auf Dauer zu vermieten endgültig gefasst, gilt die Regelvermutung für das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht für die Dauer seiner Vermietungstätigkeit grundsätzlich auch dann, wenn er die vermietete Immobilie aufgrund eines neu gefassten Entschlusses veräußert.
Stellt der Steuerpflichtige seine auf Einkünfteerzielung gerichtete Tätigkeit ein, sind die bis zur Beendigung der Vermietungstätigkeit entstandenen Aufwendungen weiterhin durch die ursprünglich zur Erzielung von Einkünften begonnene und unverändert fortgeführte Tätigkeit veranlasst. Bei auf die Vermietungszeit entfallenden Aufwendungen ist typisierend anzunehmen, dass sie der Einkünfteerzielung dienen. Hierunter fallen auch Aufwendungen für Abwicklungsmaßnahmen, die die negativen Einkünfte unter Umständen sogar erhöhen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Vermietungstätigkeit solange andauert, als der Vermieter dem Mieter die Nutzung der Mietsache entgeltlich überlässt, also in der Regel bis zum Ende des Mietverhältnisses. Mit dem –gegebenenfalls vorzeitigen, konkludent vereinbarten– Wegfall des Nutzungsrechts des Mieters endet die Vermietungszeit.

Steht die Wohnung sodann nach vorheriger auf Dauer angelegter Vermietung leer, sind die hierauf getätigten Aufwendungen solange noch als Werbungskosten abziehbar, als der Steuerpflichtige den ursprünglichen Entschluss zur Einkünfteerzielung im Zusammenhang mit dem Leerstand der Wohnung nicht endgültig aufgegeben hat. Daran fehlt es, solange sich der Steuerpflichtige ernsthaft und nachhaltig um eine Vermietung bemüht, selbst wenn er das Vermietungsobjekt daneben –z.B. wegen der Schwierigkeiten einer Vermietung– auch zum
Die steuerliche Anerkennung von Mietverträgen unter nahe stehenden Personen setzt u.a. voraus, dass die Verträge zivilrechtlich wirksam vereinbart worden sind und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht. Sie sind daraufhin zu überprüfen, ob sie durch die Einkünfteerzielung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) oder den steuerrechtlich unbeachtlichen privaten Bereich (§ 12 EStG) veranlasst sind.

Was unter “nahe stehenden Personen” zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht definiert. Im Rahmen der Prüfung, ob ein Mietverhältnis unter nahe stehenden Personen dem steuerlich bedeutsamen (§ 9 Abs. 1 EStG) oder dem privaten Bereich (§ 12 EStG) zuzuordnen ist, ist maßgeblich zu berücksichtigen, ob ein den Gleichklang wirtschaftlicher Interessen indizierendes, den Einzelfall bestimmendes Näheverhältnis angenommen werden kann. Maßgebend ist hierbei die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten.
Die Entscheidung, ob das Mietverhältnis zwischen nahe stehenden Personen dem steuerlich bedeutsamen oder dem privaten Bereich zuzuordnen ist, hat das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu treffen. Gleiches gilt im Hinblick auf die vom FG zu treffende Feststellung, ob der Steuerpflichtige weiterhin beabsichtigte, langfristig Einkünfte aus dem Vermietungsobjekt zu erzielen oder ob er seine Einkünfteerzielungsabsicht bereits aufgegeben hat. Dabei hat es alle Indizien zu berücksichtigen und in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen. Die revisionsrechtliche Prüfung durch den BFH beschränkt sich darauf, ob das FG von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat.
Maßgebliche Beweisanzeichen für die Prüfung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften stehen oder dem nicht steuerbaren privaten Bereich zugehörig sind, bilden insbesondere die Beachtung der zivilrechtlichen Formerfordernisse bei Vertragsabschluss und die Kriterien des Fremdvergleichs. Voraussetzung ist dabei grundsätzlich, dass die Hauptpflichten der Vertragsparteien wie die Überlassung der Mietsache zum Gebrauch sowie die Entrichtung der vereinbarten Miete klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt worden sind.

Diesen Grundsätzen liegt die Überlegung zugrunde, dass eine tatsächlich nicht durchgeführte Vereinbarung indiziell gegen ihre Ernsthaftigkeit spricht. Allerdings schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Entscheidend ist stets eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls. Dabei können gewichtige sonstige Umstände, die für ein ernsthaftes Mietverhältnis zwischen nahe stehenden Personen sprechen, trotz verspäteter oder zeitweise ausbleibender Mietzahlungen den Ausschlag geben. Hierzu können beispielsweise eine langjährige beanstandungsfreie Durchführung der Vereinbarungen sowie eine zeitnahe Abwicklung eines gestörten Mietverhältnisses gehören.

Nach diesen Grundsätzen hat das FG dem zwischen dem Kläger und seinen Eltern –bis zur Beendigung und Räumung im Juli 2009– bestehenden Mietverhältnis zu Unrecht die steuerrechtliche Anerkennung versagt. Auch die Schlussfolgerung des FG, der Kläger habe seine Vermietungsabsicht mit der Unterbringung der Eltern in das Pflegeheim aufgegeben,
Das FG hat seine Entscheidung, das Mietverhältnis halte im Streitjahr einem Fremdvergleich nicht mehr stand, im Wesentlichen darauf gestützt, dass seit der Unterbringung der Eltern in das Pflegeheim keine Mietzahlungen mehr geleistet worden sind und damit das Mietverhältnis tatsächlich nicht mehr wie vereinbart durchgeführt worden ist. Der Kläger habe das Ausbleiben der Mietzahlungen über ein halbes Jahr unbeanstandet gelassen und sich daher nicht wie ein fremder Vermieter verhalten. Weder seien Zahlungsaufforderungen oder Mahnungen noch eine sonstige Regelung in Bezug auf die ausstehende Miete ersichtlich. Gegenüber einem fremden Dritten hätte der Kläger seinen Mietanspruch gerichtlich geltend gemacht, im Zweifel das Mietverhältnis nach § 543 BGB bereits mit Ablauf des Januar 2009 –und nicht wie geschehen erst im Juni 2009– fristlos gekündigt und notfalls im Wege einer Räumungsklage auf einer Räumung zu einem früheren Zeitpunkt bestanden.
Diese Würdigung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Senat vermag dem FG nicht darin zu folgen, dass sich der Kläger im Streitfall in der Durchführung und Abwicklung des Mietverhältnisses nicht wie ein fremder Vermieter verhalten habe. Zwar ist das FG im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass ein Vermieter regelmäßig ein notleidendes Mietverhältnis durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung (§ 543 BGB) beenden und eine Räumung des Mietobjekts –gegebenenfalls auch gerichtlich– durchsetzen wird. Das FG hat aber vorliegend unberücksichtigt gelassen, dass es sich aufgrund der eingetretenen Pflegebedürftigkeit der Mieter um eine für beide Vertragsparteien besondere Situation gehandelt hat. In dieser Situation ist dem Vermieter –insbesondere eines langjährigen beanstandungsfreien Mietverhältnisses– hinsichtlich der Abwicklung ein gewisser Entscheidungsspielraum zuzubilligen, ob er das Mietverhältnis einvernehmlich und kooperativ oder durch Kündigung und etwaige Räumungsklage einseitig beendet. In diesem Zusammenhang hätte das FG in seine Würdigung einbeziehen müssen, dass der Kläger das Mietverhältnis im Ergebnis innerhalb von etwa einem halben Jahr und damit zeitnah zur Unterbringung der Mieter im Pflegeheim beendet und abgewickelt hat. Vor dem Hintergrund, dass sich aufgrund der Pflegebedürftigkeit der Mieter deren Auszug aus dem Haus ohnehin abzeichnete, hätte auch berücksichtigt werden müssen, dass ein gerichtliches Verfahren im Zweifel –wie der Kläger zu Recht eingewandt hat– mehr Zeit in Anspruch genommen hätte.

Auch die Annahme des FG, der Kläger habe seine Vermietungsabsicht bereits im Zeitpunkt der Unterbringung der Eltern in das Pflegeheim endgültig aufgegeben, weil er den Leerstand des Hauses hingenommen und das Haus bereits im Februar 2009 zum Verkauf angeboten habe, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das FG hat sich hierfür im Wesentlichen auf die Senatsrechtsprechung zum Fortbestehen der Vermietungsabsicht bei länger andauerndem Leerstand bei einer vorangehenden auf Dauer angelegten Vermietung gestützt.
Die vom FG zitierte BFH-Rechtsprechung lässt sich jedoch mangels Vergleichbarkeit der den Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte nicht auf den Streitfall übertragen. Das FG hat insoweit außer Acht gelassen, dass das Mietverhältnis rechtlich erst zum Ablauf des Juni 2009 beendet worden ist und das Haus vor diesem Zeitpunkt noch nicht i.S. der Senatsrechtsprechung vertragslos leer gestanden hat. Aus dem Umstand, dass der Kläger das Haus bereits im Februar 2009 zum Verkauf angeboten hat, folgt noch nicht, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt seinen Entschluss, das Haus zu vermieten, endgültig aufgegeben hat. Zugunsten des Klägers ist vielmehr davon auszugehen, dass die durch die Aufnahme der Vermietungstätigkeit gefasste Einkünfteerzielungsabsicht jedenfalls für die Dauer der Vermietungstätigkeit fortbesteht, auch wenn er die vermietete Immobilie aufgrund eines neu gefassten Entschlusses später veräußert.
Entscheidend für die Abziehbarkeit der Aufwendungen ist insoweit, dass diese während der Vermietungszeit entstanden sind d.h. bezogen auf den Streitfall, solange ein Anspruch der Eltern auf Nutzungsüberlassung des Hauses gegenüber dem Kläger bestand. Anhaltspunkte dafür, dass das während der Dauer des Mietvertrags fortbestehende Nutzungsrecht ausnahmsweise durch eine konkludente oder ausdrückliche Vereinbarung bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses i.S. des § 542 BGB erloschen sein könnte, hat das FG nicht festgestellt. Auch insoweit kann dem Kläger nicht entgegen gehalten werden, er habe die rechtliche Möglichkeit zur Beendigung des notleidend gewordenen Mietverhältnisses zu einem früheren Zeitpunkt ungenutzt verstreichen lassen.
Da die Schlussfolgerungen des FG in seinen tatsächlichen Feststellungen keine Stütze finden, ist sein Urteil aufzuheben. Der Senat kann die im Streitfall erforderliche Würdigung auf der Grundlage der vom FG hinreichend getroffenen Feststellungen selbst vornehmen. Danach sind jedenfalls die bis zur Beendigung des Mietverhältnisses und Räumung des Hauses Ende Juli 2009 durch die Vermietungstätigkeit angefallenen Aufwendungen dem Grunde nach als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung steuerlich zu berücksichtigen.
Die Sache ist nicht spruchreif. Von seinem Standpunkt aus zu Recht hat das FG –entgegen der Auffassung des Klägers– noch keine Feststellungen zur Höhe des im Streitjahr geltend gemachten Werbungskostenüberschusses getroffen. Dies wird im nächsten Rechtsgang nachzuholen sein.

Hinsichtlich der geltend gemachten Werbungskosten wird das FG prüfen müssen, welche Aufwendungen auf die Vermietungszeit entfallen sowie ob, zu welchem Zeitpunkt und aus welchen Gründen der Kläger nach der Beendigung des Mietverhältnisses seinen Entschluss zur Einkünfteerzielung endgültig aufgegeben hat. In Bezug auf den Abzug der geltend gemachten Zinsaufwendungen verweist der Senat auf seine, wonach ein fortdauernder Veranlassungszusammenhang von nachträglichen Schuldzinsen mit früheren Einkünften i.S. des § 21 EStG nicht anzunehmen ist, wenn der Steuerpflichtige zwar ursprünglich mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat, seine Absicht zu einer (weiteren) Einkünfteerzielung jedoch bereits vor der Veräußerung des Immobilienobjekts aus anderen Gründen weggefallen ist. Kommt das FG hingegen zu dem Ergebnis, dass der Kläger seine Einkünfteerzielungsabsicht auch nach Beendigung des Mietverhältnisses mit den Eltern noch nicht aufgegeben hat, können die Schuldzinsen für ein Darlehen, das der Finanzierung der Anschaffungskosten des Hauses gedient hat, grundsätzlich auch nach einer nicht steuerbaren Veräußerung als nachträgliche Werbungskosten abgezogen werden, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden.

Da die Revision bereits in der Sache Erfolg hat, kommt es auf die geltend gemachten Verfahrensrügen nicht an.
Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), ist im Revisionsverfahren unzulässig. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren; zuständig ist daher das Gericht des ersten Rechtszugs, im Streitfall das FG.

Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht bei Ferienwohnungen

Es ist geklärt, dass in die zur Ermittlung der Einkünfteerzielungsabsicht durchzuführende Prognoserechnung auch nach Beginn der Vermietungstätigkeit eintretende tatsächliche Veränderungen, die auf eine zukünftige Verbesserung der Einnahmensituation schließen lassen, einzubeziehen sind.

BFH Beschluss vom 25.07.2017 – IX B 50/17 BFH/NV 2017, 1457

Begründung:

Im Übrigen ist die von den Klägern angesprochene Rechtsfrage, ob in die zur Ermittlung der Überschusserzielungsabsicht durchzuführende Prognoserechnung auch nach Beginn der Vermietungstätigkeit eintretende tatsächliche Veränderungen, die auf eine zukünftige Verbesserung der Einnahmensituation schließen lassen (wie z.B. eine beabsichtigte Dauervermietung), einzubeziehen sind, in der Rechtsprechung des BFH geklärt. Gleiches gilt für die im Zusammenhang mit der Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht bei Ferienwohnungen bedeutsamen Rechtsfragen.

Gewerblicher Grundstückshandel bei einem geplanten Objekt

Auch ein gewerblicher Grundstückshandel setzt Gewinnerzielungsabsicht voraus.

Die Gewinnerzielungsabsicht kann nachträglich entfallen.

Obliegt es dem gewerblichen Händler zu bebauender Grundstücke, mit Rücksicht auf eine längere Verlustphase Umstrukturierungsmaßnahmen zu treffen, so hat er geänderte konkrete Nutzungskonzepte zu entwickeln und zu verfolgen.

Die Hoffnung auf einen Veräußerungsgewinn jenseits einer Haltefrist von zehn Jahren ist regelmäßig privater Natur.
Wird der Betrieb weder umstrukturiert noch aufgegeben, kommt es zum Strukturwandel zur Liebhaberei.

BFH Urteil vom 05.04.2017 – X R 6/15 BFH/NV 2017, 1482

Sachverhalt:

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war als Vermessungsingenieur tätig. Im Jahre 1991 beauftragte die Gemeinde X sein Büro mit der alleinigen Planung und Vermessung bezüglich der Erschließung des Gewerbegebiets Y in dem im Beitrittsgebiet belegenen Ballungsgebiet A/B. Aufgrund dieser Tätigkeit wurden dem Kläger die Verhältnisse des Gewerbegebiets bekannt.
Am 20. Juli 1992 stellte der Kläger einen Bauantrag für ein 2 562 qm großes Grundstück in X für den geplanten Bau eines Büro- und Boardinghauses. Mit Vertrag vom 29. Juli 1992 erwarb er das Grundstück für 148.773,18 EUR einschließlich der Anschaffungsnebenkosten. In der Folgezeit versuchte der Kläger, das Objekt (das Grundstück sowie das noch zu errichtende Gebäude) zu veräußern. Im Jahr 1993 bekundete die Firma F-GmbH Interesse am Erwerb der geplanten Immobilie nach Fertigstellung. Ein vorläufiger Grundstückskaufvertrag sah die Errichtung eines Rohbaus auf dem Grundstück sowie die Veräußerung des gesamten Objekts zu einem Gesamtpreis von 1,8 Mio. DM vor. Ende des Jahres 1994 nahm die Firma F-GmbH jedoch Abstand von dem Kauf. Der Antrag des Klägers auf Erteilung der Baugenehmigung wurde am 10. Mai 1995 zurückgewiesen.

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) hat der Kläger seither versucht, das unbebaute Grundstück zu verkaufen oder zu vermieten. Angedachte Projekte, der Bau und Verkauf zum Betrieb einer Tankstelle sowie der Verkauf zum Betrieb eines Outletcenters zerschlugen sich. Trotz Inserierung im Internet wurde das Grundstück bis zu der 2014 stattfindenden mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht veräußert. Seit 1992 machte der Kläger die im Wesentlichen auf Schuldzinsen beruhenden Verluste aus dem Grundstück steuerlich geltend, zunächst als solche aus Vermietung und Verpachtung, später aus Gewerbebetrieb in Gestalt eines gewerblichen Grundstückshandels. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) stufte bis 2003 die Einkünfte, teils vorläufig, weiterhin als solche aus Vermietung und Verpachtung ein, folgte für 2004 jedoch mit einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid der wiederum auf gewerbliche Einkünfte lautenden Erklärung des Klägers.

In der Steuererklärung für das Jahr 2005 beantragte der Kläger die Anerkennung eines Verlustes aus gewerblichem Grundstückshandel in Höhe von insgesamt 107.024 EUR. Darin ist ein Betrag in Höhe von 106.773,18 EUR für die Teilwertabschreibung des streitgegenständlichen Grundstücks auf einen durch das Gutachten eines Bausachverständigen ermittelten Verkehrswert von 42.000 EUR enthalten, der in der Sache unstreitig ist. Das FA erkannte den Verlust nicht an. Das FG hat der Klage stattgegeben, da nach den konkreten Umständen (Bauantrag, Verkaufsanzeigen, Verkaufsanbahnung, kurzfristige Finanzierung) davon auszugehen sei, dass der Kläger bei dem Ankauf des Grundstücks mit unbedingter Veräußerungsabsicht gehandelt habe. Es sei nachvollziehbar, dass der Kläger wegen des nicht sicheren Verkaufs die Erteilung der Baugenehmigung nicht weiter betrieben, sondern den Aufwand für die fehlende Statik sowie das Brandschutzgutachten vermieden habe. Bei einem angedachten Verkaufspreis von insgesamt 1,8 Mio. DM, einem Kaufpreis von 148.773,18 EUR (290.975,04 DM) und Rohbaukosten von 1,2 Mio. DM wären noch ca. 300.000 DM verblieben, so dass auch abzüglich der bis zur Veräußerung anfallenden Schuldzinsen noch ein Gewinn erzielt worden wäre. Anhaltspunkte für eine persönliche Neigung für die tatsächlich verlustbringende Tätigkeit gebe es nicht.
Mit seiner Revision macht das FA geltend, das FG habe nicht beachtet, dass es sich nur um den Kauf eines einzigen Grundstücks handele und der Verkauf über konkrete Vorbereitungen nicht hinausgekommen sei. Allein die Planung der Errichtung bzw. Veräußerung von Objekten rechtfertige die Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels noch nicht. Vielmehr hätten rechtliche Hindernisse entgegengestanden. Nach Zurückweisung des Baugenehmigungsantrags habe dem geplanten Objekt die baurechtliche Grundlage gefehlt. Das FG habe die Kosten der Baugenehmigung angesichts des geplanten Veräußerungspreises überbewertet und auch zu Unrecht unterstellt, der Kläger hätte die Baugenehmigung bei Vorlage von Unterlagen problemlos erhalten können. Vor diesem Hintergrund könnten die sonstigen Tätigkeiten des Klägers nicht als ausreichende und nachhaltige Vorbereitungshandlungen gewerblicher Tätigkeit betrachtet werden. Seit Ende 1994 habe der Kläger keinerlei Maßnahmen mehr zur zeitnahen Bebauung des Grundstücks ergriffen.

Die Versagung der Baugenehmigung sei nicht entscheidend. Ein gewerblicher Grundstückshandel liege zwar nicht vor, wenn sich das Objekt von vornherein als nicht realisierbar erweise, etwa das Baugesuch nicht den Vorgaben der Gemeinde entspreche, ein negativer Vorbescheid vorliege oder die Planungen noch nicht hinreichend konkretisiert seien. Dies alles sei hier aber nicht der Fall. Das Vorhaben habe dem gemeindlichen Bebauungsplan entsprochen, die Gemeinde ihr Einvernehmen erteilt. Baurechtliche Hindernisse seien nicht zu erwarten gewesen, da das Vorhaben nur in kleinen Teilen von einem bereits anderswo realisierten Büro- und Boardinghaus abweiche. Im Übrigen habe er sich nach Kräften um die Verwertung des Grundstücks bemüht.
Begründung:

Die Revision ist begründet. Der Senat entscheidet nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Sache selbst und weist die Klage ab. Der Kläger hat im Streitjahr 2005 keinen gewerblichen Grundstückshandel betrieben. Es ist daher kein Verlust aus gewerblichem Grundstückshandel zu berücksichtigen.
Der Senat kann offenlassen, ob der Kläger mit dem Erwerb des Grundstücks in X im Jahre 1992, das er mutmaßlich zeitnah bebauen und veräußern wollte, dies jedoch nicht mehr umgesetzt hat, zunächst einen gewerblichen Grundstückshandel begründet hat, insbesondere, welche Bedeutung die letztlich nicht erteilte Baugenehmigung sowie der Umstand, dass es bis 2014 nicht zu einem Verkauf gekommen ist, haben könnten.
S
elbst wenn der Kläger einen gewerblichen Grundstückshandel unterhalten haben sollte, so wäre jedoch in der Folgezeit –jedenfalls noch vor dem Streitjahr– die Gewinnerzielungsabsicht fortgefallen, der Betrieb im Wege des Strukturwandels zum Liebhabereibetrieb geworden. Soweit möglicherweise zu Unrecht keine Feststellung nach § 8 der Verordnung (VO) über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) vorgenommen wurde, ist dies unerheblich. Ebenso wenig kommt es auf den genauen Zeitpunkt an, da dieser jedenfalls vor dem Streitjahr 2005 liegt.

Soweit es dem Kläger nicht gelungen ist, das Grundstück mit der ursprünglich vorgesehenen geplanten Bebauung zeitnah zu verkaufen, wäre dies zunächst nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für sich genommen unerheblich. Die Aktivitäten des Klägers zählten nicht zum typischen Hobbybereich, bei dem nur geringe Anforderungen an die Feststellung persönlicher Gründe und Motive zur Weiterführung des Unternehmens gestellt werden. Es wäre nicht zulässig, von dem tatsächlichen Ausbleiben eines Gewinns auf das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht zu schließen. Es gibt auch sonst keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Vorhaben von vornherein nicht geeignet gewesen wäre, einen Gewinn zu erzielen. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die angebahnte Geschäftsbeziehung mit der F-GmbH von Beginn an keine Aussicht auf Umsetzung gehabt hätte.

Die Gewinnerzielungsabsicht kann indes wie die Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung und Verpachtung) auch nachträglich wieder wegfallen. Dies führt zwar nicht zu einer vollständigen steuerlichen Entstrickung des vormaligen Gewerbebetriebs. Allein der Fortfall der Gewinnerzielungsabsicht in einem bestehenden Betrieb bewirkt keine Betriebsaufgabe, sondern lediglich einen erfolgsneutralen Strukturwandel vom Gewerbebetrieb zur Liebhaberei. Die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens bleiben sog. “eingefrorenes Betriebsvermögen”. Die stillen Reserven werden auf den Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei nach § 8 VO zu § 180 Abs. 2 AO gesondert festgestellt. Jedoch sind die laufenden Ergebnisse von diesem Zeitpunkt an steuerrechtlich ebenso irrelevant wie wenn die Gewinnerzielungsabsicht von Beginn an gefehlt hätte.

Die Gewinnerzielungsabsicht ist im Streitfall nachträglich entfallen. Nachdem die F-GmbH Ende 1994 das Projekt abgesagt hatte, hatte sich der ursprünglich verfolgte Plan zerschlagen. Spätestens mit diesem Zeitpunkt begann eine kontinuierliche Verlustperiode. Nicht nur verlor das Grundstück selbst bis zum Streitjahr objektiv erheblich an Wert, sondern es erwies sich als unmöglich, ein anderes gewinnbringendes Bebauungs- und Verwertungskonzept zu finden. Der Kläger musste vor einem Misserfolg seines Plans gewarnt sein und sich überlegen, wie er weiter verfahren wollte. Stattdessen hat er auf die zunehmenden Vermarktungsschwierigkeiten nur unzureichend reagiert und mit dem Unterlassen geeigneter neuer Planungen zu erkennen gegeben, dass die (etwaige) Betriebsführung nicht mehr ernstlich auf eine am Markt erfolgreiche Tätigkeit gerichtet war.

Der Senat lässt offen, ob dem Steuerpflichtigen eine Anlaufzeit von nicht weniger als fünf Jahren auch dann zuzugestehen ist, wenn, wie im Streitfall, zu keinem Zeitpunkt auch nur ein einziges gewerbetypisches Geschäft vollständig abgewickelt wurde. Die Anlaufzeit ist keine starre Grenze, sondern lediglich ein Richtmaß. Für eine nennenswerte Verlängerung dieser Anlaufzeit erkennt der Senat jedenfalls im Streitfall keinen Grund. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob diese Anlaufzeit bereits mit dem Erwerb des Grundstücks im Jahre 1992 oder erst mit dem Scheitern des ursprünglichen Projekts 1994 beginnt. Sie war auch in letzterem Falle spätestens um die Jahrtausendwende erreicht und im Streitjahr 2005, elf Jahre nach dem Rückzug der F-GmbH und 13 Jahre nach dem Erwerb des Grundstücks, bei weitem überschritten.

Tatsächlich hat der Kläger auch innerhalb einer großzügig verstandenen Anlaufzeit, bis zum Streitjahr und darüber hinaus bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem FG (22 Jahre nach dem Ankauf des Grundstücks) nichts unternommen, was als geeignete Grundstücksentwicklungsmaßnahme verstanden werden könnte. Ihm ist zwar zuzugestehen, für eine anfängliche Durststrecke und auch nach der Absage der F-GmbH zunächst noch an seinem ursprünglichen und nach den Feststellungen des FG schlüssigen Konzept festzuhalten und zu versuchen, mit einem anderen Erwerber das Vorhaben so zu Ende bringen zu können wie er es mit der F-GmbH geplant hatte. Zum Ende der Anlaufzeit hätte er aber andere Vorstellungen entwickeln müssen, wie er seinen (etwaigen) gewerblichen Grundstückshandel doch noch zum wirtschaftlichen Erfolg führen könnte. Daran fehlt es. Er hat die Angelegenheit im Wesentlichen sich selbst überlassen und mehr auf glückliche Umstände gebaut als konkreten Plänen Gestalt verliehen. Das FG hat nicht festgestellt, der Kläger im Übrigen auch nicht vorgetragen, was er über Verkaufsangebote im Internet hinaus praktisch unternommen hat, um das Projekt zu einem positiven Ende zu führen.

Die Reaktion des Klägers auf die Ablehnung des Bauantrags ist insoweit kennzeichnend. Es kann offenbleiben, ob der Kläger zeitnah und ohne größere sachliche Schwierigkeiten in der Lage gewesen wäre, die begehrte Baugenehmigung zu erhalten. Tatsächlich hat er sich nicht weiter um eine Genehmigung welchen Inhalts auch immer bemüht. Das ist kein Signal für aktive Vermarktungsbemühungen. Einerseits ist es verständlich, dass er ohne konkreten Interessenten für das Grundstück und ohne die etwaigen Bebauungsvorstellungen eines etwaigen Interessenten zu kennen, nicht weiter in die Erteilung einer Baugenehmigung quasi ins Blaue hinein investiert. Andererseits ist zumindest vorstellbar, dass sich ein Grundstück mit vorhandener Baugenehmigung für ein Objekt, das seinerseits Gewinn verspricht, besser verkaufen lässt als ein unbebautes Grundstück, von dem alle Beteiligten nur wissen, dass es nach Maßgabe des Bebauungsplans im Gewerbegebiet bebaubar ist. Der Kläger hat in der gesamten Folgezeit nichts in dieser Richtung unternommen. Seine Aktivitäten erschöpften sich in einer durch die Realität ersichtlich nicht gedeckten Hoffnung, durch Inserate einen Zufallstreffer zu erzielen.

Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger gegenüber den gesunkenen Marktpreisen für Grundstücke machtlos war. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass es schlechterdings unmöglich war, aus dem Verkauf des Grundstücks, ob bebaut oder unbebaut, überhaupt noch einen Gewinn zu erzielen. In diesem Falle hätten Grundstücksentwicklungsmaßnahmen niemals Erfolg gehabt. Der Steuerpflichtige kann aber nicht unbegrenzt einen (etwaigen) steuerlich relevanten Gewerbebetrieb fortführen, wenn gleichzeitig feststeht, dass dieser vermeintliche Gewerbebetrieb keinen Totalgewinn mehr erzielen wird. Vielmehr kann in einem solchen Falle nur die Betriebsaufgabe den Strukturwandel zur Liebhaberei vermeiden. Das bedeutet, dass der Kläger, selbst wenn er zu Beginn einen gewerblichen Grundstückshandel unterhalten haben sollte, das Grundstück rechtzeitig entweder durch Entnahme in sein Privatvermögen hätte überführen oder ggf. auch mit Verlust hätte verkaufen müssen, um nicht in die Liebhaberei zu geraten.

Führte der Kläger dennoch den (etwaigen) Betrieb unverändert fort, nahm er den Verlust, den er angesichts dieser Entwicklung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten hatte, aus Gründen hin, die nicht mehr im Bereich der steuerlich relevanten Einkünfteerzielung lagen. Der Senat geht davon aus, dass das Motiv des Klägers in der Erwartung lag, dass die Immobilienpreise über einen sehr langen Zeitraum, ggf. auch über mehr als zehn Jahre hinweg, wieder steigen würden. Grundstücksveräußerungen nach einer derartig langen Haltephase sind aber nach der aus § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes erkennbaren Wertung regelmäßig privater Natur. Eine darauf gerichtete Absicht stellt daher keine Gewinnerzielungsabsicht im Rahmen eines etwaigen gewerblichen Grundstückshandels dar.

Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften

Mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG ist die gesetzliche Grundlage für die bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG entfallen.

Aufwendungen des Gesellschafters aus seiner Inanspruchnahme als Bürge für Verbindlichkeiten der Gesellschaft führen nicht mehr zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Beteiligung.
Die bisherigen Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung dieses Urteils geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist.

BFH Urteil vom 11.07.2017 – IX R 36/15 BFH/NV 2017, 1501

Sachverhalt

Sachverhalt: Streitig ist die Berücksichtigung von Aufwendungen aus der Inanspruchnahme als Bürge bei der Ermittlung eines Auflösungsverlusts nach § 17 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr (2011) geltenden Fassung (EStG).
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2011) vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt –FA–) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Seit Ende des Jahres 2003 war der Vater des Klägers alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt Angestellter der GmbH. Im Februar 2010 wurden dem Kläger die Anteile an der GmbH im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen.

Zur Umgestaltung der Geschäftsräume gewährte die B-Bank der GmbH im Jahr 2006 Darlehen in Höhe von 51.600 EUR, 20.000 EUR und 99.000 EUR. Dabei stellte die B-Bank die Gewährung des Kredits u.a. unter die Bedingung, dass der Kläger selbstschuldnerische Bürgschaften bis zum Höchstbetrag von 170.000 EUR übernahm. Darüber hinaus forderte die B-Bank angesichts des Alters des bisherigen Alleingesellschafters, dass die Anteile an der GmbH auf den Kläger übertragen werden und dass dieser zum Geschäftsführer bestellt wird. Am 28. März 2006 verbürgte sich der Kläger entsprechend. Darüber hinaus verbürgte sich der Kläger am 11. April 2006 unentgeltlich und selbstschuldnerisch für ein weiteres, bei einer anderen Bank aufgenommenes Darlehen der GmbH in Höhe von 52.000 EUR.
Während die GmbH in den Jahren 2003 und 2004 Verluste von 2.026,35 EUR und von 549,17 EUR auswies, ermittelte sie im Jahr 2005 einen Gewinn von 14.668,35 EUR und im Jahr 2006 von 2.618,92 EUR. Im Jahr 2007 erzielte die GmbH einen Verlust von 117.652,91 EUR, in den Jahren 2008 und 2009 wiederum Gewinne von 18.714,31 EUR und von 39.128,62 EUR. Das Eigenkapital der GmbH betrug zum Jahresende 2005 37.092,83 EUR, zum Jahresende 2006 39.711,95 EUR und zum Jahresende 2007./. 77.941,16 EUR.

Nachdem Verhandlungen über den Verkauf der GmbH-Anteile an den langjährig für die GmbH tätigen Handelsvertreter gescheitert waren und dieser stattdessen einen eigenen Betrieb in unmittelbarer Nähe der Geschäftsräume der GmbH eröffnet hatte, beantragte der Kläger im Februar 2011 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH. Das Amtsgericht lehnte den Antrag im Mai 2011 mangels Masse ab. Noch im Jahr 2011 leistete der Kläger aufgrund der von ihm eingegangenen Bürgschaften Zahlungen an die Kreditinstitute.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 machten die Kläger einen Auflösungsverlust in Höhe von 176.156,85 EUR geltend (im Einzelnen: Ausfall mit der vom Rechtsvorgänger übernommenen Stammeinlage 27.000 EUR, nachträgliche Anschaffungskosten aus der Inanspruchnahme von Bürgschaften 140.610,40 EUR sowie verschiedene Kosten 8.545,78 EUR).
Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr setzte das FA den Auflösungsverlust lediglich mit 17.975 EUR an. Es lehnte insbesondere die Berücksichtigung der Aufwendungen aus der Inanspruchnahme der vom Kläger geleisteten Bürgschaften ab, da sich die GmbH im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme nicht in einer Krise befunden habe. Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1271 veröffentlichten Urteil im hier streitigen Umfang stattgegeben. Entgegen der Auffassung des FA seien bei der Ermittlung des Auflösungsverlusts die Aufwendungen des Klägers aus der Inanspruchnahme der Bürgschaften als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Die Übernahme der Bürgschaft sei gesellschaftlich veranlasst gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme noch nicht Gesellschafter gewesen sei, da er die Bürgschaft erkennbar als künftiger Gesellschafter übernommen habe. Auf die Frage, ob die übernommenen Bürgschaften als eigenkapitalersetzend i.S. der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anzusehen seien, komme es nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl I 2008, 2026) nicht mehr an. Im Übrigen seien die Bürgschaften im Streitfall auch unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze als in der Krise hingegeben und somit als eigenkapitalersetzend anzusehen. Darüber hinaus wären die Bürgschaften auch deshalb eigenkapitalersetzend, weil sie gerade für den Fall der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der GmbH übernommen worden und damit krisenbestimmt gewesen seien.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG) rügt. Bei Übernahme der Bürgschaften habe sich die GmbH nicht in der Krise befunden. Der Kläger habe die Bürgschaften auch nicht als zukünftiger Gesellschafter, sondern aus familiären Gründen übernommen. Abzustellen sei auf den Wert des Rückgriffsanspruchs im Zeitpunkt des Übergangs der Gesellschaftsanteile. Dieser sei wegen der sich dann abzeichnenden Insolvenz mit 0 EUR zu bewerten. Es sei überdies zweifelhaft, ob der Ausfall des Rückgriffsanspruchs nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts noch zu nachträglichen Anschaffungskosten führe.

Das FA beantragt, das Urteil des FG vom 10. März 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Rechtsstreit beigetreten. Es hat sich unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 21. Oktober 2010 (BStBl I 2010, 832) dafür ausgesprochen, die bisher geltenden Grundsätze auch nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts anzuwenden. Der Gesellschafter sei auch nach neuem Recht grundsätzlich frei, ob er der Gesellschaft Eigen- oder Fremdkapital zur Verfügung stellen wolle. Fremdkapital liege nur vor, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Kaufmann das Risiko einer Finanzierungshilfe ebenfalls eingegangen wäre. Dabei komme dem Merkmal der Krise weiterhin entscheidende Bedeutung zu.

Begründung:
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Im Ergebnis zutreffend hat das FG die Aufwendungen des Klägers aus seiner Inanspruchnahme als Bürge für die GmbH als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Berechnung des Auflösungsverlusts des Klägers berücksichtigt.

Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb unter den dort genannten Voraussetzungen der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften. Steuerbar ist auch ein aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehender Verlust

Auflösungsverlust i.S. von § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen (persönlich) getragenen Kosten (Auflösungskosten entsprechend § 17 Abs. 2 EStG) und seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen. Anschaffungskosten sind auch die nachträglichen Anschaffungskosten (vgl. § 255 Abs. 1 Satz 2 des Handelsgesetzbuchs –HGB–).
Zu nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung führten nach bisheriger Rechtsprechung des BFH neben offenen und verdeckten Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten waren.
Nachträgliche Anschaffungskosten hat der BFH u.a. angenommen beim Ausfall des Gesellschafters mit seinem Anspruch auf Rückzahlung eines der Gesellschaft gewährten Darlehens oder bei Zahlung des Gesellschafters auf eine Bürgschaft und Wertlosigkeit des gegen die Gesellschaft gerichteten Rückgriffs-anspruchs, wenn die Hingabe des Darlehens oder die Übernahme der Bürgschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst waren.

Für die Beurteilung, ob eine Finanzierungshilfe durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war, hat der BFH darauf abgestellt, ob sie eigenkapitalersetzend war. Er hat dies bejaht, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute nur noch Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt, eine Bürgschaft zur Verfügung gestellt oder eine wirtschaftlich entsprechende andere Rechtshandlung i.S. des § 32a Abs. 1 und 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung a.F. (GmbHG a.F.) vorgenommen hatte. Lagen diese Voraussetzungen nicht vor, hatte die Finanzierungshilfe (auch gesellschaftsrechtlich) nicht die Funktion von Eigenkapital und der Gesellschafter war insofern wie jeder Drittgläubiger zu behandeln (Fremdkapital).
Zur Bewertung der ausgefallenen Forderungen hat der BFH zwischen Darlehen und Bürgschaften, die in der Krise der Gesellschaft hingegeben oder von vornherein in die Finanzplanung der Gesellschaft einbezogen waren und solchen Finanzierungshilfen unterschieden, die erst aufgrund des Eintritts der Krise, z.B. in Verbindung mit der Nichtausübung der Rechte nach § 775 Abs. 1 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), den Status einer eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfe erlangt haben. Fiel der Gesellschafter mit einer von vornherein eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfe aus, führte dies zu nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe des Nennwerts des ausgefallenen Anspruchs. Im anderen Fall war nur der im Zeitpunkt des Eintritts der Krise beizulegende Wert zu berücksichtigen. Der bis zum Eintritt der Krise eingetretene Wertverlust fiel in der (steuerlich unbeachtlichen) privaten Vermögenssphäre an.
Diesen Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass die Leistung des Gesellschafters trotz zivilrechtlicher Einkleidung als Darlehen oder Bürgschaft als Zuwendung funktionellen Eigenkapitals anzusehen war.

Die Rechtsprechung hat die Rechtsgrundlage dafür im Eigenkapitalersatzrecht gesehen: Die bei eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen nach altem Recht eintretende Kapitalbindung und das zusätzliche Haftungsrisiko des Gesellschafters rechtfertigten es, den Ausfall einer Forderung ausnahmsweise steuerlich zu berücksichtigen. Jenseits der zivilrechtlichen Rechtsfolgen bestand hingegen kein Anlass, den Gesellschafter steuerlich anders zu behandeln als einen Drittgläubiger. Mit einem Darlehen oder einer Bürgschaft, die der Gesellschafter der Gesellschaft wie ein fremder Dritter gewährte, unterfällt der Gesellschafter dem Anwendungsbereich des § 20 EStG. Das Einkommensteuerrecht respektiert die Entscheidung des Gesellschafters, der Gesellschaft nicht Eigen-, sondern Fremdkapital zur Verfügung zu stellen.

Vor diesem Hintergrund hat es der BFH bei der Anwendung von § 17 EStG bislang vermieden, den Veranlassungszusammenhang losgelöst vom Eigenkapitalersatzrecht nach allgemeinen, steuerrechtlichen Kriterien, z.B. anhand des Fremdvergleichs zu beurteilen. Allein aus dem Umstand, dass die Finanzierungsmaßnahme des Gesellschafters zugunsten der Gesellschaft einem Fremdvergleich nicht standhält (z.B. wegen der Unentgeltlichkeit einer Bürgschaftsübernahme), ergibt sich daher noch nicht, dass sie zu funktionalem Eigenkapital und damit im Verlustfall zu nachträglichen Anschaffungskosten i.S. von § 17 Abs. 2 EStG führt. Auch mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis hingegebenes Kapital will der Gesellschafter wie ein fremder Kapitalgeber später wieder zurück erhalten.
Durch das MoMiG ist das Eigenkapitalersatzrecht, das durch eine weitgehende Gleichbehandlung der eigenkapitalersetzenden Finanzierungsleistungen mit dem nach §§ 30, 31 GmbHG gebundenen Kapital gekennzeichnet war, aufgehoben und ersetzt worden durch den gesetzlichen Nachrang sämtlicher Gesellschafterfinanzierungen im Insolvenzfall (vgl. Art. 9 MoMiG, § 39 Abs. 1 Nr. 5 der Insolvenzordnung –InsO–). Forderungen des Gesellschafters aus Gesellschafterdarlehen und vergleichbaren Finanzierungshilfen erfahren eine Sonderbehandlung im Insolvenz- und Anfechtungsrecht (vgl. § 135 Abs. 1 InsO). Sie werden aber nicht mehr gesellschaftsrechtlich verstrickt und außerhalb des Insolvenzverfahrens nicht mehr wie haftendes Eigenkapital behandelt).
In der Fachdiskussion gehen die Meinungen auseinander, ob die Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts für die Auslegung von § 17 EStG Bedeutung hat und wie bejahendenfalls die Lücke geschlossen werden kann, die dadurch entstanden ist.

Die Finanzgerichte haben zum Teil an den bisherigen Grundsätzen festgehalten und –jedenfalls für noch während der Geltung des Eigenkapitalersatzrechts geleistete Finanzierungshilfen– weiterhin an die durch das MoMiG aufgehobenen Regelungen des GmbHG a.F. angeknüpft.
Die Finanzverwaltung wendet die bisherigen Grundsätze weiter an). Steuerlicher Anknüpfungspunkt bleibe das Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers in der Krise der Gesellschaft. Insofern hält die Finanzverwaltung auch an den vier Fallgruppen (Krisendarlehen, krisenbestimmtes Darlhen, Finanzplandarlehen und “stehengelassenes” Darlehen) fest, wenn auch in leicht modifizierter Form.

Das Schrifttum liefert kein einheitliches Meinungsbild.

Der wohl überwiegende Teil lehnt hingegen eine Beibehaltung der auf dem Eigenkapitalersatzrecht beruhenden Grundsätze ab. Diese Autoren gehen jedoch übereinstimmend davon aus, dass Forderungsausfälle bei Gesellschaftern auch in Zukunft in
M
it der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts ist die Grundlage der bisherigen Rechtsprechung weggefallen. Es ist deshalb erforderlich, neue Maßstäbe für die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus bisher eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen zu entwickeln.
Die Rechtsprechung zur steuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen für eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfen des Gesellschafters als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung im Rahmen des § 17 Abs. 2 und 4 EStG war eine Reaktion auf die Rechtsfolgen des Eigenkapitalersatzrechts. Sie stellte eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass eine im Privatvermögen gehaltene Kapitalforderung des Gesellschafters aus einem Gesellschafterdarlehen oder einer zugunsten der Gesellschaft übernommenen Bürgschaft dem Anwendungsbereich des § 20 EStG und nicht dem des § 17 EStG unterfällt, und führte zu einer Durchbrechung der Trennung von steuerlich unbeachtlicher Vermögens- und steuerbarer Erwerbssphäre. Dafür fehlt nach der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts die rechtliche Grundlage.

Die Fortgeltung der bisherigen Grundsätze ist darüber hinaus mit dem Wortlaut des § 17 Abs. 2 und 4 EStG nicht zu vereinbaren. Sie lässt sich nicht mehr mit einer normspezifischen steuerrechtlichen Auslegung des Anschaffungskostenbegriffs rechtfertigen. Dafür besteht auch aus übergeordneten rechtlichen Gründen keine Veranlassung. Sie würde außerdem –ungeachtet der in der Praxis eingespielten Fallgruppen– eine erhebliche Rechtsunsicherheit bewirken.

Anschaffungskosten sind gemäß § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 Satz 2 HGB).
Der handelsrechtliche Begriff der Anschaffungskosten ist in Ermangelung einer abweichenden Definition im Einkommensteuergesetz auch der Beurteilung nach § 17 Abs. 2 und 4 EStG zugrunde zu legen. Er gewährleistet eine hinreichend rechtssichere und trennscharfe Abgrenzung zwischen Fremd- und Eigenkapital. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass § 17 EStG den Abzug von Werbungskosten oder Betriebsausgaben nicht vorsieht. Die Rückkehr zu einem handelsrechtlich geprägten Begriffsverständnis trägt darüber hinaus zu einer normübergreifend einheitlichen Auslegung bei, denn im Grundsatz ist der handelsrechtliche Anschaffungskostenbegriff des § 255 Abs. 1 HGB in allen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen und jeweils gleich auszulegen.
Den (nachträglichen) Anschaffungskosten der Beteiligung können danach grundsätzlich nur solche Aufwendungen des Gesellschafters zugeordnet werden, die nach handels- und bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen zu einer offenen oder verdeckten Einlage in das Kapital der Gesellschaft führen. Darunter fallen insbesondere Nachschüsse i.S. der §§ 26 ff. GmbHG, sonstige Zuzahlungen nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB wie Einzahlungen in die Kapitalrücklage oder der Verzicht auf eine noch werthaltige Forderung.

Aufwendungen aus Fremdkapitalhilfen wie der Ausfall eines vormals “krisenbedingten”, “krisenbestimmten” oder “in der Krise stehen gelassenen” Darlehens oder der Ausfall mit einer Bürgschaftsregressforderung führen hingegen grundsätzlich nicht mehr zu Anschaffungskosten der Beteiligung. Etwas anderes kann sich ergeben, wenn die vom Gesellschafter gewährte Fremdkapitalhilfe aufgrund der vertraglichen Abreden mit der Zuführung einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen wirtschaftlich vergleichbar ist. Dies kann der Fall sein bei einem Gesellschafterdarlehen, dessen Rückzahlung auf Grundlage der von den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen –wie beispielsweise der Vereinbarung eines Rangrücktritts i.S. des § 5 Abs. 2a EStG– im Wesentlichen denselben Voraussetzungen unterliegt wie die Rückzahlung von Eigenkapital. In einem solchen Fall käme dem Darlehen auch bilanzsteuerrechtlich die Funktion von zusätzlichem Eigenkapital zu.
Bei Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze sind Aufwendungen aus der Inanspruchnahme aus einer Gesellschafterbürgschaft unabhängig davon, ob die Bürgschaft krisenbestimmt oder in der Krise der Gesellschaft übernommen worden ist, im zeitlichen Anwendungsbereich des MoMiG grundsätzlich nicht mehr den nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung i.S. des § 17 Abs. 2 und 4 EStG zuzurechnen.

Die bisherigen Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen (oben II.1.) sind weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung dieses Urteils geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist.

Der Senat hält es aus Gründen des Vertrauensschutzes für geboten, die neuen Rechtsprechungsgrundsätze nur mit Wirkung für die Zukunft anzuwenden. Angesichts der großen Bandbreite der vertretenen Auffassungen und der mangelnden Vorhersehbarkeit, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung auf den Wegfall des Eigenkapitalersatzrechts reagieren würde, konnten die Steuerpflichtigen trotz fehlender Vertrauensgrundlage nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts ihr Finanzierungsverhalten nicht rechtssicher auf die geänderte Rechtslage einstellen.
Für den Vertrauensschutz ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Steuerpflichtige die für ihn endgültige wirtschaftliche Disposition getroffen hat. Dies war nach bisherigen Grundsätzen entweder der Zeitpunkt der Hingabe einer von vornherein eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfe oder des Stehenlassens einer Finanzierungshilfe bei Eintritt der Krise. Lag der jeweils maßgebliche Stichtag vor dem Tag der Veröffentlichung dieses Urteils, wird der Senat den Fall auch in Zukunft nach Maßgabe der bisher geltenden Grundsätze beurteilen.
Nach allem hat das FG im Streitfall im Ergebnis zu Recht die Aufwendungen des Klägers im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme aus den Bürgschaften als nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 60 % des Nennwerts des ausgefallenen Rückgriffsanspruchs bei der Berechnung des Auflösungsverlusts des Klägers berücksichtigt.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Mai 2011, war die GmbH aufgelöst (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG). Soweit der Kläger danach aus den für die GmbH übernommenen Bürgschaften in Anspruch genommen worden und mit seinem Regressanspruch endgültig ausgefallen ist, hat dies zwar nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten i.S. von § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG geführt, denn der Streitfall fällt in den Zeitraum nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts. Der Kläger konnte sein Finanzierungsverhalten jedoch nicht an die durch die Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts geänderte Rechtslage anpassen. Der Streitfall ist deshalb nach den bisher geltenden Grundsätzen zu lösen.

Insoweit hat das FG in möglicher, mit schlüssigen Verfahrensrügen im Übrigen nicht angegriffener und damit den Senat bindender Weise (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass die Übernahme der
Bürgschaften durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war und dass die Bürgschaften von vornherein eigenkapitalersetzende waren, weil sie in der Krise der Gesellschaft übernommen worden sind.
Ohne Rechtsfehler hat das FG erkannt, dass die Übernahme der Bürgschaften durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war. Zwar war der Kläger bei Übernahme der Bürgschaften noch nicht Gesellschafter. Die Übertragung der Geschäftsanteile war jedoch bereits beschlossene Sache und wurde so auch von den Kreditinstituten verlangt. Dass der Kläger die Geschäftsanteile tatsächlich erst Anfang des Jahres 2010 erworben hat, steht einer Berücksichtigung der ausgefallenen Bürgschaftsregressforderungen mit ihrem Nennwert nicht entgegen. Ausreichend ist insoweit, dass die Übernahme der Bürgschaftsverpflichtungen in einem hinreichend konkreten Zusammenhang mit dem späteren Erwerb der Beteiligung stand (vgl. auch BFH-Urteil vom 20. April 2004 VIII R 4/02, BFHE 205, 292, BStBl II 2004, 597 zur Berücksichtigung vorab entstandener Anschaffungskosten). Das hat das FG zu Recht angenommen.

Das FG hat die Bürgschaften auch zu Recht als in der Krise hingegeben und damit von Anfang an als eigenkapitalersetzend angesehen. Es hat hierzu festgestellt, dass die Bürgschaften in einer Situation gewährt wurden, in der bei objektiver Betrachtung ex ante ein ordentlicher Kaufmann der GmbH nur noch Eigenkapital zugeführt hätte. Nach den Feststellungen des FG hätte die GmbH ohne die unentgeltliche und selbstschuldnerische Bürgschaft des Klägers von den Banken keinen Kredit mehr erhalten. Die die Krise verursachende Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft zeigt sich im Streitfall darin, dass sich die GmbH aus eigener Kraft die für ihre gesellschaftsintern geplante Geschäftsführung (Umgestaltung der Geschäftsräume) erforderlichen Mittel nicht mehr verschaffen konnte. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, kann sich die Kreditunwürdigkeit einer GmbH auch daraus ergeben, dass die für die Geschäftsführung der GmbH erforderliche Kreditaufnahme ohne zusätzliche selbstschuldnerische Bürgschaft der Gesellschafter nicht mehr möglich ist (BFH-Urteil vom 24. Januar 2012 IX R 34/10, DStR 2012, 854). Dass insoweit auch eine andere Tatsachenwürdigung möglich gewesen wäre, verhilft der Revision nicht zum Erfolg, da die Würdigung des FG nicht widersprüchlich ist und auch nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt.

Mietverhältnis unter nahen Angehörigen

Hat der Steuerpflichtige seit Jahren ein Wohnhaus an seine Eltern vermietet und zahlen die Eltern nach ihrer Einweisung in ein Pflegeheim und Anordnung einer Betreuung die Miete nicht mehr, ist das Mietverhältnis bis zu seiner Beendigung anzuerkennen, wenn es zeitnah beendet wird. Das ist der Fall, wenn zwischen der Unterbringung im Pflegeheim und der geräumten Übergabe des Objekts in etwa ein halbes Jahr vergangen ist.

Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass ein fremder Vermieter in einer solchen Situation unverzüglich die sofortige Kündigung aussprechen und Zahlungs- und Räumungsklage erheben würde.

BFH Urteil vom 11.07.2017.2017-iX R 42/15 BFH/NV 2017, 1422

Sachverhalt
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen um die steuerliche Anerkennung eines Mietverhältnisses zwischen nahen Angehörigen.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb von seinen Eltern im Jahr 1992 das von ihnen Ende der 1970-er Jahre errichtete, selbst genutzte Einfamilienhaus in X. Dieses vermietete er seither an seine Eltern. Die Mietdauer betrug insgesamt etwa 17 Jahre. Im November 2008 zogen die Eltern des Klägers in ein Pflegeheim; zeitgleich wurde eine Betreuung angeordnet.
Der vereinbarte monatliche Mietzins betrug zunächst 700 EUR. Ab Juli 2003 zahlten die Eltern monatlich Miete in Höhe von 600 EUR. Seit der Unterbringung in das Pflegeheim leisteten die Eltern keine Mietzahlung mehr. Nach den Angaben des Klägers wurde das Mietverhältnis in der Vergangenheit mehrfach überprüft und im Ergebnis bis zum Streitjahr (2009) als unter Fremden üblich anerkannt. Der Kläger kündigte das Mietverhältnis mit Telefax vom 1. Juni 2009 fristlos und forderte die Betreuerin auf, das Haus bis zum 30. Juni 2009 zu räumen. Das Haus wurde schließlich bis Ende Juli 2009 geräumt.

Den vom Kläger für das Streitjahr geltend gemachten Werbungskostenüberschuss aus der Vermietung des Hauses in Höhe von 16.830 EUR ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) in dem Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 9. April 2010 unberücksichtigt. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass die erforderliche Vermietungsabsicht noch fortbestanden habe. Da er bereits im Februar 2009 das Haus zum Verkauf angeboten habe, könnten die geltend gemachten Werbungskosten nicht mehr den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet werden. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Die dagegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 17. Juni 2013 5 K 2636/10 abgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hin hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 6. März 2014 IX B 103/13 (BFH/NV 2014, 887) das Urteil aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben und den Rechtsstreit an das FG zurückverwiesen.
Die Klage hatte auch im zweiten Rechtsgang keinen Erfolg. Das FG entschied mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 2177 veröffentlichten Urteil vom 18. November 2014 5 K 1403/14, dass das zwischen dem Kläger und seinen Eltern bestehende Mietverhältnis spätestens seit Dezember 2008 steuerrechtlich nicht mehr anzuerkennen sei und daher der geltend gemachte Verlust aus der Vermietung des Hauses im Streitjahr nicht steuermindernd berücksichtigt werden könne. Zudem habe der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt seine Vermietungsabsicht (“Einkünfteerzielungsabsicht”) aufgegeben. Er habe das Haus nach der Unterbringung der Eltern im Pflegeheim nicht weiter vermieten wollen und es bereits ab Februar 2009 zum Verkauf angeboten.
Das FG hat im ersten Rechtsgang einen schriftlichen Hinweis erteilt, wonach die vom Kläger vorgebrachten Tatsachen (Zahlungsunfähigkeit der Eltern; Umstände zur Durchführung und Abwicklung des Mietverhältnisses nach der Unterbringung in das Pflegeheim) als wahr unterstellt werden könnten, soweit diese überhaupt entscheidungserheblich seien. Von dieser Sachverhaltswürdigung hat sich das FG im zweiten Rechtsgang durch entsprechenden Hinweis in der mündlichen Verhandlung distanziert. Die daraufhin beantragte Vertagung der mündlichen Verhandlung hat das FG abgelehnt. Ebenso hat es die in diesem Zusammenhang gestellten Beweisanträge des Klägers (Vernehmung der Betreuerin der Eltern; Vernehmung von Mitarbeitern der Sozialverwaltung) im Urteil zurückgewiesen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 und § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) und materiellen Rechts (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres –EStG–). Zur Begründung führt der Kläger an, seine Eltern hätten seit ihrer Unterbringung im Pflegeheim das Haus zwar nicht mehr bewohnt und keine Mietzahlung mehr geleistet. Die rückständigen Mieten hätten aber nicht durchgesetzt werden können, da die Eltern nach der Einweisung in das Pflegeheim nicht mehr über freie Mittel verfügt hätten. Ein gerichtliches Verfahren hätte im Zweifel mehr Zeit in Anspruch genommen als die vom Kläger durchgeführte Abwicklung des Mietverhältnisses. Das Mietverhältnis sei daher bis zu seiner Beendigung im Juli 2009 steuerrechtlich anzuerkennen. Auch die alternative Begründung des FG trage nicht. Dass er im Februar 2009 das Haus auch zum Verkauf angeboten habe, schließe seine fortbestehende Vermietungsabsicht nicht aus. In der Rechtsprechung des BFH sei anerkannt, dass jedenfalls die bis zur Beendigung der Vermietungstätigkeit entstandenen Aufwendungen weiterhin durch die ursprünglich zur Erzielung von Einkünften aufgenommene Vermietungstätigkeit veranlasst seien. Darüber hinaus seien die vom Kläger entrichteten Schuldzinsen für das gesamte Streitjahr als Werbungskosten abziehbar, da der aus der Veräußerung des Hauses im Jahr 2012 erzielte Erlös nicht zur vollständigen Tilgung der Verbindlichkeiten ausgereicht habe.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG vom 18. November 2014 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 9. April 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. November 2010 mit der Maßgabe zu ändern, dass bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens zusätzlich die negativen Einkünfte aus der Vermietung des Hauses in X in Höhe von 15.138,40 EUR steuermindernd berücksichtigt werden. Ferner beantragt er, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das außergerichtliche Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Begründung:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur erneuten Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Die Beurteilung des zwischen dem Kläger und seinen Eltern bestehenden Mietverhältnisses durch das FG am Maßstab des Fremdvergleichs hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Auch tragen die Feststellungen des FG seine Schlussfolgerung nicht, der Kläger habe mit der Unterbringung der Eltern in das Pflegeheim seine Vermietungsabsicht aufgegeben.
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt, wer ein Grundstück, Gebäude oder Gebäudeteil gegen Entgelt zur Nutzung überlässt und beabsichtigt, daraus auf Dauer der Nutzung ein positives Ergebnis zu erzielen. Die Einkünfteerzielungsabsicht kann erst nachträglich einsetzen und auch wieder wegfallen.
Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich und typisierend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, einen solchen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben. Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten lediglich, wenn besondere Umstände gegen das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht sprechen. Hat der Steuerpflichtige den Entschluss auf Dauer zu vermieten endgültig gefasst, gilt die Regelvermutung für das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht für die Dauer seiner Vermietungstätigkeit grundsätzlich auch dann, wenn er die vermietete Immobilie aufgrund eines neu gefassten Entschlusses veräußert.
Stellt der Steuerpflichtige seine auf Einkünfteerzielung gerichtete Tätigkeit ein, sind die bis zur Beendigung der Vermietungstätigkeit entstandenen Aufwendungen weiterhin durch die ursprünglich zur Erzielung von Einkünften begonnene und unverändert fortgeführte Tätigkeit veranlasst. Bei auf die Vermietungszeit entfallenden Aufwendungen ist typisierend anzunehmen, dass sie der Einkünfteerzielung dienen. Hierunter fallen auch Aufwendungen für Abwicklungsmaßnahmen, die die negativen Einkünfte unter Umständen sogar erhöhen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Vermietungstätigkeit solange andauert, als der Vermieter dem Mieter die Nutzung der Mietsache entgeltlich überlässt, also in der Regel bis zum Ende des Mietverhältnisses. Mit dem –gegebenenfalls vorzeitigen, konkludent vereinbarten– Wegfall des Nutzungsrechts des Mieters endet die Vermietungszeit.
Steht die Wohnung sodann nach vorheriger auf Dauer angelegter Vermietung leer, sind die hierauf getätigten Aufwendungen solange noch als Werbungskosten abziehbar, als der Steuerpflichtige den ursprünglichen Entschluss zur Einkünfteerzielung im Zusammenhang mit dem Leerstand der Wohnung nicht endgültig aufgegeben hat. Daran fehlt es, solange sich der Steuerpflichtige ernsthaft und nachhaltig um eine Vermietung bemüht, selbst wenn er das Vermietungsobjekt daneben –z.B. wegen der Schwierigkeiten einer Vermietung– auch zum
Die steuerliche Anerkennung von Mietverträgen unter nahe stehenden Personen setzt u.a. voraus, dass die Verträge zivilrechtlich wirksam vereinbart worden sind und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht. Sie sind daraufhin zu überprüfen, ob sie durch die Einkünfteerzielung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) oder den steuerrechtlich unbeachtlichen privaten Bereich (§ 12 EStG) veranlasst sind.
Was unter “nahe stehenden Personen” zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht definiert. Im Rahmen der Prüfung, ob ein Mietverhältnis unter nahe stehenden Personen dem steuerlich bedeutsamen (§ 9 Abs. 1 EStG) oder dem privaten Bereich (§ 12 EStG) zuzuordnen ist, ist maßgeblich zu berücksichtigen, ob ein den Gleichklang wirtschaftlicher Interessen indizierendes, den Einzelfall bestimmendes Näheverhältnis angenommen werden kann. Maßgebend ist hierbei die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten.
Die Entscheidung, ob das Mietverhältnis zwischen nahe stehenden Personen dem steuerlich bedeutsamen oder dem privaten Bereich zuzuordnen ist, hat das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu treffen. Gleiches gilt im Hinblick auf die vom FG zu treffende Feststellung, ob der Steuerpflichtige weiterhin beabsichtigte, langfristig Einkünfte aus dem Vermietungsobjekt zu erzielen oder ob er seine Einkünfteerzielungsabsicht bereits aufgegeben hat. Dabei hat es alle Indizien zu berücksichtigen und in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen. Die revisionsrechtliche Prüfung durch den BFH beschränkt sich darauf, ob das FG von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat.
Maßgebliche Beweisanzeichen für die Prüfung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften stehen oder dem nicht steuerbaren privaten Bereich zugehörig sind, bilden insbesondere die Beachtung der zivilrechtlichen Formerfordernisse bei Vertragsabschluss und die Kriterien des Fremdvergleichs. Voraussetzung ist dabei grundsätzlich, dass die Hauptpflichten der Vertragsparteien wie die Überlassung der Mietsache zum Gebrauch sowie die Entrichtung der vereinbarten Miete klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt worden sind.
Diesen Grundsätzen liegt die Überlegung zugrunde, dass eine tatsächlich nicht durchgeführte Vereinbarung indiziell gegen ihre Ernsthaftigkeit spricht. Allerdings schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Entscheidend ist stets eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls. Dabei können gewichtige sonstige Umstände, die für ein ernsthaftes Mietverhältnis zwischen nahe stehenden Personen sprechen, trotz verspäteter oder zeitweise ausbleibender Mietzahlungen den Ausschlag geben. Hierzu können beispielsweise eine langjährige beanstandungsfreie Durchführung der Vereinbarungen sowie eine zeitnahe Abwicklung eines gestörten Mietverhältnisses gehören.
Nach diesen Grundsätzen hat das FG dem zwischen dem Kläger und seinen Eltern –bis zur Beendigung und Räumung im Juli 2009– bestehenden Mietverhältnis zu Unrecht die steuerrechtliche Anerkennung versagt. Auch die Schlussfolgerung des FG, der Kläger habe seine Vermietungsabsicht mit der Unterbringung der Eltern in das Pflegeheim aufgegeben,
Das FG hat seine Entscheidung, das Mietverhältnis halte im Streitjahr einem Fremdvergleich nicht mehr stand, im Wesentlichen darauf gestützt, dass seit der Unterbringung der Eltern in das Pflegeheim keine Mietzahlungen mehr geleistet worden sind und damit das Mietverhältnis tatsächlich nicht mehr wie vereinbart durchgeführt worden ist. Der Kläger habe das Ausbleiben der Mietzahlungen über ein halbes Jahr unbeanstandet gelassen und sich daher nicht wie ein fremder Vermieter verhalten. Weder seien Zahlungsaufforderungen oder Mahnungen noch eine sonstige Regelung in Bezug auf die ausstehende Miete ersichtlich. Gegenüber einem fremden Dritten hätte der Kläger seinen Mietanspruch gerichtlich geltend gemacht, im Zweifel das Mietverhältnis nach § 543 BGB bereits mit Ablauf des Januar 2009 –und nicht wie geschehen erst im Juni 2009– fristlos gekündigt und notfalls im Wege einer Räumungsklage auf einer Räumung zu einem früheren Zeitpunkt bestanden.
Diese Würdigung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Senat vermag dem FG nicht darin zu folgen, dass sich der Kläger im Streitfall in der Durchführung und Abwicklung des Mietverhältnisses nicht wie ein fremder Vermieter verhalten habe. Zwar ist das FG im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass ein Vermieter regelmäßig ein notleidendes Mietverhältnis durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung (§ 543 BGB) beenden und eine Räumung des Mietobjekts –gegebenenfalls auch gerichtlich– durchsetzen wird. Das FG hat aber vorliegend unberücksichtigt gelassen, dass es sich aufgrund der eingetretenen Pflegebedürftigkeit der Mieter um eine für beide Vertragsparteien besondere Situation gehandelt hat. In dieser Situation ist dem Vermieter –insbesondere eines langjährigen beanstandungsfreien Mietverhältnisses– hinsichtlich der Abwicklung ein gewisser Entscheidungsspielraum zuzubilligen, ob er das Mietverhältnis einvernehmlich und kooperativ oder durch Kündigung und etwaige Räumungsklage einseitig beendet. In diesem Zusammenhang hätte das FG in seine Würdigung einbeziehen müssen, dass der Kläger das Mietverhältnis im Ergebnis innerhalb von etwa einem halben Jahr und damit zeitnah zur Unterbringung der Mieter im Pflegeheim beendet und abgewickelt hat. Vor dem Hintergrund, dass sich aufgrund der Pflegebedürftigkeit der Mieter deren Auszug aus dem Haus ohnehin abzeichnete, hätte auch berücksichtigt werden müssen, dass ein gerichtliches Verfahren im Zweifel –wie der Kläger zu Recht eingewandt hat– mehr Zeit in Anspruch genommen hätte.
Auch die Annahme des FG, der Kläger habe seine Vermietungsabsicht bereits im Zeitpunkt der Unterbringung der Eltern in das Pflegeheim endgültig aufgegeben, weil er den Leerstand des Hauses hingenommen und das Haus bereits im Februar 2009 zum Verkauf angeboten habe, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das FG hat sich hierfür im Wesentlichen auf die Senatsrechtsprechung zum Fortbestehen der Vermietungsabsicht bei länger andauerndem Leerstand bei einer vorangehenden auf Dauer angelegten Vermietung gestützt.
Die vom FG zitierte BFH-Rechtsprechung lässt sich jedoch mangels Vergleichbarkeit der den Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte nicht auf den Streitfall übertragen. Das FG hat insoweit außer Acht gelassen, dass das Mietverhältnis rechtlich erst zum Ablauf des Juni 2009 beendet worden ist und das Haus vor diesem Zeitpunkt noch nicht i.S. der Senatsrechtsprechung vertragslos leer gestanden hat. Aus dem Umstand, dass der Kläger das Haus bereits im Februar 2009 zum Verkauf angeboten hat, folgt noch nicht, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt seinen Entschluss, das Haus zu vermieten, endgültig aufgegeben hat. Zugunsten des Klägers ist vielmehr davon auszugehen, dass die durch die Aufnahme der Vermietungstätigkeit gefasste Einkünfteerzielungsabsicht jedenfalls für die Dauer der Vermietungstätigkeit fortbesteht, auch wenn er die vermietete Immobilie aufgrund eines neu gefassten Entschlusses später veräußert.
Entscheidend für die Abziehbarkeit der Aufwendungen ist insoweit, dass diese während der Vermietungszeit entstanden sind d.h. bezogen auf den Streitfall, solange ein Anspruch der Eltern auf Nutzungsüberlassung des Hauses gegenüber dem Kläger bestand. Anhaltspunkte dafür, dass das während der Dauer des Mietvertrags fortbestehende Nutzungsrecht ausnahmsweise durch eine konkludente oder ausdrückliche Vereinbarung bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses i.S. des § 542 BGB erloschen sein könnte, hat das FG nicht festgestellt. Auch insoweit kann dem Kläger nicht entgegen gehalten werden, er habe die rechtliche Möglichkeit zur Beendigung des notleidend gewordenen Mietverhältnisses zu einem früheren Zeitpunkt ungenutzt verstreichen lassen.
Da die Schlussfolgerungen des FG in seinen tatsächlichen Feststellungen keine Stütze finden, ist sein Urteil aufzuheben. Der Senat kann die im Streitfall erforderliche Würdigung auf der Grundlage der vom FG hinreichend getroffenen Feststellungen selbst vornehmen. Danach sind jedenfalls die bis zur Beendigung des Mietverhältnisses und Räumung des Hauses Ende Juli 2009 durch die Vermietungstätigkeit angefallenen Aufwendungen dem Grunde nach als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung steuerlich zu berücksichtigen.
Die Sache ist nicht spruchreif. Von seinem Standpunkt aus zu Recht hat das FG –entgegen der Auffassung des Klägers– noch keine Feststellungen zur Höhe des im Streitjahr geltend gemachten Werbungskostenüberschusses getroffen. Dies wird im nächsten Rechtsgang nachzuholen sein.
Hinsichtlich der geltend gemachten Werbungskosten wird das FG prüfen müssen, welche Aufwendungen auf die Vermietungszeit entfallen sowie ob, zu welchem Zeitpunkt und aus welchen Gründen der Kläger nach der Beendigung des Mietverhältnisses seinen Entschluss zur Einkünfteerzielung endgültig aufgegeben hat. In Bezug auf den Abzug der geltend gemachten Zinsaufwendungen verweist der Senat auf seine, wonach ein fortdauernder Veranlassungszusammenhang von nachträglichen Schuldzinsen mit früheren Einkünften i.S. des § 21 EStG nicht anzunehmen ist, wenn der Steuerpflichtige zwar ursprünglich mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat, seine Absicht zu einer (weiteren) Einkünfteerzielung jedoch bereits vor der Veräußerung des Immobilienobjekts aus anderen Gründen weggefallen ist. Kommt das FG hingegen zu dem Ergebnis, dass der Kläger seine Einkünfteerzielungsabsicht auch nach Beendigung des Mietverhältnisses mit den Eltern noch nicht aufgegeben hat, können die Schuldzinsen für ein Darlehen, das der Finanzierung der Anschaffungskosten des Hauses gedient hat, grundsätzlich auch nach einer nicht steuerbaren Veräußerung als nachträgliche Werbungskosten abgezogen werden, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden.
Da die Revision bereits in der Sache Erfolg hat, kommt es auf die geltend gemachten Verfahrensrügen nicht an.
Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), ist im Revisionsverfahren unzulässig. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren; zuständig ist daher das Gericht des ersten Rechtszugs, im Streitfall das FG.

Sprachaufenthalte im Ausland als Berufsausbildung

Nicht jeder Auslandsaufenthalt kann als Berufsausbildung anerkannt werden, auch wenn sich dadurch die Kenntnisse der jeweiligen Landessprache verbessern.
Sprachaufenthalte im Ausland können unter besonderen Umständen als Berufsausbildung anerkannt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Erwerb der Fremdsprachenkenntnisse auch der Vorbereitung auf einen für die Zulassung zum Studium erforderlichen Fremdsprachentest dient und dieser nicht dem ausbildungswilligen Kind allein überlassen bleibt. Ausreichend kann insoweit auch ein allgemeinbildender fortlaufender theoretisch-systematischer Unterricht in englischer Sprache sein.

BFH Urteil vom 22.02.2017 – III R 3/16 BFH/NV 2017, 1304

Sachverhalt:

Streitig ist der Kindergeldanspruch für die Monate Oktober 2014 bis Dezember 2014.
Nach dem Erwerb der allgemeinen Hochschulreife nahm P, der im September 1996 geborene Sohn der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), vom September 2014 bis zum Februar 2015 an einem internationalen missionarischen Trainingsprogramm (“missionary training program”) teil. Veranstalter war die Organisation “Youth with a mission – YWAM”, deren Abteilung YWAM Ships ihren Sitz in den USA hat. Der deutschsprachige Zweig von YWAM heißt “Jugend mit einer Mission – JMEM” und versteht sich als internationale Bewegung junger Christen. Ausweislich der Teilnahmebestätigungen der Organisation vom Juli 2014 und vom Dezember 2014 absolvierte P das Programm “Discipleship Training School”, zu Deutsch Jüngerschaftsschule. Auf der Homepage des deutschen Ablegers der Organisation wird das Programm wie folgt beschrieben:
“Die Jüngerschaftsschule (die als 5- oder 6-monatiger Studienkurs bei JMEM angeboten wird) ist ein an der University of the Nations (U of N) registrierter Studienkurs der nach erfolgreichem Abschluss den Teilnehmern folgende Möglichkeiten eröffnet:
– Mitarbeit bei Jugend mit einer Mission, mit Diensten in Entwicklungshilfe, Bildung und Erziehung, Kinder-, Jugend- und Familienarbeit u.a.
– Studium an der U of N, unserer internationalen Universität, verteilt auf allen 6 bewohnten Kontinenten der Erde. Abschlüsse an der U of N sind international anerkannt. Möglich sind A.A. (Associate of Arts) und A.S. (Associate of Science), B.A. (Bachelor of Art) oder B.S. (Bachelor of Science) und verschiedene Masters Programme.
Einem 3-monatigen Schulungsblock in Deutschland folgt ein 2-3-monatiger Aufenthalt in einem anderen Land. Dort werden die Teilnehmer Gelerntes in die Praxis umsetzen lernen und in Projekten vor Ort mitarbeiten, die u.a. folgende Inhalte haben: Kinder- und Jugendarbeit, Familiendienste, Entwicklungshilfe, Gemeindebau und Evangelisation, karitative Dienste & Völkerverständigung.”
Nach dem Stundenplan des für P geltenden Studienkurses wurden vormittags jeweils “Lectures” abgehalten und nachmittags “Work Duties” (insgesamt 50 Stunden einschließlich Arbeitseinsätzen, Leseaufgaben und Lernkontrollen). Für die Teilnahme an diesem Schulungsblock erhielt P 24 Credits und damit die Zugangsvoraussetzung für Bachelor of Arts Studiengänge der University of Nations und einer Mitarbeit bei JMEM.

Nach der Rückkehr aus den USA plante P im Wintersemester 2015 ein Studium der Rechtswissenschaften an der Bucerius Law School (BLS) in Hamburg aufzunehmen. Zur Vorbereitung hierauf absolvierte er von März bis Mai 2015 ein Praktikum in einer Rechtsanwaltskanzlei. Gleichzeitig bewarb er sich bei der Hochschule in Hamburg und erhielt für das Wintersemester 2015/2016 einen Studienplatz. Sein Berufswunsch nach dem Studium ist, als Jurist in einem gemeinnützigen Bereich tätig zu sein.
Mit Bescheid vom 11. September 2014 hob die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) die Festsetzung des Kindergeldes für P ab dem Monat Oktober 2014 gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf. P könne nicht mehr berücksichtigt werden, weil er die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG nicht erfülle. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.

Im Klageverfahren brachte die Klägerin vor, die JMEM sei ein internationales Missionswerk, Mitglied in den Dachverbänden “netzwerk-m” und der Arbeitsgemeinschaft Pfingstlich-Charismatischer Missionen (APCM). Die Jüngerschaftsschule sei Teil des Studienprogramms Bachelor of Arts und damit unmittelbar berufsqualifizierend. Der Abschluss dort sei außerdem Voraussetzung für ein Studium an der University of Nations. Es sei auch strukturiert Wissen mit einem wöchentlichen Unterrichtsprogramm von 50 Stunden (einschließlich Arbeitseinsätzen, Leseaufgaben und Lernkontrollen) vermittelt worden. Im Rahmen dieser Jüngerschaftsschule sollte u.a. der christliche Glauben fundiert, biblisches Wissen vertieft, der Charakter gestärkt und die eigene Persönlichkeit und Begabungen ausgebildet werden. Zu diesem Zweck habe das Studienprogramm allgemeinbildende und zahlreiche theologische Einheiten beinhaltet. Schließlich habe der Aufenthalt des Sohnes auch der Verbesserung seiner englischen Sprachkenntnisse gedient, da der gesamte Unterricht auf Englisch stattgefunden habe. Für den Zugang zur BLS in Hamburg sei ein Sprachtest erforderlich, den P erfolgreich durchgeführt habe.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, für die Annahme einer Berufsausbildung fehle es an einem hinreichenden Zusammenhang mit einem konkret angestrebten Beruf. Vielmehr hätten die Vertiefung des Fundaments des christlichen Glaubens, die Vermittlung biblischen Wissens, die Stärkung des Charakters und der Persönlichkeit der Teilnehmer und das Ausloten ihrer Begabungen im Vordergrund gestanden. Das Programm der Jüngerschaftsschule habe in keiner Weise dem geplanten rechtswissenschaftlichen Studium gedient.
Der Ausbildungscharakter des Auslandsaufenthalts sei auch nicht aufgrund der dabei erreichten Verbesserung der englischen Sprachkenntnisse zu bejahen. Das Kursprogramm habe keinen theoretisch-systematischen Sprachunterricht umfasst, der mit Rücksicht auf seinen Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-)Ausbildung rechtfertigen würde.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Aufhebungsbescheid der Familienkasse in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 2014 aufzuheben. Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Begründung:

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Denn die Vorentscheidung verletzt § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. P befand sich entgegen der Auffassung des FG im Streitzeitraum in Berufsausbildung und war daher als Kind der Klägerin nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu berücksichtigen.
Für ein volljähriges Kind besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG –unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen– Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.

In Berufsausbildung befindet sich, wer “sein Berufsziel” noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des “angestrebten” Berufs geeignet sind, und zwar unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben sind.

Zur Berufsausbildung gehört grundsätzlich auch der Erwerb von Sprachfertigkeiten. Dem Tatbestandsmerkmal “für einen Beruf ausgebildet wird” i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist allerdings zu entnehmen, dass das Gesetz nicht jeden Auslandsaufenthalt als Berufsausbildung anerkennt, auch wenn sich dadurch die Kenntnisse der jeweiligen Landessprache verbessern. Sprachaufenthalte im Ausland können vielmehr nur dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Erwerb der Fremdsprachenkenntnisse einen konkreten Bezug zu dem angestrebten Beruf aufweist und dieser nicht dem ausbildungswilligen Kind allein überlassen bleibt, sondern Ausbildungsinhalt und Ausbildungsziel vorgegeben werden.

In Abgrenzung von längeren Urlauben und sonstigen Auslandsaufenthalten, etwa zur Persönlichkeitsbildung –z.B. zur Verbesserung der Selbstständigkeit oder um andere Länder und Kulturen kennenzulernen–, werden Sprachaufenthalte beispielsweise im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses nach ständiger Rechtsprechung nur dann als Berufsausbildung angesehen, wenn sie von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden, der nach seinem Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-)Ausbildung rechtfertigt und grundsätzlich mindestens zehn Wochenstunden umfassen muss. Ein Unterschreiten dieser Grenze kann unschädlich sein, wenn mit dem Auslandsaufenthalt ein gutes Ergebnis in einem für die Zulassung zum Studium oder zu einer anderweitigen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest Zudem kann die fehlende Teilnahme an einem zehnstündigen theoretisch-systematischen Sprachunterricht mit zusätzlichen fremdsprachenfördernden Aktivitäten.
F
este Vorgaben lassen sich für die Auslegung der Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht aufstellen; vielmehr sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls abzuwägen und in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen.

Nach den vorgenannten Grundsätzen stellte die Teilnahme an dem Studienprogramm der Jüngerschaftsschule im englischsprachigen Ausland, die mit einer Verbesserung der Sprachkenntnisse verbunden war, im Streitzeitraum für P eine Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dar.

Bei der Prüfung, ob eine Berufsausbildung vorliegt, sind die konkreten beruflichen Pläne des Kindes zu beachten. Nach den insoweit bindenden Feststellungen des FG beabsichtigte P, nach seinem Auslandsaufenthalt an der BLS zu studieren. Dementsprechend bewarb P sich nach seiner Rückkehr an der BLS. Für die Aufnahme an dieser Universität war die erfolgreiche Teilnahme an einem englischen Sprachtest erforderlich. Angesichts dessen bestand objektiv ein konkreter Bezug zwischen der Verbesserung der Sprachkenntnisse durch einen Auslandsaufenthalt und dem angestrebten Beruf. Bezweckt der Auslandsaufenthalt –wie hier– auch, ein gutes Ergebnis in einem für die Zulassung zum Studium erforderlichen Fremdsprachentest zu erlangen, so kann ein Auslandsaufenthalt schon dann als Berufsausbildung zu qualifizieren sein, selbst wenn ein theoretisch-systematischer Sprachunterricht von zehn Wochenstunden nicht erreicht wird. Diesen Umstand hat das FG nicht berücksichtigt.

Der Erwerb der für den angestrebten Beruf erforderlichen erweiterten Fremdsprachenkenntnisse war auch nicht allein dem ausbildungswilligen P überlassen.
An jedem werktäglichen Vormittag erfolgte eine theoretische Wissensvermittlung (Lectures) in englischer Sprache, die zusammen mit den praktischen Arbeiten (work duties) einschließlich der Lernkontrollen einen von der Schule vorgegebenen Zeitaufwand umfasste. Insoweit unterscheidet sich das Lernprogramm der Jüngerschaftsschule von einem Au-pair-Aufenthalt oder einem Freiwilligendienst im Ausland, der regelmäßig nicht von einer fortlaufenden theoretischen systematischen Wissensvermittlung in der Landessprache begleitet wird. Das Erfordernis eines theoretisch-systematischen Sprachunterrichts ist auch nicht dahin zu verstehen, dass ein spezieller Sprachkurs für Ausländer absolviert werden müsste. Ausreichend ist vielmehr ein allgemeinbildender fortlaufender theoretisch-systematischer Unterricht in englischer Sprache (vgl. Selder, juris PraxisReport Steuerrecht 31/2012 Anm. 3). Im vorliegenden Fall lassen jedenfalls der sachliche und zeitliche Umfang des in englischer Sprache durchgeführten strukturierten Unterrichts und die Lernkontrollen den Schluss auf eine hinreichende qualitative Erweiterung der Fremdsprachenkenntnisse zu.
Soweit das FG zur Begründung seiner Ansicht, das Kursprogramm habe keinen theoretisch-systematischen Sprachunterricht umfasst, der mit Rücksicht auf seinen Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche Sprachausbildung rechtfertigen würde, auf die Entscheidungen des BFH, lagen diesen Entscheidungen keine vergleichbaren Fallkonstellationen zugrunde. In dem Verfahren ging es um ein Au-pair-Verhältnis. Darüber hinaus war kein konkreter Bezug zwischen der Erweiterung der Sprachkenntnisse und einer sich anschließenden Berufsausbildung oder Berufstätigkeit erkennbar. In der Entscheidung ging es um ein Kind, welches an einem Programm “Work & Travel Australien” teilnahm. Anders als im Streitfall hat sich das Kind während des Auslandsaufenthalts auch keinen planmäßigen Bildungsmaßnahmen unterzogen, die sich anhand objektiv nachvollziehbarer Kriterien von einem gewöhnlichen Aufenthalt abgrenzen ließen.

Nachträgliche Anschaffungskosten einer Beteiligung i.S. des § 17 EStG erfordert eine wirtschaftlichen Belastung

Der Verzicht des Gesellschafters auf seinen Rückzahlungsanspruch aus einem der Kapitalgesellschaft gewährten Darlehen kann nicht als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung i.S. des § 17 EStG berücksichtigt werden, wenn im Zeitpunkt der Veranlagung feststeht, dass der Gesellschafter daraus nicht wirtschaftlich belastet ist.
An einer wirtschaftlichen Belastung in diesem Sinne fehlt es, wenn der Gesellschafter bei wirtschaftlicher Betrachtung lediglich als Auszahlstelle ein von ihm bei einem Kreditinstitut aufgenommenes Darlehen entsprechend dessen Zweckbindung an die Kapitalgesellschaft weiterleitet und das Vermögen des Gesellschafters durch gleichzeitige, voneinander abhängige Rückzahlungsverzichte des Gesellschafters gegenüber der Kapitalgesellschaft und dem finanzierenden Kreditinstitut gegenüber dem Gesellschafter nicht belastet wird.

BFH Urteil vom 11.04.2017 – IX R 4/16 BFH/NV 2017, 1309

Sachverhalt:

Streitig ist, ob und ggf. in welcher Höhe bei der Ermittlung eines Veräußerungsverlustes nach § 17 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres 2009 (EStG) der Verzicht auf ein Gesellschafterdarlehen und eine verdeckte Einlage als nachträgliche Anschaffungskosten geltend gemacht werden können.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten und waren an der im Jahre 1999 gegründeten A-GmbH, die ab dem Jahr 2002 unter dem Namen B-GmbH firmierte, beteiligt; bis zum 31. Dezember 2005 betrug der Anteil des Klägers 75,2 % und der der Klägerin 24,8 %. Im Jahre 2000 wurde die C-GmbH gegründet, an der der Kläger zu 24,8 % und die Klägerin zu 75,2 % beteiligt waren. Die B-GmbH stellte Backwaren her, die sie an die C-GmbH lieferte und die von dieser in mehreren Filialen vertrieben wurden. Die C-GmbH wurde im Jahr 2005 auf die B-GmbH verschmolzen. Am 27. Juni 2006 veräußerte die Klägerin ihre Anteile an der B-GmbH zum Kaufpreis von 25.000 EUR

Mit Vertrag vom 29. August 2001 gewährte der Kläger der B-GmbH ein Darlehen in Höhe von 2 Mio. DM (1.022.583,76 EUR). Zur Finanzierung des Darlehens war mit Datum 24. August 2001 für den Kläger bei der Z-Bank, die in regelmäßigen Geschäftsbeziehungen zu der B-GmbH stand, ein Konto eingerichtet worden. In dem Darlehensvertrag zwischen dem Kläger und der B-GmbH heißt es unter § 1 Nr. 1, der Kläger habe bei der Z-Bank ein Darlehen aufgenommen und stelle diese Mittel seinerseits der Gesellschaft als Gesellschafterdarlehen zur Verfügung. Die Verzinsung des Darlehens richte sich nach den Geschäftsbedingungen, die für das vom Kläger aufgenommene Darlehen gelten, und betrage 6 % (§ 2 Nr. 1). Nach § 2 Nr. 2 des Vertrages werde der vom Kläger mit der Z-Bank abgeschlossene Vertrag ausdrücklich Vertragsbestandteil auch des Darlehensvertrages zwischen dem Kläger und der B-GmbH. Gemäß § 3 Nr. 1 und § 4 des Vertrages richteten sich die Rückzahlung des Darlehens und die Laufzeit nach den Bedingungen des Darlehensvertrages zwischen dem Kläger und der Z-Bank. Unter § 3 Nr. 2 des Vertrages war ein Rangrücktritt vereinbart. Zins- und Tilgungsleistungen sollten in Abkürzung des Zahlungsweges unmittelbar an die Z-Bank erfolgen. Sicherheiten wurden nicht vereinbart. Die Zahlung der Valuta erfolgte von dem Konto des Klägers auf ein Konto der B-GmbH. Mit Datum 18. Januar 2002 bestätigte der Kläger den Rangrücktritt seines Rückzahlungsanspruches aus dem Darlehen.

Zur Finanzierung einer Betriebsverlegung im Jahre 2002 gewährte der Kläger mit Vertrag vom 12. November 2002 der B-GmbH ein weiteres Darlehen. In § 1 Nr. 1 des Vertrages heißt es, der Kläger habe bei der Z-Bank mit Kontovertrag vom 12. November 2002 ein Girokonto mit der Nummer… eingerichtet. Von diesem Konto sollten Investitionsrechnungen der B-GmbH gezahlt werden. Insofern stelle der Kläger der B-GmbH ein in der Höhe variables Darlehen zur Verfügung. Die Höhe des der B-GmbH gewährten Darlehens richte sich nach der jeweiligen Höhe der Inanspruchnahme des Girokontos. Hinsichtlich der Zinsen, Rückzahlungsbedingungen und Laufzeit wurde auf den Kontovertrag vom 12. November 2002 zwischen dem Kläger und der Z-Bank Bezug genommen. Zahlungen sollten unmittelbar auf dieses Konto erfolgen (§ 5 des Vertrages). Auf die Gestellung von Sicherheiten wurde nach § 6 des Vertrages verzichtet.

Mit Vertrag vom 10. Dezember 2004 zwischen dem Bundesland X, der Z-Bank, der B-GmbH und der C-GmbH verpflichtete sich das Land als Bürge aus einer bestehenden Ausfallbürgschaft für Forderungen der Z-Bank gegenüber den Gesellschaften zur Zahlung eines Teilbetrags. Bedingung hierfür war, dass die Z-Bank auf die dem Kläger gewährten Kreditmittel verzichtet und dass der Kläger seinerseits auf seine Gesellschafterdarlehen in gleicher Höhe gegenüber der B-GmbH verzichtet. Dementsprechend erklärte der Kläger unter dem 9. Dezember 2004 gegenüber der B-GmbH seinen Verzicht auf die Forderungen aus den Darlehen in Höhe von insgesamt 1.507.690,76 EUR zuzüglich Zinsen und Gebühren seit dem 1. Juli 2004. Mit Datum 10. Dezember 2004 vereinbarten die Z-Bank und der Kläger ebenfalls einen Forderungsverzicht einschließlich Zinsen und Gebühren seit dem 1. Juli 2004. Die Vereinbarung erfolgte unter der Bedingung, dass der Kläger seine Anteile nicht vor dem 31. Dezember 2024 veräußert bzw. dass die B-GmbH vor dem 31. Dezember 2024 keine Gewinnausschüttungen oder Kapitalrückzahlungen vornimmt. In diesen Fällen sollte die Forderung der Z-Bank gegen den Kläger wieder aufleben. Die seit dem 1. Juli 2004 noch zu berücksichtigenden Zinsen und Gebühren beliefen sich auf 45.616,49 EUR.
Im Jahre 2005 fand bei der C-GmbH, der Vertriebsgesellschaft, eine Außenprüfung für die Jahre 2000 bis 2002 statt. Nach Tz. 2.2 des Berichts der Außenprüfung vom 23. Juni 2005 beschränkte sich der Geschäftsbetrieb der C-GmbH auf die Erfüllung der Dienstleistungen zum Vertrieb der Backwaren in den einzelnen Verkaufsfilialen, die ihr zum Betrieb von der B-GmbH überlassen worden waren. Die C-GmbH sollte ohne eigenen Gewinn wirtschaften, insbesondere sollten Kosteneinsparungen sich nicht bei der C-GmbH auswirken, sondern von ihr an die B-GmbH weitergegeben werden. Der Außenprüfer vertrat die Ansicht, es sei bereits zweifelhaft, ob ein fremder Dritter auf Dauer die entsprechenden Vereinbarungen hingenommen hätte. Unstreitig hätte ein fremder Dritter den Vertrieb der Backwaren nur dann übernommen, wenn ihm nach Abzug aller Kosten noch ein angemessener Gewinn verblieben wäre. Der C-GmbH verbliebe ein angemessener Gewinn, wenn auf die Personalkosten der C-GmbH ein Gewinnzuschlag von 2,5 v.H. erhoben werde. In dieser Höhe ergäben sich verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA). Die Höhe der so ermittelten vGA betrugen für das Jahr 2000 162.045 DM (82.852 EUR), für 2001 133.838 DM (68.430 EUR) und für 2002 97.654 EUR.

Die Kläger erhoben hiergegen Einspruch. Mit Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2014 änderte das FA die Einkommensteuerfestsetzung auf 98.574 EUR und wies den Einspruch im Übrigen zurück. Es führte im Wesentlichen aus, ein Veräußerungsverlust sei hinsichtlich der Darlehensforderungen nicht zu berücksichtigen, weil dem Kläger tatsächlich keine Vermögenseinbuße entstanden sei. Das Darlehen stamme nicht aus dem Vermögen des Klägers, sondern sei tatsächlich von der Z-Bank gewährt worden. Der Kläger sei nie das Risiko eingegangen, dass seine Darlehensforderung ausfallen könne. Die Z-Bank sei aufgrund der schlechten finanziellen Lage der B-GmbH nicht mehr in der Lage gewesen, dieser unmittelbar Darlehen zur Verfügung stellen zu können. Deshalb habe man den Weg gewählt, den Kläger dazwischen zu schalten. Dies ergäbe sich bereits aus der engen Verflechtung der Darlehensverträge. Mit Datum vom 15. Mai 2014 wurde der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr aus nicht streitgegenständlichen Gründen geändert.

Das Finanzgericht (FG) gab der gegen den Einkommensteuerbescheid vom 7. Oktober 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2014 gerichteten Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1776 veröffentlichten Urteil insoweit statt, als der Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG auf 161.478,27 EUR herabgesetzt wurde. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr verletze die Kläger insoweit in ihren Rechten, als nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 55.000 EUR nicht berücksichtigt worden seien. In dieser Höhe habe der Kläger aufgrund des Besserungsscheins vom 10. Dezember 2004 Zahlungen unmittelbar aus seinem Erlös für die Veräußerung der Anteile an der B-GmbH an die Z-Bank geleistet. Im Übrigen sei der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr jedoch rechtmäßig. Das Gesellschafterdarlehen des Klägers stamme bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht aus dem Vermögen des Gesellschafters selbst, vielmehr werde die Belastung von der finanzierenden Bank getragen. In einem solchen Falle fehle es an einem eigenen Aufwand des Gesellschafters und damit an einer Rechtfertigung dafür, einen derartigen Aufwand als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen der Ermittlung des Veräußerungsgewinns geltend machen zu können. Ebenso scheide eine Erhöhung der nachträglichen Anschaffungskosten durch verdeckte Einlagen des Klägers in die B-GmbH aus. Es fehle insoweit an einem einlagefähigen Wirtschaftsgut. Die C-GmbH habe gegenüber der B-GmbH eine unentgeltliche Dienstleistung erbracht, indem die C-GmbH die Waren in ihren Filialen durch die bei ihr angestellten Mitarbeiter verkauft habe. Solche Leistungen seien keine bilanzierbaren Wirtschaftsgüter und könnten daher nicht als Einlagen erfasst werden.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 EStG, § 39 der Abgabenordnung, §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).
Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen wurde, und den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 15. Mai 2014 mit der Maßgabe zu ändern, dass bei der Ermittlung des Veräußerungsverlustes im Rahmen der Einkünfte des Klägers weitere Beträge von 1.498.307,25 EUR und 187.199,87 EUR vor Anwendung des Teileinkünfteverfahrens als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen sind.

Begründung:

Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids für 2009 vom 15. Mai 2014 dahingehend, dass der Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG auf 161.478 EUR herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat insoweit zutreffend entschieden, dass weder der vom Kläger erklärte Verzicht auf die Rückzahlungsansprüche aus den der B-GmbH gewährten Darlehen noch die vom Kläger geltend gemachten verdeckten Einlagen in die B-GmbH zu nachträglichen Anschaffungskosten führen.
Das Urteil des FG ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben.

Es kann keinen Bestand haben, weil das FG über den nicht mehr wirksamen Einkommensteuerbescheid 2009 vom 7. Oktober 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2014 entschieden hat. Das FA hat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung mit Datum vom 15. Mai 2014 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2009 erlassen. Dem FG-Urteil liegt damit ein in seiner Wirkung suspendierter Bescheid zugrunde.

Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Das FA hat zu Unrecht –wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist– nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 55.000 EUR nicht berücksichtigt. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

Nach § 17 Abs. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft qualifiziert beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 Abs. 1 EStG ist gemäß Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Veräußerungspreis i.S. der genannten Vorschrift ist der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer durch Abschluss des dinglichen Veräußerungsgeschäfts am maßgebenden Stichtag erlangt.
Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten sind. Zu in diesem Sinne funktionalem Eigenkapital werden Finanzierungshilfen oder Finanzierungsmaßnahmen, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise der Gesellschaft ein Darlehen gewährt (§ 32a Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung a.F.) und diese Finanzierungsmaßnahme eigenkapitalersetzenden Charakter hat.
Ebenso wie Bürgschaftsverpflichtungen, die wegen Zahlungsunfähigkeit des Bürgen im Zeitpunkt der Veranlagung für diesen keine gegenwärtige Belastung darstellen, bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden können kann der Verzicht des Gesellschafters auf seine Rückzahlungsansprüche aus den der Kapitalgesellschaft gewährten Darlehen als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft nicht berücksichtigt werden, wenn im Zeitpunkt der Veranlagung feststeht, dass der Gesellschafter aus dem Ausfall der Darlehen nicht wirtschaftlich belastet ist. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der i.S. des § 17 Abs. 1 EStG an der Kapitalgesellschaft beteiligte Gesellschafter bei wirtschaftlicher Betrachtung lediglich ein von ihm bei einem Kreditinstitut aufgenommenes Darlehen entsprechend seiner Zweckbindung an die Kapitalgesellschaft weiterleitet und durch gleichzeitige, voneinander abhängige Rückzahlungsverzichte des Gesellschafters gegenüber der Kapitalgesellschaft und dem finanzierenden Kreditinstitut gegenüber dem Gesellschafter das Vermögen des Gesellschafters nicht belastet wird. Der Gesellschafter übernimmt wirtschaftlich lediglich die Funktion einer Zahlstelle für das tatsächlich belastete Kreditinstitut, weil das Schicksal des Gesellschafterdarlehens an die Kapitalgesellschaft rechtlich untrennbar mit dem Bankdarlehen an den Gesellschafter verknüpft ist. Beweisanzeichen für eine solche –lediglich formalen Zwecken dienende– Zwischenschaltung des Gesellschafters ist, dass das Kreditinstitut die Beschränkungen des § 18 Satz 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (in den Fassungen der Jahre 2001 bzw. 2002 –KWG–), wonach ein Kreditinstitut einen Kredit von insgesamt mehr als 500.000 Deutsche Mark bzw. 250.000 Euro nur gewähren darf, wenn es sich von dem Kreditnehmer die wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere durch Vorlage der Jahresabschlüsse, offenlegen lässt, dergestalt umgehen möchte, dass es das Darlehen nicht unmittelbar der Kapitalgesellschaft, sondern ohne Besicherung deren Gesellschafter zur Weiterleitung an die Gesellschaft gewährt.

Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Recht entschieden, dass der vom Kläger erklärte Verzicht auf die Rückzahlungsansprüche aus den der B-GmbH gewährten Darlehen bei ihm zu keiner wirtschaftlichen Belastung und damit nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten führten.

Nach den den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) des FG hat die Z-Bank bestätigt, dass das dem Kläger von der Z-Bank gewährte Darlehen zweckgebunden war und dieser lediglich den Darlehensbetrag an die B-GmbH weitergeleitet hat. Die Darlehensverträge zwischen dem Kreditinstitut und dem Kläger sowie diesem und der B-GmbH waren rechtlich und wirtschaftlich untrennbar miteinander verknüpft, indem das Gesellschafterdarlehen ausdrücklich auf das dem Kläger gewährte Darlehen Bezug nimmt und dessen Vertragsbedingungen zum Gegenstand des der B-GmbH gewährten Gesellschafterdarlehens macht. Keiner der beiden Darlehensverträge hätte unabhängig von dem anderen Bestand gehabt. Zudem haben die Z-Bank und der Kläger auf ihre jeweiligen Rückforderungsansprüche in unmittelbarem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang verzichtet. Der Verzicht des Klägers auf die Rückzahlungsansprüche aus den Gesellschafterdarlehen war Bedingung dafür, dass die Z-Bank ihrerseits auf ihre Darlehensrückzahlungsansprüche verzichtete. Ferner tragen die Kläger selbst vor, dass die Z-Bank, die von dem unternehmerischen Konzept der B-GmbH überzeugt war, sich lediglich wegen § 18 KWG gehindert sah, der B-GmbH weitere Kredite zu gewähren. Daraus ergibt sich, dass der Kläger lediglich zur Umgehung der Beschränkungen des § 18 KWG zwischengeschaltet war, ohne durch den Ausfall der Gesellschafterdarlehen selbst wirtschaftlich belastet zu sein. Dies wird zudem durch die fehlende Besicherung des dem Kläger gewährten Darlehens bestätigt.
Das FG hat darüber hinaus zutreffend erkannt, dass nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 55.000 EUR zu berücksichtigen sind. Denn in dieser Höhe hat der Kläger aufgrund des Besserungsscheins vom 10. Dezember 2004 durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Zahlungen an die Z-Bank geleistet.
Das FG hat zudem zu Recht entschieden, dass eine Erhöhung der nachträglichen Anschaffungskosten aus verdeckten Einlagen des Klägers in die B-GmbH mangels eines bilanzierungsfähigen Vermögensvorteils ausscheidet.
Eine verdeckte Einlage liegt vor, wenn ein Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person der Kapitalgesellschaft einen einlagefähigen Vermögensvorteil gegenleistungslos oder verbilligt zuwendet und dies durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, d.h., wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns der Gesellschaft den Vermögensvorteil nicht eingeräumt hätte. Als verdeckte Einlagen sind nur Wirtschaftsgüter geeignet, die das Vermögen der Kapitalgesellschaft vermehrt haben, sei es durch den Ansatz oder die Erhöhung eines Aktivpostens, sei es durch den Wegfall oder die Verminderung eines Passivpostens. Ein einlagefähiger Vermögensvorteil ist nicht gegeben, wenn der Gesellschaft lediglich Nutzungsvorteile gewährt werden. Die verdeckten Einlagen sind von den betrieblich veranlassten Vorgängen zu unterscheiden.

Anders als die Kläger meinen, fehlt es im Streitfall an einem für eine verdeckte Einlage erforderlichen einlagefähigen Vermögensvorteil. Aus den vom FG festgestellten Tatsachen ergibt sich, dass die Produktion in der B-GmbH verblieb und lediglich der Vertrieb der hergestellten Waren ab 1. Mai 2000 in die C-GmbH ausgegliedert worden ist. Die B-GmbH überließ der C-GmbH die Filialen einschließlich des gesamten Inventars zur Nutzung, behielt sich aber die gesamte warenwirtschaftliche Steuerung der Filialen vor. Die Vertriebsgesellschaft handelte wie eine Verkaufsagentur und erhielt als Entgelt eine Provision auf den von der B-GmbH empfohlenen Verkaufspreis der Waren in Höhe von rd. 35 %. Die C-GmbH erbrachte daher gegenüber der B-GmbH lediglich Dienstleistungen im Vertrieb. Unbeschadet dessen, dass das FG über den betrieblich veranlassten Leistungsaustausch zwischen der B- und der C-GmbH hinaus unter Zugrundelegung des Fremdvergleichsmaßstabs keinen der B-GmbH zugewendeten Vermögensvorteil festgestellt hat, können die dargestellten Vertriebsdienstleistungen nicht Gegenstand einer Einlage bei der den Vorteil empfangenden Gesellschaft sein. Sie erhöhen daher nicht die Anschaffungskosten des Klägers für seine Beteiligung an der B-GmbH.

Soweit die Kläger vortragen, Gegenstand der vertraglichen Beziehungen zwischen der B- und der C-GmbH seien Warenlieferungen gewesen, also die Leistung bilanzierbarer und damit einlagefähiger Wirtschaftsgüter, ist dem nicht zu folgen, weil die B-GmbH gegenüber der C-GmbH ein nicht trennbares Bündel von Leistungen (z.B. die Zur-Verfügung-Stellung der Filialen, des jeweiligen Inventars, der jeweiligen Kundenstämme, ihrer Marktkenntnisse und ihres Know-hows, die Lieferung der Backwaren usw.) erbracht hat und die C-GmbH lediglich als Verkaufsagentur fungierte.
Vor diesem Hintergrund ist der vom FA ermittelte Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 EStG in Höhe von 324.130,45 EUR unter Berücksichtigung der nachträglichen Anschaffungskosten von 55.000 EUR auf 269.130,45 EUR und nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens auf 161.478,27 EUR herabzusetzen.
Die Ermittlung und Berechnung des festzusetzenden Einkommensteuerbetrags nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO).

Steuerliche Behandlung der Einkünfte des Geschäftsführers einer luxemburgischen S.a.r.l.

Ob der Geschäftsführer einer luxemburgischen S.a.r.l. als Arbeitnehmer i.S. des § 1 LStDV oder als Selbständiger i.S. der §§ 15, 18 EStG anzusehen ist, ist anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Die Beteiligung des Geschäftsführers an der S.a.r.l. ist ein solches Einzelmerkmal, das im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist.

“Gehaltszahlungen” an den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer S.a.r.l. sind regelmäßig als Einkünfte aus Kapitalvermögen (vGA) zu qualifizieren, wenn den Zahlungen keine klaren, eindeutigen und im Vorhinein abgeschlossenen Vereinbarungen zugrunde liegen. In einem solchen Fall ist zu prüfen, ob Deutschland als dem Wohnsitzstaat des Gesellschafter-Geschäftsführers das Besteuerungsrecht an den Zahlungen gemäß Art. 13 Abs. 1 DBA-Luxemburg 1958/1973 (Dividendenartikel) zusteht.

BFH Urteil vom 29.03.2017 – I R 48/16 BFH/NV 2017, 1316

Sachverhalt:

Der getrennt zur Einkommensteuer veranlagte Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren zunächst Mitgesellschafter-Geschäftsführer und ab dem Jahr 2003 Alleingesellschafter-Geschäftsführer der D S.a.r.l. (D), einer der deutschen GmbH vergleichbaren luxemburgischen Kapitalgesellschaft, die ihren Sitz in wechselnden Luxemburger Gemeinden hatte. Die Firma D erbrachte im Wesentlichen Dachdecker- und Zimmermannsarbeiten in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und im Großherzogtum Luxemburg (Luxemburg). Auch der Kläger war als Geschäftsführer in beiden Staaten tätig. In A-Stadt (Deutschland) hatte die Firma D zwei Hallen mit Freiflächen angemietet. Dort befanden sich ein Büro mit Kopierer, Regalen, Bauunterlagen u.ä., ein Aufenthaltsraum sowie Flächen für Maschinen und Hölzer. Die Hölzer wurden dort u.a. auch zugeschnitten.

Ein schriftlicher Anstellungsvertrag zwischen der Firma D und dem Kläger existierte nicht. Letzterer bezog ein festes Gehalt, das zu festen Terminen auf dessen Konto überwiesen wurde. Daneben erhielt er regelmäßig Gratifikationen. Die darauf entfallende Steuer wurde an die zuständige Luxemburger Finanzbehörde abgeführt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) qualifizierte die vom Kläger empfangenen Zahlungen als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit. Er schätzte den auf die Tätigkeit in Luxemburg entfallenden Teil des Arbeitslohns auf 60 % und stellte ihn unter Progressionsvorbehalt aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 23. August 1958 (BGBl II 1959, 1270, BStBl I 1959, 1023) i.d.F. des Ergänzungsprotokolls vom 15. Juni 1973 (BGBl II 1978, 111, BStBl I 1978, 73) –DBA-Luxemburg 1958/1973– von der deutschen Steuer frei. Den übrigen Teil des Arbeitslohns unterwarf das FA in den angegriffenen Einkommensteuerbescheiden der deutschen Besteuerung. Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz folgte in dem angegriffenen Urteil vom 15. Juni 2016 1 K 1944/13 (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2016, 1429) im Wesentlichen dem tatsächlichen und rechtlichen Vorbringen des FA. Im Termin zur mündlichen Verhandlung beim FG war für den Kläger –wie zuvor von dessen Prozessvertreter angekündigt– niemand erschienen.
Mit der Revision beantragt der Kläger, das angegriffene FG-Urteil sowie die Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 2013 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Begründung:
Die Revision ist begründet, das FG-Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

Das FG ist davon ausgegangen, dass der Kläger nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als Arbeitnehmer anzusehen sei, er deshalb in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren jeweils geltenden Fassung (EStG) erzielt und das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte gemäß Art. 10 DBA-Luxemburg 1958/1973 Deutschland zugestanden habe, soweit die Tätigkeit im Inland ausgeübt worden sei. Hierbei hat das FG allerdings der Tatsache, dass der Kläger im Streitzeitraum zunächst zu 50 %, später zu 100 % an der Firma D beteiligt war, von Rechts wegen keine Bedeutung beigemessen. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung –LStDV– (i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG), die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) den Arbeitnehmerbegriff zutreffend auslegen, liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH, dass der Arbeitnehmerbegriff sich nicht durch Aufzählung feststehender Merkmale abschließend bestimmen lässt. Das Gesetz bedient sich nicht eines tatbestandlich scharf umrissenen Begriffs. Es handelt sich vielmehr um einen offenen Typusbegriff, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann. Die Frage, ob jemand eine Tätigkeit selbständig oder nichtselbständig ausübt, ist deshalb anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Diese Merkmale sind im konkreten Einzelfall zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Beides obliegt in erster Linie den Finanzgerichten als Tatsacheninstanz. Die im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegende Beurteilung ist revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar

Nach diesen Grundsätzen kann das angegriffene FG-Urteil keinen Bestand haben. Das FG durfte dem Umstand, dass der Kläger als Geschäftsführer zugleich auch an der Firma D beteiligt war, nicht von vornherein jede rechtliche Relevanz absprechen. Vielmehr ist die Beteiligung des Steuerpflichtigen eines von vielen Indizien, die im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen sind. Als ein Einzelmerkmal von vielen kommt dem Umstand der Mehrheitsbeteiligung allerdings auch nicht die Bedeutung zu, dass bei einer Mehrheitsbeteiligung regelmäßig von einer selbständigen Tätigkeit des Geschäftsführers auszugehen wäre.

Im Unterschied zum FG kann der Senat weder der Rechtsprechung des VI. Senats des BFH entnehmen, dass der Beteiligung des Geschäftsführers an der Gesellschaft keinerlei Indizwirkung zukommt. Noch versteht er das Urteil so, dass eine Mehrheitsbeteiligung regelmäßig –also das Ergebnis vorprägend– die Arbeitnehmereigenschaft ausschließt. Nach dieser Entscheidung “kann die Beteiligungsquote im Rahmen der steuerlichen Beurteilung zumindest als Indiz herangezogen werden”. Die weiteren Ausführungen (“GmbH-Gesellschafter sind regelmäßig Selbständige, wenn sie zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft sind und mindestens 50 v.H. des Stammkapitals innehaben.”) beziehen sich ausdrücklich auf das Sozialversicherungsrecht. Nach der Rechtsprechung des VI. Senats ist es für die Frage, ob ein Gesellschafter-Geschäftsführer als Arbeitnehmer zu beurteilen ist, –lediglich– “nicht entscheidend”, in welchem Verhältnis der Geschäftsführer an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Beide Urteile stimmen damit darin überein, dass einer Mehrheitsbeteiligung keine ausschlaggebende, sondern lediglich eine indizielle Bedeutung zukommt. Im Übrigen kommen die zahlreichen anderen Kriterien zum Tragen, wie etwa die –trotz der Mehrheitsbeteiligung gegebene– Weisungsgebundenheit und eine –im konkreten Fall gegebene– Eingliederung in die betriebliche Organisation, die den Gesellschafter-Geschäftsführer regelmäßig zum Arbeitnehmer i.S. des § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 LStDV machen.

Die Sache ist hiernach nicht spruchreif. Die erforderliche Gesamtwürdigung ist vom FG vorzunehmen. Allerdings könnte sich eine solche Abwägung erübrigen, wenn, was das FG im zweiten Rechtsgang gleichfalls zu prüfen haben wird, die streitigen Einkünfte als solche aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zu qualifizieren sein sollten. Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen ist fraglich, ob die “vertraglichen Zahlungsgrundlagen” zwischen dem Kläger als beherrschendem Gesellschafter und der Firma D steuerlich anzuerkennen sind, insbesondere, ob sie dem formellen Fremdvergleich genügen (vgl. z.B. Gosch KStG, 3. Aufl., § 8 Rz 318 ff. und 796 ff.). Sollten die “Gehaltszahlungen” als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zu erfassen sein, wäre weiter zu prüfen, ob und inwieweit Deutschland als Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht für die Zahlungen gemäß Art. 13 Abs. 1 DBA-Luxemburg 1958/1973 zusteht (vgl. Siegers in Wassermeyer, Luxemburg Art. 13, Stand bis Ergänzungslieferung 124, Rz 45).

Verluste aus der Veräußerung einer fondsgebundenen Lebensversicherung

Die mit der Abgeltungsteuer als Schedule eingeführten Besonderheiten der Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) bedingen eine tatsächliche Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht. Sie gilt auch hinsichtlich von Verlusten aus der Veräußerung einer Lebensversicherung.

BFH Urteil vom 14.03.2017 – VIII R 38/15 BFH/NV 2017, 1366

Sachverhalt:

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr (2009) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war Versicherungsnehmer einer vom 1. September 1999 bis zum 1. September 2011 laufenden fondsgebundenen Lebensversicherung. Versicherte Person war seine Ehefrau, die Klägerin. Die Versicherungssumme im Todesfall betrug 320.250 DM (163.741,22 EUR). Im Erlebensfall sollte das Deckungskapital, d.h. der Wert der gutgeschriebenen Fondsanteile, fällig werden. Am 1. März 2009 verkaufte der Kläger seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an die Klägerin. Der am 2. Juni 2009 fällige Kaufpreis betrug 67.517,92 EUR und entsprach dem Wert des Deckungskapitals zum 28. Februar 2009. Mit Vertrag vom 5. Juni 2009 gewährte der Kläger seiner Ehefrau ein zinsloses Darlehen in Höhe des Kaufpreises. Dieses Darlehen war am 31. Dezember 2011 in einer Summe zurückzuzahlen.
Da der Kläger zum Zeitpunkt des Verkaufs die auf 60 Monate beschränkten Beiträge in Höhe von insgesamt 222.396 DM (113.709,27 EUR) vollständig gezahlt hatte, ergab sich für ihn ein Veräußerungsverlust in Höhe von 46.198 EUR. Diesen Verlust machte er in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) geltend.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) erkannte den Verlust aus der Veräußerung der Lebensversicherung wegen Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 der Abgabenordnung) nicht an. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) urteilte, eine Berücksichtigung des Veräußerungsverlusts bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 52a Abs. 10 Satz 5 EStG scheitere zwar nicht an den Grundsätzen zur Anerkennung von Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen, aber an der fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers. Unter Berücksichtigung der Gesetzeshistorie des § 20 EStG und des zum 1. Januar 2009 eingetretenen Systemwechsels bei der Besteuerung von Kapitaleinkünften habe der Kläger weder zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags im Jahr 1999 noch zum Zeitpunkt der Veräußerung der Versicherungsansprüche im Streitjahr die Absicht gehabt, steuerpflichtige Einkünfte zu erzielen. Für den Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags werde dies bereits durch die tatsächlich gewählte Vertragsgestaltung indiziert, da die Laufzeit des Vertrags (zwölf Jahre) und die Dauer der Beitragszahlung (fünf Jahre) unter Berücksichtigung von § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung (EStG a.F.) gerade auf die Vermeidung steuerlich relevanter Einkünfte aus Kapitalvermögen ausgerichtet gewesen sei. Seit dem 1. Januar 2009 würden gemäß § 20 Abs. 2 EStG zwar auch Veräußerungsvorgänge und damit die Vermögenssphäre in die Besteuerung einbezogen, so dass unter weiterer Berücksichtigung des beschränkten und pauschalisierten Werbungskostenabzugs gemäß § 20 Abs. 9 EStG von einer typisierten Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen sei. Dies könne aber frühestens ab dem Zeitpunkt der Gesetzesänderung in die Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht einbezogen werden. Außerdem könne die typisierte Einkünfteerzielungsabsicht nicht für vor dem 1. Januar 2009 geschlossene Versicherungsverträge gelten. Vielmehr sei im Streitfall zu berücksichtigen, dass der Kläger lediglich seinen Verlust habe begrenzen wollen. Ein steuerlich relevanter Überschuss sei –auch theoretisch– nicht mehr möglich gewesen. Insofern könne der Rechtsgedanke herangezogen werden, der für die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zum gewillkürten Betriebsvermögen entwickelt worden sei und eine solche Zuordnung ausschließe, wenn zum Zeitpunkt der Einlage die Entstehung eines Verlusts feststehe. Die Gründe sind in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 377 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision machen die Kläger geltend, dass es für die Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht) allein auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankomme. Dabei seien auch nicht steuerbare Einnahmen einzubeziehen, so dass die Einkünfteerzielungsabsicht im Streitfall gegeben sei. Auch wenn der Senat dieser Auffassung nicht folgen sollte, könne daraus für den Streitfall kein Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht abgeleitet werden. Im Streitfall entfalle die Steuerpflicht erst nach Ablauf von zwölf Jahren. Dies könne mit der Spekulationsfrist für private Veräußerungsgeschäfte i.S. des § 23 Abs. 1 EStG verglichen werden, bei denen typisierend von einer Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen sei. Zudem werde der überwiegende Teil der Kapitallebensversicherungen vorzeitig gekündigt. Schließlich hätte ein Veräußerungsgewinn aufgrund der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2009 der Besteuerung unterlegen. Dem entsprechend müssten aber auch Verluste als negative Einkünfte berücksichtigt werden. Anderenfalls käme es zu einem Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip. Aus der Begründung des Finanzausschusses zur Anwendungsregelung des § 52a Abs. 10 Satz 5 EStG (BTDrucks 16/5491, S. 21) folge, dass der Veräußerungsgewinn –und damit auch der Veräußerungsverlust– aus der vollen Differenz zwischen dem Veräußerungserlös und den bis zum Zeitpunkt der Veräußerung entrichteten Beiträgen zu ermitteln sei.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Mai 2013 dahin zu ändern, dass bei den Einkünften aus Kapitalvermögen des Klägers ein Verlust aus der Veräußerung der Lebensversicherung in Höhe von 46.198 EUR anerkannt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es folgt der Begründung des FG und weist ergänzend darauf hin, dass der Verlust des eingesetzten Kapitals nach der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Rechtslage der privaten Vermögensebene zuzurechnen gewesen sei, da sich die Besteuerung grundsätzlich auf die rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus den Sparanteilen beschränkt habe (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F.). Die Veräußerung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an die Klägerin innerhalb von zwölf Jahren nach Vertragsschluss könne auch unter Berücksichtigung des § 52a Abs. 10 Satz 5 EStG nicht zu einer Verlagerung von Veräußerungsverlusten in die steuerlich relevante Ertragsebene führen. Vielmehr müsse die Formulierung “sofern” in § 52a Abs. 10 Satz 5 EStG im Sinne von “soweit” ausgelegt werden, um einen Gleichlauf mit dem Rückkauf zu erreichen.

Begründng:

Die Revision der Kläger ist begründet. Die Vorentscheidung des FG wird aufgehoben und der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Mai 2013 dahin geändert, dass bei den Einkünften aus Kapitalvermögen des Klägers ein Verlust aus der Veräußerung der Lebensversicherung in Höhe von 46.198 EUR anerkannt wird (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

Die Vorentscheidung widerspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Die Nichtberücksichtigung des Verlusts des Klägers aus der Veräußerung der Ansprüche aus der fondsgebundenen Lebensversicherung wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht verstößt gegen § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 52a Abs. 10 Satz 5 EStG; sie ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.
Das FG geht zutreffend davon aus, dass für die Veräußerung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag gemäß § 52a Abs. 10 Satz 5 EStG (mittlerweile § 52 Abs. 28 Satz 14 EStG n.F.) im Streitfall § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG 2008) vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912) anwendbar ist. Denn der zweite Halbsatz des § 52a Abs. 10 Satz 5 EStG dehnt die Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG auch auf die Veräußerung der Ansprüche aus vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossenen Alt-Verträgen aus, “sofern bei einem Rückkauf zum Veräußerungszeitpunkt die Erträge nach § 20 Absatz 1 Nummer 6 in der am 31. Dezember 2004 geltenden Fassung steuerpflichtig wären”.

Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Ein Rückkauf der fondsgebundenen Lebensversicherung des Klägers zum Veräußerungszeitpunkt im Jahr 2009 wäre nach der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Rechtslage steuerpflichtig gewesen. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a.F., der über Satz 5 der Vorschrift auch für fondsgebundene Lebensversicherungen galt, sah grundsätzlich eine Steuerpflicht für rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen vor. Zwar machte Satz 2 hiervon eine Ausnahme. Die Voraussetzungen dieser Steuerbefreiung wären im Streitfall jedoch nicht erfüllt, da der Verkauf im Jahr 2009 und damit vor Ablauf der Mindestlaufzeit von zwölf Jahren nach Vertragsschluss stattfand.
Die Formulierung “sofern” in § 52a Abs. 10 Satz 5 Halbsatz 2 EStG kann nicht einschränkend im Sinne von “soweit” ausgelegt werden.

Nach der Stellungnahme des Bundesrats vom 11. Mai 2007 (BRDrucks 220/07, S. 17, zurückgehend auf die Empfehlungen der Ausschüsse vom 30. April 2007, BRDrucks 220/1/07, S. 25 f.) ist der zweite Halbsatz des § 52a Abs. 10 Satz 5 EStG eingefügt worden, um sicherzustellen, dass die Erträge aus vor dem 1. Januar 2005 geschlossenen Alt-Verträgen, “die nach derzeitigem Recht steuerpflichtig wären, auch nach dem 01.01.2009 zu steuerpflichtigen Einkünften führen”, d.h. die streitige Anwendungsregelung zielte primär auf die Zinsen aus den Sparanteilen, die bereits nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. steuerpflichtig waren. Darüber hinaus verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, zur Vermeidung einer Besteuerungslücke eine Gleichbehandlung des Veräußerungsfalls mit dem Erlebensfall und dem Rückkauf zu erreichen (vgl. hierzu BTDrucks 16/5491, S. 21), für die § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG (mittlerweile § 52 Abs. 28 Satz 5 EStG n.F.) weiterhin die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. und damit abweichend zu § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. Abs. 4 EStG lediglich die Besteuerung der Zinsen aus den Sparanteilen vorsieht (vgl. auch Rengier, Der Betrieb 2007, 1771, 1775).
Daraus kann aber nicht auf eine einschränkende Auslegung des § 52a Abs. 10 Satz 5 Halbsatz 2 EStG geschlossen werden. Denn diese Zielvorstellungen des Gesetzgebers haben keinen Ausdruck im Gesetz gefunden. Vielmehr regelt der eindeutige Wortlaut des § 52a Abs. 10 Satz 5 Halbsatz 2 EStG die uneingeschränkte Anwendbarkeit des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG, sofern –wie im Streitfall– der Rückkauf im Veräußerungszeitpunkt nach dem EStG a.F. steuerpflichtig gewesen wäre. Auf den Umfang dieser Steuerpflicht kommt es nicht an. Dies entspricht auch der Begründung des Finanzausschusses zur endgültigen Fassung des § 52a Abs. 10 Satz 5 EStG, in der von einer Besteuerung des vollen Veräußerungsgewinns “in Höhe des Unterschieds zwischen dem Veräußerungserlös und den bis zum Zeitpunkt der Veräußerung entrichteten Beiträgen” (BTDrucks 16/5491, S. 21) ausgegangen wird, d.h. keine Beschränkung auf die im Fall des Rückkaufs steuerpflichtigen Bestandteile erfolgt.
Der Kläger hat durch die Veräußerung der Ansprüche aus der fondsgebundenen Lebensversicherung die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG erfüllt. Gemäß § 20 Abs. 4 EStG ergibt sich daraus ein Verlust in Höhe von 46.198 EUR.

Das FG durfte die steuerliche Anerkennung dieses Verlusts nicht wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht versagen.
Das Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht ist auch bei Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 EStG grundsätzlich zu prüfen und für jede einzelne Kapitalanlage getrennt zu beurteilen. Das Erfordernis der Einkünfteerzielungsabsicht gilt grundsätzlich für alle Einkunftsarten, allerdings unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Besonderheiten hinsichtlich der Einkünfteermittlung.
Die durch das UntStRefG 2008 mit der Abgeltungsteuer als Schedule eingeführten Besonderheiten der Einkünfte aus Kapitalvermögen bedingen eine tatsächliche (widerlegbare) Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht. So sollten mit der Abgeltungsteuer in § 20 EStG umfassend alle in Betracht kommenden Kapitalanlagen erfasst werden, insbesondere auch realisierte Wertsteigerungen des Kapitalstamms (§ 20 Abs. 2 EStG). Hinzu kommen die Einschränkungen des objektiven Nettoprinzips durch das Werbungskostenabzugsverbot gemäß § 20 Abs. 9 EStG und die Verlustabzugsbeschränkungen gemäß § 20 Abs. 6 EStG. Zudem entscheiden Währungspolitik und Aktienkurs über den Ertrag aus Zinsen und Dividenden.

Im Streitfall fehlen relevante Anhaltspunkte für eine Widerlegung der Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich um den Verkauf eines Alt-Vertrages handelt, bei dem die Zwölf-Jahresfrist nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. vor Einführung des Alterseinkünftegesetzes vom 5. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1427) noch nicht abgelaufen war und deshalb ein Rückkauf zu steuerpflichtigen Zinsen aus den Sparanteilen geführt hätte. Ein Verkauf war dagegen erst nach dem 31. Dezember 2008 mit Einführung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG durch das UntStRefG 2008 in Form des Unterschiedsbetrags zwischen Einnahmen und Anschaffungskosten/entrichteten Beiträgen steuerbar.

Mit dieser –den relevanten Steuertatbestand erst verwirklichenden– Veräußerung hat der Kläger seine ursprüngliche Investitionsplanung geändert. Dass er damit seinen Verlust minimieren wollte, rechtfertigt ebenso wenig die Widerlegung der Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht wie das bloße Vorliegen eines Verlusts. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG regelt auch den Verlustfall. Dabei liegt es gerade in der wirtschaftlichen Typik der Einkünfte aus Kapitalvermögen, dass der Anleger auf eine negative Entwicklung einer Anlage nur dadurch reagieren kann, dass er sie durch eine andere austauscht, d.h. sich von ihr trennt. Unter welchen Umständen ggf. das Festhalten an einer Anlage, die keinerlei positive Entwicklung mehr nehmen kann, die Widerlegung der Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht rechtfertigen könnte, kann vorliegend dahinstehen. Die Veräußerung im Streitfall jedenfalls erfolgte nicht unter Umständen, die eine Widerlegung rechtfertigen könnten.
Hinsichtlich der Grundsätze über die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen ist der Senat an die tatsächliche Würdigung des FG gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).

Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung nach der ICSI-Methode als außergewöhnliche Belastungen

Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung können nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG abgezogen werden, wenn die Behandlung nach inländischen Maßstäben nicht mit dem ESchG oder anderen Gesetzen vereinbar ist.

Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG liegt nicht vor, wenn zwar mehr als drei Eizellen befruchtet werden, aber lediglich ein oder zwei entwicklungsfähige Embryonen zum Zwecke der Übertragung entstehen sollen und der Behandlung eine vorherige sorgfältige individuelle Prognose zugrunde liegt (sog. deutscher Mittelweg).

BFH Urteil vom 17.05.2017 – VI R 34/15 BFH/NV 2017, 1371

Sachverhalt:

Streitig ist die Abziehbarkeit von Aufwendungen für künstliche Befruchtungen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) leidet an einer sog. Subfertilität aufgrund einer Spermienanomalie. Im Streitjahr (2010) wurden bei der Ehefrau (E) des Klägers, mit der er damals noch nicht verheiratet war, im Wege der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) mehrere Versuche unternommen, eine Schwangerschaft herbeizuführen. Auf diese Weise wurden zunächst vier, dann sieben Eizellen befruchtet. Nach Durchführung der sog. Blastozystenkultur (extrakorporale Kultur während der ersten vier bis sechs Tage nach Vornahmen der ICSI) wurden E die jeweils verbliebenen zwei Embryonen eingesetzt. Die Behandlung fand in einer Klinik in X (Österreich) statt.
In seiner Einkommensteuererklärung für 2010 machte der Kläger für die Behandlung angefallene Kosten in Höhe von 17.261,62 EUR als außergewöhnliche Belastungen geltend. Bei den Aufwendungen handelte es sich um an die spätere Ehefrau des Klägers gerichtete Rechnungen der “IVF… ” sowie auf diese ausgestellte Apothekenrezepte.
Im Einkommensteuerbescheid für 2010 lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) die Berücksichtigung der Aufwendungen ab. Gegen den Bescheid legte der Kläger Einspruch ein.
Mit Schreiben vom 27. November 2012 teilte das FA dem Kläger mit, es könnten Kosten für eine In-vitro-Fertilisation außergewöhnliche Belastungen sein, wenn die Maßnahmen in Übereinstimmung mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen worden seien. Es werde daher eine Bescheinigung der Klinik oder der Krankenkasse benötigt, dass die durchgeführten Maßnahmen mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen nach deutschem Recht übereinstimmten. Dies beziehe sich insbesondere auf das deutsche Embryonenschutzgesetz (ESchG).
Daraufhin übersandte der Kläger dem FA eine Stellungnahme der Klinik. Darin war u.a. ausgeführt, es könne nicht bestätigt werden, dass der Wortlaut des deutschen ESchG im Sinne der “Dreier-Regel” eingehalten worden sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 29. April 2013 wies das FA den Einspruch des Klägers zurück. Die Klage hatte keinen Erfolg. Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Er beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 28. April 2015 8 K 1792/13 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 22. Juli 2011 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 29. April 2013 dahingehend zu ändern, dass die mit der reproduktionsmedizinischen Behandlung im Zusammenhang stehenden Aufwendungen in Höhe von 17.261,63 EUR als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Begründung:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten –ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung– dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel erbracht werden, die Krankheit erträglich zu machen.

Im Hinblick auf die für den Abzug nach § 33 EStG erforderliche Zwangsläufigkeit wird nicht danach unterschieden, ob ärztliche Behandlungsmaßnahmen oder medizinisch erforderliche Hilfsmittel der Heilung dienen oder lediglich einen körperlichen Mangel ausgleichen sollen. Deshalb werden regelmäßig auch Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, obwohl der körperliche Mangel durch die betreffende Maßnahme nicht behoben, sondern nur “umgangen” oder kompensiert wird. Dementsprechend erkennt der BFH in ständiger Rechtsprechung Aufwendungen für die künstliche Befruchtung als Behandlung bei Sterilität an, wenn diese in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen wird.

Voraussetzung ist allerdings weiter, dass die den Aufwendungen zugrunde liegende Behandlung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung im Einklang steht. Denn eine nach nationalem Recht verbotene Behandlung kann keinen zwangsläufigen Aufwand i.S. des § 33 Abs. 1 EStG begründen. Vielmehr ist von den Steuerpflichtigen zu erwarten, dass sie gesetzliche Verbote beachten. Aufwendungen für nach objektiv-rechtlichen Maßstäben verbotene Behandlungsmaßnahmen sind selbst dann nicht zwangsläufig, wenn sie nicht straf- oder bußgeldbewehrt sind Als außergewöhnliche Belastungen sind daher Kosten für eine künstliche Befruchtung nur zu berücksichtigen, wenn die aufwandsbegründende Behandlung insbesondere nicht gegen das ESchG verstößt und –wie bereits unter b) ausgeführt–mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte im Einklang steht.

Das FG hat seiner Entscheidung zwar diesen Rechtsmaßstab zugrunde gelegt. Es hat aber zu Unrecht angenommen, § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG verbiete, mehr als drei Eizellen zu befruchten, ferner widerspreche die streitige ICSI den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Denn anhand der Feststellungen des FG lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob die vorgenommenen Behandlungen insbesondere den Vorgaben des ESchG entsprechen.
Das FG hat allerdings zutreffend die erhebliche Einschränkung der Fertilität des Klägers als Krankheit und die ICSI grundsätzlich als die erforderliche medizinische Heilbehandlung beurteilt, um eine Schwangerschaft herbeizuführen.

Entgegen der Auffassung des FG verbieten die Berufsordnungen der Ärzte jedoch bei einer ICSI nicht, mehr als drei Eizellen zu befruchten.Die von den Landesärztekammern erlassenen Berufsordnungen legen fest, dass bei speziellen medizinischen Maßnahmen oder Verfahren, die ethische Probleme aufwerfen und zu denen die Ärztekammer Richtlinien zur Indikationsstellung und zur Ausführung als Bestandteil der Berufsordnung festgelegt hat, die Ärztinnen und Ärzte diese zu beachten haben. Dies gilt auch für die sog. Richtlinie zur assistierten Reproduktion. Die Landesärztekammern haben bis auf den Freistaat Bayern sowie die Länder Berlin und Brandenburg auf der Grundlage der (Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion der Bundesärztekammer –Novelle 2006– (Muster-RL) –Deutsches Ärzteblatt 2006, 1392– eigene Richtlinien zur assistierten Reproduktion erlassen. Zusätzlich enthält die Muster-RL einen Kommentar, der nicht verbindlich ist und den lediglich einige Landesärztekammern übernommen haben.

Nach 5.1 der in die Richtlinien der Landesärztekammern übernommenen Muster-RL ist Ziel der Sterilitätstherapie die Herbeiführung einer Einlingsschwangerschaft, da diese das geringste Risiko für Mutter und Kind darstellt. Daher sei es bei Patientinnen unter 38 Jahren zu empfehlen, im ersten oder zweiten ICSI-Versuch nur zwei Embryonen zu transferieren. Nach 3.1.2 der Muster-RL dürfen maximal drei Embryonen einzeitig auf die Mutter übertragen werden. Nach den Feststellungen des FG wurden der späteren Ehefrau des Klägers jeweils zwei Embryonen eingesetzt. Zwar ist in der Kommentierung zu 3.1.2 der Muster-RL u.a. ausgeführt, dass § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG es verbiete, mehr Eizellen zu befruchten, als einer Frau während eines Zyklus übertragen werden sollen, weshalb es nicht zulässig sei, mehr als drei Eizellen zu befruchten. Diese Ausführungen sind jedoch nicht verbindlich und in die Richtlinien der Landesärztekammern auch nicht übernommen worden. Mithin ist die Schlussfolgerung des FG, eine Befruchtung von mehr als drei Eizellen stehe nicht mit den Richtlinien der Berufsordnung für Ärzte im Einklang, nicht zutreffend.
Auch § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG steht der Befruchtung von mehr als drei Eizellen nicht entgegen. Die Vorschrift erlaubt dem Arzt vielmehr, so viele Eizellen zu befruchten, wie nach seiner Beurteilung unter Berücksichtigung des individuellen Prognoseprofils der Patientin und des Paares erforderlich sind, um einerseits entwicklungsfähige, für den Transfer vorgesehene Embryonen zu erhalten und andererseits höhergradige Mehrlingsschwangerschaften zu verhindern (sog. deutscher Mittelweg).

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer es unternimmt, innerhalb eines Zyklus mehr als drei Embryonen auf eine Frau zu übertragen. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer es unternimmt, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen. Während § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG die Entstehung von höhergradigen Mehrlingsschwangerschaften unterbinden will (Günther in Günther/ Taupitz/Kaiser, Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl., § 1 Abs. 1 Nr. 5, Rz 6), bezweckt § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG, das Entstehen überzähliger Embryonen sowie eine künstliche Befruchtung “auf Vorrat” zu verhindern.
Der Wortlaut der Vorschrift legt die Zahl der Eizellen, die höchstens befruchtet werden dürfen, nicht fest. Verboten ist vielmehr nur, mehr Eizellen zu befruchten, als “innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen”. Da nicht Eizellen, sondern nur Embryonen übertragen werden, legt der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG die Auslegung nahe, dass diejenige Anzahl von Eizellen befruchtet werden darf, aus der sich voraussichtlich so viele Embryonen entwickeln werden, wie innerhalb eines Zyklus der Frau übertragen werden dürfen (Khosravi, Die Strafbarkeit nach dem Embryonenschutzgesetz und Stammzellengesetz, 2017, S. 52; Frommel/Thaler, Frauenarzt, 2015, S. 14 f.; Frommel, J.Reproduktionsmed.Endokrinol. 2007, S. 27 f.). Wäre eine starre Begrenzung auf die Zahl drei nicht nur hinsichtlich der Befruchtung von Eizellen beabsichtigt gewesen, so hätte dies der Gesetzgeber nicht nur in § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG, sondern auch in § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG aufnehmen können. Dies hat er nicht getan, obwohl die SPD-Fraktion im Gesetzgebungsverfahren einen Änderungsantrag eingebracht hatte, nach dem es unter Strafe gestellt werden sollte, bei einer Frau mehr als drei befruchtungsfähige Eizellen zu gewinnen, zu befruchten und auf sie zu übertragen (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks 11/8057, S. 14). Die Ablehnung dieses Vorschlags lässt den Schluss zu, dass die Zahl der Eizellen, die innerhalb eines Zyklus befruchtet werden dürfen, gerade nicht ziffernmäßig beschränkt werden sollte, sondern die Regelung nur verhindern soll, dass bewusst mehr entwicklungsfähige Embryonen erzeugt werden, als innerhalb eines Zyklus auf die Frau übertragen werden dürfen. Hierfür spricht überdies, dass der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren zum ESchG der Auffassung war, dass nur 80 % der Befruchtungsversuche erfolgreich abgeschlossen werden könnten (BTDrucks 11/5460, S. 9). Er ging demnach selbst davon aus, dass es zur Gewinnung von drei transferfähigen Embryonen der Befruchtung von mehr als drei Eizellen bedurfte.

Der Zweck des § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG steht dieser Auslegung nicht entgegen. Die Vorschrift soll –wie ausgeführt– dem Entstehen “überzähliger” Embryonen entgegenwirken, die nicht innerhalb eines Zyklus auf die Frau übertragen werden können, von der die befruchteten Eizellen stammen; ferner will die Vorschrift eine künstliche Befruchtung “auf Vorrat” verhindern. Die Festlegung auf eine jeweils gleiche Anzahl von Eizellen in § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG einerseits und Embryonen in § 1 Abs. 1 Nr. 3 ESchG andererseits wäre nur sinnvoll, wenn aus jeder Eizelle letztlich auch ein transferierbarer Embryo entstünde (so auch Staatsanwaltschaft München I, Verfügung vom 24. Juli 2014 124 Js 202366/13, Zeitschrift für Medizinstrafrecht –medstra– 2015, 64). Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr reifen altersabhängig durchschnittlich nur 20 % bis 30 % der Eizellen im Vorkernstadium überhaupt zu Blastozysten heran und nur diese haben überhaupt ein realistisches Potenzial auf die Entstehung einer Schwangerschaft (Ziller, gynkongress 2016, 9). Legte man § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG dahin aus, dass nur jeweils drei Eizellen befruchtet werden dürften (so Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG Rz 8), wären die Erfolgschancen im Hinblick auf die Herbeiführung einer Schwangerschaft derartig gering, dass eine erfolgsversprechende Behandlung nicht mehr gewährleistet wäre.

Für die Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG (“sollen”) kommt es damit entscheidend darauf an, welchen Zweck der behandelnde Arzt mit der gewählten Vorgehensweise verfolgt Beabsichtigt er das Entstehen von lediglich ein bis zwei entwicklungsfähigen Embryonen zum Zwecke der Übertragung, so widerspricht die Behandlung selbst dann nicht den Vorgaben des ESchG, wenn trotz sorgfältiger Prognose und individuell angepasster Vorgehensweise im Einzelfall unbeabsichtigt mehr entwicklungsfähige Embryonen entstehen sollten. Damit ist der sog. deutsche Mittelweg mit den Regelungen des ESchG vereinbar, wenn anhand der individuell maßgeblichen Parameter (z.B. Alter, Gewicht, Vorerkrankungen) aufgrund einer sorgfältigen und individuellen Prognose so viele Eizellen befruchtet werden, dass voraussichtlich ein oder zwei entwicklungsfähige Embryonen entstehen, die dann übertragen werden sollen.

Das FG hat –von seinem Standpunkt aus zu Recht– bisher nicht geprüft, ob die aufwandsbegründenden Behandlungen dem sog. deutschen Mittelweg entsprechen. Der Senat kann dies anhand der Feststellungen der Vorentscheidung nicht entscheiden. Hinsichtlich des ersten Behandlungsversuchs unter Verwendung von vier befruchteten Eizellen bestehen für den Senat nach vorstehenden Ausführungen grundsätzlich keine Zweifel. Ob dies auch für den zweiten Behandlungsversuch unter Verwendung von sieben Embryonen zutrifft, ist aufgrund einer individuellen Prognose zum Zeitpunkt der Befruchtung der Eizellen zu entscheiden. Insoweit wird das FG die erforderlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens nachholen.
Ergibt sich danach, dass die Behandlungen im Einklang mit dem ESchG stehen, steht einem Abzug als außergewöhnliche Belastungen nicht entgegen, dass die für die Behandlung gestellten Rechnungen an die spätere Ehefrau des Klägers gerichtet waren. Die Aufwendungen dienten dazu, eine Fertilitätsstörung des Klägers auszugleichen, und waren als insgesamt auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung darauf gerichtet, die Störung zu überwinden und die Krankheit zu lindern als untrennbare Einheit zu sehen. Mithin sind auch die spätere Ehefrau betreffende Behandlungsmaßnahmen Aufwendungen zur Behandlung einer Krankheit des Klägers, die dieser als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd geltend machen kann, soweit er sie –wie im Streitfall– getragen hat.