Zu den Anforderungen an das “Kennenmüssen” nach § 25d Abs. 1 UStG

Das “Kennenmüssen” i.S. des § 25d Abs. 1 UStG muss sich im Rahmen eines konkreten Leistungsbezugs auf Anhaltspunkte beziehen, die für den Unternehmer den Schluss nahelegen, dass der Rechnungsaussteller bereits bei Vertragsschluss die Absicht hatte, die Umsatzsteuer nicht abzuführen.
BFH Urteil vom 10.08.2017 – V R 2/17 BFH/NV 2018, 160

Sachverhalt:
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt einen Fahrzeughandel und bezog von der X-GmbH Fahrzeuge und Container, über deren Lieferung die X-GmbH mit Rechnungen vom 3. Januar 2012 (… EUR zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von… EUR) und vom 5. Januar 2012 (… EUR zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von… EUR) abrechnete. Die Umsatzsteuer für Januar 2012 wurde von der X-GmbH in Höhe von… EUR nicht entrichtet.

Geschäftsführer der X-GmbH war Y, der in der Vergangenheit bereits für mehrere andere Unternehmen aufgetreten war, zu denen die Klägerin Geschäftsbeziehungen unterhielt. Gegen Y wurde seit 2008 durch die Steuerfahndung wegen einer Vielzahl von Fällen der Umsatzsteuerhinterziehung ermittelt. Mit Urteil vom 17. Januar 2014 verurteilte das Landgericht Y wegen Hinterziehung der Umsatzsteuer aus den Lieferungen an die Klägerin vom 3. und 5. Januar 2012.
Die Steuerfahndung hatte die Klägerin spätestens am 11. Januar 2012 über die Ermittlungsverfahren in Kenntnis gesetzt. Ob die Klägerin bereits zuvor von den Ermittlungsverfahren Kenntnis hatte, war zwischen den Beteiligten streitig.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) nahm die Klägerin mit dem streitbefangenen Haftungsbescheid nach § 25d des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Haftung.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) unterstellte dabei als wahr, dass die Klägerin seit 15. Oktober 2008 positive Kenntnis von steuerstrafrechtlichen Ermittlungen gegen Y gehabt habe. Das FA müsse aber die Voraussetzungen des § 25d Abs. 1 UStG darlegen und nachweisen; das sei ihm nicht gelungen. Es gebe keinen Erfahrungssatz, dass jemand, der einmal Umsatzsteuer nicht entrichtet habe, später anlässlich eines anderen Geschäftsvorfalles die vorgefasste Absicht habe, die Umsatzsteuer erneut nicht zu entrichten. Im Übrigen habe zugunsten des Y bis zu seiner Verurteilung im Jahr 2014 die Unschuldsvermutung gegolten.
Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Die Klägerin habe i.S. des § 25d Abs. 1 UStG nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns von der vorgefassten Absicht der X-GmbH, die Umsatzsteuer aus den Umsätzen an die Klägerin nicht zu entrichten, Kenntnis haben müssen.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.
Begründung:

Die Revision des FA ist unbegründet und wird deshalb zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zu Recht entschieden, dass das Vorliegen der Voraussetzungen einer Inanspruchnahme der Klägerin im Haftungswege nach § 25d Abs. 1 UStG nicht nachgewiesen ist.
§ 25d Abs. 1 UStG führt zur Haftung des Unternehmers aus einem vorangegangenen Umsatz, soweit der Aussteller der Rechnung entsprechend seiner vorgefassten Absicht die ausgewiesene Steuer nicht entrichtet hat und der Unternehmer bei Abschluss des Vertrags über seinen Eingangsumsatz davon Kenntnis hatte oder nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte haben müssen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Merkmale des § 25d Abs. 1 UStG trägt das FA.

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen einer Inanspruchnahme der Klägerin nach § 25d Abs. 1 UStG nicht erfüllt sind. Das FA hat nicht nachgewiesen, dass die Klägerin von einer etwaigen vorgefassten Absicht des Y Kenntnis hatte oder nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns Kenntnis hätte haben müssen.
Selbst wenn man mit dem FG die Kenntnis der Klägerin von steuerstrafrechtlichen Ermittlungen gegen Y unterstellt, folgt hieraus nicht, dass sie von dessen Absicht wusste, die Umsatzsteuer aus dem Liefergeschäft mit ihr nicht abzuführen. Zum einen gilt, worauf das FG zutreffend hingewiesen hat, bis zur Verurteilung des Y die Unschuldsvermutung. Zum anderen folgt selbst aus steuerstrafrechtlich bedeutsamen Verhalten bei anderen Geschäftsvorfällen nicht der sichere Schluss auf die Absicht, auch bei zukünftigen Umsätzen die Umsatzsteuer zu hinterziehen.
Ferner trafen die Klägerin selbst bei Kenntnis von steuerstrafrechtlichen Ermittlungen gegen Y keine Sorgfaltspflichten hinsichtlich einer Hinterziehungsabsicht des Y. Denn an das Kennenmüssen i.S. des § 25d Abs. 1 UStG sind, wenn –wie hier– die Regelvermutung des § 25d Abs. 2 UStG nicht eingreift, strenge Anforderungen zu stellen.
§ 25d Abs. 1 UStG muss den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung sind und zu denen u.a. die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit gehören, genügen. Die Regelung darf also nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Ansprüche des Staates möglichst wirksam zu schützen. Zudem dürfen Wirtschaftsteilnehmer, die alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden könnten, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht zu einer Lieferkette gehörten, die einen mit einem Mehrwertsteuerbetrug behafteten Umsatz einschließt, für die Zahlung der von einem anderen Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer nicht gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen werden.
Die Annahme, dass einem Steuerpflichtigen bereits bei bloßer Kenntnis von steuerstrafrechtlichen Ermittlungen gegen einen Vertragspartner erhöhte Sorgfaltspflichten obliegen, würde trotz der dem Unternehmer zukommenden Aufgabe, öffentliche Gelder als “Steuereinnehmer für Rechnung des Staates”.
Denn eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Auslegung des § 25d Abs. 1 UStG führt dazu, dass sich das Kennenmüssen i.S. des § 25d Abs. 1 UStG auf Anhaltspunkte bezieht, die für den Unternehmer im Rahmen eines konkreten Leistungsbezugs den Schluss nahelegen, dass der Rechnungsaussteller bereits bei Vertragsschluss die Absicht hatte, die Umsatzsteuer nicht abzuführen. Hierfür gibt es vorliegend in Bezug auf die konkreten Eingangsleistungen, die haftungsbegründend sein sollen, aber weder nach den Feststellungen des FG noch nach Aktenlage oder nach dem Vortrag des FA irgendwelche Anhaltspunkte.

Da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25d Abs. 1 UStG nicht vorliegen, braucht der Senat nicht darüber zu entscheiden, in welchem Verhältnis eine Haftung nach § 25d Abs. 1 UStG zu einer Versagung des Vorsteuerabzugs nach den Grundsätzen der vom BFH übernommenen Rechtsprechung des EuGH.

Medizinische Laborleistungen in der Umsatzsteuer

Medizinische Analysen, die von einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor außerhalb der Praxisräume des praktischen Arztes durchgeführt werden, der sie angeordnet hat, können nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG steuerfrei sein.

BFH Urteil vom 24.08.2017-V R 25/16 BFH/NV 2017, 1687

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2009 ein medizinisches Labor. Die Klägerin untersuchte biologisches Probenmaterial (Blutproben oder Serum), das ihr von Ärzten und Heilpraktikern zugesandt wurde. Sie untersuchte diese Proben labortechnisch zur Bestimmung von IgG-Antikörpern beim Nachweis von Nahrungsmittelallergien. Krankheitsbilder, bei denen Therapeuten in Absprache mit den Patienten den Test einsetzten, waren chronische Magen-Darm-Probleme, chronische Hautprobleme, chronische Schmerzen, rheumatische Erkrankungen, Aufmerksamkeitsdefizite, Atemwegsbeschwerden und chronisches Übergewicht.

Ihre Aufträge erhielt die Klägerin von den jeweiligen Patienten, gegenüber denen sie ihre Leistungen auch abrechnete. Die Klägerin beschäftigte in ihrem Labor durchschnittlich vier Arbeitnehmer, von denen zwei die Berufsausbildung zur technischen Assistentin in der Medizin hatten. Die “Befundung” der Laborergebnisse wurde seitens der Klägerin durch einen Doktor der Biologie und einen Doktor der Chemie vorgenommen. Das Labor stand unter Leitung eines Allgemeinmediziners, der die Analytik der Testverfahren und auffällige Befunde kontrollierte.
Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) davon aus, dass die Leistungen der Klägerin steuerpflichtig seien und erließ einen entsprechenden Änderungsbescheid, der im Einspruchsverfahren geändert wurde. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1825 veröffentlichen Urteil statt. Danach sind die Leistungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres –2009– (UStG) steuerfrei. Unter Berücksichtigung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) komme es für die Steuerfreiheit nicht auf ein zwischen dem Behandelnden und dem Patienten bestehenden Vertrauensverhältnis an.
Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Die Steuerfreiheit erfordere ein Vertrauensverhältnis. Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das Vertrauensverhältnis sei kein geeignetes Abgrenzungskriterium. Sie sei kein Zentrum oder Einrichtung i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL. Hilfsweise sei auf sie weiterhin die 40 %-Grenze nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. anzuwenden und die Sache insoweit an das FG zurückzuverweisen. Sie habe sich nicht auf technische Analysen beschränkt, sondern sei auch bei der Befunderhebung tätig geworden.
Begründung:

Die Revision des FA ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat bei seinem Urteil nicht hinreichend berücksichtigt, dass medizinische Analysen, die –wie im Streitfall von einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor– außerhalb der Praxisräume des sie anordnenden praktischen Arztes durchgeführt werden, nur nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, nicht aber auch nach Buchst. a dieser Vorschrift steuerfrei sind.
§ 4 Nr. 14 Buchst. a UStG befreit die “Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden”. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL. Steuerfrei sind danach “Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden”.
§ 4 Nr. 14 Buchst. b UStG befreit “Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden”. Nach Satz 2 Doppelbuchst. bb sind diese Leistungen auch steuerfrei, wenn sie von “Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung, die an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch teilnehmen oder für die Regelungen nach § 115 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gelten” erbracht werden. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL. Steuerfrei sind danach “Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden”.

Zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSystRL hat der EuGH im Urteil LuP vom 8. Juni 2006 C-106/05 (EU:C:2006:380) entschieden, dass bei medizinischen Analysen, die von –in privatrechtlicher Form organisierten– Laboren außerhalb der Praxisräume des praktischen Arztes durchgeführt werden, der sie angeordnet hat, zu prüfen ist, ob die Analysen unter Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) fallen können. Der EuGH hat dies bejaht, da derartige Labore als Einrichtung “gleicher Art” wie “Krankenanstalten” und “Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik” anzusehen sind. Zu den nach dieser Bestimmung zu erfüllenden Voraussetzungen hat der EuGH entschieden, dass es der Steuerfreiheit nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG “immanent [ist], dass die Befreiung der medizinischen Analysen an Bedingungen geknüpft werden kann, die für die Ärzte, die die Analysen angeordnet haben, nicht gelten”. Der erkennende Senat hat sich dem angeschlossen und entschieden, dass “der EuGH die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG von den ärztlichen Heilbehandlungen, die von einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG erbracht werden, nach dem Ort ab[grenzt], an dem die Leistungen erbracht werden. Nach Buchst. c sollen Leistungen steuerfrei sein, die außerhalb von Krankenhäusern (oder ähnlichen Einrichtungen) im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses erbracht werden, sei es in den Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort, für alle anderen ärztlichen Leistungen soll Buchst. b eingreifen”
Der erkennende Senat ist dabei für die alte Rechtslage (vor der im Streitjahr maßgeblichen Änderung durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19. Dezember 2008 –JStG 2009– BGBl I 2008, 2794) davon ausgegangen, dass diese “der Richtlinie 77/388/EWG zugrunde liegende Systematik… sich aber nicht im Wege der Auslegung in das nationale Umsatzsteuergesetz übertragen [lässt], soweit es diesem Ansatz des europäischen Rechts schon dem Grunde nach nicht folgt. In § 4 Nr. 14 UStG 1980/1991/1993 finden sich sowohl Ärzte als auch klinische Chemiker, deren Leistungen nicht in der Arztpraxis oder der Wohnung des Patienten erbracht werden, als auch solche, bei denen dies der Fall ist. Durch das UStG 1980 wurde die Befreiung nach § 4 Nr. 14 UStG 1980/1991/1993 auf die klinischen Chemiker ausgedehnt, um eine Wettbewerbsbenachteiligung dieser Unternehmer gegenüber den Laborärzten zu verhindern (BTDrucks 8/2827, S. 14). Das nationale Gesetz knüpft damit hinsichtlich der Steuerbefreiung (auch der Laborärzte) in erster Linie an den Beruf an und nicht an den Ort der Leistung. Die von § 4 Nr. 14 UStG 1980/1991/1993 erfassten Umsätze können nicht gegen den Gesetzeswortlaut im Wege der Auslegung in den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG 1980/1991/1993 ‘umdefiniert’ werden. Es bleibt vielmehr dabei, dass sich in einem derartigen Fall der Steuerpflichtige auf das für ihn günstigere nationale Recht –wie hier § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980/ 1991/1993– berufen kann, solange dieses nicht entsprechend den Vorgaben der Richtlinie 77/388/EWG angepasst wird”.

Diese vom erkennenden Senat für erforderlich gehaltene Anpassung hat das JStG 2009 vorgenommen. Wie sich aus der amtlichen Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/10189, S. 74) ergibt, bezweckte der nationale Gesetzgeber damit ausdrücklich eine Anpassung an die unionsrechtliche Systematik: “Kriterium für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der beiden Befreiungstatbestände in Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe b und c MwStSystRL ist weniger die Art der Leistung als vielmehr der Ort ihrer Erbringung. Der EuGH hat festgestellt, dass solche Leistungen nach Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe b MwStSystRL von der Mehrwertsteuer zu befreien sind, die aus einer Gesamtheit von ärztlichen Heilbehandlungen in Einrichtungen mit sozialer Zweckbestimmung wie der des Schutzes der menschlichen Gesundheit bestehen, während Buchstabe c auf Leistungen anwendbar ist, die außerhalb von Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses zwischen Patienten und Behandelndem, z.B. in den Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort erbracht werden (vgl. EuGH-Urteil Dornier vom 6. November 2003 C-45/01, EU:C:2003:595, Rz 47)”. Dabei wurden die Leistungen der “Einrichtungen von Laborärzten oder klinischen Chemikern” entsprechend der unionsrechtlichen Systematik ausdrücklich dem neuen § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. bb UStG zugeordnet (BTDrucks 16/10189, S. 75).

Danach ist das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die bislang –von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht– fehlenden Feststellungen zur Anwendung von § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. bb UStG nachzuholen haben. Dabei wird das FG auch zu entscheiden haben, ob diese Regelung im Hinblick auf einen unzulässigen Bedarfsvorbehalt unionsrechtswidrig sein könnte.
E
ine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG kommt im Streitjahr 2009 aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht Betracht. Gegebenenfalls sind hierzu im zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen zu treffen.

Zur Unternehmereigenschaft und Steuerbarkeit der Leistungen eines “Berufspokerspielers”

Ein “Berufspokerspieler” erbringt keine Leistung im Rahmen eines Leistungsaustausches gegen Entgelt, wenn er an Spielen fremder Veranstalter teilnimmt und ausschließlich im Falle der erfolgreichen Teilnahme Preisgelder oder Spielgewinne erhält. Zwischen der (bloßen) Teilnahme am Pokerspiel und dem im Erfolgsfall erhaltenen Preisgeld oder Gewinn fehlt der für einen Leistungsaustausch erforderliche unmittelbare Zusammenhang.
Die Teilnahme an einem Pokerspiel ist jedoch eine im Rahmen eines Leistungsaustausches gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung, wenn der Veranstalter für sie eine von der Platzierung unabhängige Vergütung zahlt. In einem solchen Fall ist die vom Veranstalter geleistete Zahlung die tatsächliche Gegenleistung für die vom Spieler erbrachte Dienstleistung, an dem Pokerspiel teilzunehmen.

BFH Urteil vom 30.08.2017 – XI R 37/14 BFH/NV 2017, 1689

Sachverhalt:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die vom Kläger und Revisionskläger (Kläger) in den Jahren 2006 und 2007 (Streitjahre) bei Pokerturnieren sowie bei sog. Cash-Games und bei Internet-Pokerveranstaltungen erzielten Gewinne Entgelte für (im Inland) umsatzsteuerpflichtige Leistungen darstellen.
Der Kläger war als Arbeitnehmer nichtselbständig tätig. Am 6. Juni 2005 traf er mit seinem damaligen Arbeitgeber eine Vereinbarung über die Gewährung unbezahlten Urlaubs für den Zeitraum vom 1. August 2005 bis 31. Januar 2007. Nach Ablauf dieser Vereinbarung gab der Kläger seine nichtselbständige Tätigkeit auf und war seitdem nicht mehr als Arbeitnehmer tätig.
Der Kläger nahm u.a. in den Streitjahren an Pokerturnieren, an sog. Cash-Games und an Internet-Pokerveranstaltungen teil. Umsatzsteuererklärungen reichte er nicht ein.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) nahm nach einer Außenprüfung an, der Kläger sei als Berufspokerspieler Unternehmer i.S. des § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Er erließ am 8. Dezember 2009 gegen den Kläger Umsatzsteuer-Jahresbescheide für 2006 und 2007. Dabei setzte er Umsätze in Höhe von 26.460 EUR (2006) und 61.000 EUR (2007) an.
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 2011) erhobene Klage ab.
Es führte u.a. aus, der Kläger habe mit der Tätigkeit als um Preisgelder spielender Pokerspieler umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen ausgeführt. Er habe in der Absicht, Einnahmen zu erzielen, an Pokerturnieren, Cash-Games und über das Internet durchgeführten Spielen, bei denen Geldgewinne für den Sieger und die Platzierten ausgelobt waren, nach den jeweils vorgegebenen Spielregeln teilgenommen und bei diesen Veranstaltungen unter Übernahme eines Wagnisses –Verlust seines Geldeinsatzes– gegen andere Teilnehmer gespielt. Ob die Tätigkeiten des Klägers zivilrechtlich rechtswirksam (oder als möglicherweise nicht durchsetzbare Naturalobligation unwirksam) gewesen seien, sei umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich.
Er macht im Wesentlichen geltend, die Gewinne aus seiner “Spieltätigkeit” unterlägen nicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG der Umsatzbesteuerung, weil er dabei nicht als Unternehmer im Rahmen eines Leistungsaustausches gehandelt habe.

s sei unklar, wer aus Sicht des FG jeweils Empfänger seiner (vermeintlichen) Leistungen gewesen sei. Bei Turnieren sei dies allenfalls der Veranstalter, der jeweils nachweislich im Ausland ansässig gewesen sei. Soweit das FG den Vergleich mit Leistungen eines Berufssportlers gezogen habe, sei es auf den besonderen Leistungsort des § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG nicht eingegangen. Danach liege der Leistungsort dort, wo ein Unternehmer seine Leistung erbracht habe.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, die Umsatzsteuerbescheide für 2006 und 2007 vom 8. Dezember 2009 sowie die Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 2011 aufzuheben.Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Begründung:

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klagestattgabe (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Der Kläger hat in den Streitjahren keine steuerbaren Umsätze als Unternehmer ausgeführt, weil zwischen seiner Teilnahme an Pokerturnieren, Cash-Games und Internet-Pokerveranstaltungen und den erhaltenen Zahlungen (Preisgeldern und Spielgewinnen) kein unmittelbarer Zusammenhang bestand.
Der Umsatzsteuer unterliegen u.a. sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG). Dieser Tatbestand ist weit auszulegen, da die entsprechenden unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) und Art. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) der Mehrwertsteuer einen sehr weiten Anwendungsbereich zuweisen. Erforderlich ist eine beliebige Vorteilsgewährung, die zu einem Verbrauch führen kann; der Vorteil muss dabei einem identifizierbaren Leistungsempfänger eingeräumt werden

Auch die Veranstaltung von Glücksspielen fällt grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, ob sie erlaubt ist oder nicht. Die Leistung des Veranstalters an die Spieler besteht in der Zulassung zum Spiel mit.

Der BFH hat darüber hinaus angenommen, dass beim Kartenspiel umsatzsteuerrechtlich eine entgeltliche (sonstige) Leistung gegen Entgelt auch in der Bereitschaft bestehen könne, nach den Spielregeln unter Übernahme eines Wagnisses mit anderen gegen Geld zu spielen Die Leistung bei Kartenspielen mit mehreren Mitspielern erbringe dann der einzelne Spieler gegenüber den Mitspielern. Allerdings betraf der dortige Streitfall einen Kläger, dessen Tätigkeit über die Tätigkeit eines bloßen Spielers hinausging; sie war vielmehr durch das Anbieten von Spielmöglichkeiten geprägt. Der dortige Kläger konnte einem Veranstalter von Spielen gleichgestellt werden, zumal er –als Spieler bekannt– an einem bestimmten Ort zu festen Zeiten anderen Personen die Spielmöglichkeit eröffnete.
Der EuGH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass ein “Umsatz gegen Entgelt” das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dieser Leistung und einer tatsächlich vom Steuerpflichtigen empfangenen Gegenleistung voraussetzt.

Dazu muss zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet.
Dem hat sich der BFH angeschlossen.

Der EuGH hat entschieden, dass die Teilnahme an einem Wettbewerb (dort: Pferderennen) keine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung ist, wenn für die Teilnahme weder ein Antrittsgeld noch eine andere unmittelbare Vergütung gezahlt wird und nur Teilnehmer (dort: die Eigentümer der Pferde) mit einer erfolgreichen Platzierung ein –sei es auch ein im Voraus festgelegtes– Preisgeld erhalten; denn die Ungewissheit einer Zahlung sei geeignet, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der dem Leistungsempfänger erbrachten Dienstleistung und der ggf. erhaltenen Zahlung aufzuheben.
Der EuGH führt zur Begründung aus, in einem Fall, in dem für die Teilnahme an einem Wettbewerb weder ein Antrittsgeld noch eine andere unmittelbare Vergütung gezahlt wird und nur Teilnehmer mit einer erfolgreichen Platzierung ein Preisgeld erhalten, könne nicht davon ausgegangen werden, dass für die (bloße) Teilnahme eine tatsächliche Gegenleistung erbracht werde
Das Preisgeld werde in einem solchen Fall für die Erzielung eines bestimmten Wettbewerbsergebnisses gezahlt. Auch wenn sich der Veranstalter zur Zahlung eines Preisgeldes verpflichtet haben sollte, dessen Höhe im Voraus festgesetzt und bekannt sei, hänge der Erhalt dieses Preisgeldes also von der Erzielung einer besonderen Leistung ab und unterliege gewissen Unwägbarkeiten. Diese schlössen einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Teilnahme am Wettbewerb (dort: Pferderennen) und dem Erhalt des Preisgeldes aus.
Außerdem liefe die gegenteilige Auffassung, bei der das ggf. gewonnene Preisgeld als tatsächliche Gegenleistung für die Teilnahme am Wettbewerb eingestuft würde, darauf hinaus, dass die Einstufung dieser Teilnahme als steuerpflichtiger Umsatz entgegen der ständigen Rechtsprechung des EuGH, wonach der Begriff “Dienstleistung” objektiven Charakter hat und unabhängig von Zweck und Ergebnis der betroffenen Umsätze anwendbar ist, von dem Ergebnis abhängig gemacht würde, das der Teilnehmer beim Wettbewerb.

Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Danach erbringt ein “Berufspokerspieler” keine Leistung im Rahmen eines Leistungsaustausches “gegen Entgelt” i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG, wenn er an Spielen fremder Veranstalter teilnimmt und ausschließlich im Falle der erfolgreichen Teilnahme Preisgelder oder Spielgewinne erhält. Zwischen der bloßen Teilnahme am Kartenspiel und dem im Erfolgsfall erhaltenen Preisgeld oder Gewinn fehlt dann der für einen Leistungsaustausch erforderliche unmittelbare Zusammenhang.
Zwar hat das FA schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung ausführlich Kritik am EuGH-Urteil Bastova geäußert und hält dieses Urteil für unzutreffend und teilweise für “nicht nachvollziehbar”. Der BFH muss aber als Fachgericht einschlägige Rechtsprechung des EuGH auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren, um u.a. festzustellen, ob eine Rechtsfrage bereits durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt. Wollte der BFH von der Auslegung des einschlägigen Unionsrechts durch den EuGH abweichen, müsste er ihn erneut um Vorabentscheidung ersuchen, um nicht den gesetzlichen Richter i.S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes zu verletzen. Zu einer erneuten Vorlage besteht aus Sicht des erkennenden Senats vorliegend kein Anlass, da der Senat der Auffassung des EuGH folgt und die Rechtsfrage unionsrechtlich für bereits geklärt hält.

Im Übrigen ist auch die Finanzverwaltung nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 des Vertrages über die Europäische Union gehalten, die Rechtsprechung des EuGH zu beachten und Steuerrechtsnormen im Lichte dieser Urteile auszulegen.

Nach diesen Grundsätzen, die das FG bei seiner Entscheidungsfindung noch nicht in vollem Umfang berücksichtigen konnte, hat der Kläger keine Leistungen gegen Entgelt i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG erbracht; denn das mögliche Entgelt (Preisgeld oder Spielgewinn) hing von seinem Erfolg bei den Pokerturnieren, Cash-Games und anderen Veranstaltungen ab. Sein Erfolg war ungewiss. Daran ändern auch die vom FA gesehenen “überdurchschnittlichen” Gewinnchancen des Klägers nichts.
Nach Auffassung des EuGH ist zwar die Teilnahme an einem Wettbewerb eine im Rahmen eines Leistungsaustausches gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung, wenn der Veranstalter für sie eine von der Platzierung unabhängige . In einem solchen Fall ist, wie der Generalanwalt in Nr. 35 seiner Schlussanträge vom 14. Juni 2016 C-432/15 (EU:C:2016:438) ausgeführt hat, die vom Veranstalter geleistete Zahlung die tatsächliche Gegenleistung für die ihm von diesem erbrachte Dienstleistung, bei dem Wettbewerb anzutreten. Solche platzierungsunabhängigen Zahlungen für seine Teilnahme an den Spielen hat der Kläger nach seinen unbestritten gebliebenen Angaben im finanzgerichtlichen Verfahren jedoch nicht erhalten. Auch das FG hat solche Zahlungen nicht festgestellt.
Der Kläger war auch nicht ein Veranstalter, der nach der unter II.1.b genannten Rechtsprechung, an der festzuhalten ist, an den Teilnehmer eine entgeltliche Dienstleitung (Teilnahmerecht gegen Startgeld) erbringt.

Zur Steuerfreiheit heileurythmischer Heilbehandlungsleistungen

Der Nachweis der erforderlichen Berufsqualifikation kann sich aus der Zulassung des Heileurythmisten zur Teilnahme an den Verträgen zur Integrierten Versorgung mit Anthroposophischer Medizin nach §§ 140a ff. SGB V (i.d.F. vor dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 16. Juli 2015) ergeben. Die Steuerbefreiung erstreckt sich auf sämtliche heileurythmische Heilbehandlungsleistungen des Leistungserbringers.

BFH Urteil vom 26.07.2017 – XI R 3/15 BFH/NV 2017, 1692

Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war im Streitjahr (2010) als Heileurythmistin selbständig tätig. Ihr waren das “Diplom für Eurythmie” des Instituts für Waldorfpädagogik X sowie das “Heileurythmie-Diplom” der Schule für Eurythmische Heilkunst Y verliehen worden. Sie war Mitglied im Berufsverband Heileurythmie e.V. (BVHE) und seit dem 28. September 2009 “nach § 6 Absatz 3 des (Rahmen-)Vertrages zur Durchführung Integrierter Versorgung mit Anthroposophischer Medizin nach §§ 140a ff [des Fünften Buches Sozialgesetzbuch] SGB V vom 18.01.2006 (IKK Z) bzw. vom 16./28.06.2006 (Rahmenvertrag mit der BKK A sowie beigetretenen Krankenkassen)… zur Teilnahme an den Verträgen zur Durchführung Integrierter Versorgung mit Anthroposophischer Medizin nach §§ 140a ff SGB V” (IV-Verträge) zugelassen.

Diese Teilnahmeberechtigung wird vom BVHE nur speziell ausgebildeten Heilmittelerbringern mit der durch den BVHE ausgestellten Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung oder solchen Heilmittelerbringern, die eine durch den BVHE bestätigte Gleichwertigkeit ihrer Qualifikation nachweisen können, erteilt, wenn der Leistungserbringer die im IV-Vertrag genannten Voraussetzungen nachweist und die Regelungen des Vertrags anerkennt.

Sämtliche von der Klägerin im Streitjahr erbrachten Leistungen als Heileurythmistin erfolgten aufgrund ärztlicher Verordnungen. In ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr erklärte sie diese Umsätze mit 40.034 EUR als nach § 4 Nr. 14 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) behandelte mit Umsatzsteuerbescheid für 2010 vom 20. Oktober 2011 diese Umsätze mit dem Bruttobetrag als steuerpflichtig.
Der Einspruch der Klägerin hatte nur soweit Erfolg, als das FA Vorsteuerbeträge in Höhe von 1.500 EUR schätzte, Umsätze von 448,80 EUR, die die Klägerin im Rahmen von IV-Verträgen ausgeführt hatte, als steuerfrei behandelte und im Übrigen die Umsatzsteuer aus den Nettobeträgen ermittelte. Im Übrigen wies es den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 7. November 2013 als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es entschied, die Umsätze der Klägerin aus ihrer Tätigkeit als Heileurythmistin seien nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei. Als Mitglied im BVHE habe sie die im Versorgungsvertrag genannten Voraussetzungen nachgewiesen, die Regelungen des Vertrags anerkannt und sei seit dem 28. September 2009 zur Teilnahme an den IV-Verträgen zugelassen. Damit sei der berufliche Befähigungsnachweis erbracht, weshalb die von der Klägerin erbrachten heileurythmischen Heilbehandlungsleistungen auch in den Fällen von der Umsatzsteuer befreit seien, in denen die Erstattung der Leistungen durch die Krankenkassen daran gescheitert sei, dass diese mit dem BVHE (noch) keine entsprechenden IV-Verträge abgeschlossen haben.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG.Das FG habe die von der Klägerin ausgeführten Heilbehandlungsleistungen insgesamt als steuerfrei behandelt, obwohl die nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG erforderliche berufliche Qualifikation nur für den die IV-Verträge betreffenden Teil der Umsätze vorgelegen habe. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Urteil vom 8. März 2012 V R 30/09 die bereits für Versorgungsverträge geltenden Grundsätze auf IV-Verträge übertragen. Da der Befähigungsnachweis der selbständigen Fachkräfte auf den Umfang der im Versorgungsvertrag vereinbarten Leistungen beschränkt sei und nur für diese Heilbehandlungsleistungen die Kosten von den Krankenkassen getragen würden, müsse das Gleiche für den Befähigungsnachweis und damit für den Umfang der Steuerbefreiung in den Fällen gelten, in denen die Fachkräfte in IV-Verträge eingebunden sind. Die Fachkraft erhalte bei entsprechendem Qualifikationsnachweis für den zwischen Berufsverband und Krankenkasse geschlossenen IV-Vertrag eine Teilnahmeberechtigung und erkenne damit die Regelungen des Vertrags an. Die Heilbehandlungsleistungen der Fachkraft seien Bestandteil des Versorgungsvertrages, weshalb der Qualifikationsnachweis auf die Leistungen aus dem jeweiligen IV-Vertrag beschränkt sei. Die außerhalb der IV-Verträge erzielten Umsätze seien steuerpflichtig, weil es sich insoweit nicht um eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit mit beruflichem Befähigungsnachweis handele. Entsprechend seien diese Leistungen auch nicht von Krankenkassen erstattet worden, obgleich eine ärztliche Verordnung vorlag.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Entgegen der Auffassung des FA könne die berufliche Befähigung des Leistungserbringers nicht geteilt und auf Umsätze aus den IV-Verträgen beschränkt, sondern nur einheitlich beurteilt werden. Aus dem BFH-Urteil vom 12. August 2004 V R 18/02 ergebe sich nichts anderes. Ihre –der Klägerin– einmal festgestellte berufliche Befähigung als Heileurythmistin erstrecke sich auf sämtliche Heileurythmie-Leistungen.
Begründung:

Die Revision ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die von der Klägerin im Streitjahr erbrachten Heilbehandlungsleistungen steuerfrei sind.
Umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG sind Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden.
Diese Vorschrift setzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) in nationales Recht um. Danach befreien die Mitgliedstaaten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden, von der Steuer.

Der Begriff “Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin” ist ein autonomer unionsrechtlicher Begriff und umfasst Leistungen, die zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nach den (unstreitigen) Feststellungen des FG erfüllt, da die jeweils auf ärztliche Verordnung hin erbrachten heileurythmischen Leistungen der Klägerin dem Zweck der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen der Leistungsempfänger dienten.
Auch den für die Steuerbefreiung der Heilbehandlungsleistung erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweis hat die Klägerin –wie das FG zutreffend angenommen hat– erbracht. Zwar ergibt sich ihre berufliche Qualifikation nicht aus berufsrechtlichen Regelungen. Wie das FG festgestellt hat, ist eine berufsrechtliche Regelung über Ausbildung, Prüfung, staatliche Anerkennung sowie staatliche Erlaubnis und Überwachung der Berufsausübung für das Berufsbild des Heileurythmisten in der Bundesrepublik Deutschland bislang nicht erlassen worden. Die von der Klägerin erworbene Qualifikation (“Diplom für Eurythmie” des Instituts für Waldorfpädagogik X bzw. “Heileurythmie-Diplom” der Schule für Eurythmische Heilkunst Y) kann somit nicht auf einer derartigen berufsrechtlichen Regelung beruhen und steht ihr auch nicht gleich, da die Diplome nicht von staatlichen, sondern von privaten Ausbildungsinstituten verliehen wurden.
Der Nachweis der für die Leistungserbringung erforderlichen Berufsqualifikation der Klägerin ergibt sich auch nicht aus einer “regelmäßigen” Kostentragung durch Sozialversicherungsträger (vgl. hierzu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Oktober 1999 2 BvR 1264/90, BVerfGE 101, 132, BStBl II 2000, 155). Hiervon gehen die Beteiligten übereinstimmend aus.
Die Klägerin hat jedoch den Nachweis ihrer beruflichen Qualifikation durch ihre Teilnahmeberechtigung an den IV-Verträgen erbracht.Die für Versorgungsverträge und Gesamtvereinbarungen geltenden Grundsätze gelten auch für Integrierte Versorgungsverträge nach den §§ 140a ff. SGB V (i.d.F. vor dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 16. Juli 2015, BGBl I 2015, 1211), die Berufsverbände von Leistungserbringern mit gesetzlichen Krankenkassen abschließen, sofern der jeweilige Berufsverband die Teilnahmeberechtigung der Leistungserbringer davon abhängig macht, dass die in den Verträgen enthaltenen Qualifikationsanforderungen erfüllt werden.
Die vom BVHE vor dem Streitjahr abgeschlossenen Integrierten Versorgungsverträge mit gesetzlichen Krankenkassen betreffen die Versorgung mit Anthroposophischer Medizin, zu der auch die Heileurythmie gehört.Die Klägerin war nach den Feststellungen des FG ordentliches Mitglied des BVHE und konnte damit als Leistungserbringerin in die integrierte Versorgung mit Anthroposophischer Medizin einbezogen werden.

Sie erfüllte ferner die in den IV-Verträgen konkret benannten Qualifikationsanforderungen, da sie nach Erwerb des “Diploms für Eurythmie” des Instituts für Waldorfpädagogik X sowie des “Heileurythmie-Diploms” der Schule für Eurythmische Heilkunst Y seit dem 28. September 2009 zur Teilnahme an den IV-Verträgen zugelassen war.
Hieraus ergibt sich der für die Steuerfreiheit erforderliche Befähigungsnachweis gleichermaßen wie für eine Rehabilitationseinrichtung, die auf Grund eines Versorgungsvertrags gemäß § 11 Abs. 2, §§ 40, 111 SGB V mit Hilfe von Fachkräften Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erbringt, soweit diese Fachkräfte die in dem Versorgungsvertrag benannte Qualifikation haben.
Ist –wie vom FG im Streitfall festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO)– die erforderliche berufliche Qualifikation nachgewiesen, erstreckt sich die Steuerbefreiung auf sämtliche erbrachten Heilbehandlungsleistungen (vgl. Michel, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2012, 893). Anders als das FA meint, lässt sich die einmal nachgewiesene berufliche Qualifikation nicht teilen, soweit die nämlichen Leistungen –wie hier– auf Basis der IV-Verträge und außerhalb der IV-Verträge erbracht wurden.

Zur Umsatzsteuerbefreiung für Umsätze der ambulanten Pflege

Leistungen der sog. 24-Stunden-Pflege von privatrechtlichen Einrichtungen zur ambulanten Pflege waren in den Jahren 2005 und 2006 nur dann umsatzsteuerfrei, wenn im Vorjahr oder im jeweiligen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens 40 % der Pflegefälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind. Diese Einschränkung ist weder unionsrechtswidrig noch verfassungswidrig.

BFH Urteil vom 28.06.2017 – XI R 23/14 BFH/NV 2017, 1561

Sachverhalt:

Streitig ist, ob der Kläger, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionskläger (Kläger) als Organträger die Umsatzsteuer für Umsätze der Z-GmbH (GmbH) auch nach Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH schuldet, ob die dem Kläger zuzurechnenden Umsätze der GmbH im Bereich der ambulanten Pflege und der Personalgestellung umsatzsteuerfrei sind (Revision) sowie ob in der “Verpachtung” von Teilen eines Patientenstamms eine nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung liegt (Anschlussrevision).
Der Kläger ist Krankenpfleger. Seit 1995 betrieb er als Einzelunternehmer einen ambulanten Pflegedienst in X. Seine Leistungen beruhten auf Verträgen mit Krankenkassen, Pflegekassen und Sozialämtern, wobei er sich zunächst mit ca. fünf angestellten Pflegekräften der klassischen Krankenpflege widmete. Seit Ende der 1990er Jahre kam schwerpunktmäßig die sog. 24-Stunden-Pflege hinzu.
Im Jahr 2003 gründete der Kläger die GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er war. Sodann übernahm die GmbH den Geschäftsbereich der sog. 24-Stunden-Pflege.
Am 29. Juli 2004 schloss die GmbH mit verschiedenen Pflegekassen, mit Verbänden von Krankenkassen, mit der Bundesknappschaft sowie mit der Stadt Y als Sozialhilfeträger jeweils einen Versorgungsvertrag gemäß § 72 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI). Bereits am 12. August 2003 (im Vorgriff auf diesen Versorgungsvertrag) und am 21. Juni 2005 (auf Basis des Vertrages) hatte die GmbH Vergütungsvereinbarungen mit den Vertragspartnern getroffen. Für die 24-Stunden-Pflege stellte die GmbH den gepflegten Personen entsprechend den getroffenen Vereinbarungen monatlich jeweils 2.750 EUR in Rechnung.
I
n den Jahren 2004 bis 2006 wurde unstreitig die für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. e des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der für die Streitjahre (2005 und 2006) geltenden Fassung (a.F.) erforderliche 40 %-Grenze von der GmbH nicht erreicht.
Mit Wirkung ab dem 1. Februar 2006 “verpachtete” die GmbH an Frau… (W) den aus einer Patientenliste ersichtlichen Patientenstamm. Der “Pachtzins” betrug monatlich inklusive “Mehrwertsteuer” 12.000 EUR; eine Rückübertragung von Verträgen zwischen Patienten und W an die GmbH war ausgeschlossen.
Die Mitarbeiterinnen, die die vom Pachtvertrag betroffenen Patienten pflegten, waren weiter bei der GmbH angestellt, wurden jedoch an W ausgeliehen.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Y vom… November 2006 4 IN…/06 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt E zum Insolvenzverwalter bestellt. Bereits mit Beschluss vom… September 2006 war Rechtsanwalt E zum vorläufigen Insolvenzverwalter der GmbH bestellt worden; Verfügungen der Schuldnerin waren nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Insolvenzordnung –InsO–). Schuldnern der GmbH wurde verboten, an die GmbH zu zahlen. Der vorläufige Insolvenzverwalter wurde ermächtigt, Forderungen der GmbH einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen.

Der Beklagte, Revisionskläger und Anschlussrevisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) vertrat nach Durchführung einer Außenprüfung die Auffassung, dass der Kläger Organträger der GmbH sei. Das FA war außerdem der Auffassung, dass die Umsätze der GmbH nicht nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. steuerfrei seien, da die nach dieser Vorschrift erforderliche 40 %-Grenze für das jeweilige Vorjahr nicht erreicht worden sei.

Am 17. August 2007 erließ das FA einen Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2005 und am 4. Dezember 2008 einen Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2006. Mit Einspruchsentscheidung vom 7. Januar 2009 wies das FA die Einsprüche des Klägers als unbegründet zurück. Im Laufe des Klageverfahrens änderte das FA am 24. März 2011 den Umsatzsteuerbescheid für 2006.
Mit der Klage machte der Kläger geltend:
– die Annahme der Organschaft sei wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtsformneutralität rechtswidrig;
– die ihm zuzurechnenden Umsätze der GmbH seien nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage überwiegend statt. Es führte aus, zwar seien die Umsätze der GmbH für den Zeitraum bis einschließlich August 2006 aufgrund einer bestehenden Organschaft beim Kläger als Organträger zu erfassen. Die Umsätze aus den Pflegeverträgen seien jedoch steuerfrei. Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. erfülle der Kläger zwar (unstreitig) nicht. Er könne sich aber für die Steuerfreiheit der Umsätze unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG berufen.
Für das Jahr 2005 führe die Steuerfreiheit der Pflegeumsätze zur Stattgabe der Klage in vollem Umfang, da die verbleibenden steuerpflichtigen Umsätze die Kleinunternehmergrenze des § 19 Abs. 1 UStG nicht überschritten.
Für das Jahr 2006 seien nur die Umsätze aus den Pflegeverträgen steuerfrei. Die Umsätze aus dem “Pachtvertrag” seien steuerbar und steuerpflichtig. Der Pachtvertrag stelle keine Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG dar. Im Streitfall sei lediglich ein Teil der Verträge mit pflegebedürftigen Personen übertragen worden. Die Umsätze aus dem “Pachtvertrag” seien auch nicht steuerfrei.

Die Entgelte für die Personalüberlassung an W in Höhe von 23.240,26 EUR seien hingegen gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei. Im Streitfall sei das entleihende Unternehmen der W eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter; W habe mit ihren Umsätzen die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. erfüllt.
Das FA verteidigt die angefochtene Vorentscheidung, soweit das FG eine Geschäftsveräußerung verneint hat, und rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Die Organschaft habe nicht bereits zum Zeitpunkt der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters geendet und die Umsätze des Klägers seien nicht steuerfrei. Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Anschlussrevision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen sowie die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 7. Januar 2009, soweit die Umsatzsteuer für 2006 betroffen ist, aufzuheben sowie den Umsatzsteuerbescheid für 2006 vom 24. März 2011 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2006 auf 1.262,66 EUR festgesetzt wird.Er verteidigt die angefochtene Vorentscheidung, soweit der Klage stattgegeben wurde. Das FG habe festgestellt, dass der Kläger in allen Fällen Zahlungen der Pflegeversicherung erhalten habe. Das Merkmal “ganz oder überwiegend” in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. sei richtlinienwidrig. Die Steuerbefreiung hänge dadurch davon ab, wie wohlhabend die gepflegten Personen seien. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, den verfassungsrechtlichen und den unionsrechtlichen Gleichheitssatz sowie den unionsrechtlichen Grundsatz der Effektivität und den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Folgerichtigkeit. Er, der Kläger, trete in Konkurrenz zu freien Wohlfahrtsverbänden, deren Leistungen nach § 4 Nr. 18 UStG steuerfrei seien. Das Urteil des Bundesfinanzhofs sei unzutreffend. Eine rückwirkende Anwendung der Rechtsprechung sei unzulässig. Die Finanzverwaltung habe Pflegeleistungen der Wohlfahrtsverbände nie besteuert, obwohl das Abstandsgebot des § 4 Nr. 18 Buchst. c UStG stets verletzt worden sei. Der Kläger verweist ergänzend auf die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Hilfsweise regt er an, dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der Senat sei zur Vorlage verpflichtet.

In Bezug auf die Personalgestellung an W macht der Kläger geltend, diese sei unerlaubt erfolgt. Damit bestehe ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher. Der Ausgleich zwischen Verleiher und Entleiher erfolge nach Bereicherungsrecht..

Zur Begründung der Anschlussrevision trägt der Kläger vor, der Pachtvertrag führe zu einer Überleitung der Patienten auf W. Die Arbeitsverhältnisse der Stammbetreuer und der Ersatzkräfte seien ebenfalls auf W übergegangen. Das Personal sei der wertbildende Faktor. Bei der GmbH seien ca. 19 bis 22 Patienten und ca. 20 bis 25 Mitarbeiter verblieben. Dieser Vorgang sei als Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG anzusehen. Soweit es sich bei diesem Vortrag um neuen Sachvortrag im Revisionsverfahren handele, rüge er die Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG.

Begründung:

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die Klage betreffend 2005 ist abzuweisen und die Umsatzsteuer für 2006 ist unter teilweiser Aufhebung der Einspruchsentscheidung des FA und Abweisung der Klage im Übrigen insoweit niedriger festzusetzen, als die Umsätze der GmbH ab Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen nicht mehr dem Kläger als Organträger zuzurechnen sind.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die organisatorische Eingliederung der GmbH in das Unternehmen des Klägers mit der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über deren Vermögen entfallen ist.

Der V. Senat des BFH hat entschieden, dass die organisatorische Eingliederung endet, wenn das Insolvenzgericht für die Organgesellschaft einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und zugleich gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO anordnet, dass Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.
Dem schließt sich der erkennende Senat jedenfalls für den hier vorliegenden Fall an, dass der Insolvenzverwalter zum Forderungseinzug ermächtigt wird; denn dann kann der Organträger –hier der Kläger– eine abweichende Willensbildung bei der Organgesellschaft insoweit nicht mehr verhindern. Das FA ist dieser Beurteilung zuletzt nicht mehr entgegengetreten.
Zu Recht stellen beide Beteiligte die Auffassung des FG nicht in Frage, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. in den Streitjahren nicht gegeben waren.

Nach § 4 Nr. 16 UStG a.F. waren in den Streitjahren von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen steuerfrei u.a.
“die mit dem Betrieb… der Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen eng verbundenen Umsätze, wenn
diese Einrichtungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden” (was im Streitfall ausscheidet) “oder
bei Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und bei Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens 40 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind”.
Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Regelung in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG entspricht. Die (in den Streitjahren 2005 und 2006 geltende) Absenkung der ursprünglichen Zwei-Drittel-Grenze auf 40 % erfolgte zur Anpassung an die gesetzliche Neuregelung der Pflegeversicherung, um diese Grenze an die bei Krankenhäusern geltende Mindestgrenze für das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen anzugleichen. Deshalb greift auch der Einwand, der Gesetzgeber habe die Möglichkeiten der
D
ie Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. greift nicht ein. Der Tatbestand ist nicht erfüllt, weil die Pflegekosten nicht “im vorangegangenen Kalenderjahr” in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind.
Der Vortrag des Klägers, der Gesetzgeber habe nicht das Problem gesehen, dass nach der Struktur des SGB XI bei der Pflege der Patient Eigenanteile an den Leistungserbringer zahlen müsse, ändert nichts an der gesetzlichen Anordnung.

Im Übrigen belegt der Umstand, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Neufassung des § 4 Nr. 16 UStG zwar zahlreiche “Sozialkriterien” abgeschafft, aber als “Auffangtatbestand” in Buchst. k an der 40 %-Grenze festgehalten und) die Grenze des § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG im Hinblick auf die weitere Verbreitung der Anwendung des Persönlichen Budgets auf 25 % abgesenkt hat, dass er in den dortigen Fällen als “Sozialkriterium” an einer Mindestgrenze festhalten will.

Die Vorentscheidung ist allerdings insgesamt aufzuheben, weil das FG zu Unrecht angenommen hat, die dem Kläger zuzurechnenden Leistungen der GmbH seien nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG, auf den sich der Kläger berufen hat, steuerfrei; denn § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. war in den Streitjahren 2005 und 2006 insoweit nicht unionsrechtswidrig, als er die Steuerbefreiung von der Einhaltung der 40 %-Grenze (im selben Jahr) abhängig gemacht hat.
Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden. Es muss sich nach dem Wortlaut der Richtlinie um eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen handeln (s. dazu b) und der Leistende muss eine Einrichtung des öffentlichen Rechts oder als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt sein.
Das FG hat zwar zutreffend als berufbar angesehen und die Leistungen der sog. 24-Stunden-Pflege zu Recht als eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen beurteilt. Die Annahme des FG, der Kläger sei eine vom Mitgliedstaat Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter, ist aber unzutreffend. Zwar ist der Begriff “Einrichtung” grundsätzlich weit genug, um auch natürliche Personen und private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht.
Nach den EuGH-Urteilen Kügler und Zimmermann die Voraussetzungen und Modalitäten der Anerkennung aber nicht fest. Vielmehr ist es Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann.

Dabei haben die nationalen Behörden im Einklang mit dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte die für die Anerkennung maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Zu diesen gehört u.a. die Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch Krankenkassen oder durch andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit. Es kommt dabei auch nicht darauf an, ob die Kosten im konkreten Fall tatsächlich übernommen worden sind, sondern es reicht aus, dass sie übernehmbar sind..
Der nationale Gesetzgeber hat die Anerkennung in den Streitjahren von der Einhaltung der sog. 40 %-Grenze abhängig gemacht (s.o. II.2.). Der EuGH hat im Rahmen der Prüfung, ob es Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g und/oder Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG dem nationalen Gesetzgeber erlauben, die Steuerbefreiung der Leistungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen davon abhängig zu machen, dass bei diesen Einrichtungen “im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens zwei Drittel der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind”, in seinem Urteil Zimmermann dazu –abstrakt und losgelöst von den Gegebenheiten des dortigen Streitfalls– ausgeführt:

“37. Entsprechend ist das Erfordernis einer wie im Ausgangsverfahren auf zwei Drittel der Fälle festgesetzten Schwelle für die Zwecke der Anwendung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie zu beurteilen. Durch das Erfordernis einer solchen Schwelle wird nämlich auf ähnliche Weise dem Bedürfnis entsprochen, bei der Anwendung dieser Vorschrift den sozialen Charakter von Einrichtungen anzuerkennen. Ebenso überschreitet ein Mitgliedstaat das ihm nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie zustehende Ermessen grundsätzlich nicht dadurch, dass er auch im Zusammenhang mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bedingung verlangt, dass die Kosten für die betreffenden Leistungen der ambulanten Pflege ganz oder zum überwiegenden Teil von den gesetzlichen Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträgern übernommen worden sein müssen.”

Unter Anlegung dieser Maßstäbe hat Deutschland bei der Ausgestaltung der Anerkennung i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG die Grenzen des ihm zustehenden Ermessens zwar insoweit nicht beachtet, als es bezüglich der Einhaltung der 40 %-Grenze auf das vorangegangene Kalenderjahr abgestellt hat. Der EuGH hat aber die frühere Zwei-Drittel-Grenze des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. sowie die dort normierte Bedingung, dass die Kosten für die betreffenden Leistungen der ambulanten Pflege ganz oder zum überwiegenden Teil von den gesetzlichen Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträgern übernommen worden sein müssen, gebilligt Dass es dort um einen anderen Sachverhalt ging, ändert an der rechtlichen Aussage des EuGH nichts.
Der Senat hat deshalb entsprechende gesetzliche Grenzen in ständiger Rechtsprechung nur insoweit als mit dem Unionsrecht unvereinbar beanstandet, als bei der Prüfung der Grenze auf die Umsätze des Vorjahres zurückgegriffen wird, und im Übrigen unbeanstandet gelassen

Die 40 %-Grenze des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. erreicht der Kläger auch dann nicht, wenn man entsprechend seinem Vorbringen jeweils auf die Umsätze des laufenden Kalenderjahres –und nicht auf die Umsätze des jeweiligen Vorjahres– abstellt.

Die Einwendungen des Klägers gegen diese Beurteilung greifen nicht durch.

Der Hinweis des Klägers auf den Grundsatz der Effektivität, zum Ausdruck komme, beachtet nicht, dass der EuGH in Rz 37 dieses Urteils nicht davon ausgeht, dass die seinerzeit vom EuGH zu beurteilende (und von ihm nicht beanstandete) Zwei-Drittel-Grenze des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG a.F. dieser Steuerbefreiung grundsätzlich ihre Wirkung nähme.
Die nachfolgenden Ausführungen in Rz 40 f. beziehen sich lediglich auf das Erfordernis, insoweit “ausschließlich auf das vorangegangene Kalenderjahr abzustellen” (s. Rz 38) und verlangen lediglich:
“Folglich ist es erforderlichenfalls Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob in den Situationen, in denen von Beginn der betreffenden Tätigkeiten an der ‘soziale Charakter’ im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie nach der in Randnr. 31 des vorliegenden Urteils dargestellten Rechtsprechung anzuerkennen wäre, die Pflicht, ausschließlich auf das vorangegangene Kalenderjahr abzustellen, zur Folge hat, dass hinsichtlich des ersten Kalenderjahrs dieser Tätigkeiten oder sogar ihrer ersten beiden Kalenderjahre die Anerkennung des ‘sozialen Charakters’ des betreffenden Leistungserbringers im Sinne dieser Vorschrift automatisch und zwangsläufig ausgeschlossen ist.”
Darum geht es vorliegend nicht. Die Gründung der GmbH erfolgte im Jahr 2003. Streitjahre sind die Jahre 2005 und 2006.

Ebenso wenig greift der Einwand durch, die Leistungen der unter § 4 Nr. 18 UStG fallenden Personen seien unter anderen Voraussetzungen steuerfrei, was gegen den Grundsatz der Neutralität und den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Dies trifft nicht zu. Denn nach der neueren Rechtsprechung des BFH kommt § 4 Nr. 18 UStG nur eine durch den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 16 UStG begrenzte Wirkung zu; die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 UStG geht dem § 4 Nr. 18 UStG vor, wenn die betreffenden Leistungen im Falle ihrer Ausführung durch privatrechtliche Einrichtungen mit Gewinnstreben ihrer Art nach von § 4 Nr. 16 UStG umfasst werden könnten. Daran hält der Senat trotz der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung geäußerten Einwände fest.

Soweit der Kläger im Laufe des Verfahrens vor dem FG geltend gemacht hat, dass die Finanzverwaltung in der Praxis solche Leistungen bei Personen i.S. des § 4 Nr. 18 UStG nicht besteuere, und auch vorgebracht hat, das Abstandsgebot des § 4 Nr. 18 Buchst. c UStG sei nicht eingehalten, hat das FG dies nicht festgestellt.
Die nicht vorhandenen Feststellungen des FG zu dieser Frage erfordern –anders als der Kläger meint– keine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur weiteren Sachverhaltsaufklärung: Denn eine unzutreffende (Nicht-)Besteuerung eines Konkurrenten kann (nur) mit der Konkurrentenklage geltend gemacht. Diese ist –entgegen der Auffassung des Klägers– nicht unzumutbar.
Gegen eine rückwirkende Anwendung dieser neueren BFH-Rechtsprechung bestehen –anders als der Kläger meint– keine grundsätzlichen Bedenken.
Die auch vom FG geteilte Ansicht des Klägers, die Anerkennung dürfe nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Kosten “überwiegend” von den gesetzlichen Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträgern übernommen worden sind, widerspricht Rz 37 des EuGH-Urteils Zimmermann.

Dass Deutschland grundsätzlich berechtigt ist, die Steuerbefreiung davon abhängig zu machen, dass die Kosten “überwiegend” von den gesetzlichen Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträgern übernommen worden sind, ergibt sich –wie dargelegt– eindeutig aus Rz 37 des EuGH-Urteils Zimmermann (EU:C:2012:716, UR 2013, 35).
Derartige “Sozialgrenzen” sind auch –entgegen der Auffassung des Klägers– nicht verfassungswidrig.
Das vom Kläger ergänzend angeführte Gebot der Folgerichtigkeit betrifft zum einen das Ertragsteuerrecht und ist überdies durch die Beschränkung der Steuerbefreiung auf die vom Mitgliedstaat Deutschland anerkannten Einrichtungen nicht verletzt.

Ob es angesichts der vom Kläger hervorgehobenen Teilfinanzierung der Kosten der sog. 24-Stunden-Pflege rechtspolitisch wünschenswert erscheinen könnte, weitere Personen in den Kreis der vom Mitgliedstaat anerkannten Einrichtungen der ambulanten Pflege einzubeziehen, hat die Rechtsprechung nicht zu entscheiden.
Diese Gestellung von Personal ist umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig, weil sie keine mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit eng verbundene Dienstleistung ist. Die Einwendungen des Klägers, es liege eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung an W i.S. des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) vor, das AÜG fingiere den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf W als Entleiherin und es bestünden zivilrechtliche Ansprüche der W gegen den Kläger auf Grundlage des Bereicherungsrechts, greifen nicht durch.
Das Umsatzsteuerrecht knüpft an tatsächliche Leistungsvorgänge an, ohne auf ein ggf. bestehendes gesetzliches Verbot oder die zivilrechtliche Wirksamkeit der zugrunde liegenden Verträge (§ 41 Abs. 1 Satz 1 AO) abzustellen; daher gebieten die Regelungen des AÜG keine hiervon abweichende umsatzsteuerrechtliche Beurteilung.
Die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet; sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht das Vorliegen einer nicht umsatzsteuerbaren Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG verneint.

Der Senat legt die Anschlussrevision des Klägers dahingehend aus, dass sie sich nur auf das Streitjahr 2006 bezieht. Der Kläger hat zwar unter dem Betreff “wegen Umsatzsteuer 2005 und 2006” beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, aber hinzugefügt, “soweit der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2006″… “nach dem Tenor zu I Satz 2 zu einer Festsetzung in Höhe von”… “führt, den Bescheid insoweit abzuändern und mit 1.262,66 EUR festzusetzen”. In Bezug auf das Jahr 2005 hat er keinen Sachantrag gestellt.
Die so verstandene Anschlussrevision ist zulässig (§ 155 FGO i.V.m. § 554 der Zivilprozessordnung), aber unbegründet. Das FG hat zu Recht in Bezug auf den Pachtvertrag mit W vom 31. Januar 2006 das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a
Voraussetzung für das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung ist gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird.

Diese Vorschrift beruhte in den Streitjahren 2005 und 2006 unionsrechtlich auf Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG. Nach Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen. Gemäß Art. 6 Abs. 5 gilt Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG “unter den gleichen Voraussetzungen für Dienstleistungen”.

Im Streitfall scheidet in Bezug auf den Pachtvertrag eine Geschäftsveräußerung schon deshalb aus, weil –worauf das FA zu Recht hingewiesen hat– ein Patientenstamm “verpachtet” worden ist. Werden keine Gegenstände “übereignet” oder in eine Gesellschaft eingebracht, fehlt es an einer Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG.
Außerdem hätte der Kläger bei anderer Sichtweise nach den tatsächlichen Feststellungen des FG nur die Verträge mit bestimmten im Rahmen der sog. 24-Stunden-Pflege betreuten Personen und damit kein Teil- oder Gesamtvermögen auf W übertragen. Es wären danach, wovon das FG im Rahmen der ihm obliegenden Gesamtwürdigung (§ 118 Abs. 2 FGO) zu Recht ausgegangen ist, nur einzelne zum Betrieb eines ambulanten Pflegedienstes notwendige Verträge vom Kläger auf W übertragen worden. Das reicht nicht aus. Ein oder mehrere Kunden, Vertragspartner oder Mandanten sind kein “gesondert geführter Betriebsteil” oder “Teilvermögen”.

Aus dem EuGH-Urteil Schriever ergibt sich schon deshalb nichts anderes, weil danach zwar die Übertragung der nicht verpachteten Gegenstände eine Geschäftsveräußerung sein kann. Die Verpachtung selbst bleibt jedoch steuerbar.

Die Sache ist spruchreif. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid für 2006 ist dahingehend zu ändern, dass der Kläger nach Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH nicht mehr Organträger der GmbH ist und daher die auf die Umsätze der GmbH entfallende Umsatzsteuer ab diesem Zeitpunkt nicht mehr schuldet. Die Höhe der nicht zu berücksichtigenden Umsatzsteuer (20.009,22 EUR Umsatzsteuer – 1.743,18 EUR Vorsteuer = 18.265,94 EUR) ist nicht streitig. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
Die Übertragung der Berechnung der festzusetzenden Umsatzsteuer für 2006 auf das FA beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

Dachsanierung für eine Photovoltaikanlage

Beim Vorsteuerabzug aus einer Werklieferung für die gesamte Dachfläche eines Gebäudes muss die Verwendungsmöglichkeit des gesamten Gebäudes in die durch § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG vorgegebene Verhältnisrechnung einbezogen werden.

BFH Urteil vom 03.08.2017 – VR 59/16 BFH/NV 2017, 1570

Sachverhalt:
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb eine Photovoltaikanlage zur entgeltlichen Stromeinspeisung. Die Anlage befand sich auf dem Dach des von ihr mit ihrem Ehemann bewohnten Anwesens, das im Alleineigentum ihres Ehemanns stand. Es handelte sich um einen Einfirsthof bestehend aus dem ausschließlich privat genutzten Wohnhaus und einer Scheune. Die Scheune wurde im Streitjahr privat als Werkstatt und Stellplatz für drei Pferde genutzt. Wohnhaus und Scheune befanden sich unter einem gemeinsamen Dach.
Die Klägerin mietete von ihrem Ehemann eine über dem Scheunenteil des Anwesens gelegene Teilfläche des Daches von 158,5 qm zum Betrieb einer Photovoltaikanlage gegen ein Nutzungsentgelt von 237,75 EUR an.

Sie beauftragte im Streitjahr (2011) einen Dachdecker mit Arbeiten am Dach. Diese umfassten für die gesamte Dachfläche von 470 qm u.a. die Abnahme der Ziegel und Dachlattung, das Anbringen einer bitumierten Dachschalungsbahn mit neuen Konterlatten und Dachlatten, die Wiedereindeckung des Daches mit den ursprünglich verwendeten Dachziegeln und die Montage neuer Schneestoppnasen. Auf einer Teilfläche von 258 qm wurde das Dach mit einer Rauhschalung versehen. Außerdem wurden Spenglerarbeiten wie Dachrinnenmontage und Windbrettverkleidung durchgeführt. Für das Vorhalten des Gerüsts bei den Arbeiten an der Photovoltaikanlage wurden unabhängig von der Baustelleneinrichtung für die Dachdeckerarbeiten 1.153,01 EUR zzgl. Mehrwertsteuer berechnet. Insgesamt rechnete die Zimmerei gegenüber der Klägerin mit Rechnung vom 19. April 2011 Dachdeckerleistungen i.H.v. 20.615,15 EUR zzgl. 3.916,29 EUR Mehrwertsteuer ab. Davon entfielen 10.748,42 EUR zzgl. 2.042,20 EUR Mehrwertsteuer für die Arbeiten am Scheunendach. Hierin waren die Kosten des Gerüsts für die Arbeiten an der Photovoltaikanlage enthalten.
Im August 2011 wurden die Module für die Photovoltaikanlage mit einer Gesamtleistung von 22,08 kWp auf der Dachfläche der Scheune (Ost- und Westseite) installiert.
Die Klägerin machte für das Streitjahr zunächst in einer Voranmeldung 90 % des in der Rechnung der Zimmerei ausgewiesenen Steuerbetrags als Vorsteuer geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) versagte den Vorsteuerabzug. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 434 veröffentlichten Urteil der Klage teilweise statt. Die Klägerin habe unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) mit der Dachsanierung keine Leistung an ihren Ehemann im Rahmen eines tauschähnlichen Verhältnisses nach § 3 Abs. 12 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) erbracht. Hierfür führte das FG insbesondere an, dass die Sanierung nicht Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung gewesen und ein Sanierungsbedarf in Bezug auf das Dach nicht ersichtlich sei. Gleichwohl sei die Klägerin zum Vorsteuerabzug berechtigt. In Bezug auf das Vorhalten des Gerüsts für die Arbeiten an der Photovoltaikanlage als gesonderter eigenständiger Leistung könne die Klägerin den vollen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen.
Sie sei auch zum Vorsteuerabzug aus der Dachsanierung berechtigt, soweit sich diese auf den Scheunenteil bezogen habe. § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG stehe dem nicht entgegen, da sich die unternehmerische Mindestnutzung bei Betrachtung der angemieteten Dachfläche und der sich darunter befindlichen Scheune nach Maßgabe eines fiktiven Vermietungsschlüssels entsprechend der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auf 11,6 % belaufen habe. Aufgrund einer Zuordnungsentscheidung stehe ihr damit im Umfang der angemieteten Dachfläche der volle Vorsteuerabzug zu. Soweit die Flächen unter diesem Dachteil privat verwendet worden seien, habe die Klägerin aber eine unentgeltliche Wertabgabe zu versteuern.
Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision. Mit der Annahme, dass die Klägerin aufgrund der Dachsanierung keine Leistung an ihren Ehemann erbracht habe, widerspreche das FG der Verwaltungsauffassung. Es liege ein tauschähnlicher Umsatz vor.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Dachsanierungsarbeiten als steuerpflichtige Leistung für ein im Gegenzug erworbenes Dachnutzungsrecht der Umsatzsteuer zu
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Begründung:

Die Revision des FA ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Zwar hat das FG die für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderliche Unternehmereigenschaft und den Leistungsbezug für das Unternehmen aufgrund der beabsichtigten Stromlieferungen gegen Entgelt zutreffend bejaht. Das Urteil des FG verletzt aber § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstandes, den der Unternehmer zu weniger als 10 % für sein Unternehmen nutzt, als nicht für das Unternehmen ausgeführt.

Unionsrechtlich beruhte diese Vorschrift im Streitjahr auf der Entscheidung des Rates vom 20. Oktober 2009 zur Ermächtigung der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland), weiterhin eine von Art. 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) abweichende Regelung anzuwenden (2009/791/EG, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 283/55). Art. 1 dieser Ratsentscheidung ermächtigte Deutschland, abweichend von Art. 168 Abs. 2 MwStSystRL, die Mehrwertsteuer auf Gegenstände und Dienstleistungen, die zu mehr als 90 % für private Zwecke des Steuerpflichtigen oder seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke genutzt werden, vollständig vom Recht auf Vorsteuerabzug auszuschließen. Nach Art. 2 der Ratsentscheidung galt dies im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2012.

Im Streitfall bestehen gegen die Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG keine unionsrechtlichen Bedenken. Denn das Gebäude, für dessen Dacherneuerung die Klägerin den Vorsteuerabzug geltend macht, wurde neben der Verwendung für den Betrieb der Photovoltaikanlage nur für private Wohnzwecke, nicht aber für nichtwirtschaftliche –nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallende– Tätigkeiten verwendet (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 16. November 2016 XI R 15/13, BFHE 255, 555, Leitsatz 1). Gleiches gilt für die Nutzung der Scheune.
Das Urteil des FG ist aufzuheben, da es verkannt hat, dass sich die Verhältnisrechnung zur Feststellung der unternehmerischen Mindestnutzung i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG im Fall der Lieferung auf den gelieferten Gegenstand und dessen Verwendung insgesamt bezieht.

Ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden wäre, ist das FG davon ausgegangen, dass es im Streitfall um den Vorsteuerabzug aus einer einheitlichen Leistung zur Dacherneuerung geht, deren Aufspaltung in mehrere Einzelleistungen (Lieferung der Baumaterialien wie z.B. Rauhschalung, Dachschalungsbahn, Konterlatten, Dachlatten, Alu-Lochgitter, Schneestoppnasen, Traufblech und Windbrettverkleidung einerseits sowie dem Freilegen des vorhandenen Dachstuhls, Anbringen der Dachschalung und –lattung sowie Eindeckung des Daches mit den vorhandenen Ziegeln andererseits) wirklichkeitsfremd wäre. Zutreffend hat das FG nur das Vorhalten des Gerüsts für die Arbeiten an der Photovoltaikanlage als gesonderte eigenständige Leistung angesehen.
Das FG hat zudem nach Maßgabe der Senatsrechtsprechung in der Gesamtleistung zutreffend eine Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG angesehen. Diese Werklieferung bezog sich nach den für im Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) auf die gesamte Dachfläche.
Geht es um den Vorsteuerabzug aus einer Werklieferung für die gesamte Dachfläche, muss das gesamte Gebäude und damit die Verwendungsmöglichkeit des gesamten Gebäudes in die durch § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG vorgegebene Verhältnisrechnung einbezogen werden

Daher kommt es für die Frage, ob die von § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG geforderte unternehmerische Mindestnutzung vorliegt, auf die Verwendung des gesamten Gebäudes unter Einschluss aller Flächen unter dem Dach und der gesamten Dachfläche an. Einzubeziehen in die Verhältnisrechnung zur Feststellung der unternehmerischen Mindestnutzung sind daher neben der Scheune auch die privaten Wohnflächen sowie die Dachflächen, die nicht für den Betrieb der Photovoltaikanlage genutzt wurden.

Demgegenüber hat das FG die Frage der unternehmerischen Mindestnutzung für die von der Klägerin bezogene Werklieferung nur anteilig für den Teil der Dachfläche geprüft, auf dem sich die Photovoltaikanlage befand, sowie für den unter dieser Dachfläche gelegenen Gebäudeteil (“Scheune”).
Die Sache ist nicht spruchreif.

Das FG hat die Klägerin in Bezug auf das Vorhalten des Gerüsts für die Arbeiten an der Photovoltaikanlage als gesonderte eigenständige Leistung zu Recht in vollem Umfang als zum Vorsteuerabzug berechtigt angesehen.

Das FG hat im Übrigen aber § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG unzutreffend angewendet und aufgrund der nur teilweisen Erfassung des Gebäudes eine unternehmerische Nutzung von 11,6 % ermittelt. Zwar ist bei der gebotenen Einbeziehung des gesamten Gebäudes eine deutliche Unterschreitung der Mindestnutzungsgrenze von 10 % zu erwarten. Hierzu hat das FG indes keine Feststellungen getroffen, die somit nachzuholen sind.
nach den im zweiten Rechtsgang zu treffenden Feststellungen § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG einem Vorsteuerabzug nicht entgegenstehen, wird das FG zudem zu berücksichtigen haben, dass die von ihm bislang angenommene Möglichkeit einer Zuordnung nicht in Betracht kommt.

Zwar kann der Unternehmer einen teilweise unternehmerisch und teilweise privat genutzten Gegenstand in vollem Umfang seinem Unternehmen zuordnen.
Dabei kommt eine Zuordnung auch unter Beachtung der Einschränkung des Zuordnungswahlrechts auf die Herstellung und Anschaffung von Gegenständen in Abgrenzung zu sonstigen Leistungen in Betracht, da es im Streitfall um die Zuordnung bei einem durch Werklieferung erneuerten Gegenstand geht.

Zu beachten ist hingegen, dass sich das Recht der Klägerin an dem Gebäude als dem durch die Werklieferung ertüchtigten Gegenstand auf die Anmietung einer Teilfläche des Daches beschränkte. Eine weitergehende Zuordnung von Gebäudeteilen –sei es auf, sei es unter dem Dach– wurde durch die nur eingeschränkte Anmietung ausgeschlossen. Hier greift der Zweck des Zuordnungswahlrechts nicht ein. Denn mit diesem Wahlrecht soll aus Gründen der steuerrechtlichen Neutralität verhindert werden, dass bei einer zunächst teilweise privaten, später aber weitergehenden unternehmerischen Nutzung eines Gegenstandes eine Mehrwertsteuerbelastung aus dem Erwerb oder der Herstellung des Gegenstandes verbleibt.
Damit erübrigt sich auch die vom FG als entscheidungserheblich beurteilte Frage nach der Steuerbarkeit einer Verwendungsentnahme gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG.

Nicht zu beanstanden ist demgegenüber, dass das FG im Hinblick auf die Besonderheiten des Streitfalls wie die fehlende Sanierungsbedürftigkeit des Dachs nicht von einer Einbeziehung der Dachsanierung in einem tauschähnlichen Umsatz mit dem Vermieter ausgegangen ist

Biogasanlage in der Umsatzsteuer

Übergibt ein Landwirt dem Betreiber einer Biogasanlage aufgrund einer zwischen beiden geschlossenen Vereinbarung Biomasse, die im Eigentum des Landwirts verbleibt und lediglich zur Gewinnung von Biogas genutzt wird, so erfüllt die Rückgabe der verbleibenden Pflanzenreste an den Landwirt mangels einer Zuwendung nicht die Voraussetzungen einer Besteuerung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG.
Steht von vornherein fest, dass der Abnehmer einen Teil der übergebenen Biomasse wieder zurückgeben muss, beschränkt sich der wesentliche wirtschaftliche Zweck der Lieferung auf das dem Abnehmer nach dem Inhalt der Leistungsvereinbarungen verbleibende Biogas.

BFH Urteil vom 10.08.2017 – VR 3/16 BFH/NV 2017, 1575

Sachverhalt:

Die Beteiligten streiten darum, ob die Rückführung von Biomassesubstanz nach einer Biogasherstellung eine als Lieferung gegen Entgelt gleichgestellte unentgeltliche Zuwendung ist.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Rechtsnachfolgerin der Firma H-KG und setzt als solche den Betrieb der Biogasanlage fort. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin ging durch Gründung zum 1. September 2008 aus dem bestehenden Einzelunternehmen des Kommanditisten K.H. hervor. Die Biomasse zur Biogaserzeugung erwirbt die Klägerin von der H-GbR, welche die Biomasse wiederum zuvor von der K. H. Landwirtschaft (KHL) bezog. Die bei der Produktion des Biogases anfallenden Gärreste wurden an die KHL zurückgegeben. Grundlage war die “Vereinbarung über die Lieferung von Energie in Biomasse” zwischen der KHL, der H-GbR sowie der H-KG vom 28. August 2008.
Nach dieser Vereinbarung waren “die Vertragsparteien… sich einig, dass die Lieferung seitens der KHL nur eine Gehaltslieferung darstellt. Das heißt konkret, dass die Biomassesubstanz im Eigentum der KHL verbleibt und die Lieferung ausschließlich in Form von Kohlenwasserstoffverbindungen zwecks energetischer Nutzung die H-KG betrifft. Die Biomassesubstanz kommt nach energetischer Verwertung zur KHL zurück”.

Im Frühjahr 2011 fand bei der H-KG eine Außenprüfung statt. Dabei war die Prüferin der Auffassung, dass die H-KG die bei der Biogaserzeugung anfallenden Gärreste (Biomassesubstanz) der KHL unentgeltlich überlassen habe und deshalb als Zuwendungen zu versteuern seien. Im Verhältnis H-KG zur H-GbR liege keine Gehaltslieferung nach § 3 Abs. 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vor. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) folgte dem und änderte die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 2008 und 2009 (Streitjahre) mit Bescheiden vom 31. August 2011. Dabei setzte es für die mit den Gärresten ausgeführten Umsätze im Jahr 2008 einen Betrag in Höhe von 10.164 EUR und im Jahr 2009 einen Betrag von 31.962 EUR an. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 324 veröffentlichten Urteil statt. Nur die in Biogas durch Fermentation umgewandelten Inhaltsstoffe der Pflanzensubstrate seien Gegenstand der Lieferung gewesen, da die nichtgenutzten Gärreste an die KHL zurückgegeben worden seien. Dies sei auch von vornherein ohne gesondertes Entgelt verbindlich vereinbart worden.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das FG habe bei seiner Entscheidung verfahrensfehlerhaft gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen (§ 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Denn maßgeblich für die Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage sei neben der schriftlichen Vereinbarung auch der Inhalt der vorgelegten Rechnungen –u.a. vom 31. Dezember 2008–, wonach es sich um eine “Lieferung von Biomasse” handele und nicht um die “Lieferung von Energie in Biomasse”, worauf sich der Vertrag vom 28. August 2008 beziehe. Diese schriftliche Vereinbarung entspreche auch nicht den üblichen inhaltlichen Vorgaben in “Musterverträgen” zur Herstellung von Biogas bei von vornherein vereinbarter Rückführung der Biomasse an den Landwirt. Überdies habe das FG zu Unrecht angenommen, dass das später gewonnene Methangas bereits in den gelieferten Pflanzensubstraten enthalten gewesen sei. Vielmehr sei es erst später infolge von Gärungsprozessen entstanden, so dass es nicht körperlicher Bestandteil des Liefergegenstandes gewesen sei, wie dies die Regelung in § 3 Abs. 5 UStG voraussetze.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Begründung:

Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht die Rückführung der Biomassesubstanz nach Herstellung des Biogases an die KHL nicht der Besteuerung unterworfen.

Die Rückgabe der Gärreste an die KHL erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG.Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG (Art. 16 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem –MwStSystRL–) wird unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt.

Im Streitfall fehlt es schon an einer Zuwendung der Biomassesubstanz. Denn nach der vertraglichen Vereinbarung vom 28. August 2008 hat die H-KG der KHL keinen Vermögensvorteil verschafft, indem sie ihr die Gärreste nach Abschluss der Biogasproduktion überließ. Die Biomassesubstanz sollte von vornherein im Eigentum der KHL verbleiben. Die H-KG durfte sie zur Energieerzeugung lediglich nutzen und musste sie nach der energetischen Verwertung der KHL zurückgeben.
Nichts anderes ergibt sich aus § 3 Abs. 5 UStG. Danach beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben, wenn ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben hat. Umgekehrt folgt daraus: Die Rückgabe der Abfälle oder Nebenerzeugnisse (hier die Gärreste oder die Biomasse) führt weder zu einer Zuwendung noch zu einer Lieferung.

Das gilt auch dann, wenn man bei der Auslegung dieser, so im Unionsrecht nicht ausdrücklich vorgesehenen Vorschrift, den Liefergegenstand im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers nach dem wirtschaftlichen Zweck bestimmt. Steht von vornherein fest, dass der Abnehmer einen Teil der übergebenen Biomasse wieder zurückgeben muss, beschränkt sich der wesentliche wirtschaftliche Zweck der Lieferung auf den dem Abnehmer nach Inhalt der Leistungsvereinbarungen verbleibenden Teil, hier auf den Gehalt oder den Extrakt, also auf das Biogas.
Diesen Maßstäben genügt die Vorentscheidung. Das FG hat im Streitfall zutreffend hervorgehoben, dass nach der tatsächlich durchgeführten Vereinbarung der Beteiligten vom 28. August 2008 entsprechend den bei der Herstellung von Biogas in der Landwirtschaft regelmäßig stattfindenden Geschehensabläufen die Substanz der Biomasse im Anschluss an die Verwendung zur Herstellung von Gas von vornherein nicht Gegenstand der Lieferung sein sollte. Gegenstand der Lieferung seien nur die in Biogas durch Fermentation umgewandelten Inhaltsstoffe als Bestandteile der Pflanzensubstrate gewesen, da die nichtgenutzten Gärreste als Nebenerzeugnisse an die KHL zurückgegeben worden seien.

Diesem Ergebnis kann nicht entgegengehalten werden, eine Gehaltslieferung sei nicht gegeben, weil keine “Nämlichkeit” im Sinne bloßer Trennbarkeit der Inhaltsstoffe, wie etwa bei der Zuckergewinnung aus Zuckerrüben gegeben sei. Denn auch das Biogas wird –worauf es entscheidend ankommt– aus den Pflanzensubstraten selbst gewonnen.
Das angefochtene Urteil ist nicht wegen Verfahrensfehlern aufzuheben. Der vom FA hervorgehobene Verfahrensfehler liegt nicht vor. Das FG hat den dem Streitfall zugrunde liegenden entscheidungserheblichen Sachverhalt entsprechend den Vorgaben des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO vollständig berücksichtigt; es hat ihn lediglich anders als das FA rechtlich gewürdigt.

Zum Vorsteuerabzug einer Gemeinde aus den Herstellungskosten einer Sporthalle

Eine Gemeinde ist zum teilweisen Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten einer Sporthalle, die sie (auch) Vereinen gegen eine nicht kostendeckende Nutzungspauschale überlässt, berechtigt, wenn die Prüfung aller Umstände ergibt, dass der für eine wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinde erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen Nutzungsüberlassung und Entgelt nicht gelöst ist.
Bei einer defizitären Leistungstätigkeit von Gemeinden im Rahmen der Daseinsvorsorge ist die Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG grundsätzlich nicht (entsprechend) anwendbar.

BFH Urteil von 28.06.2017 – XI R 12/15 BFH/NV 2017, 1400

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Stadt, errichtete von 2010 bis 2014 eine Sporthalle mit angrenzender Gaststätte. Die Herstellungskosten der Sporthalle betrugen brutto… EUR.
Die vier Hallenteile umfassende Sporthalle sollte nach ihrer Fertigstellung für Zwecke des Schulsports genutzt werden. Zudem beabsichtige die Klägerin, die Sporthalle daneben auch an Vereine für Zwecke des Erwachsenensports zu überlassen.

Die Klägerin hat die Überlassung aller ihrer Sport- und Mehrzweckhallen in einer Entgeltordnung vom 14. Dezember 2005 geregelt. Danach erhebt die Klägerin für die Inanspruchnahme von Sport- und Mehrzweckhallen für den Übungs-, Trainings- und Schulungsbetrieb im Erwachsenensport –was auch für die Überlassung der hier in Rede stehenden Sporthalle an Vereine gilt– zur teilweisen Deckung der Betriebskosten eine Nutzungspauschale in Höhe von 1,50 EUR je Stunde und Hallenteil. Die Nutzungspauschale wird auf Grundlage der jeweils mit den Vereinen privatrechtlich vereinbarten Hallenbuchung (Belegungspläne) berechnet. Die Abrechnung erfolgt zweimal jährlich im Voraus. Für allgemeine Veranstaltungen der Vereine werden dagegen 0,25 EUR/qm, für kommerzielle Veranstaltungen allgemeiner Art (Veranstaltung von Wirtschaft, Handel und Verkehr) 1 EUR/qm und für kommerzielle Veranstaltungen besonderer Art (Tanz-, Show- und ähnliche Veranstaltungen von Privatpersonen oder privaten Interessengruppen) 2 EUR/qm sowie Zuschläge für Sonderleistungen und Nebenkosten erhoben.

Nach Angaben der Klägerin wird bei der Überlassung der den Streitfall betreffenden Sporthalle an Vereine ein Kostendeckungsgrad von 12,03 % erzielt.
Die Überlassung der Sporthalle an Vereine entspricht –was zwischen den Beteiligten nicht mehr im Streit steht– einem zeitlichen Nutzungsanteil von 14,29 %.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) lehnte den von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten der Sporthalle –soweit er anteilig auf die Überlassung der Sporthalle an die Vereine entfiel– in den Umsatzsteuerbescheiden für 2010 bis 2012 (Streitjahre) ab. Die Einsprüche der Klägerin blieben erfolglos.
Die Klage, mit der die Klägerin (zuletzt) den Abzug weiterer Vorsteuerbeträge in Höhe von… EUR (2010),… EUR (2011) und… EUR (2012) begehrte, hatte Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte in seinem Urteil im Wesentlichen aus, die Klägerin habe in den Streitjahren beabsichtigt, durch die künftige Überlassung der Sporthalle auf privatrechtlicher Grundlage gegen Entgelt eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben.

Die Hallenüberlassung habe nicht unentgeltlich erfolgen sollen. Ob das Entgelt dem Wert der Leistung entspreche, sei für das Vorliegen eines Leistungsaustauschs unerheblich. Maßgeblich für die Annahme eines Leistungsaustauschs sei lediglich, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe. Dies sei vorliegend der Fall, da die Nutzungspauschale in Höhe von 1,50 EUR je Stunde und Hallenteil für die Hallenüberlassung, nicht allein für die Betriebskosten erbracht worden sei. Die Gegenleistung sei auch nicht derart von der Hauptleistung abgekoppelt, dass es an der erforderlichen Unmittelbarkeit zwischen Leistung und Gegenleistung fehle (Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union –EuGH– Kommission/Finnland vom 29. Oktober 2009 C-246/08, EU:C:2009:671, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2010, 224). Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn die Bemessung des Entgelts vom Vermögen des Leistungsempfängers abhinge und ein Entgelt hierdurch eher den Charakter einer Gebühr erhielte. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die Gegenleistung in der Anzahl der gebuchten Stunden bestehe und von jedem Verein in gleicher Höhe geleistet werde. Die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs sei auch nicht rechtsmissbräuchlich.

Die Klägerin habe zudem die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht der Verwendung für steuerpflichtige Umsätze bei Leistungsbezug nachweisen können. Die Überlassung von Sportanlagen sei weder nach § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei noch stehe im Streitfall eine mögliche Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) dem Vorsteuerabzug der Klägerin entgegen.
Die Aufteilung des Vorsteuerabzugs aus den von der Klägerin zugleich für ihre beabsichtigte wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Tätigkeit bezogenen Leistungen ergebe sich vorliegend aus der in der mündlichen Verhandlung getroffenen tatsächlichen Verständigung der Beteiligten über die geplanten zeitlichen Nutzungsanteile der Sporthalle. Die Beteiligten hätten anhand der geplanten zeitlichen Nutzungsanteile die Aufteilung des Vorsteuerabzugs vorgenommen und einen objektiv nachvollziehbaren entgeltlichen Anteil von 14,29 % festgestellt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung formellen und materiellen Rechts.Das FG habe den anteiligen Vorsteuerabzug aus den Planungs- und Baukosten der Sporthalle zu Unrecht gewährt. Die beabsichtigte (und ab dem Jahr 2014 erfolgte) Überlassung der Sporthalle an Vereine sei unentgeltlich gewesen. Die Klägerin habe nach ihrer Entgeltordnung vom 14. Dezember 2005 nur ein nicht kostendeckendes, symbolisches Entgelt für die durch die zusätzliche Nutzung der Sporthalle entstehenden Betriebskosten erheben wollen (und später erhoben).
Der von der Klägerin ermittelte Kostendeckungsgrad von 12,03 % sei unzutreffend. Er liege bei 2,07 %; unter Berücksichtigung der die Nutzungspauschale übersteigenden zusätzlichen Verbrauchskosten sogar bei 0 %. Das FA weist auf die EuGH-Urteile Gemeente Borsele vom 12. Mai 2016 C-520/14 hin und sieht sich durch die dortigen Ausführungen in seiner Rechtsansicht bestätigt.
EuGH und BFH verneinten schon bei einer geringen Kostendeckung die wirtschaftliche Tätigkeit einer juristischen Peron des öffentlichen Rechts. Im Übrigen sei die Unmittelbarkeit von Leistung und Gegenleistung vorliegend nur scheinbar, weil es sich bei dem Entgelt, das die Klägerin von den Vereinen habe erheben wollen und später erhoben habe, um ein Steuerungsinstrument für die gleichmäßige Hallenbelegung handele.

Das FA bestreitet mit Schriftsatz vom 17. Mai 2017 erstmals, dass das von der Klägerin erhobene Entgelt für die Überlassung der Sport- und Mehrzweckhallen allgemein üblich und angemessen sei, und rügt insoweit einen Verstoß des FG gegen seine Sachverhaltsermittlungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Klägerin habe außerdem mit der annähernd kostenfreien Überlassung der Sporthalle für Zwecke des Vereinssports in ihrer Gemeinde keine Leistungen “auf einem allgemeinen Markt” erbracht.
Falls dennoch eine wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin angenommen werde, sei die sogenannte Mindestbemessungsgrundlage i.S. des § 10 Abs. 5 UStG entsprechend anzuwenden, weil die Bürger einer Stadt und die ortsansässigen Vereine als “nahestehende Personen” i.S. dieser Vorschrift anzusehen seien.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie verteidigt die Vorentscheidung und legt im Einzelnen dar, dass es sich bei der Überlassung der Sporthalle an Vereine um eine einheitliche (steuerpflichtige) Leistung handele, die entgeltlich habe erbracht werden sollen und erbracht worden sei und die auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Gemeente Borsele (EU:C:2016:334, UR 2016, 520) als eine “wirtschaftliche Tätigkeit” zu qualifizieren sei.

Begründung:

Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin aufgrund ihrer in den Streitjahren objektiv belegten (und sodann verwirklichten) Absicht, die Sporthalle auf privatrechtlicher Grundlage gegen ein geringes Entgelt an Vereine zu überlassen, als Unternehmerin eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat und sie zum anteiligen Vorsteuerabzug aus den zur Errichtung dieser Halle bezogenen mit Mehrwertsteuer belasteten Eingangsleistungen berechtigt ist.

Der Unternehmer kann unter weiteren Voraussetzungen die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG). Das Vorsteuerabzugsrecht gilt auch für den Abzug der geschuldeten oder entrichteten Steuer für Investitionen, die –wie hier– für die Zwecke der noch erst beabsichtigten, das Abzugsrecht eröffnenden Umsätze getätigt werden, unter der Voraussetzung, dass die Erklärung, zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeiten aufnehmen zu wollen, in gutem Glauben abgegeben worden ist und durch objektive Anhaltspunkte belegt wird. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist u.a. die Steuer für Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG).
Die Klägerin hat als Unternehmerin i.S. von § 2 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 UStG a.F. gehandelt.

Eine juristische Person des öffentlichen Rechts wie die Klägerin war nach dem für die Streitjahre maßgebenden –unionsrechtskonform auszulegenden– § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG a.F. Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit auf privatrechtlicher Grundlage ausübte; erfolgte ihre Tätigkeit dagegen –anders als im Streitfall– auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, war sie nur Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Die (auch) für die Unternehmereigenschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gemäß Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 MwStSystRL (im nationalen Recht: nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen i.S. von § 2 Abs. 1 UStG) erforderliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit liegt nur vor, wenn –bezogen auf den Streitfall– die Klägerin mit der zunächst beabsichtigten und nachfolgend auch ausgeführten Überlassung der Sporthalle an Vereine entgeltliche Dienstleistungen i.S. von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL (im nationalen Recht: sonstige Leistungen gegen Entgelt i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) erbracht hat.
Eine Dienstleistung wird nur dann “gegen Entgelt” erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet.
Der Umstand, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit zu einem Preis unter oder über dem Selbstkostenpreis ausgeführt wird, ist unerheblich, wenn es darum geht, einen Umsatz als “entgeltlichen Umsatz” zu qualifizieren. Dieser Begriff setzt nämlich lediglich das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen und der Gegenleistung voraus, die der Steuerpflichtige tatsächlich erhalten hat.Maßgeblich ist allein das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen und der

Davon gehen auch beide mit der Umsatzsteuer befassten Senate des BFH in ständiger Rechtsprechung aus. Anhaltspunkte dafür, dass der V. Senat in seinem Urteil in BFHE 256, 557, UR 2017, 302 den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung als Voraussetzung für einen entgeltlichen Umsatz hätte entfallen lassen, sind –anders als das FA meint– nicht ersichtlich. Diese Voraussetzungen hat das FG zutreffend bejaht.

Die (beabsichtigte) Überlassung der Sporthalle an Vereine ist –was nicht im Streit steht– eine sonstige Leistung i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG. Diese Dienstleistung wurde –entgegen der vom FA vertretenen Ansicht– gegen Entgelt erbracht.

Das FG hat zu Recht erkannt, dass der erforderliche unmittelbare Zusammenhang vorliegend bereits durch die jeweils auf die konkrete Hallennutzung bezogenen privatrechtlichen Verträge zwischen der Klägerin einerseits und dem betreffenden Verein andererseits begründet wird. Nach seiner Würdigung des Sachverhalts haben die Vereine die Nutzungspauschale in Höhe von 1,50 EUR je Stunde und Hallenteil erbracht, um die Sporthalle nutzen zu können, nicht –wie das FA meint– nur zur anteiligen Deckung der Betriebskosten. Diese mit Verfahrensrügen nicht angegriffene tatsächliche Würdigung des FG ist verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und verstößt auch nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze. Sie ist für den BFH als Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO bindend, selbst wenn die Wertung des FG nicht zwingend, sondern lediglich möglich ist.
Danach sind zwar die Vermietung einer Immobilie und die Lieferung von u.a. Wasser, Elektrizität und Wärme, die diese Vermietung begleiten, grundsätzlich als mehrere unterschiedliche und unabhängige Leistungen anzusehen, die unter Mehrwertsteuergesichtspunkten getrennt zu beurteilen sind. Anders ist es, wenn gewisse Bestandteile des Umsatzes, einschließlich derer, die die wirtschaftliche Grundlage des Vertragsabschlusses bilden, so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Dies trifft auf die Überlassung der Sporthalle an Vereine einschließlich der Sportgeräte, mit denen diese ausgestattet ist, und den durch die zusätzliche Nutzung veranlassten Betriebskosten in Gestalt von Heizung, Wasser- und Stromverbrauch zu.
Der Unmittelbarkeit von Leistung und Gegenleistung stünde ferner nicht entgegen, dass das Entgelt –wie das FA behauptet– (nur) ein “Steuerungsinstrument” für die gleichmäßige Hallenbelegung sei. Denn selbst wenn dem so wäre, würde der erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen der von der Klägerin erbrachten Dienstleistung und der Gegenleistung nicht entfallen.
Dabei ergibt sich aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe, dass nach Auffassung des EuGH allein die von ihm. angesprochene “Asymmetrie” zwischen den Betriebskosten und den als Gegenleistung für die angebotenen Dienstleistungen erhaltenen Beträgen in Gestalt eines Kostendeckungsgrades von 3 % nicht ausreicht, um das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit auszuschließen und die Unternehmereigenschaft zu verneinen. Denn ansonsten wären die nachfolgenden Ausführungen überflüssig.

Der Senat führt aus, eine “Asymmetrie” zwischen den Betriebskosten und den als Gegenleistung für die angebotenen Dienstleistungen erhaltenen Beträgen “deute” darauf hin, dass kein Leistungsentgelt und auch keine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegen. Im Übrigen hat der V. Senat des BFH im vorgenannten Urteil den Gesichtspunkt der Asymmetrie “entsprechend dem EuGH-Urteil Gemeente Borsele” (EU:C:2016:334, UR 2016, 520) lediglich dem FG als Prüfauftrag im zweiten Rechtsgang aufgegeben (Rz 15). Dies spricht gleichfalls dafür, dass auch nach dessen Auffassung allein ein geringer Kostendeckungsgrad eine wirtschaftliche Tätigkeit nicht ausschließt.

Allerdings reicht das Vorliegen einer gegen Entgelt erbrachten Dienstleistung für die Feststellung einer wirtschaftlichen Tätigkeit i.S. von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 MwStSystRL (allein) nicht aus. Daher sind zweitens alle Umstände zu prüfen, unter denen die Tätigkeit erfolgt ist.

Der Vergleich zwischen den Umständen, unter denen der Betreffende die fragliche Dienstleistung erbringt, und den Umständen, unter denen eine derartige Dienstleistung gewöhnlich erbracht wird, kann eine der Methoden darstellen, mit denen geprüft werden kann, ob die betreffende Tätigkeit eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt. Daneben können weitere Gesichtspunkte, wie u.a. die Zahl der Kunden und die Höhe der Einnahmen, bei dieser Prüfung berücksichtigt werden.

Aus einer “Asymmetrie” zwischen den Betriebskosten und den als Gegenleistung für die angebotenen Dienstleistungen erhaltenen Beträgen folgt, dass –wie es der EuGH in seinem die Schülerbeförderung durch eine Gemeinde betreffenden Urteil Gemeente Borsele (EU:C:2016:334, UR 2016, 520, Rz 33) für Beiträge, die nur von einem Drittel der Nutzer gezahlt werden, und einem Kostendeckungsgrad von 3 % angenommen hat– es an einem tatsächlichen Zusammenhang zwischen dem gezahlten Betrag und der Erbringung der Dienstleistungen fehlt, um den Gegenwert als ein Entgelt für die Dienstleistung und damit diese als eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. von Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL ansehen zu können Ein solcher Unterschied zwischen den Betriebskosten und den als Gegenleistung für die angebotenen Dienstleistungen erhaltenen Beträgen “deutet darauf hin”, dass der Beitrag eher einer Gebühr als einem Entgelt gleichzusetzen ist
Hinsichtlich der Schülerbeförderung durch eine Gemeinde stellt der EuGH ferner darauf ab, ob die Gemeinde diese Leistungen auf dem allgemeinen Markt für Beförderungsleistungen anbietet oder selbst als Endverbraucher von Beförderungsleistungen in Erscheinung tritt, die sie bei Transportunternehmen, mit denen sie Vertragsbeziehungen hat, erwirbt und die sie den Eltern von Schülern im Rahmen der Daseinsvorsorge zur Verfügung stellt.

Die Gegebenheiten des Streitfalles, unter denen die Überlassung der Sporthalle erfolgen sollte und später erfolgt ist und deren Beurteilung dem nationalen Gericht obliegt stehen nach diesen
Grundsätzen einer wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin i.S. von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 MwStSystRL nicht entgegen.
Die wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin ist nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil das von ihr erhobene Entgelt nur einen geringen Teil der Kosten deckte. Der Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und dem zu entrichtenden Gegenwert weist im Streitfall die erforderliche Unmittelbarkeit auf, um diesen Gegenwert als ein Entgelt für diese Dienstleistung und damit diese als eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. von Art. 9 MwStSystRL ansehen zu können, weil die Leistung am allgemeinen Markt angeboten wird, das Entgelt marktüblich ist und von der tatsächlichen Nutzungsinanspruchnahme abhängt). Es kann deshalb im Streitfall dahinstehen, ob die Kostendeckungsquote –wie die Klägerin meint– bei 12,03 % liegt oder –was der Ansicht des FA entspricht– geringer ist.

Die Klägerin hat, wie schon aus der vom FG in Bezug genommenen Entgeltordnung zur Überlassung von Sport- und Mehrzweckhallen vom 14. Dezember 2005 folgt, auch mit der Überlassung der den Streitfall betreffenden Sporthalle an Vereine eine Leistung auf dem allgemeinen Markt angeboten. Sie tritt –anders als die Gemeinde im EuGH-Urteil Gemeente Borsele nicht nur selbst als Endverbraucher von auf dem allgemeinen Markt erworbenen Leistungen in Erscheinung, die sie im Rahmen der Daseinsvorsorge (ortsansässigen) Vereinen zur Verfügung stellt. Vorliegend hat die Klägerin eine Sporthalle errichtet, um diese neben dem Schulsport an Dritte gegen Entgelt zu überlassen. Insoweit entspricht ihre Tätigkeit nicht dem Bild eines Endverbrauchers, sondern dem eines am Markt teilnehmenden Unternehmers. Da es auf den Zweck der wirtschaftlichen Tätigkeit insoweit nicht ankommt, steht dem nicht entgegen, dass die annähernd kostenfreie Überlassung der Sporthalle vornehmlich Zwecken des Vereinssports (nur) in der Gemeinde dient.

Das von der Klägerin erhobene Entgelt in Höhe von 1,50 EUR je Stunde und Hallenteil ist –wie das FG für den Senat bindend i.S. von § 118 Abs. 2 FGO festgestellt hat– zudem angemessen und für (gemeindeeigene) Mehrzweckhallen allgemein üblich, entspricht der in den Nachbargemeinden durchgeführten Praxis und wird auch von der Gemeindeprüfungsanstalt nicht beanstandet. Die Bedingungen, unter denen die Klägerin ihre Dienstleistung erbringt, unterscheiden sich mithin nicht von denen, unter denen die Tätigkeit der Sporthallenüberlassung von Gemeinden üblicherweise vorgenommen wird.
Soweit das FA erstmals in seinem Schriftsatz vom 17. Mai 2017 die Verfahrensrüge erhebt, das FG habe unter Verletzung der ihm gemäß § 76 Abs. 1 FGO obliegenden Sachverhaltsermittlungspflicht nicht ermittelt, wie sich die Vermietungspraxis von gemeindeeigenen Mehrzweckhallen im Kreis X darstelle, ist diese Rüge bereits wegen ihrer nicht fristgerechten Erhebung unzulässig.
Das Revisionsgericht darf grundsätzlich nur solche Verfahrensrügen berücksichtigen, die innerhalb der –am 17. Mai 2017 bereits abgelaufenen– Revisionsbegründungsfrist in einer den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO genügenden Weise angebracht werden Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Außerdem ist im Streitfall die von dem jeweiligen Verein zu entrichtende Gegenleistung abhängig von der Anzahl der belegten Stunden und genutzten Hallenteile, so dass es vorliegend –wie schon die Vorentscheidung unter Hinweis auf das (im EuGH-Urteil Gemeente Borsele in Rz 33 zitierte) EuGH-Urteil Kommission/Finnland zutreffend erkannt hat– nicht an der erforderlichen Unmittelbarkeit zwischen Leistung und Gegenleistung fehlt.

Dagegen war nach dem Sachverhalt, der dem EuGH-Urteil Gemeente Borsele zugrunde lag, die Höhe des von den Eltern für die Schülerbeförderung jeweils zu entrichtenden Beitrags unabhängig von der Zahl der täglich zurückgelegten Kilometer, den Selbstkosten pro Fahrt und Schüler oder der Häufigkeit der Fahrten bemessen.
Das FG hat gleichfalls zu Recht erkannt, dass die stundenweise Überlassung von Sportanlagen nicht nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei ist und eine mögliche Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL dem Vorsteuerabzug nicht entgegensteht.
Die –wie hier– entgeltliche Überlassung einer Sporthalle ist grundsätzlich steuerpflichtig; denn die Überlassung von Sportanlagen ist nach der geänderten BFH-Rechtsprechung nicht gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei..

Eine mögliche Steuerfreiheit für “bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben” nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL steht im Streitfall dem Vorsteuerabzug der Klägerin nicht entgegen. Denn diese Steuerbefreiung wird im nationalen Recht gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG nur für sportliche Veranstaltungen umgesetzt. Eine derartige Veranstaltung liegt im Streitfall, bei dem sich die Klägerin nicht auf einen Anwendungsvorrang des Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSyStRL beruft, nicht vor.

Die Klägerin hat –wovon das FG gleichfalls zutreffend ausgegangen ist– ihre Absicht der Verwendung für steuerpflichtige Umsätze bereits bei der Errichtung der Sporthalle in den Jahren 2010 bis 2014 –und damit auch in den Streitjahren 2010 bis 2012– durch objektive Anhaltspunkte belegt. Wie sich aus ihrer Entgeltordnung vom 14. Dezember 2005 ergibt, überlässt sie ihre Sporthallen u.a. an Vereine zum Zwecke des Erwachsenensports gegen eine Nutzungspauschale in Höhe von 1,50 EUR je Stunde und Hallenteil. Die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs durch die Klägerin war auch nicht rechtsmissbräuchlich. Zwar kann der Vorsteuerabzug zur Vermeidung einer missbräuchlichen Praxis versagt werden
Allerdings hat das FG den Streitfall dahingehend gewürdigt, dass die Klägerin keinen Sachverhalt künstlich geschaffen hat, allein um sich einen Steuervorteil zu verschaffen. Diese Würdigung ist auf Grundlage der vom FG getroffenen, nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen, dass die Klägerin aufgrund außersteuerlicher Gesichtspunkte nicht berechtigt war, ein deutlich höheres oder auch den Betriebskosten entsprechendes Entgelt zu erheben, möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze; sie bindet daher nach § 118 Abs. 2 FGO den Senat..

Die sogenannte Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG ist entgegen der vom FA vertretenen Rechtsauffassung im Streitfall nicht (entsprechend) anzuwenden. Nach § 10 Abs. 5 UStG werden Lieferungen und sonstige Leistungen, die Körperschaften und Personenvereinigungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), nichtrechtsfähige Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehenden Personen sowie Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen ausführen (Nr. 1) sowie Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige aufgrund des Dienstverhältnisses ausführt (Nr. 2) nach der Bemessungsgrundlage des § 10 Abs. 4 UStG besteuert, wenn diese Bemessungsgrundlage das vereinbarte Entgelt (§ 10 Abs. 1 UStG) übersteigt.
Der im Streitfall allein in Betracht kommende § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG verweist nur auf Körperschaften und Personenvereinigungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KStG. Deshalb ist diese Vorschrift bei unternehmerischer Betätigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts, die in § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG genannt sind, nicht anwendbar, zumal die Nutzer kommunaler Einrichtungen keine “nahestehenden Personen” sind. Auch eine entsprechende Anwendung von § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG scheidet aus.
§ 10 Abs. 5 UStG stellt eine abweichende Sondermaßnahme i.S. des Art. 27 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) –nunmehr Art. 395 Abs. 1 MwStSystRL– dar. Die Vorschrift ist als abweichende nationale Maßnahme zur Verhütung von Steuerhinterziehungen und -umgehungen eng auszulegen und darf nur angewandt werden, soweit dies hierfür unbedingt erforderlich ist. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
Das FG hat in Auslegung irreversiblen Landesrechts (vgl. § 118 Abs. 1 FGO) festgestellt, da es sich bei der Sporthalle um eine öffentliche Einrichtung i.S. von § 10 Abs. 2 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg im Bereich der Daseinsvorsorge handele, sei die Klägerin verpflichtet, ihren Bürgern und Vereinen den Zugang zu verschaffen; das Entgelt dürfe einen vertretbaren Rahmen nicht überschreiten. Bei einer derartigen defizitären Leistungstätigkeit von Gemeinden ist die Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. auch Probst in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 10 Rz 403; Lippross, UR 2010, 214, 216 f.); das gilt jedenfalls dann, wenn wie im Streitfall keine Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung oder -umgehung bestehen.

Überdies durfte auch bereits in den Streitjahren 2010 bis 2012 (vor Inkrafttreten der entsprechenden Regelung in § 10 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 UStG) ein Umsatz nicht gemäß § 10 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 UStG bemessen werden, wenn das vereinbarte niedrigere Entgelt –wie nach den bindenden Feststellungen des FG im Streitfall– marktüblich ist

Umsatzsteuerrechtliche Gleichbehandlung von Pharmarabatten

Abschläge pharmazeutischer Unternehmer nach § 1 AMRabG mindern die Bemessungsgrundlage für die gelieferten Arzneimittel (Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG vom 20. Dezember 2017 C-462/16, EU:C:2017:1006).
BFH Urteil Urteil vom 8.2.2018 V R 42/15

Begründung:
Rabatte, die Pharmaunternehmen für die Lieferung von Arzneimitteln zu gewähren haben, mindern umsatzsteuerrechtlich die Steuerschuld der Pharmaunternehmen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob es sich um eine Lieferung für gesetzlich oder privat krankenversicherte Personen handelt, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 8. Februar 2018 V R 42/15 entschieden hat.
Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen, das Arzneimittel herstellt und sie steuerpflichtig über Großhändler an Apotheken liefert. Diese geben die Arzneimittel an gesetzlich Krankenversicherte ab. Die Arzneimittel werden an die Krankenkassen geliefert und von diesen ihren Versicherten zur Verfügung gestellt. Die Apotheken gewähren den Krankenkassen einen Abschlag auf den Arzneimittelpreis. Die Klägerin muss den Apotheken diesen Abschlag nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften erstatten. Die Finanzverwaltung behandelt den Abschlag umsatzsteuerrechtlich als Entgeltminderung. Dies führt zu einer Minderung der von der Klägerin geschuldeten Umsatzsteuer.

Arzneimittel für privat Krankenversicherte geben die Apotheken aufgrund von Einzelverträgen mit diesen Personen ab. Das Unternehmen der privaten Krankenversicherung ist dabei nicht selbst Abnehmer der Arzneimittel, sondern erstattet die ihren Versicherten entstandenen Kosten. Auch in diesem Fall muss die Klägerin dem Unternehmen der privaten Krankenversicherung einen Abschlag auf den Arzneimittelpreis gewähren. Dies beruht auf § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel vom 22. Dezember 2010 (AMRabG). Danach haben die pharmazeutischen Unternehmer den Unternehmen der privaten Krankenversicherung und den Trägern der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften (Beihilfeträgern) für verschreibungspflichtige Arzneimittel, deren Kosten diese ganz oder teilweise erstattet haben, nach dem Anteil der Kostentragung Abschläge entsprechend den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zu gewähren.

Die Klägerin macht auch für die nach § 1 AMRabG gewährten Rabatte eine Entgeltminderung und damit eine Minderung ihrer Steuerschuld geltend. Das Finanzamt verweigerte sich dem entsprechend einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 14. November 2012 (BStBl I 2012, 1170, unter I.2.). Die Entgeltminderung aufgrund eines Rabatts setze eine Lieferkette voraus, die zwischen dem Rabattgewährenden und dem Rabattempfänger bestehen müsse. Diese liege nur im Fall der Rabattgewährung an die gesetzlichen Krankenkassen vor, nicht aber auch bei der Rabattgewährung an die Unternehmen der privaten Krankenversicherung und an Beihilfeträger, da die Lieferkette hier bei der privat krankenversicherten Person ende.

Im Revisionsverfahren richtete der BFH ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Auslegung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, das der EuGH durch das Urteil Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG vom 20. Dezember 2017 C-462/16 (EU:C:2017:1006) beantwortete.
Auf der Grundlage dieses EuGH-Urteils hat jetzt der BFH entschieden, dass auch die Abschläge pharmazeutischer Unternehmer nach § 1 AMRabG die Bemessungsgrundlage für die gelieferten Arzneimittel mindern. Damit kommt es zu einer Gleichbehandlung bei der Rabattgewährung an gesetzliche Krankenkassen einerseits und an Unternehmen der privaten Krankenversicherung sowie den diesen gleichgestellten Beihilfeträgern andererseits.

Vorsteuerabzug bei gemischter Nutzung eines Marktplatzes

Verwendet eine Stadt ihren Marktplatz sowohl für wirtschaftliche wie auch für hoheitliche Zwecke, kann sie diesen nicht in vollem Umfang ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zuordnen und ist deshalb nur anteilig zum Vorsteuerabzug berechtigt.

BFH Urteil vom 03.08.2017 – V R 62/16 BFH/NV 2018, 301

Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten um den Vorsteuerabzug aus den Kosten für die Errichtung und Gestaltung eines sog. Marktplatzes durch die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin). Klägerin ist die Stadt X. Diese erhielt bereits im Jahre … die staatliche Anerkennung als Heilbad und das Recht, die Bezeichnung “Bad” im Stadtnamen zu führen.
In den Streitjahren (2009 und 2010) errichtete die Klägerin in der Stadtmitte auf dem Gelände eines ehemaligen Supermarktes einen als “Marktplatz” bezeichneten Platz, bestehend aus einer Bühnenanlage mit Zuschauertribüne, Ruhebänken sowie einem Geräte- und Abstellraum. Weiterhin wurden Basaltsäulen errichtet und Hinweistafeln angebracht, die über die Bedeutung des Badeortes im Hinblick auf die Lehren, Therapien und… informieren. Schließlich ließ die Klägerin einen Wasserlauf mit zwei Brunnen erstellen, den Platz entsprechend befestigen, gärtnerisch gestalten und teilweise umzäunen. Im Zuge der Baumaßnahmen wurde auf dem an den Marktplatz angrenzenden Kurpark eine öffentliche Toilettenanlage errichtet.

Nach Abschluss der Baumaßnahmen (Frühjahr 2010) wurde der Marktplatz im Rahmen eines Bürgerfestes am … eingeweiht. In ihren am 9. September 2011 (Umsatzsteuer 2009) und 27. Juli 2012 (Umsatzsteuer 2010) eingereichten Umsatzsteuererklärungen machte die Klägerin den Abzug der auf die Umbaukosten für den Marktplatz in 2009 (120.541,65 EUR) und in 2010 (10.462,34 EUR) entfallenen Vorsteuerbeträge geltend.

Nach den Feststellungen einer die Streitjahre betreffenden Umsatzsteuer-Sonderprüfung wurde der Platz in den Sommermonaten 2010 für die Ausrichtung eines Weinfestes, für “public viewing” zur Fußballweltmeisterschaft 2010 sowie für verschiedene Open-Air-Konzerte mit freiem Eintritt genutzt, nicht aber für Zwecke des –jeweils am Dienstag an anderer Stelle stattfindenden– Wochenmarktes. Hieraus folgerte der Prüfer, dass der Marktplatz nicht für eine steuerpflichtige wirtschaftliche Tätigkeit (Kurbetrieb der Klägerin) verwendet werde und deshalb kein Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehe.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) schloss sich dieser Auffassung an und versagte mit den Umsatzsteuerbescheiden vom 3. Januar 2012 (2009) sowie vom 26. November 2012 (2010) den Vorsteuerabzug für die Kosten des Marktplatzes. Die dagegen eingelegten Einsprüche wies das FA im Wesentlichen als unbegründet zurück; lediglich für das Jahr 2009 wurden weitere Vorsteuerbeträge von 1.870,45 EUR zum Abzug zugelassen. Diese betreffen die Anschaffung und Anbringung von einzelnen Wirtschaftsgütern, die dem Betrieb gewerblicher Art “Kurverwaltung” dienten bzw. in einem objektiven wirtschaftlichen Zusammenhang mit diesem stünden (Basaltsäulen, Symbole, Infotafel, Colortafel).

Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 244 veröffentlichten Urteil ab. Nach den Feststellungen des FG wurde der Platz sowohl von Kurgästen (gegen Kurbeitrag) als auch von Nicht-Kurgästen (unentgeltlich) und damit “gemischt” genutzt. Der unternehmerische Bereich der Klägerin (Kurverwaltung) beinhalte das Bereitstellen von Einrichtungen des Fremdenverkehrs gegen die Entrichtung von Kurbeiträgen. Daneben sei die Klägerin im Rahmen der ihr obliegenden öffentlichen Aufgaben als Straßenbaulastträger (Errichtung von Straßen und Plätzen zur allgemeinen Nutzung) hoheitlich tätig geworden. Dieses Tätigwerden vollziehe sich innerhalb des nichtunternehmerischen Bereichs. Der Marktplatz stelle eine allgemeine und kostenfrei von “jedermann” nutzbare städtische Einrichtung dar. Da der Platz öffentlich zugänglich sei, werde er auch von den einheimischen Bewohnern sowie sonstigen Besuchern der Gemeinde (Tagestouristen) besucht.

Der Vorsteuerabzug scheide bereits mangels rechtzeitiger Dokumentation der Zuordnungsentscheidung aus. Die Klägerin habe es unterlassen, bei Bezug der Eingangsleistungen eine Zuordnungsentscheidung zu treffen und diese in den bis 31. Mai 2010 bzw. 31. Mai 2011 abzugebenden Umsatzsteuererklärungen zu dokumentieren. Denn diese Steuererklärungen seien erst im September 2011 (2009) bzw. im Juli 2012 (2010) beim FA eingereicht worden.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts und trägt zur Begründung vor:
Das FG habe nicht berücksichtigt, dass ein Zuordnungswahlrecht bei nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten ausschließlich für den Sonderfall einer Privatentnahme bestehe. Da es sich bei der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin um eine Verwendung für Hoheitszwecke handele, sei sie, die Klägerin, zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Im Hinblick auf die gemischte Nutzung des Marktplatzes gelte das Aufteilungsgebot des § 15 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) analog. Danach sei der unternehmerische Nutzungsanteil im Wege einer sachgerechten und vom FA überprüfbaren Schätzung zu ermitteln.

Die geltend gemachten Vorsteuerbeträge könnten nicht berücksichtigt werden, weil die unternehmerische Verwendungsabsicht im Zeitpunkt des Leistungsbezugs nicht nachgewiesen worden sei. Es fehle an einem hinreichenden objektiven Zusammenhang der Nutzung des Marktplatzes im Rahmen des Betriebs gewerblicher Art “Kurbetrieb”. Der Kurbeitrag sei aufgrund der Neugestaltung des Marktplatzes nicht erhöht worden, obwohl es sich bei der Kurtaxe um eine Kommunalabgabe eigener Art handele, die neben beitrags- auch gebührenrechtliche Merkmale aufweise und der Deckung des Aufwands diene, welcher der Gemeinde für die Herstellung und Unterhaltung von zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten Einrichtungen entstehe. Ein Nachweis, nach dem die Kalkulation des Kurbeitrags den Aufwand für die Herstellung oder Unterhaltung des Marktplatzes beinhalte, sei nicht vorgelegt worden.
Begründung:
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat den Vorsteuerabzug zu Unrecht mit der Begründung versagt, dass es an einer rechtzeitigen Dokumentation der Zuordnungsentscheidung fehle und damit § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 1 UStG verletzt. Der Senat kann mangels tatsächlicher Feststellungen die Sache nicht selbst entscheiden.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist (§ 15 Abs. 4 Satz 1 UStG).
Der Vorsteuerabzug erfordert –entgegen dem FG-Urteil– im Streitfall keine zeitnahe Dokumentation einer Zuordnungsentscheidung. Eine zeitnahe Zuordnungsentscheidung hat der Unternehmer für Zwecke des Vorsteuerabzugs nur dann zu treffen und zu dokumentieren, wenn ein Zuordnungswahlrecht besteht. Das Zuordnungswahlrecht besteht jedoch nicht für jede gemischte Nutzung eines Gegenstands, sondern nur für die gemischte Nutzung im Rahmen des “Sonderfalls einer Privatentnahme”, bei der ein Unternehmer den gemischt wirtschaftlich und privat verwendeten Gegenstand voll dem Unternehmen zuordnen und dann aufgrund der Unternehmenszuordnung in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigt sein kann.

Das FG geht davon aus, dass eine gemischte Nutzung des Marktplatzes vorliege, weil die Klägerin diesen Platz im Rahmen ihres Kurbetriebs unternehmerisch und im Rahmen ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgabe als Straßenbaulastträger (Errichtung von Straßen und Plätzen zur allgemeinen Nutzung) nichtunternehmerisch nutzt. In diesem Fall hat die Klägerin nicht die Möglichkeit, gemischt genutzte Gegenstände insgesamt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zuzuordnen, sondern kann den Vorsteuerabzug nur anteilig geltend machen. Anders ist es nur bei einer gemischten Verwendung für wirtschaftliche und private Zwecke. Private Zwecke in diesem Sinne sind nur Entnahmen für den privaten Bedarf des Unternehmers als natürliche Person und –unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens– für den privaten Bedarf seines Personals, nicht dagegen eine Verwendung für den Hoheitsbereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts.
Im Streitfall betrifft die weitere Verwendung des Marktplatzes den Hoheitsbereich der Klägerin und nicht deren private Zwecke, sodass ihr kein Wahlrecht zugunsten einer Zuordnung des gesamten Gegenstands zu ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zusteht und damit auch kein Zuordnungserfordernis besteht. Das Urteil des FG widerspricht den o.g. Rechtsprechungsgrundsätzen und ist daher aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Klägerin aus den Kosten für die Errichtung und Gestaltung des sog. Marktplatzes einen (anteiligen) Vorsteuerabzug geltend machen kann. Dieser könnte sowohl an der Unternehmereigenschaft der Klägerin als auch am Erfordernis eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz scheitern.

Der Unternehmer ist nach ständiger Senatsrechtsprechung zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeiten) zu verwenden beabsichtigt. Die bisherige Rechtsprechung des Senats geht zwar ebenso wie das Schrifttum davon aus, dass zu den Betrieben gewerblicher Art auch ein sog. Kurbetrieb gehören kann, d.h. die Überlassung von Kureinrichtungen gegen Entgelt in Gestalt von Kurbeiträgen oder Kurtaxen. Diese Rechtsprechung war jedoch im Hinblick auf den Verweis von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG auf § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) körperschaftsteuerrechtlich geprägt und berücksichtigte noch nicht den Einfluss des Unionsrechts auf die Auslegung des Begriffs “Betrieb gewerblicher Art” in § 2 Abs. 3 UStG.
Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche und damit nachhaltige Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeit) ausübt, die sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung heraushebt. Handelt sie dabei auf privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag, kommt es auf weitere Voraussetzungen nicht an. Handelt sie dagegen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, ist sie nur Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin den Kurbetrieb auf privatrechtlicher oder auf öffentlich-rechtlicher Grundlage betreibt. Sofern die im zweiten Rechtsgang nachzuholenden Feststellungen ergeben, dass die Klägerin auf öffentlich-rechtlicher Grundlage tätig wird, hängt ihre Unternehmereigenschaft davon ab, ob die Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. So verhält es sich nicht, wenn es aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen im Zeitpunkt der Erbringung der Leistungen durch den Staat ausgeschlossen ist, dass private Anbieter Leistungen auf den Markt bringen, die mit den staatlichen Leistungen im Wettbewerb stehen.

Kommt das FG hiernach zu dem Ergebnis, dass die Klägerin im Rahmen ihres Kurbetriebs unternehmerisch tätig wurde, hat es weiter zu prüfen, ob der begehrte Vorsteuerabzug am fehlenden Zusammenhang zwischen den Kosten für die Errichtung/Gestaltung des Marktplatzes und ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit (Kurbetrieb) scheitert.

Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der sog. Marktplatz (ganz oder teilweise) als öffentliche Straße oder Platz dem Allgemeingebrauch gewidmet wurde. Fehlt es an einer derartigen Widmung zum Allgemeingebrauch, ist festzustellen, ob es sich beim sog. Marktplatz um eine öffentliche Einrichtung i.S. von § 14 Abs. 2 der Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz handelt, die ausdrücklich oder zumindest konkludent der Öffentlichkeit zur Nutzung überlassen wurde. In diesem Falle wäre eine Sondernutzung des Marktplatzes durch Kurgäste dann ausgeschlossen, wenn diese den Marktplatz lediglich in Form des Betretens und Besichtigens und damit als Teil der Allgemeinheit nutzen. Gegen einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin könnte auch sprechen, dass nach den Ausführungen des FA im Revisionsverfahren die Neugestaltung des Marktplatzes keinerlei Einfluss auf die Höhe des Kurbeitrags hatte, obwohl dieser zur Deckung des Aufwands dienen soll, der für die Herstellung und Unterhaltung der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten Einrichtungen entsteht.

Kommt das FG im zweiten Rechtsgang zu der Auffassung, dass die Klägerin mit ihrem Kurbetrieb unternehmerisch tätig ist und die Aufwendungen für den Marktplatz in einem unmittelbaren und direkten Zusammenhang mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit stehen, liegt eine gemischte Tätigkeit i.S. von § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG vor, die zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.
Da die Klägerin bislang davon ausgegangen ist, dass die geltend gemachten Vorsteuerbeträge in voller Höhe abziehbar sind, indes allenfalls ein anteiliger Vorsteuerabzug in Betracht kommt, hat sie im zweiten Rechtsgang eine sachgerechte Schätzung des abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Dem FG obliegt sodann die Überprüfung der Schätzung auf ihre Sachgerechtigkeit.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ein prozentual geringfügiger Vorsteuerabzug nicht durch § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG ausgeschlossen wäre. Nach dieser Vorschrift gilt die Lieferung nicht als für das Unternehmen ausgeführt, wenn der Unternehmer den Gegenstand zu weniger als 10 % für sein Unternehmen nutzt.

Führt die sachgerechte Schätzung (vgl. 2.c) dazu, dass die Klägerin den Marktplatz ganz überwiegend zur Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben und damit nicht im Rahmen ihres Unternehmens (§ 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG und § 4 Abs. 5 KStG) verwendet, wäre der Vorsteuerabzug nach nationalem Recht ausgeschlossen, wenn der Anteil der Nutzung für den Kurbetrieb der Klägerin weniger als 10 % beträgt.