Übergang einer bestehenden Ansparabschreibung nach § 7g EStG a.F. im Wege der Gesamtrechtsnachfolge

Der Rechtsnachfolger wird zum “Steuerpflichtigen” i.S. des § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG a.F., wenn im Betrieb des Rechtsvorgängers eine Ansparabschreibung besteht und der Betrieb im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge auf den Rechtsnachfolger übergeht.

BFH Urteil vom 07.06.2015 – VIII R 23/14

Sachverhalt:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Auflösung einer im Rahmen einer GbR gebildeten Ansparabschreibung in der Gewinnermittlung des Einzelunternehmens des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) als einzig verbliebenem Gesellschafter der GbR.

Begründung

Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger die Betriebseinnahme, die anzusetzen ist, weil der von ihm im Streitjahr abgezogene Investitionsabzugsbetrag gemäß § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. rückgängig zu machen ist, nicht gemäß § 177 AO durch eine Gewinnminderung kompensieren kann. Denn er ist verpflichtet, in der Gewinnermittlung für das Streitjahr eine Betriebseinnahme aus der Auflösung der für den Feststellungszeitraum 2005 auf Ebene der GbR gemäß § 7g EStG a.F. gebildeten Ansparabschreibung anzusetzen.

Die Beteiligten und das FG gehen zutreffend davon aus, dass die vom Kläger in der Gewinnermittlung des Einzelunternehmens für das Streitjahr geltend gemachte Betriebsausgabe für “eine Existenzgründerrücklage gemäß § 7g a.F.” als Betriebsausgabe für die Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags gemäß § 7g Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG n.F. zu behandeln ist. Gemäß § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG n.F. ist, da das Wirtschaftsjahr des Klägers dem Kalenderjahr entspricht und im Streitjahr nach dem 17. August 2007 endet, für die Inanspruchnahme eines Betriebsausgabenabzugs gemäß § 7g EStG die Vorschrift i.d.F. durch das UntStRefG anzuwenden. Es ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig und bedarf keiner weiteren Vertiefung, dass der vom Kläger für das Streitjahr in Anspruch genommene Investitionsabzugsbetrag wieder rückgängig zu machen ist, weil der Kläger innerhalb des dreijährigen Investitionszeitraums keine Wirtschaftsgüter hergestellt oder angeschafft hat. Der zuvor bestandskräftig gewordene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 26. November 2009 kann gemäß § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG n.F. geändert werden.

Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger dieser Änderung nicht innerhalb des durch § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG n.F. i.V.m. § 351 AO eröffneten Änderungsrahmens gemäß § 177 AO entgegenhalten kann, er habe in der Gewinnermittlung für das Streitjahr fehlerhaft eine Betriebseinnahme aufgrund der Auflösung der bei der GbR für 2005 gebildeten Ansparrücklage gemäß § 7g EStG a.F. erfasst.

Für Ansparabschreibungen, die in vor dem 18. August 2007 endenden Wirtschaftsjahren gebildet wurden, gilt die Vorschrift des § 7g EStG gemäß § 52 Abs. 23 Satz 3 EStG n.F. in der bis zum 17. August 2007 geltenden Fassung weiter (§ 7g EStG a.F.). Die Frage, ob der Kläger zutreffend in seiner Gewinnermittlung die ursprünglich bei der GbR für den Veranlagungszeitraum 2005 gebildete Ansparabschreibung aufzulösen hat, ist daher gemäß § 7g EStG a.F. zu beurteilen.

Ermittelt der Steuerpflichtige den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, so sind gemäß § 7g Abs. 6 EStG a.F. die Abs. 3 bis 5 mit Ausnahme von Abs. 3 Nr. 1 mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die Bildung der Rücklage als Betriebsausgabe (Abzug) und ihre Auflösung als Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln ist; der Zeitraum zwischen Abzug und Zuschlag gilt als Zeitraum, in dem die Rücklage bestanden hat. “Steuerpflichtiger” in diesem Sinne ist bei Bildung der Ansparabschreibung in der Einnahmenüberschussrechnung einer Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) trotz des Transparenzprinzips die Personengesellschaft als.

Ist eine Rücklage am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden, so ist sie gemäß § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. zu diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen. Dass der zweijährige Investitionszeitraum für die bei der GbR für den Veranlagungszeitraum 2005 gebildete Rücklage ohne Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts verstrichen und damit die Rücklage spätestens mit Ablauf des Streitjahres aufzulösen ist, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Streitig ist im Wesentlichen, ob die noch bei der GbR für 2005 gebildete Rücklage mit dem Betrieb der GbR auf das Einzelunternehmen des Klägers übergegangen und daher vom Kläger aufzulösen ist.

Zur Auflösung verpflichtet ist im Grundsatz derjenige “Steuerpflichtige”, der im Fall der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG den Betriebsausgabenabzug für die Bildung der Rücklage in Anspruch genommen hat (§ 7g Abs. 6 EStG a.F.). Ein zur Auflösung der Rücklage gemäß § 7g Abs. 6 i.V.m. Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. verpflichteter “Steuerpflichtiger” ist jedoch nach der zutreffenden Würdigung des FG auch derjenige, auf den der Betrieb, in dem der Betriebsausgabenabzug für die Bildung der Rücklage in Anspruch genommen wurde, im Zeitraum zwischen Bildung und gesetzlichem Auflösungszeitpunkt im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergeht. Dies ist im Streitfall der Kläger, auf den der Betrieb der früheren GbR zum 1. April 2006 im Wege der Gesellschaftsübernahme übergegangen ist.

Haben die Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass die Gesellschaft von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird, wenn ein Gesellschafter ausscheidet, wächst bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters –soweit im Gesellschaftsvertrag für diesen Fall nichts Abweichendes geregelt ist– dem letzten verbleibenden Gesellschafter das Vermögen der GbR an, d.h. die Aktiva und Passiva gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf ihn über, ohne dass es eines Übertragungsaktes oder einer Übernahmeerklärung bedarf.

Eine solche Fortsetzungsklausel war nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) im Gesellschaftsvertrag der GbR für das Ausscheiden eines Gesellschafters aus der GbR als mehrgliedriger Gesellschaft und für das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus der GbR in Form eines Übernahmerechts des verbleibenden Gesellschafters vorgesehen. § 18 des Gesellschaftsvertrags der GbR bestimmte für den Fall des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters durch Kündigung ausdrücklich den Übergang der Aktiva und Passiva des Gesamthandsvermögens auf den verbleibenden Gesellschafter. Die Vereinbarung eines solchen Übernahmerechts verdrängt die bei Ausscheiden eines Gesellschafters ansonsten gesetzlich vorgesehene Auflösung der Gesellschaft (§ 731 BGB), da das Gesetzesrecht dispositiv ist.

Das FG hat für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) aus dem Abschluss der “Vereinbarung zur Gesellschaftsübernahme” vom 1. Februar 2006 und der “Ergänzenden Vereinbarung zur Gesellschaftsübernahme” vom 2. Februar 2006 zwischen dem Kläger und D geschlossen, dass auch diese vom Bestehen und dem Vollzug eines gesellschaftsvertraglich begründeten Übernahmerechts des Klägers ausgegangen sind und der Kläger dieses Recht im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen ausgeübt hat. Ihm hätte nach § 17 des Gesellschaftsvertrags alternativ die Möglichkeit der Anschlusskündigung zugestanden, um eine Liquidation der Gesellschaft herbeizuführen. Diesen Weg haben der Kläger und D aber nicht gewählt.

Die Gesamtrechtsnachfolge in alle Aktiva und Passiva des Betriebs der GbR bewirkte, dass diese in das Alleineigentum des Klägers übergegangen sind und die GbR vollbeendet worden ist.

Aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge in alle Aktiva und Passiva der GbR ist der Kläger auch steuerrechtlich in die Rechtsstellung der GbR eingetreten und gemäß § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. zur Auflösung der bei der GbR im Veranlagungszeitraum 2005 gebildeten und in 2006 nicht aufgelösten Ansparabschreibung im Streitjahr verpflichtet.

Für Ansparabschreibungen, die im Zeitpunkt einer Betriebsveräußerung bestehen, hat der BFH zwar mehrfach angenommen, diese seien zu diesem Zeitpunkt aufzulösen, da aufgrund der Veräußerung das zweite Wirtschaftsjahr des Investitionszeitraums i.S. des § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. abläuft. Bei der Einbringung eines Betriebs in eine Kapitalgesellschaft unter Ansatz der Teilwerte kann die aufnehmende Kapitalgesellschaft eine im Einzelunternehmen vorhandene Rücklage ebenfalls nicht fortführen, da gemäß § 22 Abs. 3 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) 2002 wie bei einer Betriebsveräußerung eine Einzelrechtsnachfolge vorliegt; die Rücklage ist vom Einbringenden als Teil des begünstigten Einbringungsgewinns.

Die Verpflichtung zur Auflösung folgt in beiden Sachverhalten daraus, dass die Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 ff. EStG a.F. auf den (konkreten) Betrieb bezogen ist und die geplante Investition, deretwegen die Ansparrücklage gebildet wurde, nicht mehr durchgeführt werden kann, wenn der Steuerpflichtige seinen Betrieb veräußert oder aufgibt. Die Ansparrücklage gemäß § 7g EStG a.F. kann grundsätzlich nicht “zurückbehalten” und auf einen anderen Betrieb des Steuerpflichtigen übertragen werden.

Für eine vor einer Einbringung bestehende Ansparabschreibung hat der Große Senat hingegen ausdrücklich anerkannt, diese gehe gemäß § 22 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 3 Satz 1 UmwStG 2002 bei Einbringung eines Betriebs in eine Kapitalgesellschaft zu Buchwerten auf diese über und könne fortgeführt werden, weil die aufnehmende Kapitalgesellschaft insoweit dem einbringenden Rechtsträger rechtlich nachfolge und in die bereits verwirklichten Besteuerungsmerkmale eintrete. Aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge kommt es –so der Große Senat des BFH– zu einer “Vereinigung” der Leistungsfähigkeit des ursprünglichen und des den Betrieb übernehmenden Rechtsträgers. Der Rechtsnachfolger folgt dem ursprünglichen Betriebsinhaber insoweit nach und wird zum “Steuerpflichtigen” i.S. des 7g Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG a.F. Dies gilt auch dann, wenn –wie hier– im Betrieb des Rechtsvorgängers (der GbR) eine Ansparabschreibung besteht und der Betrieb innerhalb des zweijährigen Investitionszeitraums im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge auf einen Rechtsnachfolger (hier: den Kläger) übergeht. Denn der Übergang eines Betriebs auf den Gesamtrechtsnachfolger weist bezogen auf § 7g EStG a.F. im Hinblick auf den Eintritt des Rechtsnachfolgers in die steuerlichen Rechtspositionen des Rechtsvorgängers keinen entscheidenden Unterschied zu einer Rechtsnachfolge des übernehmenden Rechtsträgers nach den einschlägigen umwandlungssteuerrechtlichen Regelungen auf (vgl. §§ 23 Abs. 1 i.V.m. 12 Abs. 3 UmwStG 2006).

Zwar hat der Große Senat des den Übergang einer gemäß § 7g EStG a.F. vor der Einbringung gebildeten Rücklage im Fall einer Buchwerteinbringung nur “für rechtmäßig gebildete Rücklagen” zugelassen. Nichts anderes kann aber für eine Ansparabschreibung gelten, die vor dem Betriebsübergang beim Rechtsvorgänger rechtswidrig gebildet und nicht aufgelöst worden ist, wenn die zugrundeliegenden Steuer- oder Feststellungsbescheide des Rechtsvorgängers –wie hier– bestandskräftig geworden und nicht mehr änderbar sind. Mit der Formulierung, es könnten nur “rechtmäßig gebildete Rücklagen” auf Grundlage einer umwandlungssteuerrechtlichen Rechtsnachfolge übergehen, wollte der Große Senat des BFH die Fallgruppe des Übergangs bestehender Ansparabschreibungen auf den Rechtsnachfolger zu der von ihm zu entscheidenden Fallgruppe abgrenzen, in der im Bildungsjahr der Ansparabschreibung beim Rechtsvorgänger angesichts einer bevorstehenden Buchwerteinbringung zu entscheiden ist, ob diese überhaupt gebildet werden darf. Er wollte jedoch nicht den Rechtssatz aufstellen, dass alle rechtswidrig gebildeten und im Zeitpunkt einer Buchwerteinbringung im eingebrachten Betrieb bestehenden Ansparabschreibungen nicht auf den Rechtsnachfolger übergehen können.

Es ist nicht erheblich, ob das Ausscheiden des D als Veräußerung seines Mitunternehmeranteils an den Kläger gegen eine gemischte Bar- und Sachwertabfindung gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG (so das FG) oder als Realteilung mit Spitzenausgleich (so die Kläger) gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 ff. EStG zu beurteilen ist. Selbst wenn dem Vorbringen der Kläger zu folgen und eine Realteilung der zweigliedrigen GbR mit Spitzenausgleich verwirklicht worden wäre, würde dies im Streitfall zu keinem anderen Ergebnis führen.

Die aus Sicht der Kläger anzunehmende Realteilung wäre im Streitfall aufgrund des vom Kläger ausgeübten Übernahmerechts ebenfalls mit einer Gesamtrechtsnachfolge des Klägers in die auf ihn übergehenden Wirtschaftsgüter und Rechtspositionen der GbR verbunden. Bei der Realteilung handelt es sich um eine besondere Form der Betriebsaufgabe. Die Annahme einer solchen Betriebsaufgabe auf Ebene der GbR könnte aber nicht die im Streitfall vom Kläger daneben bewusst herbeigeführte Gesamtrechtsnachfolge in den Betrieb und in die Rechtsposition der GbR für die bestehende Ansparabschreibung verdrängen und deren Übergang in den Betrieb des Klägers ausschließen.

Es ist schließlich für die Anwendung des § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. unerheblich, ob die bei der GbR für den Feststellungszeitraum 2005 im Wege des Betriebsausgabenabzugs gebildete Ansparabschreibung gemäß § 7g EStG a.F. zu Recht oder zu Unrecht gebildet wurde.

Die Möglichkeit, auch eine zu Unrecht gewährte Ansparabschreibung spätestens am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres (hier beim Kläger als Gesamtrechtsnachfolger) aufzulösen, folgt daraus, dass § 7g Abs. 4 EStG a.F. nicht zwischen der Auflösung einer zu Recht und einer zu Unrecht gebildeten Ansparabschreibung unterscheidet. Allerdings hängt die erfolgswirksame Auflösung der gesetzwidrig überhöht beanspruchten Ansparabschreibung davon ab, dass die Änderung der ursprünglichen, die Ansparabschreibung berücksichtigenden Steuerfestsetzung oder Gewinnfeststellung –wie hier bei der GbR für 2005– nach den allgemeinen Regeln der Bestandskraft ausgeschlossen ist. Die Rücklage ist, sofern sie am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden ist, zu “diesem Zeitpunkt” gewinnerhöhend aufzulösen.