Besteuerung im Abzugsverfahren bei im Ausland ansässigem Unternehmer, hier Haftungsvoraussetzungen für Umsatzsteuer

Ob ein im Ausland ansässiger Unternehmer im Inland eine Zweigniederlassung i.S. der §§ 51 und 54 UStDV innehat, bestimmt sich unter Beachtung des Grundsatzes der unionsrechtskonformen Auslegung u.a. danach, ob der Betreffende im Inland über eine feste Niederlassung verfügt, von wo aus die Dienstleistungen oder Umsätze bewirkt worden sind.

Der Begriff der festen Niederlassung verlangt einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht. Unerheblich ist insoweit, ob der betreffende Unternehmer im Inland eine im Handelsregister eingetragene Zweigstelle i.S. der Abgabenordnung innehatte.

 Lässt sich nicht feststellen, dass der betreffende Unternehmer im Inland eine feste Niederlassung innehatte und war deren Vorhandensein objektiv zweifelhaft, so haftet der Leistungsempfänger, sofern er ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, gem. § 55 UStDV für die von ihm gem. § 54 UStDV anzumeldende und abzuführende Steuer.

BFH Urteil vom 08.09.2010 – XI R 15/08 BFHNV 2011 S. 661f

Begründung:

Gemäß § 18 Abs. 8 Nr. 1 UStG i.V.m. §§ 51, 54 UStDV hat der Leistungsempfänger –sofern er ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist (§ 51 Abs. 2 Satz 1 UStDV)– "für Werklieferungen und sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers" die Steuer von der Gegenleistung einzubehalten, anzumelden und an das für ihn zuständige FA abzuführen. Nach § 55 UStDV haftet der Leistungsempfänger für die nach § 54 UStDV anzumeldende und abzuführende Steuer.

Ein im Ausland ansässiger Unternehmer ist gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 UStDV ein Unternehmer, der weder im Inland noch auf der Insel Helgoland oder in einem der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete einen Wohnsitz, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Zweigniederlassung hat.

In diesen Bestimmungen wird bei den Anknüpfungspunkten für eine Ansässigkeit u.a. auch darauf abgestellt, ob der Betreffende über eine "feste Niederlassung" verfügt, "von wo aus die Dienstleistung erbracht wird" oder "von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind". Den in § 51 Abs. 3 Satz 1 UStDV verwendeten Begriff "Zweigniederlassung" enthalten diese Bestimmungen nicht.

Nach einer auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) verlangt der Begriff der festen Niederlassung einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht. Im Hinblick auf das Transportwesen hat der EuGH zumindest ein Büro verlangt, in dem Verträge abgefasst und die Entscheidungen der täglichen Geschäftsführung getroffen werden können.

Nach diesen Vorgaben setzt die Annahme einer festen Niederlassung jedoch nicht voraus, dass eine Eintragung im Handelsregister vorliegt oder zumindest ein entsprechendes Bemühen darum nachgewiesen wird.

Sollte sich auch im zweiten Rechtsgang nicht feststellen lassen, dass I eine feste Niederlassung im Inland hatte, so dass sie ein im Ausland ansässiges Unternehmen war, und war das Vorhandensein einer festen Niederlassung –auch auf der Grundlage des im zweiten Rechtsgang festgestellten Sachverhalts– objektiv zweifelhaft, hätten die unionsrechtskonform ausgelegten Voraussetzungen der §§ 51 und 54 UStDV vorgelegen. In diesem Fall wäre die Inanspruchnahme der Klägerin als Haftungsschuldnerin gemäß § 55 UStDV und damit als Gesamtschuldnerin (§ 44 AO) auch unter Berücksichtigung der Grundsätze des BFH-Urteils in BFH/NV 2005, 1158 zulässig. Denn dann wäre die Klägerin auch gemäß Art. 21 der Richtlinie 77/388/EWG Steuerschuldnerin.

 

 

 

Unternehmerbenennung bei der Nullregelung (§ 51 UStDV)

Nach § 51 Abs. 1 Satz I UStDV hat der Leistungsempfänger für die Werklieferungen und die sonstigen Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers die Umsatzsteuer einzubehalten und abzuführen. Er haftet für diese Steuer (§ 55 UStDV).

Dies gilt aber nicht, wenn der Unternehmer keine Rechnung mit gesondertem Ausweis der Steuer erteilt hat, und der Leistungsempfänger im Fall des gesonderten Ausweises der Steuer den Vorsteuerabzug hinsichtlich dieser Steuer voll in Anspruch nehmen kann (sog. Nullregelung gemäß § 52 Abs. 2 UStDV).
Nach Auffassung des BFH gilt die Nullregelung nicht für die Fälle, bei denen keine Rechung ausgestellt wurde. In der ausgestellten Rechung muss die Leistung genau beschrieben sein, damit eindeutig und leicht nachprüfbar beurteilt werden kann, über welche Leistung abgerechnet worden ist.

Im Rahmen des Abzugsverfahrens kann aber darauf verzichtet werden, dass der in der Rechnung bezeichnete leistende Unternehmer eindeutig und leicht nachprüfbar ermittelt werden kann. Da die Steuer im Abzugsverfahren nicht beim Rechnungsaussteller und leistenden Unternehmer erhoben wird, hat seine leichte Identifizierbarkeit hier nicht die Bedeutung, die ihr im allgemeinen Besteuerungsverfahren zukommt.

( BFH Beschluss vom 18. Juli 2001-VB 198/00 BFH NV 2002 S.78ff.)
Anmerkung:

Werden Leistungen von einem ausländischen Unternehmer durchgeführt, so ist die Umsatzsteuer vom inländischen Leistungsempfänger einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen.

Wird in diesem Fall eine Rechung ausgestellt ohne Umsatzsteuer, so kann die sog. Nullregelung angewandt werden und die Einbehaltungspflicht fällt weg. In diesem Fall werden keine hohen Nachweise bei der Unternehmerbenennung angelegt.