Abgrenzung zwischen Bordellbetrieb und bloßer Zimmervermietung

Das Überlassen von Zimmern in einem Bordell ist keine Vermietungsleistung.
BFH Beschluss vom 07.02.2017-V B 48/16 BFH/NV 2017, 629
Sachverhalt:
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist die Rechtsnachfolgerin der am 10. Juni 2016 verstorbenen Frau X, die in einem bis zum 31. Juli 2005 gepachteten Gebäude ein Bordell betrieben und dazu Räume an Prostituierte überlassen hat. Nachdem die Klägerin ausschließlich Umsätze aus Zimmervermietung erklärte, gelangte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) zu der Rechtsauffassung, die Klägerin habe sämtliche Dienstleistungen erbracht und schätzte weitere Umsätze hinzu, sodass sich insgesamt (einschließlich der als Vermietungsleistung erklärter Umsätze) ein täglicher Umsatz in den Streitjahren 2004 und 2005 von 90 EUR pro Prostituierter ergab.
Begründung:
Die Klägerin hebt die Rechtsfrage heraus, “ob eine Umsatzsteuerpflicht eines Bordellbetreibers für die Entgelte auf sexuelle Dienstleistungen auch dann gilt, wenn dieser keinen Einfluss auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Prostituierten und ihren Kunden hat, bzw. die konkreten vertraglichen Vereinbarungen nicht beeinflussen kann und den Inhalt der Vereinbarungen nicht einmal zur Kenntnis erhält”. Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, da sie durch die Rechtsprechung des BFH grundsätzlich geklärt ist.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) sowie des BFH liegt eine steuerfreie Grundstücksvermietung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vor, wenn dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre es dessen Eigentümer. Die entgeltliche Überlassung von Räumen ist aber dann keine Vermietungsleistung mehr, wenn die Überlassung der Zimmer wegen darüber hinausgehender weiterer Leistungen ein anderes Gepräge erhält. Dies ist der Fall, wenn nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse die Vermietung eines Grundstücks oder von Grundstücksteilen durch andere wesentliche Leistungen überlagert wird und die Zimmervermietung nur vorgeschoben ist. Denn maßgebend bei einem Leistungsaustausch ist der objektive Inhalt des Vorgangs und nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihm geben. So kann trotz Bezeichnung der Beteiligten als Vermietungsverhältnis nach dem objektiven Inhalt eine sonstige Leistung des Bordellinhabers anzunehmen sein, wenn dieser nach den nach außen erkennbaren Gesamtumständen aufgrund von Organisationsleistungen selbst derjenige ist, der durch die Anwerbung von Prostituierten und Unterbringung das Bordell betreibt. Hierbei ist es unerheblich, ob die Prostituierten weisungsgebunden als Arbeitnehmerinnen oder als Subunternehmerinnen anzusehen sind Von diesen Grundsätzen ist auch das FG im Rahmen einer tatsächlichen Würdigung ausgegangen.
Weiteren Klärungsbedarf hat die Klägerin nicht dargetan, wenn sie ausführt, dass von der bisherigen Rechtsprechung die Regelungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20. Dezember 2001 –ProstG– (BGBl I 2001, 3983) nicht berücksichtigt worden sei. Hieraus ergibt sich keine weitere klärungsbedürftige Rechtsfrage. Während in der älteren Rechtsprechung die Steuerbarkeit der Umsätze trotz der vormals angenommenen Sittenwidrigkeit unter Berufung auf die Regelung des § 40 der Abgabenordnung angenommen wurde, führt die Regelung des § 1 ProstG, wonach die Vereinbarung bei einem Rechtsgeschäft über sexuelle Handlungen nach neuerer Rechtslage rechtswirksam ist, nicht zu einem anderen Ergebnis. Zur vorliegend streitigen Frage, ob die streitbefangenen Umsätze dem Bordellbetreiber oder den Prostituierten zuzurechnen sind, enthält das ProstG keinerlei Regelungen.
Geklärt ist auch, dass eine Zimmervermietung in einem Bordell nicht mit der Raumvermietung in einem Einkaufszentrum gleichgestellt werden kann, in dem die Umsätze der einzelnen Geschäfte nicht dem Eigentümer zugerechnet werden können. Denn die Vermietung an Geschäfte verschiedener Branchen in einem Einkaufszentrum erfolgt ausschließlich langfristig und nicht –wie im Streitfall bei einer Kündigungsfrist von drei Tagen– kurzfristig. Zudem erbringt der Vermieter von Geschäftslokalen innerhalb eines Einkaufszentrums keinerlei weitere wesentliche Organisationsleistungen, die ihn nach der Verkehrsauffassung als Erbringer der Umsätze der völlig unabhängig geführten Einzelhandelsgeschäfte erscheinen lassen, während in einem Bordell gleichartige Leistungen (im Streitfall in 18 Zimmern) erbracht werden. Es stellt auch keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 des Grundgesetzes) dar, wenn demjenigen, dem als Bordellbetreiber wegen seiner Organisationsleistung Umsätze zuzurechnen sind, diese auch zu versteuern hat.
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass nach der Rechtsauffassung der Klägerin die Umsatzzurechnung zum Bordellbetreiber bei Annahme einer Subunternehmerstellung der Prostituierten zu einer Doppelbesteuerung führe. Abgesehen davon, dass eine Doppelbesteuerung nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes (Bericht vom 24. Januar 2014 VIII-2010-0500, S. 16 f.) in aller Regel wegen des fehlenden Erklärungsverhaltens der Prostituierten und ihres häufigen Wohnortwechsels rein faktisch nicht erfolgt, ist bereits entschieden, dass dem Bordellinhaber im Falle der Beschäftigung von Subunternehmern der Vorsteuerabzug aus Leistungen der Damen zusteht, sofern Rechnungen vorliegen und diese die hierzu erforderlichen Voraussetzungen des § 15 UStG erfüllen (BGH-Urteil in HFR 1996, 363).