Ansprüche des Arbeitnehmers bei Einbehaltung von Sozialversicherungsbeiträgen

Führt ein Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge, die aus Sicht des Arbeitnehmers zu Unrecht einbehalten wurden, an die Einzugsstelle ab, kann der Arbeitnehmer im Regelfall eine Erstattung nur von dieser, nicht aber vom Arbeitgeber beanspruchen.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 20.4.2016, II R 50/14

Begründung:

Nach dem Urteil des BAG in BAGE 126, 325, das den Einbehalt von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen für die Zinsen auf das Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto einer Lehrerin des Landes betrifft, erfüllt der Arbeitgeber mit dem Abzug und der Abführung von Lohnbestandteilen (Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung) an das Finanzamt bzw. die Einzugsstelle im Regelfall seine Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Legt der Arbeitgeber nachvollziehbar dar, dass er bestimmte Beträge für Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge einbehalten und abgeführt habe, kann der Arbeitnehmer die nach seiner Auffassung unberechtigt einbehaltenen und abgeführten Beträge grundsätzlich nicht erfolgreich mit einer Vergütungsklage geltend machen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn für den Arbeitgeber aufgrund der für ihn zum Zeitpunkt des Abzugs bekannten Umstände eindeutig erkennbar war, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht bestand. Nur insoweit sind die Gerichte für Arbeitssachen befugt, die Berechtigung der Abzüge für Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge zu überprüfen. Im Übrigen beschränken sich die Rechte des Arbeitnehmers darauf, dass er die Anmeldung der Lohnsteuer anfechten, die Rückerstattung zu Unrecht entrichteter Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 26 des Sozialgesetzbuchs Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) fordern und diese Forderung ggf. durch Klage beim Sozialgericht (SG) geltend machen kann.

Wie das BAG in dem Urteil weiter ausgeführt hat, haftet der Arbeitgeber allerdings gemäß § 280 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) dem Arbeitnehmer auf Schadensersatz, wenn er bei der Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge schuldhaft Nebenpflichten verletzt, dadurch Schäden des Arbeitnehmers verursacht und dem Arbeitnehmer kein Verschulden zur Last gelegt werden kann. Dabei hat der Arbeitgeber für die verkehrsübliche Sorgfalt einzustehen (§ 276 BGB). Dies zieht bei unklarer Rechtslage regelmäßig die Notwendigkeit nach sich, eine Anrufungsauskunft beim Betriebsstättenfinanzamt einzuholen (§ 42e des Einkommensteuergesetzes).

Das BAG hat in dem von ihm entschiedenen Fall ausgehend von diesen Grundsätzen der Zahlungsklage der Lehrerin gegen das Land nur stattgegeben, soweit der Einbehalt der Sozialversicherungsbeiträge verspätet erfolgt und deshalb gemäß § 28g Satz 3 SGB IV nicht mehr zulässig gewesen war, nicht aber im Hinblick auf die rechtzeitig einbehaltenen Beiträge und die Lohnsteuer. Dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch danach nicht zu.