Verpflichtung zur Eingehung eines Mietverhältnisses

§ 4 Nr. 8 Buchst. g UStG sieht die Umsatzsteuerbefreiung für die Übernahme von Verbindlichkei¬ten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze vor. Sys¬tematisch ist die Vorschrift bei den Finanzdienstleistungsumsätzen angesiedelt. Der BFH wen¬det die Norm in einer aktuellen Entscheidung allerdings auf die Verpflichtung zur Eingehung eines Mietverhältnisses an. Dabei betrachtet der BFH den Sachverhalt wirtschaftlich. Letztlich kann es nach Auffassung des BFH keinen Unterschied machen, ob der Mieter gegen Entgelt ein Mietverhältnis begründet oder sich entgeltlich verpflichtet, in ein bestehendes Mietverhältnis einzutreten.
BFH Urteil vom 30.11. 2016 — V R 18/16

Sachverhalt:
Eine KG (Klägerin) war Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem sich ein Gewerbegebäude be¬fand. Das Grundstück war teilweise vermietet und stand im Übrigen leer. Die KG beabsichtigte, das Grundstück zu veräußern. Allerdings wollte der Kaufinteressent das Objekt nur erwerben, wenn ein bestimmter Anteil der Leerstandsfläche zusätzlich für einen Zeitraum von fünf Jahren vermietet wurde.

Um diese Bedingung zu erfüllen, schloss die KG mit der Klägerin (eine Immobilienverwaltungs¬gesellschaft mbH) am 19.2.2007 einen Mietvertrag ab. Das Mietverhältnis sollte zum 1.4.2007 beginnen und auf fünf Jahre befristet sein. Die vereinbarte Monatsmiete betrug 15 000 € zzgl. Umsatzsteuer. Der Gesamtmietzins für den Monat betrug ca. 23 000 € einschließlich Betriebs-und Nebenkostenvorauszahlungen sowie Umsatzsteuer.
Zusätzlich vereinbarten die Parteien, dass die Klägerin „unmittelbar gegenüber dem Käufer des Grundstücks” Mieterverpflichtungen gemäß dem Entwurf eines Mietvertrages übernehmen sollte. Für die Übernahme dieser Mieterverpflichtung sollte die Klägerin von der KG eine ein¬malige Vergütung i. H.v. 900 000 € erhalten. Dieser Betrag war an die Klägerin nach Eingang des Grundstückskaufpreises bei der KG zu zahlen.
Die KG veräußerte das Grundstück durch notariellen Vertrag v. 19.2.2007 an den Erwerber. Die¬ser trat in das zwischen der Klägerin und der KG begründete Mietverhältnis ein. Die KG zahlte im Streitjahr 2007 die mit der Klägerin vereinbarte Vergütung von 900 000 €. Die Klägerin legte den Betrag als Festgeld bei einer Bank an, die eine vertraglich vorgesehene Bürgschaft zuguns¬ten des Vermieters erteilte.
Die Finanzverwaltung ging davon aus, dass die 900 000€ für eine steuerbare und steuerpflichti¬ge Leistung der Klägerin gezahlt wurden. Es unterwarf daher den von der KG an die Klägerin bezahlten Geldbetrag der Umsatzsteuer.
Begründung:
Zunächst einmal hat der BFH Zweifel, ob die durch die Klägerin erbrachte Leistung überhaupt steuerbar ist. Im Ergebnis nimmt er jedoch eine gem. § 4 Nr.8 Buchst. g UStG steuerfreie Leis¬tung an. Danach ist die Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Si¬cherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze steuerfrei.

Die Vorschrift umfasst nach der Rechtsprechung des BFH auch beispielsweise die entgeltliche Übernahme einer Ausbietungsgarantie. Ebenso ist der steuerbare Verzicht auf eine Mietgarantie umsatzsteuerfrei, wenn die Einräumung der Mietgarantie nach § 4 Nr.8 Buchst. g UStG steuerfrei ist.
Zusammenfassung:
Der BFH geht hier davon aus, dass die Klägerin sich gegen Entgelt verpflichtet hat, ein Mietverhältnis einzugehen. Diese Leistung, sofern sie überhaupt steuerbar ist, ist nach Ansicht des BFH jedenfalls nach § 4 Nr.8 Buchst. g UStG steuerfrei. Gegenstand des Vertrages v. 19.02.2007 war die Eingehung eines Mietverhältnisses als Mieter durch die Klägerin. Gemäß § 535 Abs. 2 BGB war die Klägerin als Mieter verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten. Mit dieser Leistung gegen Entgelt hat die Klägerin somit i.S.v. §4 Nr.8 Buchst.g UStG eine Verbindlichkeit begründet und eine Geldverbindlichkeit übernommen.
Eine Einschränkung in der Weise, dass es sich um die Leistung an eine Person handeln muss, zu deren Lasten bereits eine Verpflichtung besteht, ist auch bei enger Auslegung des Befreiungstatbestands nicht erforderlich und würde zu einem Verstoß gegen das Neutralitätsprinzip führen. Somit macht es keinen Unterschied, ob die Klägerin die Verpflichtungen aus einem bereits zuvor abgeschlossenen Mietvertrag von einem Mieter übernimmt oder sich selbst unmittelbar zum Eingehen eines Mietverhältnisses verpflichtet. Die Leistung der Klägerin ist daher ebenso steuerfrei wie wenn der Grundstückseigentümer den Mietvertrag zunächst mit einem Dritten geschlossen hätte und sich die Klägerin zur Vertragsübernahme gegen Entgelt verpflichtet hätte. Das Ergebnis des BFH überrascht zunächst. Bei näherer Betrachtung ist es jedoch einleuchtend. Die Zahlung erfolgte für die Eingehung des Mietverhältnisses. Im Ergebnis wurde wirtschaftlich betrachtet jedoch die Mietgarantie durch die Klägerin übernommen. Damit liegt die Übernahme einer Verbindlichkeit bzw. einer Sicherheit vor.