Fahrtkosten bei Vermietung und Verpachtung regelmäßig in voller Höhe abziehbar

Der Abzug von Kosten für Fahrten zu einem Vermietungsobjekt im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ist auf die Entfernungspauschale beschränkt, wenn sich an dem Objekt der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft und auf Überschusserzielung angelegten Vermietungstätigkeit befindet.

BFH Urteil vom 1.12.2015, IX R 18/15

Begründung:

Vermieter können Fahrtkosten zu ihren Vermietungsobjekten im Regelfall mit einer Pauschale von 0,30 € für jeden gefahrenen Kilometer als Werbungskosten geltend machen. Die ungünstigere Entfernungspauschale (0,30 € nur für jeden Entfernungskilometer) ist aber dann anzuwenden, wenn das Vermietungsobjekt ausnahmsweise die regelmäßige Tätigkeitsstätte des Vermieters ist. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 1. Dezember 2015 IX R 18/15 klargestellt.

Im Streitfall sanierte der Steuerpflichtige mehrere Wohnungen und ein Mehrfamilienhaus und suchte die hierfür eingerichteten Baustellen 165-mal bzw. 215-mal im Jahr auf. Aufgrund der Vielzahl der Fahrten zu den beiden Objekten kam das Finanzamt (FA) zu dem Ergebnis, dass der Steuerpflichtige am Ort der Vermietungsobjekte seine regelmäßige Tätigkeitsstätte habe. Die Fahrtkosten waren daher nach Ansicht des FA nur in Höhe der Entfernungspauschale abziehbar.

Der BFH gab dem FA Recht. Denn auch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung kann ein Vermieter – vergleichbar einem Arbeitnehmer – am Vermietungsobjekt eine regelmäßige Tätigkeitsstätte haben, wenn er sein Vermietungsobjekt nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit fortdauernd und immer wieder aufsucht. Dies war aufgrund der ungewöhnlich hohen Zahl Fahrten und der damit praktisch arbeitstäglichen Anwesenheit hier der Fall. Der Steuerpflichtige konnte daher seine Fahrtkosten nur in Höhe der Entfernungspauschale abziehen.

Im Regelfall sucht ein Steuerpflichtiger ein Vermietungsobjekt allerdings nicht arbeitstäglich auf, sondern in größerem oder kleinerem zeitlichem Abstand, z.B. zu Kontrollzwecken, bei Mieterwechseln oder zur Ablesung von Zählerständen. Zudem erfordert bei nicht umfangreichem Grundbesitz die Verwaltung eines Mietobjekts in der Regel keine besonderen Einrichtungen, wie z.B. ein Büro, sondern erfolgt regelmäßig von der Wohnung des Steuerpflichtigen aus. In einem solchen Fall ist das Vermietungsobjekt nicht der ortsgebundene Mittelpunkt der Vermietungstätigkeit. Die Fahrtkosten können dann entsprechend den lohnsteuerlichen Grundsätzen mit 0,30 € je gefahrenen Kilometer geltend gemacht werden.

Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen eines Polizeibeamten

Ein Polizeibeamter im Streifendienst ist schwerpunktmäßig in seinem Revier und damit auswärts tätig.

BFH Beschluss vom 09.11.2015 – VI R 8/15 BFH/NV 2016, 196

Sachverhalt:

Streitig ist der Werbungskostenabzug von Fahrtkosten und von Verpflegungsmehraufwendungen. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Polizeibeamter. Er erzielte aus dieser Tätigkeit in den Streitjahren 2011 und 2012 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Mit seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre beantragte er, die Kosten für die Fahrten zum Polizeikommissariat A nicht mit der sog. Pendlerpauschale, sondern nach Dienstreisegrundsätzen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzusetzen.

Begründung:

Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Entscheidung des FG, dass die Aufwendungen des Klägers für die Fahrten von seiner Wohnung zu der Polizeidienstelle in A in tatsächlicher Höhe sowie die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen und gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen. Erwerbsaufwendungen sind grundsätzlich auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte. Allerdings sind die Aufwendungen dafür nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung nur begrenzt nach Maßgabe einer Entfernungspauschale als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen sind nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar. Wird der Steuerpflichtige jedoch vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt beruflich tätig, so ist nach Satz 2 der Vorschrift für jeden Kalendertag, an dem der Steuerpflichtige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und seinem Tätigkeitsmittelpunkt über eine bestimmte Dauer

Tätigkeitsmittelpunkt i.S. des § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG und (regelmäßige) Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist die dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht. Das ist regelmäßig der Betrieb, Zweigbetrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers.

Eine Arbeitsstätte ist allerdings nicht jeder beliebige Tätigkeitsort, sondern der Ort, an dem der Arbeitnehmer typischerweise seine Arbeitsleistung im Schwerpunkt zu erbringen hat. Insoweit ist entscheidend, wo sich der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit eines Arbeitnehmers befindet. Dort liegt die eine regelmäßige Arbeitsstätte, die ein Arbeitnehmer nur haben kann. Dieser Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit bestimmt sich nach den qualitativen Merkmalen der Arbeitsleistung, die der Arbeitnehmer an dieser Arbeitsstätte im Einzelnen wahrnimmt oder wahrzunehmen hat, sowie nach dem konkreten Gewicht dieser dort verrichteten Tätigkeit.

Entgegen der Auffassung des FA kann allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer eine betriebliche Einrichtung seines Arbeitgebers nachhaltig (arbeitstäglich) aufsucht, dort keine regelmäßige Arbeitsstätte begründen. Der Einwand, auch in solchen Fällen sei es dem Arbeitnehmer möglich, sich auf die Wegekosten einzustellen und auf deren Minderung hinzuwirken, selbst wenn er dort ein Fahrzeug übernimmt und auf diesem auswärts tätig wird, trifft zwar in der Sache zu, vermag diese Fälle aber nicht aus dem Regeltypus einer „Auswärtstätigkeit” (Leistungsort außerhalb des Betriebs oder der Betriebsstätte des Arbeitgebers) herauszulösen. Im Übrigen weist der Senat nochmals darauf hin, dass die Vorhersehbarkeit wechselnder Tätigkeitsstätten und die „Möglichkeit”, Wegekosten zu mindern, nicht Tatbestandsmerkmale der in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG geregelten Entfernungspauschale sind. Der Umstand, dass sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten etwa durch die Bildung von Fahrgemeinschaften, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und gegebenenfalls sogar durch die entsprechende Wohnsitznahme hinwirken kann, beschreibt lediglich generalisierend und typisierend den Regelfall, nach dem sich die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip erweist. Individuelle Zufälligkeiten und Besonderheiten in der tatsächlichen Ausgestaltung eines Arbeitsverhältnisses bleiben hierbei unberücksichtigt.

Nach diesen Grundsätzen ist beim Kläger von einer Auswärtstätigkeit auszugehen, die zum Werbungskostenabzug von Wegekosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in tatsächlicher Höhe und nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG von Mehraufwendungen für die Verpflegung berechtigt. Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Art und Weise angenommen, dass der Kläger weder an einer regelmäßigen Arbeitsstätte noch an einem Tätigkeitsmittelpunkt zum Einsatz kommt. Denn der Kläger war nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) im Einsatz- und Streifendienst und damit schwerpunktmäßig außerhalb der Polizeidienststelle im Außendienst tätig.

Fahrtkosten eines Kindes wegen Fachschule und Praktikum

Die Abzugsbegrenzung für Wegekosten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist bei einem bezahlten halbjährigen Praktikum nicht zu beachten, wenn dieses lediglich als Teilabschnitt in eine längere und anderenorts stattfindende Ausbildung eingebettet ist, die nicht insgesamt als Ausbildungsdienstverhältnis organisiert ist.

Der Abzug ausbildungsbedingter Mehraufwendungen orientiert sich sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach an den entsprechend anwendbaren Vorschriften über den Werbungskostenabzug. Falls der Werbungskostenabzug nach § 12 Nr. 5 und § 9 Abs. 6 EStG ausgeschlossen ist, weil es sich um Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium handelt, steht dies dem Abzug von Fahrtkosten als ausbildungsbedingten Mehraufwendungen im Rahmen der Grenzbetragsberechnung nicht entgegen.

Eine Beschränkung des Werbungskostenabzugs wie auch des Abzugs ausbildungsbedingter Mehraufwendungen auf die Entfernungspauschale kommt nur im Rahmen bezahlter Arbeit in Betracht. Eine häufig und über einen längeren Zeitraum hinweg aufgesuchte Fachschule ist keine regelmäßige Arbeitsstätte, wenn sie nicht vom Arbeitgeber des Kindes betrieben wird.

BFH Urteil vom 05.02.2015 – III R 24/14 BFH/NV 2015, 1081

Begründung:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bezog Kindergeld für ihre im Jahr 1989 geborene Tochter, die vom 1. August 2008 bis zum 31. Juli 2011 an einer privaten Fachschule zur staatlich anerkannten Erzieherin ausgebildet wurde. Das monatliche Schulgeld belief sich auf 54 EUR.

Vom 1. Februar 2011 bis zum 31. Juli 2011 absolvierte die Tochter in einem Kindergarten das nach der Thüringer Fachschulordnung verpflichtende Berufspraktikum, für das sie eine Vergütung erhielt. Im streitigen Zeitraum (1. Januar 2011 bis 31. Juli 2011) suchte sie den von ihrer Wohnung 7 km entfernten Kindergarten an 111 Tagen und die 76 km entfernte Fachschule an 12 Tagen auf.

Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) hob die Kindergeldfestsetzung für Januar bis Juli 2011 im September 2011 auf, weil die Einkünfte und Bezüge in diesem Zeitraum den anteiligen Grenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 6 bis 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für 2011 geltenden Fassung in Höhe von (7/12*8004=) 4.669 EUR voraussichtlich übersteigen würden. Im Einspruchsverfahren ermittelte sie Einkünfte und Bezüge in Höhe von 4.879,51 EUR und wies daher den Einspruch als unbegründet zurück.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) zog im Gegensatz zur Familienkasse zwar auch die von der Tochter geleisteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ab und entschied, die Summe der anzurechnenden Einkünfte und Bezüge belaufe sich danach auf 4.996,50 EUR, wenn die Fahrten der Tochter von der Wohnung zur Fachschule (547,20 EUR) und zum Kindergarten (466,20 EUR) nicht der Abzugsbeschränkung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (Entfernungspauschale) unterworfen, sondern mit 0,30 EUR je gefahrenen Kilometer, d.h. insgesamt mit 1.013,40 EUR angesetzt würden. Bei seiner Berechnung blieb indessen das von der Tochter gezahlte Schulgeld in Höhe von 378 EUR unberücksichtigt, obwohl in den Urteilsgründen ausgeführt wird, dass die Studiengebühren als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG abzuziehen seien.

Für ein über 18 Jahre altes Kind, das –wie die Tochter der Klägerin im streitigen Zeitraum Januar bis Juli 2011– das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 6 bis 8 EStG ein Anspruch auf Kindergeld, wenn die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung des Kindes bestimmten oder geeigneten Einkünfte und Bezüge des Streitzeitraums den (anteiligen) Grenzbetrag –hier 4.669 EUR– nicht übersteigen.

Das FG hat die Fahrtkosten zum Kindergarten und zur Fachschule zu Recht nicht mit der sog. Entfernungspauschale, sondern mit den tatsächlich entstandenen Kosten –hier pauschal 0,30 EUR je gefahrenen Kilometer– angesetzt. Die Aufwendungen für die Fahrten zum Kindergarten sind in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten abzuziehen.

Der Begriff der Einkünfte i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht dem in § 2 Abs. 2 EStG definierten Begriff und ist je nach Einkunftsart als Gewinn oder Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu verstehen. Erzielt das Kind infolge seiner Berufsausbildung –wie hier für das Praktikum– Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten (§ 9 EStG) abzuziehen.

Werbungskosten durch berufsbezogene Bildungsmaßnahmen umfassen Fahrtkosten, die grundsätzlich in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG), soweit der Arbeitnehmer nicht auf deren konkrete Ermittlung verzichtet und die in H 9.5 des Amtlichen Lohnsteuerhandbuchs 2011 vorgesehene Pauschale (0,30 EUR je Fahrtkilometer) ansetzt.

Die Abzugsbegrenzung für Wegekosten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist grundsätzlich nicht zu beachten, wenn die zu Einkünften führende Bildungsmaßnahme nicht auf Dauer angelegt, sondern wie das hier vorliegende halbjährige bezahlte Praktikum im Kindergarten lediglich als Teilabschnitt in eine längere und anderenorts stattfindende Ausbildung eingebettet ist, die nicht insgesamt als Ausbildungsdienstverhältnis organisiert ist. Wie bei einer Auswärtstätigkeit besteht in einem solchen Fall typischerweise nicht die Möglichkeit, sich auf die immer gleichen Wege einzustellen und so auf eine Minderung der Wegekosten; derartige Sachverhalte sind auch nicht mit befristeten Arbeitsverhältnissen vergleichbar.

Die Aufwendungen für die Fahrten zur Fachschule sind ebenfalls in tatsächlicher Höhe abzuziehen. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob das FG die Kosten für die Fahrten zur Fachschule –etwa wegen einer vorangegangenen Ausbildung der Tochter– zu Recht als Werbungskosten abgezogen hat oder ob diese als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen zu berücksichtigen sind.

Alle über die Lebensführung hinausgehenden ausbildungsbedingten Mehraufwendungen, die nicht bereits als Werbungskosten im Rahmen einer Einkunftsart des Kindes berücksichtigt werden, sind gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG a.F. als besondere Ausbildungskosten von der Summe der Einkünfte und Bezüge abzuziehen. Der Abzug ausbildungsbedingter Mehraufwendungen orientiert sich sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach an den entsprechend anwendbaren Vorschriften über den Werbungskostenabzug). Falls der Werbungskostenabzug nach § 12 Nr. 5 und § 9 Abs. 6 EStG ausgeschlossen wäre, weil es sich um Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium handeln sollte, würde dies dem Abzug der Fahrtkosten als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen im Rahmen der Grenzbetragsberechnung nicht entgegenstehen.

Eine Beschränkung des Werbungskostenabzugs wie auch des Abzugs ausbildungsbedingter Mehraufwendungen auf die Entfernungspauschale scheidet danach aus, weil eine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nur im Rahmen bezahlter Arbeit in Betracht kommt. Die von der Tochter besuchte Fachschule ist keine regelmäßige Arbeitsstätte, obwohl sie häufig und über einen längeren Zeitraum hinweg aufgesucht wurde, weil sie nicht vom Arbeitgeber der Tochter betrieben.

Die Beteiligten gehen zutreffend und in Übereinstimmung mit den Rechtsausführungen des FG-Urteils davon aus, dass das Schulgeld bei der Grenzbetragsberechnung abzuziehen ist. Insoweit ist ebenfalls unerheblich, ob es sich um ausbildungsbedingte Mehraufwendungen oder um Werbungskosten handelt.

Die Summe der vom FG mit 4.996,50 EUR ermittelten Einkünfte und Bezüge ist wegen des Schulgeldes um 378 EUR zu verringern; es verbleiben 4.618,50 EUR und damit weniger als der anteilige Grenzbetrag.

Fahrtkosten eines nebenberuflich studierenden Kindes

Leitsatz

Fahrtkosten zwischen der Wohnung und der Universität eines nebenberuflich studierenden Kindes sind als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG a.F. zu qualifizieren und in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen.

BFH Urteil vom 05.02.2015 – IIIR 30/14;BFH/NV 2015. 980

Sachverhalt<.

Streitig ist, ob die Einkünfte des Sohnes des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) im Jahr 2008 den Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) übersteigen.

Der 1985 geborene Sohn des Klägers (S) studierte im Streitjahr an der Universität … und war nebenbei für einen Rundfunk nichtselbständig tätig. Die Einkünfte hieraus betrugen abzüglich der Sozialversicherungsbeiträge und der Werbungskosten 7.822,21 EUR. Zusätzlich vereinnahmte er Honorare für Hörfunk- und Fernsehbeiträge in Höhe von 732,75 EUR. Als Betriebsausgaben fielen 658,80 EUR an.

An besonderen Ausbildungskosten entstanden S nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils an 208 Tagen Fahrtkosten zur 2 km von seiner Wohnung entfernten Universität sowie Absetzungen für Abnutzung (AfA) seines Computers in Höhe von 16,24 EUR.

Begründung:

Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Zwar sind bei der Berechnung der Einkünfte des Kindes die tatsächlichen Kosten für die Fahrten zur Universität und nicht nur die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG anzusetzen. Der Senat kann aber anhand der bisherigen Feststellungen des FG nicht entscheiden, ob dadurch die Einkünfte des Kindes den im Streitjahr maßgeblichen Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG (7.680 EUR) überschreiten.

Für ein Kind, das –wie S im Streitzeitraum– das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und sich in Ausbildung befindet, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Anspruch auf Kindergeld nur, wenn das Kind Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 EUR im Kalenderjahr hat. Der Begriff der Einkünfte entspricht dem in § 2 Abs. 2 EStG gesetzlich definierten Begriff und ist je nach Einkunftsart als Gewinn oder als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu verstehen. Erzielt das Kind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten und darüber hinaus die Sozialversicherungsbeiträge.

Nach § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG bleiben bei der Ermittlung der Grenze von 7.680 EUR Bezüge außer Ansatz, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind, ebenso Einkünfte, die für solche Zwecke verwendet werden. Solche besonderen Ausbildungskosten sind alle über die Lebensführung hinausgehenden ausbildungsbedingten Mehraufwendungen. Ausbildungsbedingte Mehraufwendungen, die nicht bereits als Werbungskosten (§ 9 EStG) im Rahmen einer Einkunftsart des Kindes berücksichtigt werden, sind gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG von der Summe der Einkünfte und Bezüge abzuziehen. Dabei erfolgt die Abgrenzung zwischen Kosten der Lebensführung und dem ausbildungsbedingten Mehrbedarf in der Weise, wie dies im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses zwischen den Kosten der Lebensführung und den durch den Beruf veranlassten Kosten (Werbungskosten) geschieht. Es sind die den Abzug der jeweiligen Aufwendung betreffenden steuerlichen Vorschriften dem Grunde und der Höhe nach zu beachten.

Nach diesen Grundsätzen sind die Fahrtkosten zwischen der Wohnung und der Universität als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG zu qualifizieren. In entsprechender Anwendung der für den Werbungskostenbegriff geltenden Grundsätze ist die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG nicht anzuwenden. Die Fahrtkosten sind vielmehr gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen. Denn die von S besuchte Universität stellt nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des BFH keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung dar, da der Begriff der „regelmäßigen Arbeitsstätte” i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG voraussetzt, dass die Leistung des Arbeitnehmers in einer ortsfesten dauerhaften betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers erbracht wird und auch nur im Rahmen bezahlter Arbeit in Betracht kommt. Kosten für Fahrten zur Universität im Rahmen einer Bildungsmaßnahme sind somit uneingeschränkt in tatsächlicher Höhe nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar.

Da die Fahrtkosten zu der Universität ausbildungsbedingte Mehraufwendungen gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG darstellen, kann dahinstehen, ob diese Aufwendungen als vorweggenommene Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu berücksichtigen wären.

Das FG hat die Fahrtkosten des S zwischen der Wohnung und der Universität nur mit der Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG angesetzt. Dies ist –wie ausgeführt– nicht zutreffend.

Zwar hat das FG im Tatbestand ausgeführt, dass S an 208 Tagen zur Universität gefahren sei. Diese Feststellung ist für den Senat jedoch nicht bindend i.S. des § 118 Abs. 2 FGO, weil die Familienkasse als Revisionsbeklagte bezüglich dieser Feststellung eine zulässige und begründete Verfahrensgegenrüge erhoben hat.

Das Institut der Gegenrüge ermöglicht es einem Revisionsbeklagten, der aufgrund seines Obsiegens in der Vorinstanz dazu bislang keinen Anlass und keine Möglichkeit hatte, Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz anzugreifen, um zu verhindern, dass die Revisionsinstanz bei einer für ihn ungünstigen rechtlichen Beurteilung des Streitfalls auf der Grundlage der von der Vorinstanz getroffenen, aus seiner Sicht aber unzutreffenden Tatsachenfeststellungen eine ihm nachteilige Revisionsentscheidung trifft. Mit diesem Inhalt ist die Gegenrüge, die unbefristet bis zum Schluss der Revisionsinstanz erhoben werden kann, allgemein. Sind die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung im Urteil falsch dargestellt, so ist dieser Mangel zwar grundsätzlich nicht mit der Verfahrensrüge geltend zu machen, sondern mit dem Antrag auf Tatbestandsberichtigung. Eine Ausnahme gilt jedoch für ein Urteil, das –wie hier– ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, weil bei diesem § 108 FGO nicht anwendbar ist.

Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge liegt vor. Die Familienkasse hat geltend gemacht, dass entgegen der Feststellung im Tatbestand des angegriffenen Urteils die Beteiligten sowohl in der Klagebegründung als auch in der Klageerwiderung von 168 Fahrttagen ausgegangen sind. Es ist nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Tatsachen das FG zu dem Schluss gelangte, S sei an 208 Tagen zur Universität gefahren.

Die Familienkasse hat auch in ausreichender Weise dargelegt, dass der Sachverhalt, sofern man bei den Fahrten zur Universität nicht die Entfernungspauschale, sondern gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG die tatsächlichen Kosten ansetzen würde, weiterer Aufklärung bedarf und dass sich bei einer weiteren Sachaufklärung eine Anzahl der Fahrten ergeben könnte, die zur Klageabweisung führen könnte.

Der Senat kann im vorliegenden Fall auch nicht von den von den Beteiligten in den erstinstanzlichen Schriftsätzen übereinstimmend genannten 168 Tagen ausgehen. Diese Zahl wurde vom FG als dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Tatgericht nicht festgestellt.

Fahrtaufwendungen im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses

Ist ein Auszubildender im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses, aus dem er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt, dem Ausbildungsbetrieb zugeordnet und sucht er diesen fortdauernd auf, um dort seine für den Ausbildungszweck zentralen Tätigkeiten zu erbringen, so ist der Ausbildungsbetrieb regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG in der bis Ende 2013 geltenden Fassung.

Allein der Umstand, dass ein Ausbildungsdienstverhältnis regelmäßig zeitlich befristet ist, reicht nicht aus, um dem Ausbildungsbetrieb die Qualifikation als regelmäßige Arbeitsstätte zu versagen.

Fahrtkosten von Auszubildenden zu einem derartigen Ausbildungsbetrieb sind daher nur mit der Entfernungspauschale des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG in der bis Ende 2013 geltenden Fassung als Werbungskosten zu berücksichtigen.

BFH Urteil vom 27.2.2014, III R 60/13

Begründung:

Für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und sich in Ausbildung befindet, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Anspruch auf Kindergeld nur, wenn das Kind Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 8.004 EUR im Kalenderjahr hat. Der Begriff der Einkünfte entspricht dem in § 2 Abs. 2 EStG gesetzlich definierten Begriff und ist je nach Einkunftsart als Gewinn oder als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu verstehen. Erzielt das Kind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten abzuziehen

Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Aufwendungen, die objektiv durch die berufliche Tätigkeit veranlasst sind und die subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Diese Voraussetzungen können auch bei berufsbezogenen Bildungsmaßnahmen erfüllt sein. Zu den Werbungskosten können auch Fahrtkosten gehören. Sie sind grundsätzlich in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen, soweit der Arbeitnehmer nicht von der in H 9.5 des Amtlichen Lohnsteuerhandbuchs 2011 vorgesehenen Pauschale (0,30 EUR je Fahrtkilometer) Gebrauch macht.

Fahrtkosten sind jedoch nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nur nach den Regeln über die Entfernungspauschale zu berücksichtigen, soweit es sich um Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte handelt. In diesem Fall sind pro Entfernungskilometer zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte grundsätzlich 0,30 EUR anzusetzen.

Regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne dieser Vorschrift ist (nur) der (ortsgebundene) Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers und damit der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Leistung zu erbringen hat. Dies ist im Regelfall der Betrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht.

Eine vom Arbeitnehmer besuchte arbeitgeberfremde Bildungseinrichtung stellt keine regelmäßige Arbeitsstätte in diesem Sinne dar. Entsprechend kann auch eine Ausbildungsstätte im Rahmen eines Dienstverhältnisses bei beruflichen Lehrgängen, Ausbildungsverhältnissen, Abordnungen oder Fortbildungsmaßnahmen den Charakter einer regelmäßigen Arbeitsstätte haben, wenn es sich um eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers handelt und der Arbeitnehmer diese dauerhaft, d.h. über einen längeren Zeitraum, aufsucht. Eine andere Beurteilung kommt nur in Betracht, wenn eine beruflich veranlasste Bildungsmaßnahme außerhalb eines Dienstverhältnisses durchgeführt wird.

Einkünftemindernde Berücksichtigung von Fahrtkosten beim Kindergeld bei fehlender regelmäßigen Arbeitsstätte

Bauausführungen oder Montagen sind keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG.

BFH Urteil vom 11.07.2013 – VI R 62/12 BFH/NV 2014, 147

 

Begründung:

Das FG hat das Feriendorf zu Unrecht als regelmäßige Arbeitsstätte des A angesehen. Für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und sich in Ausbildung befindet, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Anspruch auf Kindergeld nur, wenn das Kind Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 13.020 DM im Kalenderjahr hat. Der Begriff der Einkünfte entspricht dem in § 2 Abs. 2 EStG gesetzlich definierten Begriff und ist je nach Einkunftsart als Gewinn oder als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu verstehen. Erzielt das Kind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten abzuziehen

Darüber hinaus sind nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Wege verfassungskonformer Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG Einkünfte, ebenso wie die Bezüge, nur zu berücksichtigen, soweit sie zur Bestreitung des Unterhalts und der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind. Es ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, welche Teile der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 2 EStG wegen eines sonst vorliegenden Grundrechtsverstoßes im Wege verfassungskonformer Einschränkung nicht angesetzt werden dürfen.

Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Aufwendungen, die objektiv durch die berufliche Tätigkeit veranlasst sind und die subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Hierzu können auch Fahrtkosten gehören. Sie sind grundsätzlich in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen. Kosten für Fahrten mit einem eigenen oder zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeug sind jedoch nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nur pauschal mit 0,70 DM für jeden Kilometer zu berücksichtigen, soweit es sich um Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte handelt.

Eine regelmäßige Arbeitsstätte kann nur eine ortsfeste, dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers sein, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder aufsucht. Regelmäßig handelt es sich dabei um den Betrieb des Arbeitgebers oder einen Zweigbetrieb, nicht aber um die Tätigkeitsstätte in einer betrieblichen Einrichtung des Kunden des Arbeitgebers.

Ist der Arbeitnehmer nicht an einer solchen dauerhaften betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers tätig, liegt regelmäßig eine Auswärtstätigkeit vor mit der Folge, dass die Kosten für beruflich veranlasste Fahrten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG uneingeschränkt zum Abzug zuzulassen sind.

Entgegen der Auffassung des FG sind Bauausführungen oder Montagen (§ 12 Satz 2 AO) keine regelmäßigen Arbeitsstätten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Zwar kann auch eine Betriebsstätte des Arbeitgebers die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllen. Es muss sich dabei jedoch um eine dauerhafte betriebliche Einrichtung handeln, die die Voraussetzungen des § 12 Satz 1 AO erfüllt. Das setzt u.a. eine nicht nur vorübergehende Verfügungsbefugnis

Das FG wird im zweiten Rechtsgang zunächst zu prüfen haben, ob das Feriendorf nach den genannten Grundsätzen eine betriebliche Einrichtung des A war. Ist das zu verneinen, sind die Kosten für die Fahrten des S von seiner Wohnung dorthin in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen. Das FG hat allerdings keine Feststellungen zur Höhe dieser Aufwendungen getroffen. Die diesbezüglichen Feststellungen wird es im zweiten Rechtsgang ebenso nachzuholen haben wie Feststellungen zur Höhe der übrigen geltend gemachten Werbungskosten einschließlich ggf. angefallener Verpflegungsmehraufwendungen, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen insoweit vorliegen (§ 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG).

Das FG geht offensichtlich davon aus, dass sich S im fraglichen Zeitraum in Ausbildung befand. Zwar hat die Vorinstanz dieses Ergebnis nicht näher begründet. Sie hat allerdings festgestellt, dass S "innerhalb" der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme seine Ausbildung abgeschlossen hat. Der Senat schließt sich dieser auch von den Beteiligten getragenen Auffassung an.

 

Aufwandsunabhängige Inanspruchnahme der Entfernungspauschale für Familienheimfahrten

Die Entfernungspauschale für eine wöchentliche Familienheimfahrt im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung kann aufwandsunabhängig in Anspruch genommen werden.

Steuerfrei geleistete Reisekostenvergütungen und steuerfrei gewährte Freifahrten sind jedoch mindernd auf die Entfernungspauschale anzurechnen.

BFH Urteil vom 18.4.2013, VI R 29/12

Begründung (BFH):

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 18. April 2013 VI R 29/12 entschieden, dass die Entfernungspauschale für eine wöchentliche Familienheimfahrt im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung auch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn der Steuerpflichtige für die Fahrt keine Kosten hatte. Vom Arbeitgeber steuerfrei geleistete Reisekostenvergütungen und steuerfrei gewährte Freifahrten sind jedoch mindernd auf die Entfernungspauschale anzurechnen.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) können im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung Aufwendungen für die Wege vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstands und zurück (Familienheimfahrten) für jeweils eine Familienheimfahrt wöchentlich als Werbungskosten abgezogen werden. Zur Abgeltung der Aufwendungen ist eine Entfernungspauschale von 0,30 € für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des eigenen Hausstands und dem Beschäftigungsort anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG).

Im Streitfall machte der verheiratete Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2007) u.a. Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung für 48 Heimfahrten in Höhe von 5.199 € (48 Fahrten x 361 Entfernungskilometer x 0,30 € = 5.198,40 €) geltend. Elf Familienheimfahrten, die der Kläger mit dem eigenen PKW durchgeführt hatte, berücksichtigte das Finanzamt, die übrigen mit der Bahn durchgeführten Familienheimfahrten hingegen nicht. Hierfür seien dem bei der Bahn angestellten Kläger keine Aufwendungen entstanden. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) argumentierte, der Kläger könne die Entfernungspauschale nicht in Anspruch nehmen, soweit er die Aufwendungen für die Heimfahrten nicht selbst getragen habe.

Dem hat der BFH nun widersprochen und die Sache an das FG zurückverwiesen. Denn die Entfernungspauschale für eine wöchentliche Familienheimfahrt im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung kann wie die Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte (ab VZ 2014 erste Tätigkeitsstätte) verkehrsmittelunabhängig und selbst dann in Anspruch genommen werden, wenn der Steuerpflichtige für diese Fahrten keine Kosten getragen hat. Die darin liegende Begünstigung ist vom Gesetzgeber gewollt und durch umwelt- und verkehrspolitische Lenkungszwecke gerechtfertigt.

Dies bedeutet aber nicht, dass steuerfrei geleistete Reisekostenvergütungen oder steuerfreie Sachbezüge, beispielsweise Freifahrten, insoweit keine Berücksichtigung finden dürfen. Derartige Arbeitgeberleistungen sind vielmehr auf die Pauschalen anzurechnen, da in solchen Fällen jedenfalls ein vollumfänglicher Werbungskostenabzug nicht geboten ist. Deshalb hat das FG im zweiten Rechtsgang noch Feststellungen zur Anzahl der Familienheimfahrten und den anrechenbaren Arbeitgeberleistungen zu treffen.

 

 

Fahrtkosten eines nebenberuflich studierenden Kindes

Bei der Prüfung, ob der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. überschritten ist, sind Fahrtkosten eines Kindes, die ihm aus Anlass eines nebenberuflich ausgeübten Studiums entstehen, nicht mit der Entfernungspauschale zu berücksichtigen, sondern in tatsächlicher Höhe von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit abzuziehen.    

Eine vom Kind als Arbeitnehmer aufgesuchte arbeitgeberfremde Bildungseinrichtung stellt keine regelmäßige Arbeitsstätte dar.

BFH Urteil vom 22.11.2012, III R 64/11

Begründung:

Für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und sich in Ausbildung befindet, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes  in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) ein Anspruch auf Kindergeld nur, wenn das Kind Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 EUR im Kalenderjahr hat. Der Begriff der Einkünfte entspricht dem in § 2 Abs. 2 EStG gesetzlich definierten Begriff und ist je nach Einkunftsart als Gewinn oder als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu verstehen. Erzielt das Kind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten abzuziehen.

Nach § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG bleiben bei der Ermittlung der schädlichen Grenze von 7.680 EUR Bezüge außer Ansatz, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind bzw. Einkünfte, die für solche Zwecke verwendet werden. Solche besonderen Ausbildungskosten sind alle über die Lebensführung hinausgehenden ausbildungsbedingten Mehraufwendungen. Ausbildungsbedingte Mehraufwendungen, die nicht bereits als Werbungskosten (§ 9 EStG) im Rahmen einer Einkunftsart des Kindes berücksichtigt werden, sind gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG von der Summe der Einkünfte und Bezüge abzuziehen. Dabei erfolgt die Abgrenzung zwischen Kosten der Lebensführung und dem ausbildungsbedingten Mehrbedarf in der Weise, wie dies im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses zwischen den Kosten der Lebensführung und den durch den Beruf veranlassten Kosten (Werbungskosten) geschieht. Es sind die den Abzug der jeweiligen Aufwendung betreffenden steuerlichen Vorschriften dem Grunde und der Höhe nach zu beachten.

Die in § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG genannten Voraussetzungen für den Abzug von Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit können auch bei berufsbezogenen Bildungsmaßnahmen erfüllt sein. Als Werbungskosten abziehbar sind sämtliche Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der beruflichen Bildungsmaßnahme stehen. Hierzu gehören auch Fahrt- bzw. Mobilitätskosten. Sie sind grundsätzlich gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen. Eine Einschränkung für den Abzug von Fahrtkosten sieht das Gesetz in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nur für die Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte vor. Eine vom Arbeitnehmer besuchte arbeitgeberfremde Bildungseinrichtung stellt ,unabhängig davon, ob die Bildungsmaßnahme die volle Arbeitszeit des Steuerpflichtigen in Anspruch nimmt oder neben einer Voll- oder Teilzeitbeschäftigung ausgeübt wird, nach der Rechtsprechung des VI. Senats des BFH keine regelmäßige Arbeitsstätte in diesem Sinne dar.

 

Fahrtkosten im Rahmen einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme

Eine Bildungseinrichtung ist nicht als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen, auch wenn diese häufig über einen längeren Zeitraum hinweg zum Zwecke eines Vollzeitunterrichts aufgesucht wird.

Aufwendungen eines Zeitsoldaten für Fahrten zur Ausbildungsstätte, die im Rahmen einer vollzeitigen Berufsförderungsmaßnahme anfallen, sind deshalb nicht mit der Entfernungspauschale, sondern in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten zu berücksichtigen.

BFH Urteil vom 9.2.2012, VI R 42/11

Erläuterung (BFH)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit zwei Urteilen vom 9. Februar 2012 (VI R 42/11 und VI R 44/10) entschieden, dass Fahrten zwischen der Wohnung und einer vollzeitig besuchten Bildungseinrichtung in voller Höhe (wie Dienstreisen) und nicht nur beschränkt in Höhe der Entfernungspauschale als Werbungkosten abgezogen werden können.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sind Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte nur beschränkt, nämlich in Höhe der Entfernungspauschale von derzeit 0,30 € je Entfernungskilometer als Werbungskosten abziehbar. Als regelmäßige Arbeitsstätte hat der BFH bislang auch Bildungseinrichtungen (z.B. Universitäten) angesehen, wenn diese über einen längeren Zeitraum zum Zwecke eines Vollzeitunterrichts aufgesucht werden. Fahrtkosten im Rahmen einer Ausbildung waren deshalb nicht in tatsächlicher Höhe, sondern der Höhe nach nur beschränkt abzugsfähig. Hieran hält der BFH nicht länger fest. Auch wenn die berufliche Aus- oder Fortbildung die volle Arbeitszeit des Steuerpflichtigen in Anspruch nimmt und sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, ist eine Bildungsmaßnahme regelmäßig vorübergehend und nicht auf Dauer angelegt.

Fahrtkosten im Rahmen eines Vollzeitstudiums

Eine Hochschule (Universität) ist nicht als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen, auch wenn diese häufig über einen längeren Zeitraum hinweg zum Zwecke eines Vollzeitstudiums aufgesucht wird (Änderung der Rechtsprechung).

Fahrtkosten von Studentinnen und Studenten zur Hochschule (Universität) sind deshalb nicht mit der Entfernungspauschale, sondern in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten zu berücksichtigen.

BFH Urteil vom 9.2.2012, VI R 44/10

Erläuterung (BFH)

Deshalb hat der BFH in der Sache VI R 44/10 die Fahrtkosten einer Studentin zur Hochschule (Universität) im Rahmen eines Zweitstudiums als vorweggenommene Werbungskosten zum Abzug zugelassen. In dem Verfahren VI R 42/11 hat der BFH die Aufwendungen eines Zeitsoldaten für Fahrten zur Ausbildungsstätte, die im Rahmen einer vollzeitigen Berufsförderungsmaßnahme angefallen waren, ebenfalls in tatsächlicher Höhe berücksichtigt. Aufwendungen für Dienstreisen können allerdings (auch bei Inanspruchnahme der Kilometerpauschale) steuerlich nur berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige Fahrtaufwand tatsächlich getragen hat. Bei Anwendung der Entfernungspauschale kommt es darauf nicht an.