Fahrtkostenpauschale bei Belegarzttätigkeit und Praxis

Üben Ärzte ihre selbständige Tätigkeit als Berufsausübungsgemeinschaft sowohl in eigenen Praxisräumen als auch als Belegärzte in einer angrenzenden Klinik unter vertraglich vereinbarter Nutzung von Räumen der Klinik aus, bilden diese Räume und diejenigen der Praxis eine einheitliche Betriebsstätte.

Der Aufwand für Fahrten der Ärzte zwischen ihrer Wohnung und dieser Betriebsstätte kann nur im Umfang der nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG pro Entfernungskilometer zu berücksichtigenden Beträge als Sonderbetriebsausgabe abgezogen werden.

BFH Urteil vom 17.01.2017 –VIII R 33/14 BFH/NV 2017, 1013

Begründung:

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG, der i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG entsprechend für Betriebsausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte gilt, ist der Abzug von Betriebsausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Betriebsstätte auf die Höchstbeträge der gesetzlichen Entfernungspauschale begrenzt. Dies gilt auch bei Ermittlung des Anteils der privaten Nutzung durch ein Fahrtenbuch (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG) für die Ermittlung der Höhe der abzugsfähigen Sonderbetriebsausgaben des Mitunternehmers einer freiberuflich tätigen Mitunternehmerschaft. Durch die Entfernungspauschale sind nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG “sämtliche Aufwendungen” abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Betriebsstätte veranlasst sind.

Die Betriebsstätte einer Personengesellschaft ist die ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung, die die Gesellschafter nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit aufsuchen. Daher ist für die Annahme einer Betriebsstätte i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG der prägende, regionsbezogene Ort maßgeblich, an dem oder von dem aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen für Rechnung der Gesellschaft erbracht werden, die den steuerbaren Einkünften zugrunde liegen.

Nach den für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG übten der Kläger und die Beigeladenen zu 1. bis 4. ihre freiberufliche ärztliche Tätigkeit sowohl in den Praxisräumen der Beigeladenen zu 5. als auch in den unmittelbar angrenzenden Klinikräumen aus. Dabei erbrachte der Kläger seine ärztlichen Leistungen in der Praxis und der Klinik auf der Grundlage der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen der Beigeladenen zu 5. und der von der Beigeladenen zu 5. mit dem Klinikum geschlossenen weiteren vertraglichen Abreden. Er nutzte hierfür nicht nur Geräte der bestehenden Apparategemeinschaft, sondern auch Räumlichkeiten und Einrichtungen sowohl der Beigeladenen zu 5. als auch in unmittelbarer Nähe gelegene Räume und Einrichtungen der Klinik.

Daher hat das FG rechtsfehlerfrei eine einheitliche Betriebsstätte angenommen und den Abzug der streitigen Fahrtaufwendungen als Sonderbetriebsausgaben im Rahmen der Ermittlung der abzugsfähigen Aufwendungen nach der Fahrtenbuchmethode auf die Entfernungspauschale nach §§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Sätze 2 und 3, 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG begrenzt.

Ungleichbehandlung von Landesbediensteten und anderen Arbeitnehmern für Fahrtkostenpauschale bei Reisekosten

In einigen Bundesländern erhalten Landesbedienstete bei Fahrten mit dem eigenen Pkw 0,35 € je km steuerfrei erstattet. Bei anderen Steuerzahlern akzeptiert das Finanzamt hingegen ohne Einzelnachweis nur einen pauschalen Kilometersatz von 0,30 €. Dies Ungleichbehandlung führt nach Auffassung des FG Baden Württemberg nicht zu einem verfassungswidrigen Sachverhalt (Eigene Ausführungen).

FG Baden Württemberg Urteil vom 22.10.2010, 10 K 1768/10

Das Gericht führt in seiner Entscheidung dazu aus:

Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist gegeben, wenn wesentlich Gleiches ungleich oder wesentlich Ungleiches gleich behandelt wird, ohne dass dafür ein vernünftiger, sachlich einleuchtender Grund erkennbar ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- darf eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten nicht anders behandelt werden, wenn zwischen den beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können.

Aus öffentlichen Kassen gezahlte Reisekostenvergütungen sind gemäß § 3 Nr. 13 EStG steuerfrei. In welcher Höhe sie gezahlt werden, ergibt sich für Bedienstete der Bundesländer Rheinland-Pfalz -RP- und Baden-Württemberg -BW- aus den entsprechenden Landesreisekostengesetzen -LRKG-. Seit dem 1. Januar 2009 beträgt der erstattete Kilometersatz für Fahrzeuge über 600 ccm gemäß § 6 LRKG-BW und § 1 Landesverordnung -LVO- zu § 6 LRKG-RP 0,35 Euro, wenn der Dienstherr die Benutzung dieses Fahrzeugs vor der Dienstreise genehmigt hat, weil zum einen ein triftiger Grund vorlag, überhaupt ein privates Kraftfahrzeug zu benutzen, und zum anderen dieses Fahrzeug als im überwiegenden dienstlichen Interesse gehalten anerkannt ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, erhält der Bedienstete höchstens 0,25 Euro je Kilometer erstattet.

Die Vorschrift des § 3 Nr. 13 EStG ist allerdings nach der Rechtsprechung des BFH einschränkend dahin auszulegen, dass die Steuerfreiheit der Erstattungen nur im Fall der Abgeltung eines Aufwands eintritt, der, wenn ihn der Arbeitnehmer selbst getragen hätte, als Werbungskosten abziehbar wäre. Dies erfordert das verfassungsrechtliche Gebot, wesentlich gleiche Tatbestände auch gleich zu behandeln, soweit nicht ein einleuchtender Grund für eine Differenzierung gegeben ist. Ein sachlicher Grund, der es rechtfertigen könnte, Reisekostenvergütungen aus öffentlichen Kassen auch insoweit von der Besteuerung freizustellen, als sie den Aufwand im Sinne des Werbungskostenbegriffs übersteigen, liegt nicht vor.

Fahrtkostenerstattungen für Arbeitnehmer außerhalb des öffentlichen Dienstes sind nach § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei, soweit sie die beruflich veranlassten Mehraufwendungen nicht übersteigen, das heißt soweit sie Aufwendungen ersetzen, die der Arbeitnehmer andernfalls als Werbungskosten geltend machen könnte. Anerkannt und steuerfrei erstattet werden können Fahrtkosten in nachgewiesener tatsächlicher Höhe, nach individuell ermittelten Kilometersätzen oder ohne Nachweise nach pauschalen Kilometersätzen.

Solche zulässigen pauschalierenden Regelungen hat der Gesetzgeber in § 3 Nr. 13 und 16 EStG getroffen. Die Prüfung, in welcher Höhe Fahrtkosten erstattet werden, die Werbungskosten darstellen, ist jeweils auf den Arbeitgeber oder öffentlichen Dienstherrn verlagert. Die vom Arbeitgeber oder Dienstherrn als Werbungskosten anerkannten Kosten können steuerfrei erstattet werden. Mit der Kilometerpauschale hat der Gesetzgeber den Arbeitnehmer in bestimmter Höhe einerseits von seiner Nachweis- und den Arbeitgeber andererseits von seiner Prüfungspflicht befreit. Es liegt im Spielraum des Gesetzgebers, in welcher Höhe er eine solche Ausnahme zulassen will.

Der öffentliche Dienstherr prüft bereits im Vorfeld der Dienstreise, ob ein dienstlicher Anlass vorliegt und ob ausreichende Gründe bestehen, die die Nutzung eines Pkw anstelle öffentlicher Verkehrsmittel rechtfertigen. Der vom Kläger als gleichheitswidrig angesehene Kilometersatz von 0,35 Euro kommt überhaupt nur zur Anwendung, wenn schon das Halten eines Fahrzeugs im dienstlichen Interesse liegt, d.h. wenn an sich aus der bestehenden Fürsorgepflicht des Staates gegenüber seinen Bediensteten ein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt werden müsste. Hinzu kommt die Pflicht zum wirtschaftlichen Umgang mit öffentlichen Geldern, die zu einer ausführlichen Prüfung der anzuerkennenden Fahrtkosten führt, um sicherzustellen, dass die für den Dienstherrn kostengünstigste Möglichkeit zur Anwendung kommt. Keinesfalls sind daher Landesbedienstete von einer Nachweispflicht generell befreit, wie der Kläger jedoch geltend macht.

Ein Fahrzeug wird nur dann als im dienstlichen Interesse gehalten anerkannt, so dass Fahrtkosten von 0,35 Euro je Kilometer erstattet werden, wenn es durch den Bediensteten häufig zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Dienstaufgaben unabweisbar notwendig eingesetzt werden muss und dies insgesamt für den Dienstherrn wirtschaftlicher ist.

Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluss vom 15.03.2011 – VI B 145/10 die Beschwerde abgelehnt. Nunmehr ist unter Aktenzeichen BVerfG: 2 BvR 1008/11 Eine Klage beim Bundesverfassungsgericht anhängig.

 

Die Finanzverwaltung ist nunmehr verpflichtet einem Antrag auf Ruhen des Verfahrens zuzustimmen.