Hinzurechnung von Hotelaufwendungen als Mietaufwendungen zur Gewerbesteuer.

Hinzurechnung von Hotelaufwendungen als Mietaufwendungen zur Gewerbesteuer.

FG Münster 04.02.2016 9 K 1472/13 G Revision zugelassen.

Sachverhalt:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwand der Klägerin als Reiseveranstalterin für die vorübergehende Verschaffung von Hotels, Hotelzimmern und Hotelzimmerkontingenten der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. d und e des Gewerbesteuergesetzes unterliegt.

Begründung:

Anders als bei der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer sind nicht sämtliche Einnahmen und Ausgaben einer im Inland ansässigen natürlichen oder juristischen Person, die gewerbliche Einkünfte erzielt, in die Ermittlung des Gewerbegewinns einzubeziehen. Vorgreiflich und mit unmittelbarer Auswirkung auf die Ermittlung des Gewerbeertrags begrenzt § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG 2002 den Umfang des Gewerbeertrags, da der Gewerbesteuer nur jeder stehende Gewerbebetrieb unterliegt, soweit er im Inland betrieben wird. Die in § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG 2002 vorgesehene Kürzung des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland betriebene Betriebsstätte entfällt, wiederholt in diesem Sinne nur deklaratorisch die Begrenzung, die sich aus dem Steuergegenstand in § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG bereits ergibt- Beide Normen zusammen bekräftigen den systematischen Ansatz des Gewerbesteuerrechts, nur inländische Erträge eines Gewerbebetriebs der Gewerbesteuer zu unterwerfen.

Dies bedeutet freilich nicht, dass ein Reiseveranstalter, der Auslandsreisen durchführt, hinsichtlich seiner im Ausland erbrachten Reiseleistungen grundsätzlich nicht der deutschen Gewerbesteuer unterliegt. Wie sich auch aus § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG 2002 ergibt, soll aber der Teil des Gewerbeertrags, der durch eine ausländische Betriebsstätte des Gewerbebetriebs erzielt wird, aus der Bemessungsgrundlage ausgeschieden werden.

Der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterfallen hiernach ein Fünftel der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen. Was unter Miet- und Pachtzinsen zu verstehen ist, entscheidet sich nach Zivilrecht (BFH-Urteile vom 31.7.1985 VIII R 261/81, BFHE 145, 134, BStBl II 1986, 304; vom 10.7.1996 I R 132/94, BFHE 181, 337, BStBl II 1997, 226; Blümich/Hofmeister, EStG/KStG/GewStG, § 8 GewStG Rz. 201; Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 8 Nr. 1 Buchst. d Rz. 22). Unerheblich ist, ob auf das konkrete Vertragsverhältnis deutsches Recht anwendbar ist. Ausreichend ist, dass der Vertrag als Miet- oder Pachtvertrag zu beurteilen wäre, wenn auf ihn deutsches Recht anwendbar wäre. Der konkrete Vertrag muss sich jedenfalls seinem wesentlichen Gehalt nach als Miet- oder Pachtvertrag im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) darstellen. Das bedeutet übertragen auf Verträge für die Überlassung von Schiffen, dass es sich um einen Vertrag handeln muss, der in erster Linie die Verpflichtung des Schiffseigners zum Inhalt haben muss, der anderen Vertragspartei gegen Entgelt entweder den Gebrauch der Schiffe während der Mietzeit oder den Gebrauch der Schiffe und den Genuss der Früchte während der Vertragslaufzeit zu gewähren. Im Bereich der Schiffscharter entspricht es der Auffassung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, dass jedenfalls dann kein Mietvertrag, sondern ein Vertragsverhältnis eigener Art vorliegt, wenn der konkrete Vertrag wesentliche, einem Mietvertrag fremde Elemente enthält. Das gilt insbesondere, wenn der Vertrag die Gestellung der Schiffsmannschaft dem Vercharterer auferlegt. Hierbei handelt es sich nicht um eine bloße Nebenleistung zur Raumvermietung des Schiffs, sondern um eine Leistung, die das Wesen des gesamten Vertrags entscheidend beeinflusst.

Die streitgegenständlichen Schiffscharterverträge enthalten wesentliche Elemente, die ihrer Qualifikation als Mietverträge entgegenstehen. Insbesondere werden die Schiffe mitsamt der Crew überlassen. Diese Personalgestellung durch den Vercharterer ist auch wesentlich, da es der Klägerin nicht allein um die mietweise Überlassung des Schiffs, sondern gerade um die Durchführung einer Schiffsreise unter Zuhilfenahme des bewährten Schiffspersonals ging.

Im Übrigen unterliegen die Aufwendungen für die im Tenor unter 3. bezeichneten Reisevorleistungen jedenfalls teilweise der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG 2002.

Die Beteiligten gehen hinsichtlich der vorgenannten Reisevorleistung davon aus, dass diese der inländischen Betriebsstätte der Klägerin zuzuordnen sind und damit dem Grunde nach bei der Berücksichtigung des Gewerbeertrags zu berücksichtigen sind, weil insoweit keine ausländischen Betriebsstätten der Klägerin vorliegen (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 7 Satz 1, § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG 2002; vgl. dazu bereits allgemein unter II.1). Dem folgt der erkennende Senat zumindest in Bezug auf die Hotelunterkunft als solche. Wie bereits dargelegt, unterliegt ein Reiseveranstalter, der Auslandsreisen durchführt, hinsichtlich seiner im Ausland erbrachten Reiseleistungen der deutschen Gewerbesteuer, falls er im Ausland keine Betriebsstätte unterhält bzw. soweit die von ihm erbrachten Leistungen einer etwaigen ausländischen Betriebsstätte nicht zuzuordnen sind. Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Unterkunft der Reiseleiter der Klägerin im Einzelfall zu einer Betriebsstätte führen könnte, ließen sich dieser Betriebsstätte allenfalls etwaige eigenständige örtliche Sport- und Freizeitprogramme der Klägerin zuordnen.

Enthält ein Vertrag wesentliche mietfremde Elemente, so scheidet eine Qualifikation als Mietvertrag i.S. des § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG 2002 aus. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn es sich um einen sog. Vertrag eigener Art (sui generis) handelt, wie beispielsweise in dem vorab genannten Fall der Schiffscharter (s. unter III.). Sind demgegenüber die Hauptpflichten in einem einheitlichen Vertrag trennbar, weil ein sog. typengemischter Vertrag vorliegt, und enthält der typengemischte Vertrag trennbare mietvertragliche Hauptpflichten, so kommt insoweit eine Hinzurechnung in Betracht.

Ebenso wenig kann sich der Senat der Auffassung anschließen, es handele sich um Verträge sui generis, die keinen teilbaren mietvertraglichen Bestandteil aufwiesen. Zutreffend weist die Klägerin zwar darauf hin, dass alle Verträge aus einem Leistungsbündel bestehen und sich nicht allein in der Zurverfügungstellung von Hotels oder Hotelzimmern erschöpfen. Insoweit wird auch in der zivilrechtlichen Literatur der Beherbergungsvertrag zutreffend als Typenkombinationsvertrag betrachtet (aus der jüngeren Literatur Ahrens/Richter, Wettbewerb in Recht und Praxis 2011, 814, 818; Staudinger/Oechsler (2014) M. Vertragstypen, Rz. 35; Rodegra, Monatsschrift für Deutsches Recht 2013, 1257). Hieraus kann aber allein nicht der Schluss gezogen werden, dass ein Vertrag sui generis vorliegt. Rechtlich können die Mietbestandteile von anderen Hauptpflichten (beispielsweise Frühstück oder Büffet) klar getrennt werden. Dass praktisch eine Aufteilung der Gegenleistung gleichwohl Schwierigkeiten begegnet, ist zwar nicht von der Hand zu weisen, beruht aber nicht auf der rechtlichen Typenvermischung, durch die ein eigenständiger Vertragstypus entstanden wäre, sondern auf der nicht offen gelegten Kalkulation der Vertragsparteien. Das Problem der Aufteilbarkeit der Gegenleistung kann allein jedoch keine Rückwirkung auf die entscheidende rechtliche Trennbarkeit der Hauptleistungspflicht haben,

Ist dem Grunde nach eine Hinzurechnung vorzunehmen, wird der Senat im Rahmen seines Endurteils gleichwohl die genaue Höhe der hinzuzurechnenden Beträge noch zu ermitteln haben. Denn nicht das gesamte Vertragsentgelt ist der Hinzurechnung zu unterwerfen, sondern nur der Teil der auch tatsächlich als Entgelt für die Nutzungsüberlassung unbeweglicher und beweglicher Wirtschaftsgüter gezahlt worden und einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Die Vergütung für hiervon zu trennende wirtschaftlich eigenständige Leistungen ist in die Hinzurechnung nicht mit einzubeziehen, soweit nicht die Voraussetzungen eines eigenständigen Hinzurechnungstatbestandes erfüllt sind.

Bei der Anmietung von Hotels und Hotelzimmern bzw. Kontingenten führt dies dazu, dass folgende selbständige Leistungen grundsätzlich nicht der Hinzurechnung unterliegen und aus dem Gesamtentgelt anteilig ausgeschieden werden müssen wie Verpflegungsleistungen, Beförderungsleistungen (Shuttleservice),  spezielle Wellness- und Sportleistungen, allerdings nicht die Nutzung der/des hauseigenen Sauna/Schwimmbads, Willkommens- und Unterhaltungsveranstaltungen, Ausflüge etc. (insoweit auch OFD Nordrhein-Westfalen vom 4. 11. 2013 G 1422 – 2013/0023 – St 161, DStR 2014, 373).

Da die Hinzurechnung indes allein im Umfang der Miet- und Pachtzinsen erfolgen darf, sind aus dem Entgelt auch reine Betriebskosten (wie z.B. Wasser, Strom, Heizung) und eigenständig zu beurteilende Nebenleistungen (wie z.B. Personalkosten für die übliche Rezeption und für die Reinigung der Räumlichkeiten, Stellung von Handtüchern) auszuscheiden (teilweise abweichend OFD Nordrhein-Westfalen in DStR 2014, 373). Insoweit handelt es sich um Aufwendungen, die nicht für die Überlassung der Räumlichkeiten, sondern für weitere Leistungsbestandteile gezahlt werden, die keinen Mietcharakter haben. Diese Begrenzung wird auch durch den Grundgedanken der Vorschrift getragen. Wenn ein Eigentümer von Hotelräumlichkeiten mit demjenigen verglichen werden soll, der hat diese anmietet, hat der Mieter nur insoweit einen Finanzierungsanteil, den er durch seinen Betrieb erwirtschaften und finanzieren muss, als er die Netto-Kaltmiete für die Räumlichkeiten zahlen muss. Hinsichtlich der übrigen Kostenstruktur bestehen zwischen den Vergleichsunternehmen grundsätzlich kein Unterschied und daher auch keine Notwendigkeit zur Herstellung einer Finanzierungsneutralität.

Anmerkung:

Das Gericht berücksichtigt bei seinen Ausführungen gerade nicht, dass der Gesetzgeber diese kurzfristige Überlassung der Hotelzimmer nicht in die Hinzurechnung der Gewerbesteuer einbeziehen wollte. So wurde in dem Gesetzesentwurf zum Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 Bundesdrucksache 16/4841 sowie Drucksache Bundesrat 220/07  Deutscher Bundestag Seite hierzu ausgeführt:

„Liegt kein reiner Miet- oder Pachtvertrag, sondern ein sog. gemischter Vertrag vor, ist die Hinzurechnung nur möglich, wenn die Vermietung oder Verpachtung eine von den übrigen Leistungen trennbare Hauptleistung ist; für die Hinzurechnung ist nur das Entgelt zu berücksichtigen, das auf die Vermietung oder Verpachtung entfällt (vgl. Abschnitt 53 Abs. 1 Satz 14 und 15 GewStR).

Nach diesen Grundsätzen sind z. B. auch Verträge über kurzfristige Hotelnutzungen oder kurzfristige Kfz-Mietverträge zu beurteilen. Eine Hinzurechnung wird danach regelmäßig ausscheiden.“

 

Hinzurechnung von Grundstückspachtzahlungen

Eine am Umsatz des Pächters bemessene Pachtzahlung unterliegt in voller Höhe der Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG 2002.

BFH Urteil vom 18.08.2015 – IR 43/14 BFH/NV 2016, 232

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist Organträgerin einer AG als Organgesellschaft und diese wiederum ist zugleich Organträgerin einer anderen GmbH. Letztere betreibt in der Bundesrepublik Deutschland zahlreiche …, die teilweise von fremden Dritten gepachtet wurden. Die vertraglichen Bedingungen unterscheiden sich von Fall zu Fall. So wurden insbesondere mit einigen Grundstückseigentümern umsatzabhängige Pachten mit der Verpflichtung, das … auch tatsächlich zu betreiben (Betriebspflicht), vereinbart. Andere Verträge sehen vor, dass sich das Entgelt aus einer Mindestpacht und einer umsatzabhängigen Vergütung zusammensetzt.

Während der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) auch im Falle der umsatzabhängigen Pacht die an die Eigentümer gezahlten Pachtzinsen in voller Höhe gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG 2002 n.F. gewerbeertragserhöhend erfasste, war die Klägerin der Auffassung, dass von den Pachtentgelten zunächst bestimmte Betriebskosten abzusetzen seien und nur der sich daraus ergebende Differenzbetrag dem Grunde nach der Hinzurechnung unterliege.

Begründung:

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Die an die Grundstückseigentümer oder Hauptpächter gezahlte Umsatzpacht unterliegt in voller Höhe der Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG 2002 n.F.

Gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG 2002 n.F. werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb –unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen– ein Viertel der Summe aus dreizehn Zwanzigstel der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, wieder hinzugerechnet.

Nach der zur Vermietung und Verpachtung beweglicher Wirtschaftsgüter ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung setzt der Hinzurechnungstatbestand voraus, dass die Leistungen, deren Hinzurechnung in Frage steht, aufgrund eines Rechtsverhältnisses erbracht werden, das seinem wesentlichen rechtlichen Gehalt nach ein Miet- oder Pachtverhältnis im Sinne des bürgerlichen Rechts ist . Der Begriff der Miet- und Pachtzinsen ist indes wirtschaftlich zu verstehen. Er erfasst daher nicht nur die laufenden Barzahlungen des Mieters oder Pächters an den Vermieter oder Verpächter. Vielmehr gehören auch die vom Mieter oder Pächter getragenen Instandhaltungskosten und z.B. die Kosten einer Kaskoversicherung zu den Miet- oder Pachtzinsen i.S. des § 8 Nr. 7 GewStG 2002 a.F., wenn und soweit diese Kosten nach den für diesen Vertragstyp gültigen gesetzlichen zivilrechtlichen Vorschriften nicht ohnehin der Mieter oder Pächter zu tragen hätte.

Wie zum „alten” Hinzurechnungstatbestand gemäß § 8 Nr. 7 GewStG 2002 a.F. entschieden, setzt das Gesetz nicht voraus, dass die Miet- oder Pachtzinsen angemessen sind und der Abschluss des Miet- oder Pachtvertrages wirtschaftlich sinnvoll sind.

Nach diesen Maßstäben ist die angegriffene FG-Entscheidung nicht zu beanstanden.

Die am Umsatz der Klägerin bemessene Pachtzahlung kann ohne Weiteres unter den Begriff des Pachtzinses i.S. des § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG 2002 n.F. subsumiert werden. In der Spruchpraxis des BFH wurden wiederholt Umsatzpachten in Höhe des Zahlbetrages der Hinzurechnung unterworfen. Entgegen der Auffassung der Revision besteht im Streitfall kein Anlass für eine einschränkende oder verfassungskonforme Auslegung der Hinzurechnungsnorm

Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Umlaufvermögen

Der Auslegung des § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG dahingehend, dass die nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen auch um den Zinsaufwand für im Umlaufvermögen ausgewiesene Grundstücke zu kürzen bzw. ein Gegenbeweis zuzulassen sei, steht der eindeutige Gesetzeswortlaut entgegen, der nur die Finanzierungskosten für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens privilegiert.

BFH  Urteil vom 30.08.2012 – IV R 48/09 BFHNV 2013 S. 187

Begründung:

Der insoweit von den Klägern begehrten Gesetzesauslegung, die nicht abziehbaren Schuldzinsen seien auch um den Zinsaufwand für die angeschafften und im Umlaufvermögen der OHG ausgewiesenen Grundstücke zu kürzen bzw. es sei diesbezüglich zumindest ein Gegenbeweis zuzulassen, steht allerdings der eindeutige Wortlaut von § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG entgegen, der nur die Finanzierungskosten für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens privilegiert.

Entgegen der Auffassung der Kläger bleibt der Wortlaut der Vorschrift auch nicht hinter dem vom Gesetzgeber verfolgten Normzweck zurück und ist deshalb auch nicht dahingehend erweitert auszulegen, dass auch der Zinsaufwand für die Finanzierung von Umlaufvermögen ebenso wie die Zinsen für Investitionsdarlehen von dem typisiert ermittelten Betrag der nicht abziehbaren Schuldzinsen abzuziehen wäre. Mit der Beschränkung des Schuldzinsenabzugs trat der Gesetzgeber dem von der Rechtsprechung für zulässig erklärten Mehrkontenmodell entgegen. § 4 Abs. 4a EStG beschränkt den Schuldzinsenabzug, wenn und soweit die Entnahmen die Summe von Gewinn und Einlagen in diesem Wirtschaftsjahr und in den Vorjahren übersteigen. § 4 Abs. 4a EStG stellt damit nicht auf einen entnahmebedingt entstandenen oder vergrößerten Liquiditätsmangel ab. Vielmehr soll der Betriebsausgabenabzug eingeschränkt werden, sofern die Summe der Entnahmen die Summe aus angesammelten Gewinnen und Einlagen, also das gesamte in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital, übersteigt. Folglich führen Entnahmen aus einem überschuldeten Betrieb zur Kürzung des Schuldzinsenabzugs, während Eigenkapital entnommen werden kann, ohne dass sich dies im Rahmen von § 4 Abs. 4a EStG auf den betrieblichen Schuldzinsenabzug negativ auswirkt . Das Gesetz unterstellt damit bei Vorliegen von Überentnahmen eine private Veranlassung und stuft die Schuldzinsen als nicht abziehbar ein.

Von diesem Grundsatz hat der Gesetzgeber lediglich in § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG eine Ausnahme gemacht, wodurch anstehende betriebliche Investitionen in Anlagevermögen nicht erschwert werden sollten. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Privilegierung des Anlagevermögens bestehen insoweit nicht. § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG ist nicht willkürlich und verstößt insoweit nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes . Für eine Gleichbehandlung des Umlaufvermögens mit dem Anlagevermögen besteht kein Anlass, da Umlaufvermögen zum alsbaldigen Absatz bestimmt ist und bei späteren Käufen häufig von Lieferanten Zahlungsziele eingeräumt werden. Die Differenzierung zwischen Anlage- und Umlaufvermögen beim Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4a EStG ist selbst dann nicht willkürlich, wenn Umlaufvermögen anlässlich der Betriebseröffnung angeschafft wird, weil auch diese Wirtschaftsgüter zum alsbaldigen Verkauf bestimmt sind und die investierten Gelder zeitnah wieder frei werden. Es liegt auch keine sinnwidrige Ungleichbehandlung der Finanzierungskosten von Anlage- und Umlaufvermögen vor, denn der Gesetzgeber geht davon aus, dass es dem Steuerpflichtigen freisteht, wie er seine Privat- und Betriebsausgaben finanziert. Privilegiert werden lediglich Aufwendungen für betriebliche Investitionen, welche dem Betrieb auf Dauer zu dienen bestimmt sind. Im Übrigen sind Schuldzinsen für den Erwerb von Umlaufvermögen nicht per se nicht abziehbar, sondern lediglich dann, wenn der Steuerpflichtige durch Überentnahmen Privataufwendungen in den betrieblichen Bereich verlagert hat. Denn auch insoweit gilt, dass die Tatsache des Vorliegens von Überentnahmen der Anknüpfungspunkt für die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs ist und nicht etwa die Finanzierung von Umlaufvermögen

 

Gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Darlehenszinsen: Vorlage an den Europäischen Gerichtshof

Dem EuGH werden die folgenden Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Steht Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten einer Regelung entgegen, wonach die von einem Unternehmen eines Mitgliedstaates an ein verbundenes Unternehmen eines anderen Mitgliedstaates gezahlten Darlehenszinsen bei dem erstgenannten Unternehmen der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer hinzugerechnet werden?

Falls die erste Frage bejaht wird: Ist Art. 1 Abs. 10 ZLR dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten auch dann freisteht, die Richtlinie nicht anzuwenden, wenn die in Art. 3 Buchst. b ZLR genannten Voraussetzungen für das Vorliegen eines verbundenen Unternehmens zum Zeitpunkt der Zinszahlung noch nicht während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens zwei Jahren erfüllt waren? Können sich die Mitgliedstaaten in diesem Fall gegenüber dem zahlenden Unternehmen unmittelbar auf Art. 1 Abs. 10 ZLR berufen?

BFH Beschluss vom 27. Mai 2009 I R 30/08

Erläuterungen:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 27. Mai 2009 I R 30/08 dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) ein bei ihm anhängiges Revisionsverfahren zur Entscheidung darüber vorgelegt, ob die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Darlehenszinsen mit der Richtlinie 2003/49/EG (EU-Zins- und Lizenzrichtlinie) vereinbar ist.

Im Streitfall wurden die von einer inländischen Kapitalgesellschaft an ihre alleinige Anteilseignerin, eine in den Niederlanden ansässige Kapitalgesellschaft, gezahlten Darlehenszinsen entsprechend der im Streitjahr 2004 geltenden Regelung in § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage zur Hälfte wieder hinzugerechnet.

Nach der EU-Zins- und Lizenzrichtlinie sind grenzüberschreitende Zinszahlungen zwischen Unternehmen, die durch eine Beteiligung von mindestens 25 % miteinander verbunden sind, im Sitzstaat des zahlenden Unternehmens von der Steuer befreit. Der BFH hält es für fraglich, ob die in der Richtlinie angeordnete Steuerbefreiung auch die volle steuerliche Abzugsfähigkeit der Zinsen beim zahlenden Unternehmen gebietet.

Der Vorlagebeschluss des BFH hat auch Bedeutung für die ab 2008 geltende Neuregelung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Darlehenszinsen in § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG.