Kindergeld: Trainee-Programm kann Berufsausbildung sein

Eine nach Abschluss eines Hochschulstudiums erfolgte Trainee-Anstellung kann als Berufsausbildung anerkannt werden und somit zum Bezug von Kindergeld berechtigen.

FG Münster Urteil vom 30.10.2008 4 K 4113/07 Kg

Erläuterung:

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt schloss die Tochter der Klägerin nach universitärer Magisterprüfung einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag als Trainee im Marketingbereich eines Presseverlags ab. Die Jahresvergütung belief sich auf € 7.800,00. Im Anschluss hieran erhielt die Tochter eine Festanstellung als Marketingassistentin. Die beklagte Familienkasse bewilligte für den Zeitraum der Trainee-Tätigkeit kein Kindergeld. Nach ihrer Auffassung handelte es sich nicht um ein Berufsausbildungsverhältnis i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG.

 Das Gericht trat dem entgegen. Nach Ansicht des Gerichts zählt zum Begriff der Berufsausbildung nicht nur der erstmalige Erwerb theoretischer und praktischer Fähigkeiten. Als Ausbildung zu werten sei ebenfalls im Sinne einer Berufsqualifizierung die anschließende Vervollkommnung und Abrundung der erworbenen Erkenntnisse, sofern diese zur Förderung des angestrebten Berufsziels geeignet seien. In Abgrenzung zu einem insoweit nicht begünstigten Arbeitsverhältnis sei im Rahmen einer Gesamtwürdigung insbesondere entscheidend, ob der Trainee während seiner Tätigkeit mit sämtlichen für den künftigen Beruf relevanten Sachbereichen in Berührung komme, hierbei qualifizierte, auf den bisherigen Ausbildungsstand aufbauende Arbeiten übernehme, Unterweisungen und Korrekturen vorgesetzter Mitarbeiter unterworfen sei und das Gehalt sich der Höhe nach an einer Ausbildungsvergütung orientiere.

 Im Entscheidungsfall kam der Senat zu dem Schluss, dass die Trainee-Tätigkeit der Tochter der Klägerin unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände als Berufsqualifikation anzusehen war. Gerade im Presse- und Verlagswesen genüge allein der Abschluss eines Hochschulstudiums nicht, um das berufliche Anforderungsprofil hinreichend zu erfüllen. Erst durch eine auf das Studium aufbauende Praktikums- oder Trainee-Zeit würden die hierfür erforderlichen praktischen Fertigkeiten vermittelt.

 Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Kein Kindergeld bei Lottogewinn

Lottogewinne gehören zu den bei der Ermittlung des Jahresgrenzbetrages einzubeziehenden Bezügen; sie sind zur Bestreitung der Kosten von Ausbildung und Unterhalt geeignet.

BFH Beschluss vom 26.11.2008 – III S 65/08 (PKH) BFH NV 2009 S. 382

Begründung:

Die Festsetzung von Kindergeld für den Sohn des Steuerpflichtigen wurde wegen Überschreitung des Jahresgrenzbetrags aufgehoben und das gezahlte Kindergeld zurückgefordert, weil der Sohn einen Lottogewinn in Höhe von ca. 65 000 € erzielt hatte. Das Finanzgericht (FG) führte aus, bei dem Lottogewinn handele es sich um einen Bezug, der zur Bestreitung des Unterhaltes und der Ausbildung des Sohnes geeignet gewesen sei.

Kindergeld für arbeitslose behinderte Kinder

1. Eine Mitursächlichkeit der Behinderung des Kindes für seine mangelnde Fähigkeit zum Selbstunterhalt genügt für den Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich aber, dass die Mitursächlichkeit erheblich sein muss.

BFH Urteil vom 19. November 2008 III R 105/07

Erläuterungen:
Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. November 2008 III R 105/07 ist für ein über 21 Jahre altes behindertes Kind, das arbeitslos ist und deshalb nicht selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann, Kindergeld zu gewähren, wenn die Behinderung in erheblichem Umfang mitursächlich für die Arbeitslosigkeit ist.
Für ein volljähriges arbeitsloses Kind, das bei der Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender gemeldet ist, besteht bis zum 21. Lebensjahr Anspruch auf Kindergeld. Hat es das 21. Lebensjahr vollendet, entfällt der Anspruch, es sei denn, das Kind ist aufgrund einer Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten. Im Streitfall nahm das 1982 geborene, schwerhörige Kind (Grad der Behinderung 60, Merkzeichen RF) nach Beendigung der Sonderschule an verschiedenen Lehrgängen eines Kollegs für Hörgeschädigte sowie an weiteren Berufsvorbereitungsmaßnahmen für Behinderte teil. Anschließend meldete es sich arbeitslos und erhielt Arbeitslosengeld II. Seit August 2005 wird es bei der Berufsberatung nicht mehr als Bewerber für eine berufliche Ausbildungsstelle geführt. Die Familienkasse lehnte die Gewährung von Kindergeld ab September 2005 ab, weil das Kind trotz seiner Behinderung in der Lage sei, mit einer Arbeitszeit von 15 Stunden in der Woche für seinen Lebensunterhalt zu sorgen.
Der BFH war wie das Finanzgericht (FG) der Auffassung, die Behinderung müsse nicht alleinige Ursache dafür sein, dass das Kind seinen Lebensunterhalt nicht durch eigene Arbeit verdienen könne. Eine erhebliche Mitursächlichkeit reiche aus. Ein wichtiges Indiz sei der Grad der Behinderung. Könne die Agentur für Arbeit überhaupt keine Stellen vermitteln, könne dies ebenfalls für eine erhebliche Mitursächlichkeit sprechen. Die Entscheidung, ob die Behinderung in erheblichem Umfang mitursächlich für die Arbeitslosigkeit sei, habe das FG im Rahmen der Gesamtwürdigung der Umstände des einzelnen Falles zu treffen, die vom BFH nur eingeschränkt überprüfbar sei. Im Streitfall hatte das FG entschieden, das Kind habe aufgrund seiner frühkindlichen Hirnschädigung und seiner Schwerhörigkeit trotz der Arbeitsfähigkeit von 15 Stunden wöchentlich keine oder nur geringe Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt, so dass Kindergeld zu gewähren sei. Diese Würdigung war nach Ansicht des BFH revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Die Meldung des ausbildungsuchenden Kindes als Nachweis

Die Meldung eines ausbildungsuchenden volljährigen Kindes bei der Ausbildungsvermittlung des Arbeitsamtes (jetzt: Agentur für Arbeit) dient regelmäßig als Nachweis dafür, dass es sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat. Die Meldung wirkt jedoch nur drei Monate fort. Nach Ablauf dieser Frist muss sich das Kind erneut als Ausbildungsuchender melden, da sonst der Kindergeldanspruch entfällt.

BFH Urteil vom 19. Juni 2008 III R 66/05

Erläuterung:
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch Urteile vom 19. Juni 2008 III R 66/05 und III R 68/05 geklärt, unter welchen Voraussetzungen Kindergeld zu gewähren ist für Kinder, die einen Arbeitsplatz oder Ausbildungsplatz suchen.
Für ein volljähriges, beschäftigungsloses Kind, welches das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, besteht ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es “bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist”. Auch wenn kein Arbeitsplatz vermittelt worden ist, stellt die Agentur für Arbeit in der Regel nach drei Monaten die Arbeitsvermittlung ein und streicht das Kind aus der Meldeliste. Das Kind kann aber die Arbeitsvermittlung erneut in Anspruch nehmen. Nach dem Urteil des BFH vom 19. Juni 2008 III R 68/05 reicht für die Gewährung von Kindergeld eine einmalige Meldung bei der Agentur für Arbeit nicht aus. Die Streichung aus der Meldeliste wirkt sich vielmehr auch auf die Kindergeldberechtigung aus. Stellt die Agentur für Arbeit die Arbeitsvermittlung nach drei Monaten ein, entfällt ab dem Folgemonat der Kindergeldanspruch, sofern sich das Kind nicht erneut als “Arbeitsuchender” meldet.
Für ein volljähriges Kind, welches das 27. Lebensjahr (ab 2007 das 25. Lebensjahr) noch nicht vollendet hat, besteht ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemühen. Das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz kann unter anderem durch eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit nachgewiesen werden, dass das Kind als Bewerber für eine berufliche Ausbildungsstelle oder für eine Bildungsmaßnahme registriert ist. Nach dem BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 III R 66/05 gilt die Registrierung als Bewerber aber nicht zeitlich unbeschränkt als Nachweis. Entsprechend der Regelung bei der Meldung als Arbeitsuchender muss das Kind zumindest alle drei Monate gegenüber der Agentur für Arbeit sein Interesse an einer weiteren Vermittlung von Ausbildungsstellen kundtun. Anders als beim arbeitsuchenden Kind, bei dem der Kindergeldanspruch von der Meldung bei der Agentur für Arbeit abhängt, kann beim ausbildungsuchenden Kind das Bemühen um einen Ausbildungsplatz – außer durch Meldung bei der Agentur für Arbeit – auch durch Bewerbungen, Suchanzeigen oder ähnliche Aktivitäten glaubhaft gemacht werden.