Leistungsaustausch bei freiwilligen Zahlungen für Reisetrends

Betreibt eine Einzelperson die Entwicklung von Reisetrends und erhält sie dafür von einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft einen freiwilligen monatlichen Förderbeitrag, so kann zwischen der Entwicklung (Organisation von Reisen nebst Berichterstattung) und dem “Förderbeitrag” ein der Umsatzsteuer unterliegender Leistungsaustausch liegen.

FG Schleswig Holstein Urteil vom 27. April 2016 (Aktenzeichen 4 K 27/13)

Begründung:

Mit Urteil vom 27. April 2016 hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts (Aktenzeichen 4 K 27/13) entschieden, dass auch bei sog. freiwilligen monatlichen Förderbeiträgen, welche eine Gesellschaft einer Einzelperson für die Entwicklung von Reisetrends gewährt, ein zur Steuerbarkeit führender Leistungsaustausch vorliegen kann. Der Kläger war ein Anhänger des Oldtimer-Automobilsports und engagierte sich bereits seit Jahren in diesem Bereich, indem er versuchte, andere interessierte Kollegen über die Durchführung von Stammtischen und die Organisation von Oldtimer-Ausfahrten zu binden und insoweit eine Gemeinschaft zu bilden.

Aufgrund eines Vertrages mit einer ausländischen Gesellschaft verpflichtete sich der Kläger dieser gegenüber u.a. zur Weiterführung der Entwicklung neuer und aussichtsreicher Reisetrends sowie zur Berichterstattung hierüber. Hierfür erhielt er einen freiwilligen Förderbeitrag von 2.500,- € monatlich und vertrat die Ansicht, ein umsatzsteuerrechtlich relevanter Zusammenhang zwischen seiner Tätigkeit und der empfangenen Gelder sei nicht gegeben, da keine Leistungen im wirtschaftlichen Sinne erbracht worden seien, bei denen ein über die reine Entgeltentrichtung hinausgehendes eigenes wirtschaftliches Interesse des Entrichteten verfolgt werde (Verweis auf Abschnitt 1.1 Abs. 3 Satz 2 UStAE).

Nach Überzeugung des Gerichts handelte es sich bei den Zahlungen hingegen um Entgelte für steuerpflichtige Leistungen des Klägers, weil ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Zahlungen und den Leistungen des Klägers bestand; es lag damit keine (nicht steuerbare) „bloße Förderung des Zahlungsempfängers im allgemeinen Interesse“ vor. Der Senat zog seine Überzeugung aus einer Auslegung der maßgeblichen Vereinbarung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles. Mochte es zwar aufgrund der Freiwilligkeit der Zahlung an einem synallagmatischen Verhältnis gemangelt haben,

so haben die Parteien doch gezeigt, dass die konkrete Tätigkeit (sei sie daneben auch im eigenen Interesse des Klägers erfolgt) der Erlangung der Zahlung und die Zahlung der Erlangung der Tätigkeit diente.

Gegen das Urteil ist Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden.

Leistungsaustausch oder Schadensersatz

Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, ist nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu beurteilen.

Entschädigungen oder Schadensersatzzahlungen sind grundsätzlich kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts, wenn die Zahlung nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlenden erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für einen Schaden einzustehen hat.

Ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung richtet, bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Deshalb sind bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrages die Voraussetzungen eines Leistungsaustausches regelmäßig erfüllt.

Die Voraussetzungen für einen entgeltlichen Leistungsaustausch liegen vor, wenn ein Steuerpflichtiger auf eine ihm, sei es auf gesetzlicher Grundlage oder vertraglicher Grundlage, zustehende Rechtsposition gegen Entgelt verzichtet.

BFH Urteil vom 16.01.2014-VR 22/13 BFHNV 2014 S. 736 ff

Begründung:

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

Die Besteuerung einer Lieferung oder sonstigen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein; er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch im Sinn des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt. Demgegenüber sind Entschädigungen oder Schadensersatzzahlungen grundsätzlich kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts, wenn die Zahlung nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlenden erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für einen Schaden und seine Folgen einzustehen. In diesen Fällen besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zahlung und der Leistung.

Ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrages, durch den sich eine Vertragspartei zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen und die andere sich hierfür zur Zahlung einer Gegenleistung verpflichtet, sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 UStG regelmäßig erfüllt, falls der leistende Vertragspartner Unternehmer ist.

Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, ist dabei nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu. Deshalb kommt es –entgegen der Auffassung des FG– auf die Frage, ob nach deutschem Zivilrecht objektive oder subjektive Unmöglichkeit der ursprünglich geschuldeten Leistung vorliegt und ob die Zahlung zivilrechtlich als Schadensersatz bezeichnet wird, nicht an.

Die Voraussetzungen für einen entgeltlichen Leistungsaustausch liegen insbesondere dann vor, wenn ein Steuerpflichtiger auf eine ihm, sei es auf gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage, zustehende Rechtsposition gegen Entgelt verzichtet. Auch der Verzicht, ganz oder teilweise eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben, ist gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 9 UStG eine sonstige Leistung.

Dem steht auch nicht das EuGH-Urteil vom 18. Juli 2007  entgegen. Darin hat der EuGH entschieden, dass das Angeld bei Reservierung einer Beherbergungsleistung keine Gegenleistung für eine eigenständige, bestimmbare Leistung, sondern eine Entschädigung zum Ausgleich des infolge des Vertragsrücktritts des Gastes entstandenen Schadens darstellt. Das Angeld soll ein Zeichen für den Abschluss des Beherbergungsvertrages, ein Anreiz für seine Erfüllung und eine pauschalierte Entschädigung sein. An einer eigenständigen bestimmbaren Gegenleistung fehlt es, weil der Hotelier nur seinen sich aus dem Beherbergungsvertrag ergebenden Pflichten nachkommt und keine weitere Dienstleistung erbringt, mit der das Angeld in unmittelbarem Zusammenhang stehen könnte. Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar.

Zum Leistungsaustausch bei der Auseinandersetzung einer Freiberuflersozietät

Verzichtet ein Gesellschafter im Gegenzug für den Erhalt eines Mandantenstammes auf seine Gesellschaftsrechte bzw. die Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens, liegt ein Leistungsaustausch i.S. des § 1 Abs. 1 UStG selbst dann vor, wenn jedem Gesellschafter die rechtlich nicht begrenzte, gleichberechtigte Möglichkeit eingeräumt wird, um die bisherigen Mandanten der Gesellschaft zu werben.

BFH Beschluss vom 05.06.2013 – XI B 116/12 BFH/NV 2013, S.1640

Begründung:

Der Kläger wirft die aus seiner Sicht für die Entscheidung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage auf, ob "die rechtlich nicht begrenzte, gleichberechtigte Möglichkeit, um die bisherigen Mandanten einer Freiberufler-Sozietät nach deren Auseinandersetzung zu werben, als eine steuerbare Leistung anzusehen ist, die der Umsatzsteuer unterliegt". Er legt jedoch schon nicht substantiiert im Sinne der vorgenannten Anforderungen dar, dass diese Frage klärungsbedürftig ist und eine Klärung im Interesse der Allgemeinheit liegt.

Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache genügt weder das Vorbringen der eigenen Rechtsansicht, nach der die GbR gegenüber den ausgeschiedenen Gesellschaftern in Bezug auf die Chance der Übernahme von Mandanten keine steuerbare Leistung erbracht habe, noch der Hinweis darauf, dass die maßgebliche Rechtsfrage vom BFH bisher noch nicht entschieden worden sei. Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu einer bestimmten Rechtsfrage begründet weder einen Klärungsbedarf noch das erforderliche Allgemeininteresse. Ebenso wenig reicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung das Vorbringen aus, dass die Entscheidung der Rechtssache das Interesse eines größeren Kreises von Steuerpflichtigen an einer einheitlichen Handhabung und Entwicklung des Umsatzsteuerrechts im Zusammenhang mit der Auflösung von Freiberuflersozietäten berühre.

Hinzu kommt, dass sich der Kläger mit den die aufgeworfene Rechtsfrage betreffenden in der Rechtsprechung vertretenen Auffassungen zum Leistungsaustausch i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) im Fall der Realteilung sowie mit der Rechtsprechung zu den allgemeinen Voraussetzungen eines Leistungsaustauschs i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG nicht wie geboten auseinandergesetzt hat.

Er legt keinen rechtserheblichen, abweichenden Rechtssatz eines anderen Gerichts bei vergleichbaren Sachverhalten derart dar, dass die Nichtübereinstimmung verschiedener Gerichte im Grundsätzlichen erkennbar wäre. Das Beschwerdevorbringen beschränkt sich insoweit im Kern darauf, dass das FG einen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht zu beanspruchenden Wertausgleich für von den anderen Gesellschaftern weiter betreuten Mandanten bei der Auseinandersetzung einer Freiberuflersozietät durch Teilung der Sachwerte und der rechtlich nicht begrenzten, gleichberechtigten Möglichkeit, um die bisherigen Mandanten der Gesellschaft zu werben zum Anlass genommen habe, hierin einen steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz zu.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen war ein Leistungsaustausch i.S. des § 1 Abs. 1 UStG vielmehr dadurch gegeben, dass der Kläger u.a. "für den erhaltenen Mandantenstamm im Gegenzug auf (seine) Gesellschaftsrechte bzw. die Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens verzichtet" habe. Diese Begründung des FG stellt nicht auf eine "zusätzliche Abfindung für den Geschäftswert" bzw. für den "Goodwill" einer Freiberuflersozietät ab, die nach der vom Kläger in Bezug genommenen Rechtsprechung des grundsätzlich nicht beansprucht werden kann, wenn die Gesellschafter im Fall einer Auflösung und Auseinandersetzung der Gesellschaft in der Weise vorgehen, dass sie die Sachwerte teilen und jedem Gesellschafter die rechtlich nicht begrenzte, gleichberechtigte Möglichkeit einräumen, um die bisherigen Mandanten der Gesellschaft zu werben.

 

Leistungsaustausch bei “Verkaufswettbewerben”

Lobt der Handelsvertreter zugunsten seiner Verkaufsvermittler "Wettbewerbspreise" im eigenen Namen aus, sind diese zusätzliches Entgelt für die Vermittlungsleistung, die der den Preis erhaltende Vermittler an den Handelsvertreter erbringt.

BFH Urteil vom 27.01.2011 V R 6/09 BFHNV 2011 S. 1733

Begründung:

Nach ständiger Rechtsprechung sind entgeltliche Leistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und unterliegen gemäß Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG dem Anwendungsbereich der Steuer, wenn zwischen einer Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht und sich dieser Zusammenhang aus einem Rechtsverhältnis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet. Nach diesem Rechtsverhältnis bestimmt sich auch die Person des Leistenden und die des Leistungsempfängers . Dies gilt auch für die Abgabe von Sachleistungen im Rahmen von Verkaufswettbewerben. Es ist dann nach Maßgabe der zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen dem Fall einer "Leistungskette" und dem Fall einer Direktleistung zu differenzieren.

Aus den Begriffen der "Durchführung" der Wettbewerbe oder der "Teilnahme" an diesen ergibt sich nichts für die Frage, ob die Zuwendung der Sachpreise durch die U-GmbH oder die Klägerin erfolgte. Auch wenn die Wettbewerbe z.B. deutschlandweit von der U-GmbH "durchgeführt" wurden, steht dies der Beurteilung, dass die Sachpreise den Beraterinnen durch die jeweils "teilnehmende" Bezirkshändlerin zugewendet werden, nicht entgegen. Revisionsrechtlich ist daher die Würdigung des FG nicht zu beanstanden, dass die U-GmbH in den Wettbewerbsprospekten als überregionaler Organisator genannt wurde, während den Bezirkshändlerinnen wie der Klägerin die Abwicklung im jeweiligen Bezirk oblag und die Klägerin entsprechend dem Vertretungsverbot nach Art. 5 Abs. 1 BHV im eigenen Namen handelte (s. oben II.2.a). Dem BHV sind im Übrigen keine Regelungen zu entnehmen, die für die Annahme eines verbindlichen Leistungsversprechens der U-GmbH gegenüber den Beraterinnen sprechen.

Abgrenzung Schadenersatz zum Leistungsaustausch

Wird ein Anwaltshonorar großen Umfangs wegen Zahlungsschwierigkeiten des Mandanten durch eine lebenslange Rente ersetzt, liegt ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung vor, wenn ein anderer Grund als die Erbringung der Beratungsleistung für die Einräumung des Rentenstammrechts nicht ersichtlich ist und es sich somit lediglich um die modifizierte Erfüllung der Hauptverbindlichkeit handelt.

Unerheblich ist, ob die Einräumung des Rentenstammrechts nach nationalem Zivilrecht als Schadensersatz zu beurteilen wäre.

BFH Beschluss vom 17.05.2011 – VB 73/10 BFH NV 2011 S. 1544 f

Begründung:

Aus dem Tatbestand ergibt sich, dass es den Vortrag der Klägerin, wonach es sich bei den Rentenzahlungen um nicht steuerbaren Schadensersatz handeln soll, weil durch den aufgehobenen Honoraranspruch Rechtsanwalt N wegen fehlender Geldmittel am Aufbau seiner Altersversorgung gehindert sei und die Einräumung des Rentenstammrechts der Beseitigung eines Schadens diene, zur Kenntnis genommen, jedoch gleichwohl den für die Steuerbarkeit einer Leistung erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung bejaht hat, weil ein anderer Rechtsgrund als die Erbringung der Beratungsleistung für die Einräumung eines Rentenstammrechts nicht ersichtlich sei und keine Schadensersatzpflicht bestehe.

Umsatzsteuerbare Verzichtsleistung

Ein steuerbarer Verzicht liegt auch vor, wenn der Vermieter der Auflösung des Mietvertrages gegen Abfindungszahlung zustimmt und damit auf die weitere Durchführung des Mietvertrages verzichtet.

BFH Beschluss vom 19.10.2010 – VB 103/09 BFHNV 2011 S. 327

Begründung:

Denn es ist durch die Rechtsprechung des BFH bereits geklärt, dass der entgeltliche Verzicht, eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ganz oder teilweise auszuüben, als sonstige Leistung anzusehen ist.

Ein steuerbarer Verzicht liegt dementsprechend auch vor, wenn der Vermieter der Auflösung des Mietvertrages gegen Abfindungszahlung zustimmt und damit auf die weitere Durchführung des Mietvertrages verzichtet.

Das Gericht ist davon ausgegangen, dass es sich bei vom Mieter für den Zeitraum bis zum 31. Juli 2004 entrichteten Mietausgleichszahlungen um ein Entgelt für eine Leistung und nicht um "Schadensersatz" gehandelt hat.

Annahme eines Leistungsaustausches bei Zahlungen aus öffentlichen Kassen

Bei Zahlungen aus öffentlichen Kassen kann es an einem Leistungsaustausch fehlen, wenn die Zahlung lediglich der Förderung der Tätigkeit des Empfängers allgemein, aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Gründen dient und nicht der Gegenwert für eine Leistung des Zahlungsempfängers an den Geldgeber ist.

Bei Leistungen, zu denen sich die Vertragsparteien in einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet haben, liegt grundsätzlich ein Leistungsaustausch vor.

Für die Steuerbarkeit einer Leistung ist nicht entscheidend, ob sie letztlich im öffentlichen Interesse liegt. Ein Interesse der Allgemeinheit, das dem Handeln jeder öffentlich-rechtlichen Körperschaft innewohnt, schließt die Identifizierbarkeit des Leistungsempfängers nicht aus. Entscheidend ist nur, ob ein individueller Leistungsempfänger vorhanden ist, der aus der Leistung einen konkreten Vorteil zieht.

BFH Urteil vom 18. Dezember 2008 V R 38/06

Begründung:

Sowohl bei den "Zuschüssen für das Stadtfest" als auch bei den "Zuschüssen für den Kläger als Institution" hat es sich um Entgelte für steuerpflichtige Leistungen des Klägers gehandelt, weil ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Zahlungen der Stadt S und den Leistungen des Klägers bestand.

Die Stadt S hat für die Zahlungen als identifizierbarer Leistungsempfänger einen Vorteil erhalten. Bei der Ausrichtung eines Stadtfestes handelt es sich um eine konkrete Aufgabe, die mit einer Vielzahl logistischer und organisatorischer Aufgabenstellungen einhergeht. Hätte die Stadt S die Zahlungen nicht an den Kläger geleistet, sondern die Durchführung von Stadtfesten bei einem anderen mit der Organisation von Großveranstaltungen befassten gewerblichen Unternehmer eingekauft, wäre hierin eine der Stadt S als identifizierbarem Leistungsempfänger zurechenbare Organisationsleistung zu sehen.

Unerheblich ist, dass die Durchführung der Feste im Einzelnen dem Kläger oblegen hat und er inhaltlich keinen Bindungen unterworfen gewesen ist. Denn nach den Umständen des Einzelfalles kann es gerade zum Wesen einer konkreten Leistung gehören, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer neben der Umsetzung eigener Vorstellungen auch in der Wahl der einzusetzenden Mittel freie Hand lässt und das Entgelt gerade auch für das Entwickeln eigener Ideen gezahlt wird.

Für die Steuerbarkeit einer Leistung ist weiter nicht entscheidend, ob sie letztlich im öffentlichen Interesse liegt. Ein Interesse der Allgemeinheit, das dem Handeln jeder Körperschaft innewohnt, schließt die Identifizierbarkeit des Leistungsempfängers nicht aus. Entscheidend ist vielmehr, dass ein individueller Leistungsempfänger vorhanden ist, der aus der Leistung einen konkreten Vorteil zieht.

Die Leistungen des Klägers beruhen auch auf einem Rechtsverhältnis, nämlich dem jeweiligen Zuwendungsbescheid der Stadt S. Dass dieses Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur war, ist unerheblich. Nicht entscheidend ist, ob die Zahlung auf einen Haushaltsbeschluss der Stadt S zurückzuführen ist. Denn für die Frage, ob zwischen Leistung und Gegenleistung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, ist ohne Bedeutung, dass die öffentlich-rechtliche Körperschaft die Mittel nicht frei oder nur auf der Grundlage eines entsprechenden Haushaltsbeschlusses vergeben darf. Durch Letzteren wird lediglich die interne Befugnis zur Mittelverwendung geregelt. Ob die durch einen Haushaltsbeschluss gedeckte Ausgabe mit einer steuerbaren Gegenleistung in Zusammenhang steht, ergibt sich nicht aus der haushaltsrechtlichen Erlaubnis zur Ausgabe, sondern aus dem Grund der Zahlung. Soweit in Abschn. 150 Abs. 8 der Umsatzsteuer-Richtlinien geregelt ist, dass in Zuwendungen aus öffentlichen Kassen, die ausschließlich auf der Grundlage des Haushaltsrechts vergeben werden, "grundsätzlich echte Zuschüsse" zu sehen seien, schließt sich der Senat dem nicht an

 

Abgrenzung Zuschuss oder Entgelt für Leistungsaustausch

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 22.7.2008, V B 34/07
Begründung:
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH und des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften –EuGH– setzt die Annahme einer Leistung gegen Entgelt –und damit eines steuerbaren Umsatzes i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG– das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und einer empfangenen Gegenleistung voraus. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein; er muss einen Vorteil erhalten, der einen Kostenfaktor in seiner Tätigkeit bilden könnte und damit zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt.
Zahlungen der öffentlichen Hand an einen Unternehmer können nicht steuerbarer Zuschuss oder Entgelt für eine Leistung sein. In Fällen, in denen eine Person des privaten Rechts die Erfüllung der Aufgaben einer juristischen Person des öffentlichen Rechts übernimmt und im

Zusammenhang damit Geldzahlungen erhält, bestimmt sich in erster Linie nach den Vereinbarungen des Leistenden mit dem Zahlenden, ob die Leistung des Unternehmers derart mit der Zahlung (“Zuschuss”) verknüpft ist, dass ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Bei Leistungen, zu deren Ausführung sich die Vertragsparteien in einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet haben, liegt der erforderliche Leistungsaustausch grundsätzlich vor.
Dagegen sind Zahlungen, durch die lediglich eine aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemein-politischen Gründen erwünschte Tätigkeit des Zahlungsempfängers gefördert werden soll, kein Entgelt für eine steuerbare Leistung.