Zum Begriff „Lieferung” im umsatzsteuerrechtlichen Sinne

Eine Lieferung i.S. von § 3 Abs. 1 UStG setzt nicht notwendigerweise voraus, dass der Erwerber eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den gelieferten Gegenstand erlangt.

BFH Urteil vom 09.09.2015 – XI R 21/13 BFH/NV 2016, 597

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) begehrt den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb einer Photovoltaikanlage.Sie war im Besteuerungszeitraum 2010 (Streitjahr) selbständig im Bereich Partyservice, Organisation und Dekoration von Festen tätig. Am 8. November 2010 bestellte die Klägerin bei der … GmbH & Co. KG (G) eine Photovoltaikanlage –bestehend aus Modulen, Wechselrichter, Unterkonstruktion und erforderlichem Systemzubehör– zum Preis von 50.000 EUR (netto). Die G hatte die Anlage zuvor in Bauteilen von der … AG mit Sitz in … (C) erworben. Nach Nr. 1.4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von G war dieser bekannt, dass die Klägerin die Photovoltaikanlage an die C zu verpachten beabsichtigte. Außerdem wies die Klägerin die G an, die Anlage direkt an die C zu übergeben (Nr. 2.2 der AGB).

Ebenfalls am 8. November 2010 bot die Klägerin der C den Abschluss eines Pachtvertrags an, der durch Annahme seitens der C am 20. Dezember 2010 zu Stande kam. Als Gegenstand des Pachtvertrags wurde dabei nicht die Überlassung der Photovoltaikanlage in betriebsbereitem Zustand, sondern die Überlassung der Einzelteile vereinbart. Die C schuldete –beginnend ab Januar 2011– für die Dauer von 215 Monaten einen monatlichen Pachtzins in Höhe von jeweils 541,67 EUR (netto). Zudem war sie, die C, verpflichtet, die Anlage an einem geeigneten Standort in Deutschland, insbesondere auf einem Dach oder in einem Solarpark, zu errichten und während der gesamten Dauer des Pachtverhältnisses die Funktionsfähigkeit der Photovoltaikanlage zu gewährleisten, wozu insbesondere die Wartung, Reparatur und ggf. Erneuerung der Anlage zählten. Die C war auch befugt, den Aufstellungsort der Anlage zu wechseln. Die Klägerin musste die Photovoltaikanlage nach Ablauf der vereinbarten Pachtdauer der C oder einem von dieser benannten Dritten zu einem Kaufpreis von 10.833,40 EUR (netto) anbieten.

Bis zur Installation lagerten die von der G an die Klägerin verkauften Teile in einer von der C angemieteten Lagerhalle. Die Photovoltaikanlage wurde im Dezember 2010 von C auf einem Gebäude in … installiert, aber bis Januar 2012 nicht zur Stromerzeugung genutzt. Am 20. Dezember 2010 reichte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) eine Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2010 ein, in der sie Vorsteuern in Höhe von 9.500 EUR im Zusammenhang mit dem Erwerb der Photovoltaikanlage geltend machte. Da die Klägerin zwar zwei Rechnungen der G vorlegte, nicht jedoch die vom FA angeforderten Nachweise über die Lieferung, insbesondere das Lieferdatum und den Standort, sowie zur Existenz bzw. Funktionstüchtigkeit der Photovoltaikanlage, lehnte das FA den Vorsteuerabzug mit Bescheid vom 3. Mai 2011 mit der Begründung ab, dass bezüglich der Verpachtung der Photovoltaikanlage keine selbständige unternehmerische Tätigkeit i.S. von § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) der Klägerin vorliege.

Begründung:

Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Lieferung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit des Erwerbers auf den Liefergegenstand voraussetzt. Die tatsächlichen Feststellungen tragen nicht die vom FG vorgenommene Würdigung, der wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarungen in Kauf- und Pachtvertrag habe in der Finanzierung des Erwerbs der Photovoltaikanlage und in der Sicherung der Klägerin durch die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums bestanden. Die Vorentscheidung ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil ihr ein nicht mehr wirksamer Verwaltungsakt zugrunde liegt.

Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Diese Bestimmung setzt Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (vormals Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern) in nationales Recht um.

Der unionsrechtliche Begriff „Lieferung von Gegenständen” bezieht sich nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen. Er umfasst vielmehr jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Der BFH umschreibt diesen Vorgang seit jeher und ebenfalls in ständiger Rechtsprechung als Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag, ohne damit inhaltlich von der Rechtsprechung des EuGH abzuweichen

Eine Übertragung der Befugnis, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, kann z.B. dann vorliegen, wenn der dem zivilrechtlichen Eigentümer zustehende Herausgabeanspruch wertlos ist oder der Eigentümer den wirtschaftlichen Gehalt des Gegenstands dem Abnehmer auf sonstige Weise zuwendet. Dem Herausgabeanspruch des Eigentümers kommt dabei z.B. dann keine wirtschaftliche Bedeutung mehr zu, wenn der Nutzungsberechtigte nach dem Nutzungsvertrag verlangen kann, dass ihm das zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgut unentgeltlich oder zu einem geringen Entgelt übertragen wird.

Entgegen der Rechtsansicht des FG ergibt sich aus diesen Grundsätzen nicht, dass eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit notwendige Voraussetzung für das Vorliegen einer Lieferung ist.

Bereits der Gesetzeswortlaut von § 3 Abs. 1 UStG sieht vor, das der liefernde Unternehmer „den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen”. Diese Bestimmung sieht damit vor, dass eine Lieferung durch eine direkte Auslieferung an einen Dritten (z.B. Zweiterwerber) bewirkt werden kann (vgl. Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 UStG Rz 158). In diesem Fall hat der Abnehmer selbst keine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den Liefergegenstand. Aus der Aussage, dass es für eine umsatzsteuerrechtliche Verfügung „genügt”, tatsächlich auf den Liefergegenstand einzuwirken (vgl. Nieskens in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 653), ergibt sich –entgegen der Auffassung des FG– nicht, dass ein „tatsächliches Einwirken auf den

Dass eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit des Erwerbers bestehen müsste, ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung von EuGH oder BFH.Im Gegenteil geht der EuGH z.B. im Urteil VSTR vom 27. September 2012 C-587/10 (EU:C:2012:592, UR 2012, 832) zur Zuordnung der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung davon aus, dass es Vorgänge gibt, bei denen in Bezug auf denselben Liefergegenstand zwei aufeinanderfolgende Lieferungen, aber nur eine innergemeinschaftliche Beförderung durchgeführt wurden (Rz 31, sog. Reihengeschäft). Gelangt der Liefergegenstand bei einem Reihengeschäft unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer und holt der letzte Abnehmer die Ware beim ersten Lieferer ab, so erlangt der erste Abnehmer grundsätzlich zu keinem Zeitpunkt eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den Liefergegenstand, obwohl zwei Lieferungen vorliegen.

Eine Lieferung kann auch dadurch bewirkt werden, dass der Liefergegenstand in Vollzug einer auf Eigentumsübertragung gerichteten Vereinbarung durch Einräumung mittelbaren Besitzes übergeben wird. Auch in diesem Fall hat der Erwerber keine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf den gelieferten Gegenstand.

Die Sache ist nicht spruchreif. Die vom FG bislang getroffenen Feststellungen tragen dessen Würdigung nicht, dass der wirtschaftliche Gehalt der getroffenen Vereinbarungen in Kauf- und Pachtvertrag in der Finanzierung des Erwerbs der Photovoltaikanlage und darüber hinaus in der Sicherung der Klägerin durch das zivilrechtliche Eigentum an dieser Anlage bestand. Um die Leistung der Klägerin als reine Finanzierungsleistung mit Sicherung durch das zivilrechtliche Eigentum anzusehen, hätte das FG feststellen müssen, ob die C ihre Verfügungsmacht über die Photovoltaikanlage –trotz der zwischenzeitlichen Veräußerung nacheinander an die G und die Klägerin sowie die anschließende (Rück-)Verpachtung an die C– zu keinem Zeitpunkt verloren hat. Dies hat das FG jedoch (ausdrücklich) offengelassen.

Sofern die G die Verfügungsmacht über die Photovoltaikanlage erlangt hat, so ist die vom FG vorgenommene umsatzsteuerrechtliche Würdigung der Leistung der Klägerin als Finanzierungsleistung mit Sicherung durch das zivilrechtliche Eigentum nur möglich, wenn –was das FG nicht (positiv) festgestellt hat– die G entgegen der vertraglichen Vereinbarungen die Verfügungsmacht wieder an die C (zurück) übertragen hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender bzw. als Leistungsempfänger anzusehen ist. Dem entspricht die Rechtsprechung des EuGH, wonach die einschlägigen Vertragsbedingungen bei der Feststellung der Leistungsbeziehungen zu berücksichtigen sind, da die vertragliche Situation normalerweise die wirtschaftliche und geschäftliche Realität der Transaktionen widerspiegelt.

Eine von den „vertraglichen Vereinbarungen” abweichende Bestimmung des Leistenden kommt lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht. Der EuGH hat hierzu entschieden, dass sich herausstellen kann, „dass einige Vertragsbestimmungen gelegentlich die wirtschaftliche und geschäftliche Realität der Transaktionen nicht vollständig widerspiegeln”, was insbesondere der Fall sein kann, wenn die betreffenden Vertragsbestimmungen eine missbräuchliche Gestaltung darstellen.

Wann eine missbräuchliche Gestaltung vorliegt, regelt im nationalen Recht § 42 AO. Diese Bestimmung ist im Umsatzsteuerrecht anwendbar. Unionsrechtlich sind nach dem Grundsatz des Verbots des Rechtsmissbrauchs rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen, die allein zu dem Zweck erfolgen, einen Steuervorteil zu erlangen, verboten. Davon kann ausgegangen werden, wenn zum einen die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der Voraussetzungen der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des zu ihrer Umsetzung ergangenen nationalen Rechts zur Erlangung eines Steuervorteils führen, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderliefe, und zum anderen aufgrund einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich ist, dass mit den fraglichen Umsätzen im Wesentlichen ein Steuervorteil bezweckt wird.

Liegt eine solche missbräuchliche Praxis vor, so sind die Vertragsbestimmungen in der Weise neu zu definieren, dass auf die Lage abgestellt wird, die ohne die diese missbräuchliche Praxis darstellenden Transaktionen bestanden hätte.

Lieferung betriebsbereite Photovoltaikanlagen

Ein Unternehmer, der an seine Kunden betriebsbereite Photovoltaikanlagen liefert, schuldet die Umsatzsteuer für die Leistungen seiner Subunternehmer.

FG Hessen  26.09.2013 , 1 K 2198/11

Begründung:

Ein Unternehmer, der an seine Kunden betriebsbereite Photovoltaikanlagen liefert, kann nicht den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen seiner Subunternehmer geltend machen. Vielmehr schuldet dieser Unternehmer nach den Vorschriften der sog. umgekehrten Steuerschuldnerschaft die Umsatzsteuer für die Leistungen der Subunternehmer. Geklagt hatte ein auf den Vertrieb und den Aufbau schlüsselfertiger Photovoltaikdachanlagen spezialisiertes Unternehmen, das sich auch der Hilfe von Subunternehmern bediente. Das Finanzamt ließ zu Lasten des Unternehmens den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen seiner Subunternehmer nicht zu. Vielmehr sei das Unternehmen im Streitjahr 2010 Steuerschuldner für die Umsätze der Subunternehmer in Höhe von ca. 1,5 Mio. Euro. Denn es habe mit seinen Kunden Verträge über die Lieferung voll funktionsfähiger Solaranlagen abgeschlossen und insoweit Werklieferungen an die Endkunden und damit auch Bauleistungen erbracht, was nach dem Umsatzsteuergesetz zur sog. umgekehrten Steuerschuldnerschaft führe.

Das Hessische Finanzgericht teilte die Auffassung des Finanzamtes. Das klagende Unternehmen habe gegenüber seinen Kunden eine umfassende Leistung erbracht. Neben der Anbringung der Photovoltaikanlage auf dem Dach habe es Stringleitungen vom Modul zum Wechselrichter verlegt, den Wechselrichter an die Zähleranlage angeschlossen, die Zähleranlage erneuert oder umgebaut, einen Blitzschutz angebracht, Kabeltrassen verkleidet und die Unterkonstruktion für die Wechselrichter hergestellt und montiert. Dabei handele es sich um Bauleistungen im Sinne des § 13 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 UStG, die im Zusammenhang mit einem Bauwerk ausgeführt worden seien. Gleiches gelte für die konkreten Leistungen der Subunternehmer. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sei der Begriff der Bauleistungen weit zu verstehen und könne auch – wie hier – in der bauwerksbezogenen Lieferung von Gegenständen bestehen. Entscheidend sei, dass sowohl das klagende Unternehmen selbst als auch die Subunternehmer Bauleistungen erbracht hätten.
Damit sei das Finanzamt zu Recht von einer Steuerschuldnerschaft des Unternehmens für die entsprechenden Umsätze ausgegangen.

Da zu der Frage, ob die Lieferung und Montage von Photovoltaikanlagen Bauleistungen sind, bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, hat das Hessische Finanzgericht die Revision zugelassen (Aktenzeichen des Bundesfinanzhofs – BFH -: XI R 3/14).

Hintergrundinformation zur umgekehrten Steuerschuldnerschaft:

Grundsätzlich schuldet der Leistungserbringer (hier: der Subunternehmer) die Umsatzsteuer (§ 13 a Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz -UStG-). Der Leistungserbringer weist die Umsatzsteuer dann offen in seiner Rechnung an den Leistungsempfänger aus, meldet diese Umsatzsteuer beim Finanzamt an und führt sie auch dorthin ab.

Bei bestimmten steuerpflichtigen Leistungen – wie z.B. Bauleistungen nach § 13 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 UStG – geht die Steuerschuldnerschaft aber auf den Leistungsempfänger (hier: das klagende Unternehmen) über, wenn dieser auch Unternehmer ist und seinerseits Bauleistungen ausführt. Das wird als sog. umgekehrte Steuerschuldnerschaft bzw. sog. Reverse-Charge-Verfahren bezeichnet. Folge: der Leistungsempfänger schuldet die Umsatzsteuer, muss sie also an das Finanzamt abführen und hat gleichzeitig die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG. Dem entsprechend darf in den Rechnungen des Leistungserbringers keine Umsatzsteuer ausgewiesen werden und es muss dort ein Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers enthalten sein. Die Regelung beruht auf europarechtlichen Vorgaben und soll Missbrauch vermeiden, bei dem der Leistungserbringer die Umsatzsteuer nicht abführt, der Leistungsempfänger aber trotzdem den Vorsteuerabzug geltend macht.

Lieferung ist in einem Reihengeschäft

Lieferung ist in einem Reihengeschäft, bei dem Ware ins Drittlandsgebiet gelangt, die bewegte und damit steuerfreie Ausfuhrlieferung.

FG Münster Urteil vom 16.01.2014 (5 K 3930/10 U)

Begründung:

Die Klägerin ist unstreitig umsatzsteuerliche Organträgerin der R GmbH (Organgesellschaft). Eine in Großbritannien registrierte S Ltd bestellte am 30.05.2008 20.000 Handys bei der Organgesellschaft. Die S Ltd trat dabei unter ihrer britischen Umsatzsteueridentifikationsnummer auf und war in Deutschland steuerlich nicht registriert. Zwischen der Organgesellschaft und S Ltd war die Lieferbedingung "EXW N " vereinbart.

Die Organgesellschaft berechnete mit Rechnung vom 12.06.2008 die 20.000 Handys. Umsatzsteuer war auf der Rechnung nicht ausgewiesen. Die Rechnung enthielt den Hinweis "VAT Nummer GB … EU Ausfuhrlieferungen sind nach § 4 (1b) UStG steuerfrei…". Die Rechnung wurde am 12.06.2008 bezahlt. Von den 20.000 berechneten Handys sind unstreitig 5.000 nach England gelangt. Die steuerliche Behandlung dieser 5.000 Handys ist hier nicht streitig.

Die S Ltd hatte am 12.06.2008 eine "proforma invoice" über 12.000 Handys an O T , PO Box xxx, Dubai und am 10.06.2008 über 3.000 Handys an P L.L.C, PO Box xxx, Dubai gestellt. Daraus ergibt sich, dass den Handys ein deutsches Handbuch beigegeben war. Als Auslieferungsort waren auf den zuvor genannten Proformarechnungen, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, jeweils Frachtzentren in der Freihandelszone Flughafen Dubai angegeben.

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Die streitbefangenen Lieferungen der 15.000 Handys durch die Organtochter der Klägerin an S Ltd sind nicht steuerfrei.

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Die streitbefangenen Lieferungen der 15.000 Handys durch die Organtochter der Klägerin an S Ltd sind nicht steuerfrei.

Eine Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b) i.V.m. § 6a UStG kommt entgegen dem Hinweis in der Rechnung der Organtochter vom 12.06.2008 nicht in Betracht, denn die streitbefangenen 15.000 Handys sind unstreitig nicht in das übrige Gemeinschaftsgebiet, sondern das Drittlandsgebiet gelangt.

Eine Steuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. a) i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG scheidet aus, denn nicht die Organtochter der Klägerin, sondern die S Ltd hat eine Ausfuhrlieferung durchgeführt.

Der Senat folgt der Auffassung der Beteiligten, dass im Hinblick auf die Lieferung der 15.000 Handys ein Reihengeschäft im Sinne von § 3 Abs. 6 S. 5 UStG vorlag und dass diese Lieferung in Deutschland steuerbar war. Es haben mehrere Unternehmer über die Handys Umsatzgeschäfte abgeschlossen, nämlich die Organtochter der Klägerin mit S Ltd und diese mit ihren Abnehmern in Dubai. Die Handys sind auch unmittelbar von der Organtochter an die letzten Abnehmer in Dubai gelangt.

Die bewegte Lieferung fand entgegen der Auffassung der Klägerin gemäß § 3 Abs. 6 S. 6 UStG jedoch nicht im Verhältnis der Klägerin zu S Ltd, sondern im Verhältnis S Ltd zu ihren Abnehmern in Dubai statt. Die Steuerfreiheit gemäß § 6 UStG betrifft daher die (bewegte) Lieferung der S Ltd an ihre Abnehmer. Die Klägerin hat die ruhende Lieferung erbracht, die gemäß § 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 UStG in Deutschland steuerbar und -mangels einer Befreiungsvorschrift- auch steuerpflichtig ist.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die S Ltd die Handys als Lieferer im Sinne von § 3 Abs. 6 S. 6, 2. Alt. UStG versendet hat. Die widerlegbare Vermutung in § 3 Abs. 6 S. 6, 1. Alt. UStG, dass bei der Beförderung oder Versendung durch einen mittleren Unternehmer die bewegte Lieferung der Lieferung an diesen Unternehmer zuzuordnen ist, greift im Streitfall nicht ein.

 

Abgrenzung Lieferung und Restaurationsleistung

Der Verkauf von zubereiteten Pizzateilen an einem Imbissstand im Gastronomiebereich eines Fußballstadions unterliegt als Lieferung dem ermäßigten Steuersatz.

BFH Urteil vom 08.06.2011 – XI R 33/08 BFHNV 2011 S. 1927

Begründung:

Anlässlich einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung für das III. Quartal 2002 vertrat der Prüfer die Auffassung, die Umsätze der Klägerin aus dem Verkauf der Pizzateile unterlägen dem Regelsteuersatz, da es sich um einen Verzehr an Ort und Stelle handele. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) schloss sich dieser Meinung an und unterwarf die Umsätze der Klägerin für die Jahre 2002 und 2003 sowie für das I. Quartal 2004 bis einschließlich dem II. Quartal 2005 dem Regelsteuersatz.

Das FG hat zu Unrecht die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG auf die von der Klägerin an ihrem Pizzastand abgegebenen Pizzateile verneint.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % u.a. für die Lieferungen der in der Anlage des Gesetzes bezeichneten Gegenstände, darunter z.B. Zubereitungen von Fleisch, Fischen usw. (Nr. 28), aus Getreide, Mehl, Stärke oder Milch sowie Backwaren (Nr. 31), Zubereitungen von Gemüse, Früchten usw. (Nr. 32) oder "verschiedene Lebensmittelzubereitungen" (Nr. 33). Die Anlage verweist auf die jeweiligen Kapitel, Positionen und Unterpositionen des Zolltarifs.

Die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle ist nach § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG eine sonstige Leistung. Speisen und Getränke werden zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Abgabeort in einem räumlichen Zusammenhang steht, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten werden (§ 3 Abs. 9 Satz 5 UStG).

Dazu ist zunächst festzustellen, dass die Abgabe solcher Waren ihr Kochen, Backen, Braten oder Aufwärmen voraussetzt, was eine Dienstleistung darstellt, die im Rahmen der Gesamtbeurteilung des fraglichen Umsatzes zum Zweck seiner Einstufung als Lieferung von Gegenständen oder als Dienstleistung zu berücksichtigen ist.

Da sich jedoch die Zubereitung des warmen Endprodukts im Wesentlichen auf einfache, standardisierte Handlungen beschränkt, die in den meisten Fällen nicht auf Bestellung eines bestimmten Kunden, sondern entsprechend der allgemein vorhersehbaren Nachfrage ständig oder in Abständen vorgenommen werden, stellt diese Zubereitung nicht den überwiegenden Bestandteil des fraglichen Umsatzes dar und kann allein diesem nicht den Charakter einer Dienstleistung verleihen.

Was die charakteristischen Dienstleistungsbestandteile der Restaurationsumsätze angeht, wie sie sich aus der in den Randnrn. 63 bis 65 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergeben, so gibt es im Rahmen der in den Ausgangsverfahren in den Rechtssachen C-497/09 und C-501/09 in Rede stehenden Tätigkeiten keinen Kellnerservice, keine echte Beratung der Kunden und keine Bedienung im eigentlichen Sinne, die insbesondere in der Weiterleitung der Bestellungen an die Küche, in der späteren Präsentation der Speisen und deren Darreichung an den Kunden am Tisch bestünde, auch sind keine geschlossenen, temperierten Räume speziell für den Verzehr der abgegebenen Nahrungsmittel, keine Garderobe und keine Toiletten vorhanden, und es wird ganz überwiegend kein Geschirr, kein Mobiliar und kein Gedeck bereitgestellt.

Die vom vorlegenden Gericht genannten Dienstleistungselemente bestehen nämlich nur in der Bereitstellung behelfsmäßiger Vorrichtungen, d.h. ganz einfacher Verzehrtheken ohne Sitzgelegenheit, um einer beschränkten Zahl von Kunden den Verzehr an Ort und Stelle im Freien zu ermöglichen. Solche behelfsmäßigen Vorrichtungen erfordern nur einen geringfügigen personellen Einsatz. Unter diesen Umständen stellen diese Elemente nur geringfügige Nebenleistungen dar und können am dominierenden Charakter der Hauptleistung, d.h. dem einer Lieferung von Gegenständen, nichts ändern.

Nach diesen Grundsätzen, handelt es sich bei der Zubereitung und dem Verkauf von Pizzateilen um Lieferungen, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Etwas Anderes ergibt sich im Streitfall auch nicht daraus, dass sich in der Nähe des Imbissstandes der Klägerin Stehtische und Bierzeltgarnituren befanden, die von dem Vermieter des Pizzastandes der Klägerin bereitgestellt worden waren.