Erhaltungsaufwendungen für ein Pächterwohnhaus eines landwirtschaftlichen Pachtbetriebs

Erhaltungsaufwendungen des Pächters eines landwirtschaftlichen Betriebs für das zu eigenen Wohnzwecken genutzte Pächterwohnhaus sind insoweit als Betriebsausgaben abzugsfähig, als die Aufwendungen nach dem Pachtvertrag unter Anrechnung auf den übrigen Pachtzins auch als Gegenleistung für die Überlassung der landwirtschaftlichen Nutzflächen nebst aufstehender Wirtschaftsgebäude vereinbart worden sind.
Die Aufwendungen einer GbR für das einem Gesellschafter unentgeltlich überlassene Wohnhaus sind im Wege der Nutzungsentnahme zu neutralisieren, wobei der Entnahmewert auf den Marktwert der Wohnraumnutzung (ortsübliche Miete) begrenzt ist.
BFH Urteil vom 15.12.2016 – IV R 22/14 BFH/NV 2017, 454
Sachverhalt:
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) einen landwirtschaftlichen Betrieb auf der von dem Land Niedersachsen gepachteten Domäne A im Landkreis B. Gesellschafter der im Jahr 2002 gegründeten Klägerin waren zunächst V, S und W. W ist zum 30. Juni 2007 aus der Klägerin ausgeschieden. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn gemäß § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Betriebsvermögensvergleich für das landwirtschaftliche Normalwirtschaftsjahr (1. Juli bis 30. Juni).
Nach dem für die Streitjahre 2006 bis 2008 gültigen Pachtvertrag (PV) vom 1. Juli 2003 umfasst der Pachtgegenstand eine Gesamtfläche von 124,1508 ha, davon rund 112 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, sowie eine Milchquote von 386 152 kg. Auf den Grundstücken der Domäne befinden sich eine Vielzahl von Wirtschaftsgebäuden (Ställe, Schuppen, Garagen, Güllebehälter u.a.) sowie diverse Wohnhäuser und das Pächterwohnhaus. Der vertraglich vereinbarte jährliche Pachtzins betrug gemäß § 2 Abs. 1 PV 17.100 EUR (gerundet 153 EUR/ha landwirtschaftlicher Nutzfläche). Gemäß § 6 Abs. 2 PV verpflichtete sich die Klägerin des Weiteren, bei erforderlichen Baumaßnahmen bis zu einem Bruttoinvestitionsvolumen von 100.000 EUR in den ersten sechs Jahren des PV ab 1. Juli 2004 jeweils die übliche Beteiligung von 50:50 bzw. 60:40 zu übernehmen. Nach den Allgemeinen Pachtbedingungen für die Domänen des Landes Niedersachsen vom 1. Juli 1986 (APB 1986), deren Inhalt den Gegenstand des PV bildet (§ 4 PV), hat der Pächter auf einem der Pachtgrundstücke seinen Wohnsitz zu nehmen (Ziff. 10.1.3 APB 1986).
Entsprechend der vereinbarten Residenzpflicht hat S seinen Wohnsitz in dem Pächterwohnhaus genommen.
In den den Feststellungserklärungen für die Streitjahre beigefügten Jahresabschlüssen machte die Klägerin neben den Pachtzinsen Erhaltungsaufwendungen für das Pächterwohnhaus in Höhe von 10.839 EUR für das Wirtschaftsjahr 2006/2007, in Höhe von 1.157 EUR für das Wirtschaftsjahr 2007/2008 und in Höhe von 39.473,78 EUR für das Wirtschaftsjahr 2008/2009 sowie 575,81 EUR für die Wohngebäudeversicherung für das Wirtschaftsjahr 2008/2009 als Betriebsausgaben geltend. Die Pachtzinsen wurden, soweit sie schätzweise anteilig auf das Pächterwohnhaus entfielen, im Nachgang zu einer die Vorjahre betreffenden Betriebsprüfung in Höhe von… EUR jährlich nicht als Betriebsausgaben abgezogen.
Nach einer Betriebsprüfung für die Streitjahre erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) die Erhaltungsaufwendungen für das Pächterwohnhaus nicht als Betriebsausgaben an und erließ am 18. Juli 2011 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung entsprechend geänderte Bescheide für die Streitjahre über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen.
Begründung:
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass die für das Pächterwohnhaus getätigten Erhaltungsaufwendungen grundsätzlich vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen sind, da sie nicht betrieblich, sondern durch die private Lebensführung des Gesellschafters S veranlasst seien (1.). Es fehlen Feststellungen des FG, die eine Entscheidung darüber zulassen, in welchem Umfang die Erhaltungsaufwendungen als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.
Bei der Ermittlung der Einkünfte sind Aufwendungen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abzuziehen, die durch die Einkünfteerzielung veranlasst sind. Eine solche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, d.h. wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer der Einkunftsarten des EStG stehen. Ob und inwieweit Aufwendungen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer Einkunftsart stehen, hängt von den Gründen ab, aus denen der Steuerpflichtige die Aufwendungen vornimmt. Die Gründe bilden das “auslösende Moment”, das den Steuerpflichtigen bewogen hat, die Kosten zu tragen. Beruhen unter Berücksichtigung des Veranlassungsprinzips die Aufwendungen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen, so sind sie als Betriebsausgaben oder Werbungskosten anzuerkennen und –vorbehaltlich einer entgegenstehenden gesetzlichen Regelung– abziehbar. Betriebsausgaben einer Personengesellschaft sind die Ausgaben, die durch den Betrieb dieser Gesellschaft oder –als Sonderbetriebsausgaben– durch die Beteiligung der Gesellschafter an der Personengesellschaft veranlasst sind. Zu den Betriebsausgaben gehören danach auch Aufwendungen, die durch die Nutzung fremder Wirtschaftsgüter für eigene betriebliche Zwecke veranlasst sind, insbesondere die Zahlung von Miet- oder Pachtzinsen für die Nutzung von Betriebsgebäuden bzw. Betriebsflächen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist für die Frage, wodurch die für das Pächterwohnhaus getätigten Aufwendungen veranlasst sind, auf den Rechtsgrund abzustellen, aufgrund dessen die Klägerin die Aufwendungen getätigt hat. Ist der Rechtsgrund für die Aufwendungen, wie vorliegend, einem gegenseitigen Vertrag, hier dem Landpachtvertrag, zu entnehmen, ist die Veranlassung der Aufwendungen zum einen danach zu beurteilen, in welchem synallagmatischen Verhältnis diese zu der vom Verpächter geschuldeten Gegenleistung stehen. Zum anderen ist der Veranlassungszusammenhang objektbezogen und nutzungsbezogen zu prüfen, soweit nach dem gesetzlichen oder vertraglichen Regelstatut dem Pächter Aufwendungen für einzelne Pachtgegenstände auferlegt werden.
Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht kein Streit darüber, dass vorliegend ein Landpachtvertrag i.S. der §§ 585 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) abgeschlossen worden ist, wonach der Klägerin eine Gesamtfläche von 124,1508 ha, davon rund 112 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, mit den ihrer Bewirtschaftung dienenden Wirtschaftsgebäuden (Ställe, Schuppen, Garagen, Güllebehälter u.a.) sowie diverse Wohnhäuser einschließlich des Pächterwohnhauses und eine Milchquote von 386 152 kg verpachtet worden sind. Der Senat sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab.
Gemäß § 586 Abs. 1 Satz 2 BGB hat der Pächter beim Landpachtvertrag die gewöhnlichen Ausbesserungen der Pachtsache, insbesondere u.a. der Wohngebäude, auf seine Kosten durchzuführen. Diese Unterhaltungspflicht ist durch den Landpachtvertrag vom 1. Juli 2003 zu Lasten des Pächters über den gesetzlichen Rahmen hinaus erweitert worden (s. dazu im Einzelnen Ziff. 14.2 APB 1986). Aufwendungen, die die Klägerin als Pächterin in Erfüllung dieser Pflicht für das von dem Gesellschafter S bewohnte Wohnhaus getätigt hat, stellen daher keine Gegenleistung für den Pachtgegenstand im Ganzen dar, sie beziehen sich vielmehr objekt- und nutzungsbezogen ausschließlich auf das Pächterwohnhaus. Da dieses in den Streitjahren aber nur zu Wohnzwecken des Gesellschafters S genutzt worden ist, sind die diesbezüglichen Aufwendungen, die dem Anwendungsbereich des § 586 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. Ziff. 14.2 APB 1986 unterfallen, ausschließlich durch dessen private Lebensführung veranlasst und mithin nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig.
Zutreffend ist das FG auch davon ausgegangen, dass Aufwendungen der Klägerin, die für das privaten Wohnzwecken dienende Pächterwohnhaus getätigt werden, nicht schon deshalb als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, weil sie im Zusammenhang mit der Anpachtung des landwirtschaftlichen Betriebs stehen. Ungeachtet der auch betrieblich bedingten und regelmäßig gebotenen Wohnsitznahme des Pächters in räumlicher Nähe zum landwirtschaftlichen Pachtbetrieb sind die privaten Wohnaufwendungen des Pächters ebenso wie die privaten Wohnaufwendungen des Betriebsinhabers eines landwirtschaftlichen Eigentumsbetriebs maßgeblich durch die private Lebensführung veranlasst. Nur wenn die Wohnung des Steuerpflichtigen gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 13 Abs. 4 EStG der Nutzungswertbesteuerung unterfällt, können Aufwendungen für das Wohngebäude ausnahmsweise als Betriebsausgaben abgezogen werden. Die Tatbestandvoraussetzungen dieser Norm liegen im Streitfall aber nicht vor, was zwischen den Beteiligten zu Recht ebenfalls nicht in Streit steht. Die nach § 4 PV i.V.m. Ziff. 10.1.3 APB 1986 vereinbarte Residenzpflicht der Klägerin bzw. eines ihrer Gesellschafter auf einem der Pachtgrundstücke führt daher für sich genommen nicht dazu, dass Aufwendungen für das Pächterwohnhaus durch den Gesellschafter S als betrieblich veranlasst anzusehen sind.
Für die Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs der Erhaltungsaufwendungen mit der betrieblichen Sphäre kommt es vielmehr darauf an, ob die diesbezüglich vereinbarte Kostenübernahme durch die Klägerin ausschließlich im Hinblick auf die Überlassung des vom Gesellschafter S bewohnten Pächterwohnhauses oder ebenso im Hinblick auf die pachtweise Überlassung der anderen Pachtgegenstände, hier der landwirtschaftlichen Grundstücke, der Milchquote und der anderen auf den Pachtflächen befindlichen Wirtschafts- und Wohngebäude als weitere, synallagmatische Pflicht des Pächters vereinbart worden ist.
Ob und inwieweit die Aufwendungen, die nach dem vorliegenden Pachtvertrag von der Klägerin zu erbringen sind, einzelnen Pachtgegenständen zugeordnet werden können, richtet sich nach den Vertragsbestimmungen im konkreten Einzelfall. Die Auslegung des Landpachtvertrags und die Zuordnung der dort vertraglich festgelegten Aufwendungen zu den Pachtgegenständen obliegt dem FG als Tatsachengericht; der Senat ist daran grundsätzlich gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden. An die tatsächlichen Feststellungen des FG ist der Senat allerdings dann nicht gebunden, wenn die Klägerin eine formgerechte und begründete Verfahrensrüge erhebt oder das FG gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat.
Das FG ist von anderen Auslegungsgrundsätzen ausgegangen, so dass die Vorentscheidung keinen Bestand haben kann. Das FG hat es ausdrücklich offengelassen, ob die Klägerin die Kostenübernahme gemäß § 6 Abs. 2 PV und die von ihr aufgrund dieser Vertragsklausel im Streitjahr übernommenen Erhaltungsaufwendungen ausschließlich für die Überlassung des Pächterwohnhauses getätigt hat oder ob die Erhaltungsaufwendungen, auch soweit sie auf das Pächterwohnhaus entfallen, als Teil einer der Klägerin obliegenden vertraglichen Hauptpflicht für alle überlassenen Pachtgegenstände anzusehen sind. Das FG hat die private Veranlassung der hier streitigen Erhaltungsaufwendungen allein deshalb bejaht, weil diese nur für das privaten Wohnzwecken des Gesellschafters S dienende Pächterwohnhaus entstanden sind. Darauf allein kann die private Veranlassung der Erhaltungsaufwendungen, wie unter c) ausgeführt, jedoch nicht gestützt werden.
Der Senat kann mangels Spruchreife nicht in der Sache entscheiden. Zwar hat das FG den in der Vertragsurkunde des Landpachtvertrags enthaltenen Text festgestellt, so dass der Senat eine Vertragsauslegung grundsätzlich selbst vornehmen könnte. Da der Landpachtvertrag jedoch verschiedene Auslegungen zulässt, bedarf es zunächst weiterer Sachaufklärung durch das FG.
Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang zu ermitteln haben, wie die Vertragsparteien die Pachtzinsen kalkuliert haben, ob die Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses davon ausgegangen sind, dass für das Pächterwohnhaus erforderliche Baumaßnahmen anstanden, an denen sich die Klägerin zu beteiligen haben wird, und ob deswegen der Pachtzins, soweit er kalkulatorisch anteilig auf das Pächterwohnhaus entfiel, herabgesetzt oder von vornherein niedriger angesetzt worden ist.