Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt

Der Senat hält daran fest, dass eine Verbindlichkeit, die nach einer im Zeitpunkt der Überschuldung getroffenen Rangrücktrittsvereinbarung nur aus einem zukünftigen Bilanzgewinn und aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu tilgen ist, dem Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG unterliegt und der hierdurch ausgelöste Wegfallgewinn, sofern er auf dem Gesellschaftsverhältnis beruht, durch den Ansatz einer Einlage in Höhe des werthaltigen Teils der betroffenen Forderungen zu neutralisieren ist.

BFH Urteil vom 10.08.2016 – IR 25/15

Begründung:

Hierbei ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin durch die Verlustfeststellungsbescheide, mit denen jeweils um die gewinnerhöhende Auflösung der Gesellschafterdarlehen gekürzte Verlustbeträge festgestellt worden sind, beschwert ist und ihre gegen diese Bescheide gerichtete Klage zulässig war. Ihrer Klagebefugnis steht nicht entgegen, dass die angefochtenen Verlustfeststellungen auf den 31. Dezember 2001 auf jeweils 0 DM (EUR) lauten und der Senat mit Urteil vom 11. November 2014 I R 51/13 (BFH/NV 2015, 305) ausgesprochen hat, dass auch ein auf 0 EUR lautender Steuerbescheid angefochten werden kann, wenn die Festsetzung auf einem Verlustrücktrag beruht und geltend gemacht wird, durch den Ansatz weiterer Betriebsausgaben sei das Verlustrücktragsvolumen geringer. Abgesehen davon, dass das Gewerbesteuerrecht keinen Verlustrücktrag kennt, sind die vorgenannten Grundsätze bereits deshalb nicht geeignet, das Klagerecht der Klägerin einzuschränken, weil diese nach ihrer materiellen Beurteilung in allen Streitjahren (2000 bis 2002) nur negative Einkommen erzielt hat und deshalb auch die auf den 31. Dezember 2001 festzustellenden Verluste (§ 10d Abs. 4 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) nicht durch einen intertemporalen Verlustausgleich beeinflusst werden können.

Das FG hat der Klage gegen die vorgenannten –zu den Streitjahren 2000 und 2001 ergangenen– Bescheide im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Dabei ist allerdings nicht darauf einzugehen, ob die im Streitfall getroffenen Rangrücktrittsabreden nach der ertragsteuerrechtlichen Sondervorschrift des § 5 Abs. 2a EStG dazu führen, dass die von den Abreden betroffenen Gesellschafterdarlehen in der Steuerbilanz der Klägerin nicht ausgewiesen werden dürfen (s. hierzu nachfolgend zu II.2.b der Gründe).

Hierauf ist für die Streitjahre 2000 und 2001 deshalb nicht einzugehen, weil –was das FA offensichtlich nicht beachtet hat– die Rangrücktritte, so die bindenden Feststellungen des FG, erst 2002 vereinbart worden sind und deshalb nach dem Stichtagsprinzip des § 242 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs –HGB–, das zu den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gehört und damit –mangels einer anderslautenden Regelung in § 5 Abs. 2a EStG– gemäß dem Maßgeblichkeitsgrundsatz auch ertragsteuerrechtlich zu beachten ist (§ 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG und § 7 des Gewerbesteuergesetzes), frühestens zum 31. Dezember 2002 den steuerbilanziellen Ausweis der hiervon betroffenen Darlehen beeinflussen konnten. Demgemäß waren die Gesellschafterdarlehen für die zuvor endenden Wirtschaftsjahre (Streitjahre 2000 und 2001) ungeachtet dessen zu passivieren, ob die Klägerin über ein hinreichendes Vermögen verfügt, um diesen und ihren weiteren Verpflichtungen nachzukommen.

Die im Streitfall getroffenen Rangrücktrittsvereinbarungen, nach denen die Gesellschafterforderungen “hinter die Forderungen anderer Gläubiger (mit Ausnahme der Mitgesellschafter) zurücktreten (und) ihre Befriedigung nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss (verlangt werden) kann”, stimmen in ihren entscheidungserheblichen Passagen mit dem Wortlaut der Abreden überein, die dem Senatsurteil zugrunde lagen. Der Senat hat hierzu ausgeführt, dass eine Verbindlichkeit, die nach einer im Zeitpunkt der Überschuldung getroffenen Rangrücktrittsvereinbarung nur aus einem zukünftigen Bilanzgewinn und aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu tilgen ist, dem Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG 2002 unterliegt; er hat hiermit zugleich sein Urteil vom 30. November 2011 I R 100/10 bestätigt.

Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt

Der Senat hält daran fest, dass eine Verbindlichkeit, die nach einer im Zeitpunkt der Überschuldung getroffenen Rangrücktrittsvereinbarung nur aus einem zukünftigen Bilanzgewinn und aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu tilgen ist, dem Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG unterliegt und der hierdurch ausgelöste Wegfallgewinn, sofern er auf dem Gesellschaftsverhältnis beruht, durch den Ansatz einer Einlage in Höhe des werthaltigen Teils der betroffenen Forderungen zu neutralisieren ist.
BFH Urteil vom 10.08.2016 – I R 25/15 BFH/NV 2017, 155
Sachverhalt:
In den auf den Schluss der Streitjahre (2000 bis 2002) erstellten Bilanzen der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, waren Gesellschafterdarlehen in Höhe von 18.289.275,66 DM (2000), 54.377.122,97 DM (2001) und 39.051.113,79 EUR (2002) passiviert. Die Kapitalrücklage belief sich durchgängig auf 3.455.718,37 DM (= 1.766.880,75 EUR); dem standen jeweils Verlustvorträge und nicht durch das Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge gegenüber, die die Rücklage um ein Mehrfaches übertrafen.
Zur Abwendung der Krise der Gesellschaft vereinbarte die Klägerin mit ihren Gesellschaftern im Jahr 2002, dass die Gesellschafterforderungen “hinter die Forderungen anderer Gläubiger (mit Ausnahme der Mitgesellschafter) zurücktreten (und) ihre Befriedigung nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss (verlangt werden) kann”.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) vertrat hierzu im Anschluss an eine Außenprüfung die Ansicht, dass die Gesellschafterdarlehen nach § 5 Abs. 2a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in den Steuerbilanzen der Streitjahre nicht mehr ausgewiesen werden dürfen. Dementsprechend stellte er mit –nach § 164 der Abgabenordnung geänderten– Bescheiden vom 10. Juni 2008 den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf das Ende der Streitjahre in Höhe von 5.438.475 DM (2000), 0 DM (2001) und 4.359.962 EUR (2002) fest. Die Körperschaftsteuer 2002 wurde aufgrund der sich nach § 37 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ergebenden Nachsteuer auf 4 EUR festgesetzt. Die Feststellungen zum vortragsfähigen Gewerbeverlust beliefen sich –nach den gleichfalls am 10. Juni 2008 ergangenen Änderungsbescheiden– zum Ende der streitigen Erhebungszeiträume auf 6.226.254 DM (2000), 0 DM (2001) und 3.503.851 EUR (2002). Der Gewerbesteuermessbetrag 2001 wurde in Höhe von 182.355 DM (93.236,63 EUR) festgesetzt.
Begründung:
Die Revision bleibt ohne Erfolg, soweit das FG der Klage gegen die Feststellungen der gewerbe- und körperschaftsteuerlichen Verlustvorträge auf das Ende der Streitjahre 2000 und 2001 sowie gegen die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2001 stattgegeben hat.
Hierbei ist die Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin durch die Verlustfeststellungsbescheide, mit denen jeweils um die gewinnerhöhende Auflösung der Gesellschafterdarlehen gekürzte Verlustbeträge festgestellt worden sind, beschwert ist und ihre gegen diese Bescheide gerichtete Klage zulässig war. Ihrer Klagebefugnis steht nicht entgegen, dass die angefochtenen Verlustfeststellungen auf den 31. Dezember 2001 auf jeweils 0 DM (EUR) lauten und der Senat mit Urteil vom 11. November 2014 I R 51/13 (BFH/NV 2015, 305) ausgesprochen hat, dass auch ein auf 0 EUR lautender Steuerbescheid angefochten werden kann, wenn die Festsetzung auf einem Verlustrücktrag beruht und geltend gemacht wird, durch den Ansatz weiterer Betriebsausgaben sei das Verlustrücktragsvolumen geringer. Abgesehen davon, dass das Gewerbesteuerrecht keinen Verlustrücktrag kennt, sind die vorgenannten Grundsätze bereits deshalb nicht geeignet, das Klagerecht der Klägerin einzuschränken, weil diese nach ihrer materiellen Beurteilung in allen Streitjahren (2000 bis 2002) nur negative Einkommen erzielt hat und deshalb auch die auf den 31. Dezember 2001 festzustellenden Verluste (§ 10d Abs. 4 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) nicht durch einen intertemporalen Verlustausgleich beeinflusst werden können.
Das FG hat der Klage gegen die vorgenannten –zu den Streitjahren 2000 und 2001 ergangenen– Bescheide im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Dabei ist allerdings nicht darauf einzugehen, ob die im Streitfall getroffenen Rangrücktrittsabreden nach der ertragsteuerrechtlichen Sondervorschrift des § 5 Abs. 2a EStG dazu führen, dass die von den Abreden betroffenen Gesellschafterdarlehen in der Steuerbilanz der Klägerin nicht ausgewiesen werden dürfen (s. hierzu nachfolgend zu II.2.b der Gründe). Hierauf ist für die Streitjahre 2000 und 2001 deshalb nicht einzugehen, weil –was das FA offensichtlich nicht beachtet hat– die Rangrücktritte, so die bindenden Feststellungen des FG, erst 2002 vereinbart worden sind und deshalb nach dem Stichtagsprinzip des § 242 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs –HGB–, das zu den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gehört und damit –mangels einer anderslautenden Regelung in § 5 Abs. 2a EStG– gemäß dem Maßgeblichkeitsgrundsatz auch ertragsteuerrechtlich zu beachten ist (§ 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG und § 7 des Gewerbesteuergesetzes), frühestens zum 31. Dezember 2002 den steuerbilanziellen Ausweis der hiervon betroffenen Darlehen beeinflussen konnten. Demgemäß waren die Gesellschafterdarlehen für die zuvor endenden Wirtschaftsjahre (Streitjahre 2000 und 2001) ungeachtet dessen zu passivieren, ob die Klägerin über ein hinreichendes Vermögen verfügt, um diesen und ihren weiteren Verpflichtungen nachzukommen.
Die im Streitfall getroffenen Rangrücktrittsvereinbarungen, nach denen die Gesellschafterforderungen “hinter die Forderungen anderer Gläubiger (mit Ausnahme der Mitgesellschafter) zurücktreten (und) ihre Befriedigung nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss (verlangt werden) kann”, stimmen in ihren entscheidungserheblichen Passagen mit dem Wortlaut der Abreden überein, die der Rechtsprechung des BFH zugrunde lagen. Der Senat hat hierzu ausgeführt, dass eine Verbindlichkeit, die nach einer im Zeitpunkt der Überschuldung getroffenen Rangrücktrittsvereinbarung nur aus einem zukünftigen Bilanzgewinn und aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu tilgen ist, dem Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG 2002 unterliegt; er hat bestätigt.
Die Ansicht, der Bundesfinanzhof (BFH) habe die Vermögenslosigkeit zum Nicht-Passivierungskriterium gekürt, lässt ganz offensichtlich die tragenden Erwägungen der Rechtsprechung außer Acht. Insbesondere hat der BFH keinen Zweifel daran gelassen, dass mit Rücksicht auf das Gebot des vollständigen Vermögensausweises (§ 246 Abs. 1 HGB) allein die Vermögenslosigkeit des Schuldners nicht dazu führt, eine rechtlich bestehende Verpflichtung aus dem handels- oder steuerrechtlichen Abschluss auszubuchen, und Gleiches für den Fall gilt, dass eine Rangrücktrittsvereinbarung die Verpflichtung bestehen lässt, die subordinierten Gesellschafterforderungen aus dem nach Begleichung der vorrangigen Ansprüche verbleibenden sog. freien Vermögen zu tilgen. Demgemäß ist ein steuerrechtliches Passivierungsverbot erst dann zu bejahen, wenn der Rangrücktritt nach Maßgabe der Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2a EStG –einer den Maßgeblichkeitsgrundsatz durchbrechenden ertragsteuerrechtlichen Sondervorschrift– in dem Sinne spezifiziert wird, dass die hiervon betroffenen Verpflichtungen nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, und deshalb –so die Rechtsfolge der Vorschrift– deren Passivierung daran gebunden ist, dass die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.
Tragend ist mithin auch im Rahmen dieser Beurteilung nicht das wirtschaftliche Unvermögen, für die Schulden aufkommen zu können, sondern der rechtliche Gehalt der vereinbarten Durchsetzungssperre. Den Anforderungen des § 5 Abs. 2a EStG ist aber nicht nur genügt, wenn der Rangrücktritt eine Tilgung nur aus zukünftigen Jahresüberschüssen oder Steuerbilanzgewinnen vorsieht. Vielmehr hat der Senat hierzu auch eine im Zeitpunkt der Überschuldung getroffene Abrede gerechnet, nach der Forderungen aus zukünftigen handelsrechtlichen Bilanzgewinnen zu begleichen sind; dass in den Bilanzgewinn auch Kapitalrücklagen eingehen können, hat der Senat nicht nur wirtschaftlich, sondern –und vor allem– auch bei rechtlicher Beurteilung der Abrede als unmaßgeblich erachtet, weil solche Rücklagen vorrangig mit den Verlustvorträgen zu verrechnen sind. Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Wertung –d.h. der rechtlichen Gleichstellung mit Vereinbarungen, die nur auf den handelsrechtlichen Jahresüberschuss abstellen– abzurücken. Demgemäß erübrigt sich auch eine Stellungnahme dazu, ob –unabhängig von der Frage der Überschuldung und der hierdurch bedingten Verwendungsbeschränkung der Kapitalrücklagen– allein der Zukunftsbezug einer Rangrücktrittsabrede, die eine Schuldentilgung aus künftigen handelsrechtlichen Bilanzgewinnen vorsieht, das steuerrechtliche Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG auslöst.
22.

Passivierung einer Verbindlichkeit trotz Rangrücktritt

Eine Verbindlichkeit, die nur aus einem künftigen Handelsbilanzgewinn oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss erfüllt zu werden braucht, ist zu passivieren.

Niedersächsisches Finanzgericht 6. Senat, Urteil vom 12.06.2014, 6 K 324/12

Begründung:

Denn die getroffenen Rangrücktrittsvereinbarungen führten nicht zum Erlöschen der Schulden. Die Klägerin blieb vielmehr unverändert verpflichtet, die Schulden aus einem künftigen Bilanzgewinn zu bedienen. Auch soweit danach die M. vorerst keinen unmittelbaren Zugriff auf das Vermögen der Klägerin als Befriedigungssubstrat hatte, stellen sich die Rangrücktritte aus Sicht der Klägerin als Vereinbarungen dar, die lediglich zu einer veränderten Rangordnung, nicht hingegen zu einer Minderung ihrer Verbindlichkeiten insgesamt führten. Diese sind daher weiterhin bilanziell auszuweisen