Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen nach Änderung des § 33 EStG

Scheidungskosten sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG. Sie sind durch § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Denn ein Steuerpflichtiger erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse.
BFH Urteil vom 18.05.2017 – VI R 66/14 BFH/NV 2017, 1593

Sachverhalt:
Streitig ist die Abziehbarkeit von Scheidungskosten nach der Änderung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG) vom 26. Juni 2013 (BGBl I 2013, 1809).
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte im Streitjahr (2013) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In seiner Einkommensteuererklärung machte er –neben den Aufwendungen für eine Augenoperation mittels Laser in Höhe von 3.931 EUR– Kosten für die Ehescheidung in Höhe von 1.594 EUR, für beglaubigte Kopien betreffend die Ehescheidung in Höhe von 144 EUR sowie Kosten eines Unterhaltsverfahrens in Höhe von 662 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend.
In dem Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 2. Juni 2014 berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) nur die Kosten für die Augenoperation. Mit dem Einspruch wandte sich der Kläger gegen die Nichtberücksichtigung der Kosten für die Ehescheidung und die Unterhaltsregelung. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die Klage hatte aus den in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 39 veröffentlichten Gründen insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) die Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen anerkannte.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 16. Oktober 2014 4 K 1976/14 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
1. die Revision zurückzuweisen,
2. den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 2. Juni 2014 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 2014 dahingehend abzuändern, dass die zumutbare Belastung mit 1.044 EUR berücksichtigt wird.
Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten und hat keinen Antrag gestellt.

Begründung:
Die Revision des FA ist überwiegend begründet. Das FG hat die Scheidungskosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.
Ob Aufwendungen für einen Scheidungsprozess noch als außergewöhnlich i.S. des § 33 EStG anzusehen sind, kann offenbleiben. Denn sie sind jedenfalls nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für einen Abzug von Prozesskosten liegen nicht vor.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG trat mit Wirkung vom 30. Juni 2013 in Kraft und ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 –mithin für das Streitjahr– anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG).
Scheidungskosten sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG. Sie sind durch § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG grundsätzlich vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Denn ein Steuerpflichtiger erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf sein Urteil vom 18. Mai 2017 VI R 9/16 Bezug.
Im Streitfall ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger Gefahr gelaufen wäre, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte er das Scheidungsverfahren nicht geführt. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für eine Abziehbarkeit von Prozesskosten lagen mithin nicht vor.
Die bislang vom FA berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist entsprechend den Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats vom 19. Januar 2017 VI R 75/14 stufenweise zu ermitteln und demnach mit 1.044 EUR anzusetzen.

Scheidungskosten nicht mehr als außergewöhnliche Belastung abziehbar

Scheidungskosten sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG. Sie sind durch § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Denn ein Steuerpflichtiger erbringt die Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse.

BFH Urteil vom 18.5.2017, VI R 9/16

Begründung (BFH)
Scheidungskosten sind anders als nach der bisherigen Rechtsprechung aufgrund einer seit dem Jahr 2013 geltenden Neuregelung nicht mehr als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Mit Urteil vom 18. Mai 2017 VI R 9/16 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Kosten eines Scheidungsverfahrens unter das neu eingeführte Abzugsverbot für Prozesskosten fallen.
Seit der Änderung des § 33 Einkommensteuergesetzes (EStG) im Jahr 2013 sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) grundsätzlich vom Abzug als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das Abzugsverbot nur dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
Auf diese Ausnahmeregelung berief sich die Klägerin. Sie machte in ihrer Einkommensteuererklärung Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastung geltend.
Anders als das Finanzgericht sah der BFH die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in einem solchen Fall nicht als gegeben an. Der Ehegatte wende die Kosten für ein Scheidungsverfahren regelmäßig nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse auf. Hiervon könne nur ausgegangen werden, wenn die wirtschaftliche Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen bedroht sei. Eine derartige existenzielle Betroffenheit liege bei Scheidungskosten nicht vor, selbst wenn das Festhalten an der Ehe für den Steuerpflichtigen eine starke Beeinträchtigung seines Lebens darstelle. Zwar habe der BFH die Kosten einer Ehescheidung bis zur Änderung des § 33 EStG im Jahr 2013 als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt. Dies sei nach der Neuregelung jedoch nicht länger möglich. Denn dadurch habe der Gesetzgeber die Steuererheblichkeit von Prozesskosten auf einen engen Rahmen zurückführen und Scheidungskosten vom Abzug als außergewöhnliche Belastung bewusst ausschließen wollen.

Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen

Keine Berücksichtigung von Scheidungsfolgekosten als außergewöhnlichen Belastungen.

BFH Urteil vom 28.4.2016, VI R 5/15

Begründung:

Der Senat führt für die bis einschließlich 2012 geltende Fassung des § 33 EStG die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von durch Ehescheidungsverfahren entstandenen Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen fort (Urteil vom 20. Januar 2016 VI R 70/12, BFH/NV 2016, 905). Danach sind zwar die mit dem Gerichtsverfahren verbundenen Kosten für die Scheidung und den Versorgungsausgleich als zwangsläufig entstanden anzusehen und dementsprechend als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Aber Kosten für außerhalb des so genannten Zwangsverbunds durch das Familiengericht oder außergerichtlich im Zusammenhang mit der Ehescheidung getroffene Regelungen werden nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

Das gilt unabhängig davon, ob für die Scheidungsfolgesachen noch § 623 Abs. 1 der Zivilprozessordnung a.F. anzuwenden ist oder schon § 137 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Weiter kommt es auch nicht darauf an, ob ein Ehegatte die Kosten auslösende Aufnahme von Scheidungsfolgesachen in den Scheidungsverbund beantragt hatte und diese insoweit zwingend im Verbund zu entscheiden waren. Denn auch insoweit gelten die Kosten für den mit dem Verfahren überzogenen Ehegatten nicht als unvermeidbar.

Insbesondere war die Rechtsstreitigkeit betreffend den Unterhalt für Getrenntlebende, deren Aufwendungen das FG als außergewöhnliche Belastungen anerkannt hat, keine im Zwangsverbund zu entscheidende Scheidungsfolgesache. Dasselbe gilt für die Streitigkeiten über den Aufstockungsunterhalt, das Umgangsrecht und das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Erst recht handelte es sich bei den Verfahren wegen der Teilungsversteigerung und der Auseinandersetzung der Vermietungsgesellschaft nicht um im Zwangsverbund zu entscheidende Streitigkeiten, sondern um Auseinandersetzungen über vertragliche Ansprüche.

Es geht insoweit auch nicht um Aufwendungen für Rechtsstreitigkeiten, die existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berühren. Zwar mag der Ausgang der betreffenden zivilrechtlichen Auseinandersetzungen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein. Der Kläger lief indes nicht Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte er sich nicht auf einen Prozess eingelassen.

Scheidungskosten keine außergewöhnliche Belastung

Scheidungskosten sind keine außergewöhnliche Belastungen mehr.

FG Niedersachsen Urteil vom 18. Februar 2015 ; 3 K 297/14

Begründung:

Das Niedersächsische Finanzgericht hat entschieden, dass Scheidungskosten im Streitjahr 2013 nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen steuerlich geltend gemacht werden können. Die Scheidung stelle nach den gesellschaftlichen Verhältnissen des Streitjahres jedenfalls kein außergewöhnliches Ereignis mehr dar. Das Gericht hat sich insoweit auf die Daten des Statistischen Bundesamtes gestützt, nach denen zurzeit jährlich rund 380.000 Eheschließungen jährlich rund 190.000 Ehescheidungen gegenüber stehen; also rund 50% der Anzahl der Eheschließungen erreichen:

Das Gericht hat überdies die Neufassung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz so ausgelegt, dass der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem Jahr 2013 die Abzugsfähigkeit der Scheidungskosten als Prozesskosten generell abgeschafft hat (so auch die rechtskräftige Entscheidung des Sächsischen Finanzgerichts vom 13. Novem­ber 2014 2 K 1399/14, juris). Der Senat weicht damit von der Rechtsprechung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Oktober 2014 (4 K 1976/14, EFG 2015, 39; Revision eingelegt: VI R 66/14) und des Finanzgerichts Münster vom 21. November 2014 (4 K 1829/14 E Revision eingelegt: VI R 81/14) ab. Die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) wurde zugelassen.

Das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Az. VI R 19/15 anhängig.

 

Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastung

Scheidungskosten sind nicht mehr als als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.

Niedersächsische Finanzgericht hat durch Urteil vom 18. Februar 2015; 3 K 297/14

Begründung:

Das Finanzgericht hat entschieden, dass Scheidungskosten im Streitjahr 2013 nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen steuerlich geltend gemacht werden können. Die Scheidung stelle nach den gesellschaftlichen Verhältnissen des Streitjahres jedenfalls kein außergewöhnliches Ereignis mehr dar. Das Gericht hat sich insoweit auf die Daten des Statistischen Bundesamtes (destatis) gestützt, nach denen zurzeit jährlich rund 380.000 Eheschließungen jährlich rund 190.000 Ehescheidungen gegenüber stehen; also rund 50% der Anzahl der Eheschließungen erreichen: