Zur umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage bei steuerpflichtiger Lieferung eines Grundstücks durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung

Erwirbt ein zur Befriedigung aus einem Grundstück Berechtigter im Zwangsversteigerungsverfahren das Grundstück (umsatzsteuerpflichtig) durch Zuschlag zu einem Gebot, welches hinter 7/10 des Grundstückswerts zurückbleibt, so gehört zur umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage der Grundstückslieferung neben dem Meistgebot auch der Anspruch des Berechtigten auf Befriedigung, soweit dieser Anspruch durch das abgegebene Meistgebot nicht gedeckt ist, aber bei einem Gebot zum Betrag der 7/10-Grenze gedeckt sein würde.

BFH Beschluss vom 09.09.2015 – XI B 87/14BFH NV 2016 S. 78

Sachverhalt:

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GbR, erwarb im Vorfeld einer empfangenen Grundstückslieferung, deren umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage vorliegend streitig ist, eine durch eine Buchgrundschuld am betreffenden Grundstück abgesicherte Kreditforderung gegen den Grundstückseigentümer in Höhe von … EUR zum Kaufpreis von … EUR. Diese Forderung einschließlich der Sicherheiten trat sie aufgrund Forderungskaufvertrags an eine KG ab und vereinbarte mit dieser, dass sie, die Klägerin, das Grundstück treuhänderisch für die KG erwerben werde. Die Gesellschafter der Klägerin beantragten die Zwangsversteigerung des Grundstücks, dessen Verkehrswert aufgrund eines von der Klägerin in Auftrag gegebenen Gutachtens mit … EUR ermittelt und vom Vollstreckungsgericht nach Anhörung der Gläubiger rechtskräftig auf diesen Betrag festgesetzt wurde.

Im Versteigerungstermin verzichtete der Insolvenzverwalter des Grundstückseigentümers auf die Steuerbefreiung.

Begründung:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit die Klägerin Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 FGO den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügend dargetan hat, liegen solche nicht vor.

Nach Auffassung der Klägerin wirft der Streitfall die Rechtsfrage auf, „ob die Einbeziehung der – um das Bargebot und die bestehenden Rechte geminderte – Befriedigungsfiktion des § 114a ZVG in den Entgeltbegriff des § 10 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG vom Entgeltbegriff des Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der [Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG)] gedeckt wird oder ihm widerspricht”.

Das Gesetz stelle für die Bemessungsgrundlage einer entgeltlichen Leistung darauf ab, was der Leistende erhält; maßgeblich sei nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Campsa Estaciones de Servicio vom 9. Juni 2011 C-285/10 (EU:C:2011:381, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2012, 440, Rz 28) die tatsächlich für die Leistung erhaltene Gegenleistung, also der subjektive, nämlich tatsächlich erhaltene und nicht ein nach objektiven Kriterien geschätzter Wert. Da im Streitfall dem Grundstückseigentümer ein wesentlich niedrigerer Betrag als die Befriedigungsfiktion zugewandt worden sei, stelle diese kein Entgelt i.S. des Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG dar. Eine Ermächtigung nach Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, wonach die Bundesrepublik Deutschland bei der Ermittlung des umsatzsteuerrechtlichen Entgelts Ausnahmen in Gestalt der Anwendung einer Fiktion anwenden könne, liege nicht vor.

Es sei überdies fraglich, ob die im Hinblick auf § 114a ZVG zur Bemessungsgrundlage der –unionsrechtlich nicht harmonisierten– Grunderwerbsteuer ergangene BFH-Rechtsprechung auf die Bemessungsgrundlage der –unionsrechtlich harmonisierten– Umsatzsteuer übertragen werden könne.

Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer für Lieferungen ist das vereinbarte Entgelt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG). Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Zum Entgelt gehört auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG).

  1. d) Es ist durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt, dass die Besteuerungsgrundlage für die Lieferung eines Gegenstands oder die Erbringung einer Dienstleistung die tatsächlich dafür erhaltene Gegenleistung und nicht ein nach objektiven Kriterien geschätzter Wert ist Gegenleistung in diesem Sinn ist das, was der Leistungsempfänger tatsächlich aufwendet

Davon ausgehend ist nicht ersichtlich –jedenfalls nicht hinreichend von der Klägerin dargetan–, dass die Rechtsfrage abweichend vom FG zu beantworten ist oder dass der EuGH im Streitfall zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre als das FG.

Die Klägerin hat für die Ersteigerung des betreffenden Grundstücks neben dem Erbringen des Meistgebots und der Übernahme der in Abt. II bestehen bleibenden Rechte auch die durch Grundpfandrechte gesicherte Forderung gegen den Grundstückseigentümer hingegeben, soweit diese zivilrechtlich –aufgrund von § 114a ZVG angeordneter Rechtsfolge– in Höhe von X EUR tatsächlich erloschen ist; hierbei handelt es sich mithin nicht um einen (lediglich) geschätzten Wert im Sinne der dargelegten Rechtsprechung des EuGH.