Unterhaltsleistungen auch bei mehrjähriger Steuernachzahlung abziehbar

Bei Selbständigen und Gewerbetreibenden, deren Einkünfte naturgemäß stärkeren Schwankungen unterliegen, ist bei der Ermittlung des Nettoeinkommens regelmäßig ein Dreijahresdurchschnitt zu bilden (Bestätigung des Senatsurteils vom 28. März 2012 VI R 31/11, BFHE 237, 79, BStBl II 2012, 769).

Steuerzahlungen sind von dem hiernach zugrunde zu legenden unterhaltsrelevanten Einkommen grundsätzlich in dem Jahr abzuziehen, in dem sie gezahlt wurden (Bestätigung des Senatsurteils in BFHE 237, 79, BStBl II 2012, 769).

Führen Steuerzahlungen für mehrere Jahre jedoch zu nicht unerheblichen Verzerrungen des unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommens im Streitjahr, sind die im maßgeblichen Dreijahreszeitraum geleisteten durchschnittlichen Steuerzahlungen zu ermitteln und vom “Durchschnittseinkommen” des Streitjahres abzuziehen.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 28.4.2016, VI R 21/15

Begründung:

Unterhaltsleistungen sind auch bei einer Steuernachzahlung für einen mehrjährigen Zeitraum als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 28. April 2016 VI R 21/15 entschieden hat.

Im Streitfall erzielte der Kläger Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit und gewährte seinen beiden volljährigen Söhnen, die auswärtig studierten, Unterhalt in Höhe von jeweils 8.004 €. Diese Aufwendungen machte er in seiner Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Danach ermäßigt sich die Einkommensteuer dadurch, dass Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen für den Unterhalt einer ihm oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person erwachsen, bis zu einer Höchstgrenze vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Voraussetzung ist hierfür insbesondere, dass dem Leistenden nach Abzug der Unterhaltsleistungen noch angemessene Mittel zur Bestreitung des eigenen Lebensbedarfs verbleiben (sog. Opfergrenze).

Das Finanzamt berücksichtigte die Unterhaltsleistungen im Hinblick auf diese Opfergrenze nicht. Der Kläger habe zwar im Streitjahr –nach einem Dreijahresmittel berechnet– ein Jahreseinkommen in Höhe von etwa 480.000 € erzielt. Dem stünden im Streitjahr jedoch Einkommensteuernachzahlungen für die Jahre 2010 bis 2012 in Höhe von ca. 564.000 € gegenüber.

Demgegenüber hatte das Finanzgericht (FG) die Unterhaltsleistungen zum Abzug nach § 33a EStG zugelassen. Der BFH hat das Urteil des FG im Ergebnis bestätigt. Zwar sind auch nach der Rechtsprechung des BFH Steuerzahlungen bei der Berechnung des maßgeblichen Nettoeinkommens grundsätzlich in dem Jahr zu berücksichtigen, in dem sie gezahlt wurden. Steuerzahlungen für mehrere Jahre dürfen jedoch nicht zu erheblichen Verzerrungen des unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommens im Jahr der Unterhaltsleistung führen, wie der BFH in seinem neuen Urteil betont. Daher sind die im maßgeblichen Dreijahreszeitraum geleisteten durchschnittlichen Steuerzahlungen zu ermitteln und vom “Durchschnittseinkommen” des Streitjahres abzuziehen. Somit war das für den maßgeblichen Dreijahreszeitraum (2010 bis 2012) ermittelte Durchschnittseinkommen des Klägers in Höhe von ca. 480.000 € nur um eine durchschnittliche Steuerzahlung in Höhe von ca. 188.000 € zu vermindern. Dem Kläger waren danach auch unter Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen an die beiden Söhne angemessene Mittel zur Bestreitung des eigenen Lebensbedarfs verblieben.

Kein Sonderausgabenabzug von Bestattungskosten als Unterhaltsleistungen

Übernahme von Bestattungskosten der geschiedenen Ehefrau stellen keines Unterhaltsleistungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar. Ein Sonderausgabenabzug ist nicht möglich.

BFH Urteil vom 20.8.2014, X R 26/12

Begründung:

Sonderausgaben sind u.a. nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten bis zu 13.805 EUR im Kalenderjahr, wenn der Geber dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt. Die Zustimmung ist nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG mit Ausnahme der nach § 894 Abs. 1 der Zivilprozessordnung als erteilt geltenden bis auf Widerruf wirksam.

Die Wendung in § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG “an den geschiedenen … Ehegatten” verlangt eine Leistung an den geschiedenen Ehegatten und setzt damit schon begrifflich Leistungen zu Lebzeiten voraus. Der Kläger hat die Bestattungskosten möglicherweise im weitesten Sinne gedanklich “für” die verstorbene geschiedene Ehefrau erbracht. Empfängerin der Leistung konnte sie aber nach ihrem Tode nicht mehr sein

Da tauglicher Empfänger der Unterhaltsleistungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG nur der geschiedene oder dauernd getrennt lebende und –vor allem– unbeschränkt steuerpflichtige Ehegatte sein kann, ist der Empfänger mit denjenigen Unterhaltsleistungen, die der Geber abziehen kann, seinerseits stets nach § 22 Satz 1 Nr. 1a EStG steuerpflichtig. Dieses Tatbestandsmerkmal stellt sicher, dass das Korrespondenzprinzip gewahrt bleibt. Damit ist es systemgerecht, nicht systemfremd.

 

Abzugsfähigkeit einer jährlichen Barzahlung an die Eltern in Indonesien

Abzugsfähigkeit einer jährlichen Barzahlung an die Eltern in Indonesien

FG Nürnberg , Urteil vom 12.02.2014, 5 K 487/11

Begründung:

Diese für die Anerkennung der Unterhaltsleistung als außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33a EStG erforderlichen tatsächlichen Umstände stehen aufgrund der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vom Kläger vorgelegten Unterlagen und Dokumente und aufgrund der glaubhaften Erklärungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung fest. Der Senat konnte sich davon überzeugen, dass der Kläger aufgrund seines eigenen Einkommens in der Lage war, seine Eltern mit einem Geldbetrag von 5.000 € zu unterstützen, den er in bar von seinem Konto am 06.12.2005 abgehoben hatte, den er bei seiner Einreise am 19.12.2005 in Indonesien noch bei sich hatte und den er seinen Eltern am 20.12.2005 ausgehändigt hatte, damit diese hiervon ihren weiteren laufenden Lebensunterhalt bestreiten konnten. Der Senat hat sich in der mündlichen Verhandlung aufgrund der stimmigen Aussagen des Klägers von der Richtigkeit seiner Angaben und der vorgelegten Unterlagen Gewissheit verschafft und hat keine Anhaltspunkte gefunden, die zu dem vorgetragenen Geschehen in Widerspruch stehen.

Zwar ist dem beklagten Finanzamt zuzugeben, dass die schriftlichen Bestätigungen und Dokumente nicht zeitnah zur Übergabe des Bargeldes erstellt worden sind. Dies mindert jedoch nicht den Beweiswert der Unterlagen oder lässt sie nur als Gefälligkeitsbescheinigungen erscheinen. Denn aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalls brauchte der Kläger bei der Geldübergabe im Dezember 2005 nicht davon ausgehen, dass er sich zur Beweissicherung um zeitnah erstellte Bestätigungen und amtliche Dokumente sorgen hätte müssen. Vielmehr konnte er aufgrund der steuerlichen Anerkennung seiner Unterstützungsleistungen in den vorangegangen Jahren durch das Finanzamt G annehmen, dass zum Nachweis die bei der Erklärungsabgabe am 14.1.2007 vorgelegten Dokumente auch dem beklagten Finanzamt genügen würden.

 

Berücksichtigung eines Investitionsabzugsbetrags beim Abzug von Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen

Unterhaltsaufwendungen können nur dann als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen.

Zum Nettoeinkommen gehören im Wesentlichen alle steuerpflichtigen Einkünfte und alle steuerfreien Einnahmen. Das Nettoeinkommen ist um den in § 7g EStG geregelten Investitionsabzugsbetrag zu erhöhen.

BFH  Urteil vom 6.2.2014, VI R 34/12

Begründung:

Erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 7.680 EUR im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG).

Die von § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG vorausgesetzte gesetzliche Unterhaltsberechtigung richtet sich ebenso nach dem Zivilrecht wie die Unterhaltsbedürftigkeit.. Gesetzlich unterhaltsberechtigt sind damit diejenigen Personen, denen gegenüber der Steuerpflichtige unterhaltsverpflichtet ist. Nach der sog. konkreten Betrachtungsweise setzt die Abziehbarkeit von Leistungen des Steuerpflichtigen an dem Grunde nach unterhaltsberechtigte Personen zudem voraus, dass die unterhaltene Person bedürftig ist. Darüber hinaus ist § 1603 BGB zu beachten. Nach dieser Vorschrift ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, den Unterhalt zu gewähren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) können daher Unterhaltsaufwendungen im Allgemeinen nur dann als zwangsläufig und folglich als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen und diesem nach Abzug der Unterhaltsleistungen noch die angemessenen Mittel zur Bestreitung des Lebensbedarfs verbleiben.

Dieses von der Finanzverwaltung und ihr folgend der Rechtsprechung entwickelte spezifisch steuerrechtliche Verständnis der zivilrechtlichen Leistungsfähigkeit (HHR/ Pfirrmann, § 33a EStG Rz 42) ist allerdings auf Ehegatten und minderjährige Kinder, mit denen der Steuerpflichtige alle ihm verfügbaren Mittel teilen muss (§ 1603 BGB), sowie bei einer bestehenden Haushaltsgemeinschaft mit der unterhaltenen Person (sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft) nicht anzuwenden. In einem solchen Fall ist für die Ermittlung der gemäß § 33a Abs. 1 EStG abziehbaren Unterhaltsaufwendungen das verfügbare Nettoeinkommen vielmehr nach Köpfen zu verteilen. Allerdings kann vorliegend dahinstehen, ob die Opfergrenze auf die Familiensituation der Kläger anzuwenden ist.

Zum Nettoeinkommen gehören im Wesentlichen alle steuerpflichtigen Einkünfte i.S. von § 2 Abs. 1 EStG und alle steuerfreien Einnahmen. Allerdings gelten die steuerrechtlichen Maßstäbe im Unterhaltsrecht nicht uneingeschränkt. So sind die Einkünfte um Beträge zu kürzen, die dem Verpflichteten faktisch nicht zur Verfügung stehen. Andererseits sind steuerrechtlich zulässige Gewinnminderungen zu korrigieren, soweit kein tatsächlicher Mittelabfluss vorliegt.

Der Investitionsabzugsbetrag gemäß § 7g EStG ermöglicht die Verlagerung von Abschreibungspotential in Wirtschaftsjahre vor Anschaffung und Herstellung begünstigter Wirtschaftsgüter und soll damit der Verbesserung der Liquidität und Eigenkapitalausstattung dienen. Seine Wirkung erschöpft sich in einer zinslosen Steuerstundung. Dem Abzugsbetrag liegen mangels Investition keine Ausgaben bzw. kein Wertverzehr zugrunde, so dass die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen effektiv nicht beeinflusst wird. Das hat nach Auffassung des Senats unterhaltsrechtlich zur Folge, dass der Abzugsbetrag nicht zu berücksichtigen und dem Gewinn zuzuschreiben ist.

Berechnung nach § 33a EStG abziehbarer Unterhaltsleistungen bei Selbständigen

Die Berechnung der nach § 33a EStG abziehbaren Unterhaltsleistungen ist bei Selbständigen auf der Grundlage eines Dreijahreszeitraums vorzunehmen.

Steuerzahlungen sind von dem hiernach zugrunde zu legenden Einkommen grundsätzlich in dem Jahr abzuziehen, in dem sie gezahlt wurden.

BFH Urteil vom 28.3.2012, VI R 31/11

Begründung:

Erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 7.680 EUR im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG).

Die von § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG vorausgesetzte gesetzliche Unterhaltsberechtigung richtet sich nach dem Zivilrecht. Gesetzlich unterhaltsberechtigt sind damit diejenigen Personen, denen gegenüber der Steuerpflichtige unterhaltsverpflichtet ist. Hierunter fällt nach § 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auch die Mutter des Klägers als Verwandte in gerader Linie. Nach der sog. konkreten Betrachtungsweise setzt die Abziehbarkeit von Leistungen des Steuerpflichtigen an dem Grunde nach unterhaltsberechtigte Personen zudem voraus, dass die unterhaltene Person bedürftig ist.

Darüber hinaus ist § 1603 BGB zu beachten. Nach dieser Vorschrift ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, den Unterhalt zu gewähren. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH können daher Unterhaltsaufwendungen im Allgemeinen nur dann als zwangsläufig und folglich als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen und diesem nach Abzug der Unterhaltsleistungen noch die angemessenen Mittel zur Bestreitung des Lebensbedarfs verbleiben. Die Opfergrenze ist lediglich auf Ehegatten und minderjährige Kinder, mit denen der Steuerpflichtige alle ihm verfügbaren Mittel teilen muss, sowie bei einer bestehenden Haushaltsgemeinschaft mit der unterhaltenen Person  nicht anzuwenden.

Im Falle von Selbständigen, deren Einkünfte naturgemäß stärkeren Schwankungen unterliegen, ist der Berechnung der Unterhaltsleistungen nach zivilrechtlichen Grundsätzen regelmäßig ein längerer Zeitraum zugrunde zu legen. Die durch das FA vorgenommene Berechnung berücksichtigt dies nicht und legt die im streitigen Veranlagungszeitraum erzielten Einkünfte zugrunde. Damit wird die zivilrechtliche Unterhaltsverpflichtung insoweit im Steuerrecht nicht nachvollzogen. Entsprechend kann es dazu kommen, dass in einem Veranlagungszeitraum, in dem ein geringer Anteil der in mehreren Jahren angefallenen Einkünfte erzielt wurde, gar kein oder nur ein relativ geringer Betrag von Unterhaltszahlungen nach § 33a EStG abziehbar wäre, obwohl zivilrechtlich aufgrund der mehrjährigen Verrechnung tatsächlich ein deutlich höherer Betrag zu zahlen war. Eine solche Vorgehensweise entspricht nicht dem Zweck des § 33a EStG, der die Berücksichtigung der konkreten Unterhaltsverpflichtung verlangt. Für den Streitfall bedeutet dies, dass die Berechnung auf der Grundlage der von 2006 bis 2008 erzielten Einkünfte vorzunehmen und dann auf das Kalenderjahr 2008 zu beziehen ist.

 

Unterhaltszahlungen an Angehörige im Ausland

Ein eigengenutztes Wohnhaus ist ebenso wie ein Angehörigen überlassenes Wohnhaus als Vermögen des Unterhaltsempfängers mit dem Verkehrswert zu berücksichtigen (entgegen R 33a.1 EStR) .

Der Wert des Vermögens einer unterhaltenen Person ist in der Regel bis zu einem Wert von 15.500 EUR gering; diese Wertgrenze ist bei Zahlungen ins Ausland entsprechend der sog. Ländergruppeneinteilung an die Verhältnisse des Wohnsitzstaates der unterhaltenen Person anzupassen .

Leben mehrere Unterhaltsempfänger zusammen, ist eine Aufteilung einheitlicher Unterhaltszahlungen nur möglich, wenn diese gewissermaßen "aus einem Topf" wirtschaften .

BFH Urteil vom 30.6.2010, VI R 35/09