Unterschiede zu Entscheidungen der Arbeits- und Sozialgerichte in Fragen der umsatzsteuerrechtlichen Unternehmereigenschaft

Die Beurteilung einer Tätigkeit nach sozialversicherungs- oder arbeitsrechtlichen Grundsätzen in sozial- oder arbeitsrechtlichen Entscheidungen entfaltet keine Bindungswirkung für die Beurteilung der in § 2 UStG geregelten umsatzsteuerrechtlichen Unternehmereigenschaft.

Daher können in Urteilen der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit keine Grundsätze zur umsatzsteuerrechtlichen Unternehmereigenschaft aufgestellt werden.

BFH Beschluss vom 11.03.2014 – VB 30/13 BFHNV 2014 S. 920

Beschwerde

Im Übrigen scheitert eine Divergenz zu den Urteilen des BAG und des LSG Nordrhein-Westfalen auch daran, dass in den angeblichen Divergenzentscheidungen keine tragenden Grundsätze zu der im FG-Verfahren streitigen Rechtsfrage aufgestellt worden sein können. Ob eine entgeltliche Leistung durch einen Unternehmer erbracht wird, richtet sich umsatzsteuerrechtlich nach § 2 des Umsatzsteuergesetzes. Die Beurteilung einer Tätigkeit nach sozialversicherungsrechtlichen oder nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen in sozial- oder arbeitsrechtlichen Entscheidungen entfaltet keine Bindungswirkung für die Beurteilung der umsatzsteuerrechtlichen Unternehmereigenschaft im finanzgerichtlichen Verfahren.

Zur Frage, ob selbstständige Unternehmer mehrere Betriebsstätten i. S. v. § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG haben können

Ein selbständiger Unternehmer kann nicht mehrere Betriebsstätten haben. Die Rechtsprechung zu den Arbeitnehmern ist auch hier anwendbar.

FG Münster 22.03.2013, 4 K 4834/10 E

Begründung:

Der Betriebsausgabenabzug ist nicht nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Sätze 1 und 2 EStG begrenzt. Nach dieser Regelung dürfen Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte den Gewinn nur in dem in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG bestimmten Umfang mindern. Danach sind Fahrten eines Arbeitnehmers zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte mit der Entfernungspauschale von 0,30 EUR für jeden vollen Entfernungskilometer, höchstens 4.500,- EUR im Kalenderjahr, abgegolten.

Nach bisheriger BFH-Rechtsprechung war unter „Betriebsstätte“ jede Beschäftigungsstätte des Steuerpflichtigen zu verstehen. Dies ist das Gelände, auf dem die Tätigkeit ausgeübt wird ohne Rücksicht darauf, ob es sich um eine abgrenzbare Fläche oder Räumlichkeit handelt oder ob eine eigene Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen besteht. Im eigenen Wohnhaus belegene oder in die private Sphäre eingebundene Räumlichkeiten konnten dagegen nicht als Betriebsstätte im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG qualifiziert werden.

Dementsprechend waren Fahrten eines freiberuflichen Dozenten zu ihm zur Verfügung gestellten Unterrichtsräumen in verschiedenen Schulen nur in Höhe der Entfernungspauschale abzugsfähig. Nur bei ständig wechselnden Beschäftigungsstätten, auf die sich der Steuerpflichtige nicht einstellen kann, kam ein voller Betriebsausgabenabzug in Betracht. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung wären die sechs Einrichtungen, die die Klägerin regelmäßig wöchentlich außerhalb der Ferienzeit aufgesucht hat als Betriebsstätten anzusehen. Die zu diesen Einrichtungen durchgeführten Fahrten unterlägen dem begrenzten Betriebsausgabenabzug, nicht aber die übrigen Fahrten, die zu lediglich einmaligen Zielen oder zur Musikschule A unternommen wurden. Diese Fahrten können bereits mangels Regelmäßigkeit nicht als Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte angesehen werden.

Die die regelmäßige Arbeitsstätte von Arbeitnehmern betreffende Rechtsprechung hat der BFH ausdrücklich aufgegeben. Der Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte entspreche dem für die Abzugsbeschränkung für Mehraufwendungen für Verpflegung (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG) maßgeblichen Begriff des Mittelpunkts der betrieblichen Tätigkeit. Die regelmäßige Arbeitsstätte als ortsgebundener Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit könne lediglich an einem Ort liegen. Nur insoweit könne sich der Arbeitnehmer auf die immer gleichen Wege einstellen und so – etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder eine zielgerichtete Wohnsitznahme in der Nähe der Arbeitsstätte – auf eine Minderung der Kosten hinwirken. Dies sei nicht möglich, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit an mehreren Orten ausübe, so dass ein bloß eingeschränkter Abzug der Wegekosten nicht gerechtfertigt sei. In solchen Fällen sei anhand der Umstände des Einzelfalles zu prüfen, welcher von mehreren Tätigkeitsstätten gegenüber den anderen eine hinreichend zentrale Bedeutung zukommt, dass sie als einzige regelmäßige Arbeitsstätte beurteilt werden kann. Treffe dies auf keine Tätigkeitsstätte zu, liege keine regelmäßige Arbeitsstätte vor.

Der Senat schließt sich hinsichtlich der Auslegung des Begriffs der Betriebsstätte im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG der geänderten BFH-Rechtsprechung zur Frage der regelmäßigen Arbeitsstätte in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG an. Das Erforderniseiner entsprechenden Auslegung ergibt sich aus der bereits nach der bisherigen Rechtsprechung zum Betriebsstättenbegriff gebotenen Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Unternehmern in Bezug auf den Abzug von Fahrtkosten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeits- bzw. Betriebsstätte.

Ebenso wie ein Arbeitnehmer kann auch ein selbstständiger Unternehmer bei wechselnden Betriebsstätten nicht durch Bildung von Fahrgemeinschaften oder die Verlegung seines Wohnsitzes die Fahrtkosten minimieren. Schließlich spricht auch der in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG enthaltene Verweis, wonach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 insgesamt und nicht nur in Bezug auf seine Rechtsfolgen anzuwenden ist, für eine gleichartige Auslegung beider Vorschriften.

Nach der gebotenen Gesamtwürdigung der Umstände des Streitfalles hatte die Klägerin im Streitjahr 2008 keine Betriebsstätte im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG. Ihr häusliches Arbeitszimmer kann bereits nach der bisherigen Rechtsprechung mangels räumlicher Trennung von der Privatsphäre keine Betriebsstätte darstellen. Von den sechs aufgesuchten Schulen und Kindergärten, die sie alle etwa gleich häufig und jeweils zum gleichen Zweck aufgesucht hat, hat keine Einrichtung eine derart zentrale Bedeutung gegenüber den anderen, dass sie als Mittelpunkt der freiberuflichen Tätigkeit der Klägerin angesehen werden könnte.

Ebenso ist unerheblich, dass einige Tätigkeitsorte aufgrund ihrer geringen Entfernung zur Wohnung der Klägerin in einem „festen Einzugsbereich“ liegen. Solche Fahrten konnten nach früherer Rechtsprechung auch dann nicht mit den tatsächlichen Kosten (als Betriebsausgaben oder Werbungskosten) angesetzt werden, wenn ständig wechselnde Einsatzstellen vorlagen. Nach Aufgabe dieser Rechtsprechung können Fahrtkosten auch bei kurzen Entfernungen in der tatsächlichen Höhe abgezogen werden.

 

Reisekosten eines Unternehmers

Die bei einer Auslandsreise beabsichtigte Anbahnung von Kontakten zu Politikern und Unternehmern in den besuchten Ländern geht im Sinne einer betrieblichen Veranlassung der Reise zumindest dann über ein bloß allgemeines Interesse an politischen oder wirtschaftspolitischen oder gesellschaftspolitischen Informationen hinaus, wenn nicht auszuschließen ist, dass der Teilnehmer die erwarteten Informationen und Kontakte für seine unternehmerischen Ziele nutzen kann .

Bei Delegationsreisen mit hochgestellten Politikern kann aufgrund der Vorauswahl der Teilnehmer durch das zuständige Ministerium im Regelfall davon ausgegangen werden, dass es sich um Repräsentanten von Unternehmen handelt, die international ausgerichtet sind oder dies anstreben.

BFH Urteil vom 9.3.2010, VIII R 32/07

Erläuterungen:

Nimmt ein Unternehmer an offiziellen Delegationsreisen von Regierungsmitgliedern und am World Economic Forum teil, so können die dafür anfallenden Reisekosten als Betriebsausgaben abziehbar sein. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 9. März 2010 VIII R 32/07 entschieden.

Der Kläger hatte als Mitglied einer Wirtschaftsdelegation an Auslandsreisen des Ministerpräsidenten und des Wirtschaftsministers seines Bundeslandes und – zusammen mit seiner Ehefrau – auch an Tagungen des Weltwirtschaftsforums in Davos teilgenommen. Er ist Alleingesellschafter einer Aktiengesellschaft und ebenso wie sein Ehefrau auch deren Vorstand. Die Kosten der jeweiligen Reisen hatte die Aktiengesellschaft übernommen.

Das Finanzgericht (FG) war der Meinung, die Reisen seien überwiegend privat veranlasst. Die von den Klägern erhoffte Anbahnung geschäftlicher Kontakte sei zu unsicher gewesen, um von einem betrieblichen Interesse ausgehen zu können. Das FG hat deshalb verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe der Reisekosten angenommen.

Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Im Streitfall kam eine Aufteilung der Reisekosten nach den beruflichen und privaten Zeitanteilen der Reise nicht in Betracht. Den Reisen lag auch kein unmittelbarer betrieblicher Anlass zugrunde. Deshalb war die betriebliche Veranlassung anhand einer umfassenden Abwägung aller für und gegen sie sprechenden Umstände zu prüfen.

Die vom FG vorgenommene Abwägung beurteilte der BFH als fehlerhaft. Deshalb muss es nun im zweiten Rechtsgang noch einmal prüfen, ob die Reisen beruflich veranlasst waren. Nach Auffassung des BFH ist aufgrund der Auswahl der Reiseteilnehmer durch das zuständige Ministerium im Regelfall die von den Klägern in Anspruch genommene Aussicht auf Anbahnung von Geschäftskontakten als hinreichendes betriebliches Interesse anzuerkennen. Eine private Veranlassung der Reisen sei aufgrund des Programmablaufs grundsätzlich ausgeschlossen gewesen.

 

Umsatzsteuerrechtliche Behandlung des Betriebs einer Pferdezucht

Eine Kommanditgesellschaft, die nachhaltig mit der Absicht, Einnahmen zu erzielen, eine Pferdezucht betreibt, ist umsatzsteuerrechtlich Unternehmer, auch wenn die Gewinnerzielungsabsicht fehlt.

Der Betrieb einer Pferdezucht in größerem Umfang mit erheblichen Umsätzen dient bei typisierender Betrachtung nicht in vergleichbarer Weise wie die ausdrücklich in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG genannten Gegenstände (Jagd, Fischerei, Segel- oder Motorjacht) einer überdurchschnittlichen Repräsentation, der Unterhaltung von Geschäftsfreunden, der Freizeitgestaltung oder der sportlichen Betätigung.

Die Voraussetzungen eines sog. Repräsentationseigenverbrauchs liegen in einem derartigen Fall nicht vor

BFH Urteil vom 12. Februar 2009 V R 61/06

Erläuterungen:

Eine Kommanditgesellschaft (KG), die eine Pferdezucht betreibt, ist auch bei fehlender Gewinnerzielungsabsicht umsatzsteuerrechtlich Unternehmer und kann die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen. Dies entschied der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 12. Februar 2009 V R 61/06.

Im Streitfall betrieb eine KG – mit ständigen Verlusten – eine Pferdezucht. Das Finanzamt setzte im Umsatzsteuerbescheid für 1999 für die Zeit bis zum 31. März 1999 einen sog. Repräsentationseigenverbrauch fest und ließ die auf den Zeitraum ab 1. April 1999 entfallenen Vorsteuerbeträge nicht zum Abzug zu weil die KG Aufwendungen getätigt habe, die unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) fielen. Die dort genannten Repräsentationsaufwendungen (z.B. für Jagd, Fischerei, Segel oder Motorjacht) dürfen einkommensteuerlich wegen ihres Zusammenhangs mit der privaten Lebensführung nicht abgezogen werden. Umsatzsteuerlich dürfen die in Rechnung gestellten Vorsteuern die Umsatzsteuerschuld nicht mindern.

Der BFH entschied, die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG seien im Streitfall nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung diene zwar beispielsweise auch ein aus Repräsentationsgründen unterhaltenes Rennpferd "ähnlichen Zwecken" wie die ausdrücklich in dieser Vorschrift genannten Gegenstände Jagd, Fischerei, Segel oder Motorjacht. Damit sei der vorliegende Streitfall aber nicht vergleichbar. Der Betrieb einer Pferdezucht in größerem Umfang mit erheblichen (sechsstelligen) Umsätzen pro Jahr diene bei typisierender Betrachtung nicht einer überdurchschnittlichen Repräsentation, der Unterhaltung von Geschäftsfreunden, der Freizeitgestaltung oder der sportlichen Betätigung.

Keine Steuerfreiheit für Telefonkosten bei Unternehmern

Die auf Arbeitnehmer beschränkte Steuerfreiheit für die Vorteile aus der privaten Nutzung von betrieblichen Personalcomputern und Telekommunikationsgeräten (§ 3 Nr. 45 EStG) verletzt nicht den Gleichheitssatz.

Der Bundesfinanzhof hat entscheiden, dass nach § 3 Nr. 45 EStG nur die Vorteile des Arbeitnehmers aus der privaten Nutzung von betrieblichen Personalcomputern und Telekommunikationsgeräten steuerfrei sind. Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger Tätigkeit werden vom Wortlaut dieser steuerfreien Vorschrift nicht erfasst, was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

Die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Arbeitnehmern und selbständig Tätigen ist sachlich gerechtfertigt. Bei selbständig tätigen Steuerpflichtigen (§§ 13, 15, 18 EStG) ist der Gewinn um die anteiligen Aufwendungen für die private Nutzung einer betrieblichen Telekommunikationsanlage zu erhöhen. Dabei kann offen bleiben, ob es bei einem Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, insoweit an der betrieblichen Veranlassung der Aufwendungen i.S. des § 4 Abs. 4 EStG fehlt, oder eine Nutzungsentnahme vorliegt, die als fiktive Betriebseinnahme zu behandeln ist.

BFH Urteil vom 21. Juni 2006 XI R 50/05

Strohmann als Unternehmer

Auch ein “Strohmann” kommt als leistender Unternehmer in Betracht. Dementsprechend können auch dem Strohmann die Leistungen zuzurechnen sein, die der sog. Hintermann als Subunternehmer im Namen des Strohmann tatsächlich ausgeführt hat (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 13. Juli 1994 XI R 97/92, BFH/NV 1995, 168).

Unbeachtlich ist das “vorgeschobene” Strohmanngeschäft dann, wenn es zwischen dem Leistungsempfänger und dem Strohmann nur zum Schein abgeschlossen worden ist und der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene –ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende– Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will.

(BFH Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01).