Pflegeleistungen durch Mitglieder eines Vereins können umsatzsteuerfrei sein

Pflegeleistungen sind unter Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL steuerfrei, wenn die Pflegekraft die Möglichkeit hat, Verträge nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XI mit Pflegekassen abzuschließen.

BFH  Urteil vom 18.8.2015, V R 13/14

Begründung (BFH):

Mit Urteil vom 18. August 2015 V R 13/14 hat der V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass Pflegeleistungen unter Berufung auf das Unionsrecht (Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuersystemrichtlinie) steuerfrei sind. Voraussetzung ist, dass die Pflegekraft die Möglichkeit hat, Verträge nach § 77 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Elftes Buch (SGB XI) mit Pflegekassen abzuschließen.

Das Verfahren betraf eine Klägerin, die als Mitglied eines eingetragenen Vereins für den Verein gegen Entgelt als Pflegehelferin tätig war. Über eine Ausbildung als Kranken- oder Altenpflegerin verfügte die Klägerin nicht. Der Verein hatte mit der Klägerin eine Qualitätsvereinbarungen abgeschlossen. Der Verein erbrachte umsatzsteuerfreie Pflegeleistungen an Pflegekassen. Diese Art der Erbringung von Pflegeleistungen durch Mitglieder eines eingetragenen Vereins ist in Deutschland verbreitet.

Das Finanzamt sah die Tätigkeit der Klägerin für den Verein als umsatzsteuerpflichtig an. Ihre Klage zum Finanzgericht hatte Erfolg. Der BFH bestätigte das Urteil der Vorinstanz. Zwar seien die Leistungen der Klägerin nach nationalem Recht steuerpflichtig. Sie könne sich aber auf die weitergehenden Steuerbefreiungstatbestände des Unionsrechts berufen, die das nationale Recht nur ungenügend umgesetzt habe. Für die nach dem Unionsrecht erforderliche Anerkennung reiche es aus, dass für die Klägerin die Möglichkeit bestanden habe, Leistungen nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XI an Pflegekassen erbringen zu können.

Bei seiner Entscheidung hat der BFH auch den gerichtsbekannten Pflegenotstand und das sich hieraus ergebende hohe Gemeinwohlinteresse berücksichtigt, das an der Erbringung steuerfreier Pflegeleistungen besteht.

 

Gemeinnützigkeit eines islamischen Vereins trotz Erwähnung in Verfassungsschutzbericht

Die (widerlegbare) Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO i.d.F. des JStG 2009 setzt voraus, dass die betreffende Körperschaft (hier: ein islamisch-salafistischer Verein) im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes für den zu beurteilenden Veranlagungszeitraum ausdrücklich als extremistisch eingestuft wird.

BFH Urteil vom 11.4.2012, I R 11/11

Begründung (BFH):

Mit Urteil vom 11. April 2012 I R 11/11 hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine Entscheidung des Sächsischen Finanzgerichts bestätigt, das einen islamisch-salafistischen Verein für das Jahr 2008 als gemeinnützig anerkannt hatte. Der Verein betrieb eine Moschee und bezweckte nach seiner Satzung u.a. die Förderung der Religion.

Das Finanzamt hatte dem Verein für das Jahr 2008 die Gemeinnützigkeit aberkannt, weil er in einem Landesverfassungsschutzbericht für jenes Jahr wegen Einbindung in demokratiefeindliche salafistische Netzwerke erwähnt worden war. Es stütze sich dabei auf eine im Jahr 2009 eingeführte gesetzliche Vermutung, nach der bei Körperschaften, die in einem Bundes- oder Landesverfassungsschutzbericht "als extremistische Organisation aufgeführt" sind, davon auszugehen ist, dass sie die Gemeinnützigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllen.

Der BFH hat entschieden, dass diese gesetzliche Vermutung nur eingreift, wenn die betreffende Organisation in dem Verfassungsschutzbericht ausdrücklich als extremistisch eingestuft wird, was hier nicht der Fall war. Konkrete Belege für extremistische Aktivitäten des Vereins im Jahr 2008 konnte das Finanzgericht nicht feststellen, so dass für jenen Veranlagungszeitraum keine Grundlage für einen Entzug der Gemeinnützigkeit bestand.

 

Leistungen der Altenhilfe eines gemeinnützigen Vereins im Rahmen des „betreuten Wohnens“ sind umsatzsteuerfrei

Erbringt ein gemeinnütziger Verein gegenüber Senioren im Rahmen des "betreuten Wohnens" ein Leistungsbündel, das durch die Leistungen der in § 75 BSHG (Altenhilfe) genannten Art geprägt wird, ist die einheitliche Leistung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei, auch wenn der Verein insoweit nur gegenüber dem Vermieter der Seniorenwohnungen verpflichtet ist.

BFH Urteil vom 8.6.2011, XI R 22/09

Erläuterung (BFH)

Leistungen der Altenhilfe im Bereich des „betreuten Wohnens“, die von einem gemeinnützigen Verein der freien Wohlfahrtspflege gegenüber Senioren erbracht werden, sind von der Umsatzsteuer befreit. Dies entschied der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 8. Juni 2011 XI R 22/09 in einem Fall, in dem ein Verein von dem Vermieter der Seniorenwohnungen zur Erbringung von sog. Basisleistungen (z.B. Sozial- und Gesundheitsbetreuung durch zeitweise, werktägliche Präsenz einer Fachkraft , Organisation von Veranstaltungen, Vermittlung von Dienstleistungen, Mahlzeiten) eingeschaltet worden war und an den die dafür vom Vermieter vereinnahmte Betreuungsentgelte weitergeleitet worden waren.

Der BFH ließ in seinem Urteil offen, ob sich die Steuerfreiheit der Betreuungsumsätze aus dem nationalen Umsatzsteuerrecht ergebe (§ 4 Nr. 18 des Umsatzsteuergesetzes). Jedenfalls könne sich der Verein unmittelbar auf eine unionsrechtliche Regelung berufen (Art 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG). Danach genüge es, wenn Leistungen erbracht würden, die eng mit der Fürsorge oder der sozialen Sicherheit verbunden seien, und dass diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder von Einrichtungen erbracht würden, die vom Mitgliedstaat als solche mit im Wesentlichen sozialen Charakter anerkannt worden seien.

Die vom klagenden Verein erbrachten – einheitlich zu beurteilenden – Leistungen seien eng mit der Fürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden, weil sie geprägt seien durch Elemente, die unter die Altenhilfe fielen und gegenüber hilfsbedürftigen Personen erbracht würden. Es sei unschädlich, dass der Verein den Vertrag nur mit dem Vermieter geschlossen habe, solange die Betreuungsleistungen tatsächlich gegenüber den hilfsbedürftigen Personen erbracht worden seien. Die erforderliche Anerkennung des Vereins sah der BFH dadurch gewährleistet, dass Kosten für die Leistungen der Altenhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden.

Spendenbescheinigung und Vertrauensschutz

Zuwendungen von Mitgliedern an den eigenen Verein, die unmittelbar und ursächlich mit einem durch den Verein ermöglichten Vorteil zusammenhängen, sind nicht als Spenden gemäß § 10b EStG steuerlich absetzbar .
BUNDESFINANZHOF Urteil vom 2.8.2006, XI R 6/03

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte zu entscheiden, ob die Zuweisung eines Mitglieds an seinen eigenen Golfclub steuerlich als Spende absetzbar sei. In zeitlichem Zusammenhang mit der Aufnahme in den Verein hatte der Kläger neben einem Aufnahmebeitrag und dem Jahresbeitrag eine “Spende” von 15 000 DM geleistet.