Verrechnungspreisdokumentation ist unionsrechtskonform

Eine Person steht einem Steuerpflichtigen i.S. von § 1 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 AStG nahe, wenn eine dritte Person am Grundkapital oder Stammkapital sowohl der Person als auch des Steuerpflichtigen unmittelbar oder mittelbar wesentlich beteiligt ist. Beschränkungen im Innenverhältnis aufgrund einer Treuhand sind ebenso unbeachtlich wie Stimmrechtsbeschränkungen. Gleiches gilt im Ergebnis für die Annahme eines Nahestehens im Zusammenhang mit dem Vorliegen einer vGA.

Die Verpflichtung, bei Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbezug betreffen, über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit nahe stehenden Personen i.S. des § 1 Abs. 2 AStG Aufzeichnungen zu erstellen und diese auf Verlangen der Finanzbehörde vorzulegen (§ 90 Abs. 3 AO), ist mit der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG vereinbar.

BFH Urteil vom 10.4.2013, I R 45/11

Begründung (BFH):

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte durch Urteil vom 10. April 2013 I R 45/11 darüber zu entscheiden, ob die Pflicht zu einer sog. Verrechnungspreisdokumentation, der Steuerpflichtige bei bestimmten grenzüberschreitenden Vorgängen unterworfen sind, in Einklang mit dem Unionsrecht steht. Er hat dies prinzipiell bejaht.

Nach § 90 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) hat der Steuerpflichtige bei Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbezug betreffen, über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit ihm nahestehenden Personen Aufzeichnungen zu erstellen und diese auf Verlangen der Finanzbehörde vorzulegen. Diese Pflichten beziehen sich insbesondere auf die mit den Nahestehenden vereinbarten sog. Verrechnungspreise. Einzelheiten der Dokumentation regelt die Finanzverwaltung in der „Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung“. Kommt der Steuerpflichtige den Dokumentationspflichten nicht oder nur unvollständig nach, ermöglicht § 162 Abs. 3 AO eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zu seinem Nachteil. Außerdem erlaubt § 162 Abs. 4 AO für solche Fälle einen „Strafzuschlag“ zur festgesetzten Steuer von mindestens 5 000 €, bei verspäteter Vorlage der Aufzeichnungen sogar bis zu 1 Mio. €. Sachverhalte ohne entsprechenden Auslandsbezug sind von diesen Pflichten, die für die Steuerpflichtigen erheblichen Aufwand und erhebliche Kosten verursachen, nicht betroffen. Inlandssachverhalte und Auslandssachverhalte werden also „ungleich“ behandelt.

Der BFH sah in dieser Ungleichbehandlung dennoch keinen Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union. Zwar werde in den Schutzbereich danach bestehender Grundfreiheiten im gemeinsamen Binnenmarkt eingegriffen. Doch sei dieser Eingriff durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt, insbesondere durch das Erfordernis einer wirksamen Steueraufsicht. Der Eingriff sei auch verhältnismäßig, weil ohne die Vorlage einer Verrechnungspreisdokumentation eine effektive Sachverhaltsaufklärung nicht möglich sei. Eine solche könne nicht allein mit den Mitteln der zwischen-staatlichen Amtshilfe gewährleistet werden.

In dem Fall, über den der BFH konkret zu entscheiden hatte, verlangte das Finanzamt zur Durchführung einer Außenprüfung von einer GmbH die Vorlage einer sog. Sachverhalts- und Angemessenheitsdokumentation über die Geschäftsbeziehungen mit einer der GmbH verbundenen luxemburgischen AG. Grund dafür waren Zweifel daran, ob die Geschäftsbeziehungen dem entsprachen, was unter fremden Dritten üblich ist. Der BFH hielt die Aufforderung zur Vorlage der Dokumentation für rechtmäßig, weil sich die Verrechnungspreise andernfalls nicht verlässlich überprüfen ließen.

Dem Urteil kommt nicht zuletzt vor dem Hintergrund der derzeitigen Diskussion im politischen Raum über die „Steuerflucht“ in sog. Steueroasen, auch solche innerhalb der Europäischen Union, beträchtliche Bedeutung zu. Allerdings lässt der BFH ausdrücklich offen, ob einzelne Bestimmungen über die Dokumentationstiefe in der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung nicht doch über das hinausgehen, was zur Sachverhaltsaufklärung erforderlich ist. Diese Fragen lassen sich nicht im Rahmen der Dokumentationsanforderung beantworten, sondern erst im Klageverfahren gegen einen nachfolgenden Steuerbescheid oder die nachfolgende Festsetzung eines „Strafzuschlags“.

 

Ermittlung der Verrechungspreisen einer inländischen Tochtergesellschaft

Wird im Rahmen einer Prüfung der Verrechnungspreisen zwischen der inländischen Tochtergesellschaft und der ausländischen Muttergesellschaft eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) unterstellt, so ist der Gewinn um die Differenz zwischen den tatsächlich vereinbarten Preis und dem Fremdvergleichspreis zu erhöhen.

Ein Fremdvergleichspreis ist der Preis, den eine unabhängiger Vertragspartner unter vergleichbaren Umständen gezahlt hätte.

Verweigert eine inländische Tochtergesellschaft die Auskunft darüber, wie die mit ihrer ausländischen Muttergesellschaft vereinbarten Preise zustande gekommen sind, so kann aus der Weigerung gefolgert werden, dass die vereinbarten Preise durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind.

Auch in diesem Fall können die vereinbarten Preise dennoch angemessen sein. Für die Ermittlung des angemessenen Fremdvergleichspreises trägt das Finanzverwaltung die objektive Beweislast.

Ergibt sich auf der Basis der Preisvergleichs- oder der Wiederverkaufspreismethode nur eine Bandbreite angemessener Fremdvergleichspreise, so stellt die Schätzung eines Mittelwertes in der Regel keine Rechtsgrundlage dar. Die Schätzung muss sich an dem für den Steuerpflichtigen günstigsten Bandbreitenwert orientieren.

(BFH Urteil vom 17. Oktober 2001-I R 103/00 BFHNV 2002 S.134).

Das Urteil zu den Verrechnungspreisen nimmt ausführlich zu den Möglichkeiten der Fremdvergleichspreisermittlung Stellung. Für die Preisermittlung trägt die Finanzverwaltung die objektive Beweislast.

In der Praxis bietet es sich aber an Vergleichspreise an Fremde nachzuweisen um einer vGA zu entgehen.

Ergänzungen:
Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen für die Anerkennung von Verrechnungspreisen verschärft.