Berliner Zweitwohnsteuer ist keine Verbrauchsteuer

Die Berliner Zweitwohnungsteuer ist keine Verbrauchsteuer i.S. von § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO.

BFH Beschluss vom 21.4.2016, II B 4/16

Sachverhalt:

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller), ein Fachanwalt für Steuerrecht, und seine Ehefrau (E), die Antragstellerin und Beschwerdeführerin im Verfahren II B 5/16, haben ihren Hauptwohnsitz in … Sie sind zudem seit vielen Jahren je zur Hälfte Miteigentümer von zwei 3nebeneinander liegenden Eigentumswohnungen in Berlin (Wohnungen Nr. 19 und Nr. 20). Die Wohnung Nr. 20 diente dem Antragsteller bis zum Juni 2009 zu freiberuflichen Zwecken und wird seither ebenso wie die Wohnung Nr. 19 seit Fertigstellung privat genutzt. Eine Erklärung zur Zweitwohnungsteuer gaben die Eheleute erst im Jahr 2014 ab.

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) setzte gegen den Antragsteller und E mit Bescheiden vom 14. Juli 2015 je zur Hälfte Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2003 bis 2017 (Wohnung Nr. 19) und für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 2017 (Wohnung Nr. 20) fest. Das FA ging dabei vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung aus. Über die auf die Besteuerungszeiträume bis 2013 bezogenen Einsprüche hat das FA noch nicht entschieden. Den Antrag, insoweit die Vollziehung der Steuerbescheide auszusetzen, lehnte das FA ab. Das von der Bußgeld- und Strafsachenstelle des zuständigen Finanzamts gegen den Antragsteller und E eingeleitete Strafverfahren wurde für die Jahre 2003 bis 2010 wegen Strafverfolgungsverjährung und für die Jahre 2011 bis 2014 wegen Geringfügigkeit eingestellt.

Das Finanzgericht (FG) gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) hinsichtlich der Wohnung Nr. 19 für die Besteuerungszeiträume bis 2006 statt und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Zur Begründung führte das FG aus, entgegen der Ansicht des Antragstellers betrage die regelmäßige Festsetzungsfrist für die Steuer nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) vier Jahre. Bei der Steuer handle es sich nicht um eine Verbrauchsteuer i.S. des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO. Anwendbar sei auch die Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, weil die Erklärung zur Zweitwohnungsteuer entgegen der Verpflichtung aus § 8 des Berliner Zweitwohnungsteuergesetzes (BlnZwStG) erst im Jahr 2014 abgegeben worden sei. Festsetzungsverjährung sei auch für das Jahr 2007 nicht eingetreten. Die Festsetzungsfrist habe sich nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf fünf Jahre verlängert, da dem Antragsteller eine leichtfertige Steuerverkürzung zur Last falle. Er habe leichtfertig gehandelt, weil er seinen melderechtlichen Pflichten nicht nachgekommen sei und dadurch die Steuer verkürzt habe. Ihn habe gemäß § 135 Abs. 2 AO als Wohnungsinhaber die Mitwirkungspflicht getroffen.

Begründung:

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die regelmäßige Festsetzungsfrist für die Berliner Zweitwohnungsteuer vier Jahre beträgt und die in § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO vorgesehene Anlaufhemmung anwendbar ist.

Die Festsetzungsverjährung für die Berliner Zweitwohnungsteuer richtet sich gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Berliner Gesetzes über den Anwendungsbereich der Abgabenordnung (AOAnwG) nach den Vorschriften der AO. Die regelmäßige Festsetzungsfrist beträgt gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre. Bei der Steuer handelt es sich nicht um eine Verbrauchsteuer i.S. des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, für die die regelmäßige Festsetzungsfrist lediglich ein Jahr beträgt.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) definiert Verbrauchsteuern als Warensteuern, durch die der Verbrauch vertretbarer, in der Regel zur kurzfristigen Verwendung bestimmter Güter besteuert wird. Regelmäßig sind sie dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht direkt beim Verbraucher, sondern bei dem Vertreiber der Waren ansetzen, aber vom Steuerschuldner über den Preis auf den Endverbraucher abgewälzt werden. Dadurch belasten sie indirekt den Verbrauch. Sie knüpfen an den Übergang einer Sache aus der steuerlichen Gebundenheit in den freien Verkehr an und sind regelmäßig durch mengenbezogene Bemessungsmaßstäbe gekennzeichnet. Aufwandsteuern stellen dagegen auf den Gebrauch von –in der Regel nicht verbrauchsfähigen– Gütern und Dienstleistungen ab und besteuern die durch den Gebrauch oder die Innehabung dieser Gegenstände zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Mit der in § 169 Abs. 2 Satz 1 AO vorgenommenen Unterscheidung zwischen zwei Gruppen von Steuern knüpft die AO an eine abgabenrechtliche Tradition an, deren erkennbares systematisches Konzept darin besteht, dass für das allgemeine Abgabenrecht nicht so sehr die Eigenart der Steuern als vielmehr die Art ihrer Festsetzung und ihrer sonstigen verwaltungstechnischen Behandlung entscheidend ist. Im Geltungsbereich der Reichsabgabenordnung 1919 wurde der rechtfertigende Grund für die unterschiedliche Behandlung von Verbrauchsteuern und damals auch Zöllen einerseits und den übrigen Steuern andererseits darin gesehen, dass die erstgenannten Abgaben mehr summarisch, rechnerisch und oft durch untergeordnete Stellen, bei fehlender bzw. unerheblicher Mitwirkung des Betroffenen, die anderen Steuern dagegen im Rahmen eines formalisierten, unter weitgehender Mitwirkung des Steuerpflichtigen auf erschöpfende Sachverhaltsermittlung ausgerichteten Veranlagungsverfahrens ermittelt werden.

Hamburgisches Zweitwohnungsteuergesetz: Verfassungswidrige Benachteilung der Kleinfamilie von Mutter und Kind?

Der Senator für Finanzen der Freien und Hansestadt Hamburg wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob § 2 Abs. 5 Buchst. c HmbZWStG dadurch gegen Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, dass er eine aus einem alleinerziehenden Elternteil und seinem noch in der Schulausbildung befindlichen Kind bestehende Familie nicht erfasst.

Beschluss vom 16. Dezember 2009 II R 67/08

Erläuterungen:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch Beschluss vom 16. Dezember 2009 II R 67/08 den Senator für Finanzen der Freien und Hansestadt Hamburg aufgefordert, dem Verfahren beizutreten. Damit wird ihm die Gelegenheit gegeben, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob das Hamburgische Zweitwohnungsteuergesetz (HmbZWStG) dadurch gegen gegen das Grundgesetz (GG) verstößt, dass die Zweitwohnung eines Alleinerziehenden von der Steuer erfasst wird, während Zweitwohnungen von verheirateten oder in einer Lebenspartnerschaft lebenden Eltern von der Zweitwohnungsteuer ausgenommen sind.

Nach § 1 HmbZWStG unterliegt das Innehaben einer Zweitwohnung in Hamburg der Zweitwohnungsteuer, wobei nach § 2 Abs. 1 Satz 1 HmbZWStG als Zweitwohnung eine Wohnung aufzufassen ist, die dem Eigentümer oder Hauptmieter als Nebenwohnung im Sinne des Hamburgischen Meldegesetzes dient. Nach § 2 Abs. 5 Buchst. c HmbZWStG gelten die Abs. 1 und 2 der Vorschrift nicht für Wohnungen, die eine verheiratete oder in Lebenspartnerschaft lebende Person, die nicht dauernd getrennt von ihrem Ehe- oder Lebenspartner lebt, aus überwiegend beruflichen Gründen innehat, wenn die gemeinsame Wohnung die Hauptwohnung und außerhalb Hamburgs belegen ist.

Im konkreten Fall ging es um eine alleinerziehende Mutter und ihre noch in der Schulausbildung befindliche Tochter, deren gemeinsame Hauptwohnung außerhalb Hamburgs lag. Die Mutter unterhielt aus beruflichen Gründen eine Zweitwohnung in Hamburg. Als nicht verheiratete Person konnte sie die Vergünstigung des § 2 Abs. 5 Buchst. c HmbZWStG nicht in Anspruch nehmen.

Der BFH stellt klar, dass Art. 6 Abs. 1 GG auch die aus einer alleinerziehenden Mutter und ihrem Kind bestehende Gemeinschaft schützt. Dieser Schutz betrifft die Familie vorrangig als Lebens- und Erziehungsgemeinschaft, zu der nach der vorläufigen Sicht des BFH auch die schulische Ausbildung gehört. Deshalb stellt sich aus Sicht des Gerichts die Frage, ob eine Regelung, nach der vergleichbare verheiratete oder in Lebenspartnerschaft lebende Personen begünstigt werden, während eine aus einer Mutter und einem noch in der Schulausbildung befindlichen Kind bestehende Familie ausgeschlossen wird, mit der Verfassung vereinbar ist.