Vorläufige Steuerfestsetzung bei nachrangigen Fragen der Liebhaberei

Eine nach § 165 AO vorläufige Steuerfestsetzung kommt nur in Betracht, wenn trotz angemessener Bemühungen des FA, den Sachverhalt aufzuklären, eine Unsicherheit in tatsächlicher Hinsicht bleibt, die entweder zurzeit nicht oder nur unter unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten behoben werden kann.

Nachrangige Ermittlungen und Nachprüfungen können dennoch zurückgestellt werden, solange offen ist, ob ihnen bei der Steuerfestsetzung überhaupt eine Bedeutung zukommt, und zwar unabhängig davon, ob sich diese nachrangigen Fragen bei späterer Beurteilung als einfach oder schwierig herausstellen.

BFH Beschluss vom 13.10.2009 – X B 55/09 BFH NV 2010 S. 168 f.

Begründung:

Es entspricht  der ständigen Rechtsprechung, dass die Finanzbehörde in mehrfacher Hinsicht einen Ermessensspielraum hat, wenn in tatsächlicher Hinsicht Ungewissheiten über die Voraussetzungen des gesetzlichen Steuertatbestandes bestehen. Sie kann sich dafür entscheiden, die in den tatsächlichen Voraussetzungen ungeklärte Einkunftsquelle aus der Besteuerung gänzlich auszuklammern oder (gemäß der abgegebenen Steuererklärung) in die Steuerfestsetzung einbeziehen.

Zwar besteht die aus § 88 AO folgende amtliche Ermittlungspflicht unbeschadet des § 165 Abs. 1 Satz 1 AO. Deshalb kommt eine vorläufige Steuerfestsetzung nur dann in Betracht, wenn trotz angemessener Bemühungen des FA, den Sachverhalt aufzuklären, eine Unsicherheit in tatsächlicher Hinsicht bleibt, die entweder zur Zeit nicht oder nur unter unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten behoben werden kann.

Allerdings können nachrangige Ermittlungen und Nachprüfungen zurückgestellt werden, solange offen ist, ob ihnen bei der Steuerfestsetzung überhaupt eine Bedeutung zukommt und zwar unabhängig davon, ob sich diese nachrangigen Fragen bei späterer Beurteilung als einfach oder schwierig herausstellen. Geht das FA deshalb davon aus, dass die für den Steuerpflichtigen negative Beantwortung der (in tatsächlicher Hinsicht ungewissen) Hauptfrage, nämlich die Bejahung der Liebhaberei, Ermittlungs- und Prüfungshandlungen in Bezug auf alle nachrangigen Fragen überflüssig machen würde, und entschließt es sich daher, die nachrangigen Fragen zunächst nicht zu überprüfen, sondern in den Vorbehalt der vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 AO einzubeziehen, bewegt es sich im Rahmen eines von § 165 Abs. 1 und 2 AO abgedeckten Ermessensspielraums.

Wird mit der vorläufigen Steuerfestsetzung zunächst entsprechend den rechtlichen Vorstellungen des Steuerpflichtigen verfahren, darf er in den nachrangigen Einzelfragen auch dann nicht mit einem Fortbestand der in der vorläufigen Steuerfestsetzung vom FA hingenommenen rechtlichen Beurteilung rechnen, wenn sich das FA in der vorrangigen Hauptfrage nach Beseitigung der tatsächlichen Ungewissheit anders entscheidet. Dementsprechend musste auch den Klägern im Streitfall bewusst sein, dass das FA den Umstand, ob Umsatzsteuerzahlungen bzw. -erstattungen zutreffend als Betriebsausgaben bzw. -einnahmen erfasst worden sind, überprüfen wollte, wenn es sich bei der Tätigkeit des Klägers nicht um eine steuerrechtlich irrelevante Liebhaberei handelt.