Kein Gutglaubenschutz bei unzutreffender Rechnungsanschrift des Leistenden

§ 15 UStG  schützt nicht den guten Glauben an die Erfüllung der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug.

Liegen die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug wegen unzutreffender Rechnungsangaben nicht vor, kommt unter Berücksichtigung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ein Vorsteuerabzug im Billigkeitsverfahren (§§ 163, 227 AO) in Betracht.

BFH Urteil vom 08.07.2009 –  XI R 51/07 BFHNV 2010 S. 256

Begründung:

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

Eine ordnungsgemäße Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis gehört nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug.

Dabei müssen die Angaben im Abrechnungspapier eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers ermöglichen. Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer müssen grundsätzlich identisch sein. Hierfür ist die Angabe der zutreffenden Anschrift in der Rechnung erforderlich. Denn diese ermöglicht der Finanzverwaltung zu überprüfen, ob tatsächlich der abrechnende Unternehmer den in der Rechnung ausgewiesenen Umsatz ausgeführt hat.

Dass trotz einer fehlerhaften Anschrift der leistende Unternehmer auf andere Weise ermittelt werden kann, ist entgegen der Ansicht des Klägers für die Frage, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorliegen, ohne Bedeutung. Denn die Angabe der richtigen Anschrift in der Rechnung dient gerade dazu, die Voraussetzungen für den Sofortabzug der Vorsteuer überprüfen zu können. Der Vorsteuerabzug steht dem Unternehmer deshalb erst bei Vorlage einer Rechnung mit der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers zu.

Die vom Kläger geltend gemachten Vorsteuerbeträge sind im Festsetzungsverfahren auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes abziehbar. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sieht § 15 UStG den Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen nicht vor. Dem steht auch die Entscheidung des EuGH in der Rs. Kittel und Recolta Recycling (Slg. 2006, I-6161) nicht entgegen.

Allerdings haben die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnisse, die ihnen die Gemeinschaftsrichtlinien übertragen, die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung sind, zu beachten. Hierzu zählen insbesondere die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes (vgl. EuGH-Urteile vom 21. Februar 2008 Rs. C-271/06 –Netto-Supermarkt–, Slg. 2008, I-771, Randnr. 18; vom 14. September 2006 Rs. C-181/04 bis C-183/04 –Elmeka–, Slg. 2006, I-8167, Randnr. 31; vom 11. Mai 2006 Rs. C-384/04 –Federation of Technological Industries–, Slg. 2006, I-4191, Randnr. 29; vom 18. Dezember 1997 Rs. C-286/94, C-340/95, C-401/95, C-47/96 –Molenheide–, Slg. 1997, I-7281, Randnrn. 45 ff.).

Der Senat führt aus, dass Vertrauensschutz aufgrund besonderer Verhältnisse des Einzelfalls nach nationalem Recht nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung nach §§ 16, 18 UStG, sondern nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß §§ 163, 227 der Abgabenordnung zu gewähren ist.