Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen

Aus der Höhe der Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen im Verhältnis zum Kaufpreis kann nicht im Wege einer tatsächlichen, widerlegbaren Vermutung ohne nähere Prüfung auf eine wesentliche Verbesserung i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB und mithin auf das Vorliegen von Herstellungskosten geschlossen werden.

BFH Urteil vom 22.09.2009 – IX R 21/08 BFH NV 2010 S. 846 ff

Begründung:

Aufwendungen, die –wie die hier streitigen– durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen (§ 21 Abs. 1 EStG), sind dann nicht als Werbungskosten sofort abziehbar (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG), wenn es sich um Herstellungskosten handelt. In diesem Fall sind sie nur im Rahmen der Absetzungen für Abnutzung (AfA) zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG). Welche Aufwendungen zu den Herstellungskosten zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB.

Danach sind Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Die streitigen Aufwendungen sind aber nicht allein deshalb als Herstellungskosten zu werten, weil sie in zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks stehen und im Vergleich zum Kaufpreis hoch sind oder wie im Streitfall ein Vielfaches des Kaufpreises ausmachen. Daher lässt sich aus der Höhe der Aufwendungen im Verhältnis zum Kaufpreis auch keine tatsächliche (widerlegbare) Vermutung für die Qualifikation in der einen oder anderen Richtung ableiten, auch nicht aus Praktikabilitätserwägungen.

Übliche Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen, also die bloße Instandsetzung vorhandener Sanitär-, Elektro- und Heizungsanlagen, der Fußbodenbeläge, der Fenster und der Dacheindeckung, sind in der Regel sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen (Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 EStG). Indes können solche Maßnahmen in ihrer Gesamtheit zu einer wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB führen, wenn dadurch der Gebrauchswert (das Nutzungspotential) des Gebäudes gegenüber dem ursprünglichen Zustand, d.h. hier dem Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs, deutlich erhöht wird. Das ist der Fall, wenn die Maßnahmen bei mindestens drei der Kern-Bereiche (Heizung, Sanitär, Elektro und Fenster) jeweils zu einer Standarderhöhung geführt haben.

Ob die streitigen Maßnahmen als Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen sind, hat das FG als Tatsacheninstanz anhand der gesamten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Dabei ist zunächst zu ermitteln, welchem Standard (sehr einfach, mittel oder sehr anspruchvoll) die Kernbereiche im "ursprünglichen Zustand" i.S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB entsprachen. Für diese Beurteilung sind die Maßstäbe zugrunde zu legen, die zu dem Zeitpunkt, in dem sich das Gebäude im ursprünglichen Zustand befand, allgemein üblich waren. Im Streitfall ist das der Zeitpunkt des Erwerbs, also das Jahr 2002, nicht das Baujahr 1958.