“Echte” Forfaitierung

Der Beurteilung eines Forderungsverkaufs als "echte" Forfaitierung steht nicht entgegen, dass der Veräußerer in dem Kaufvertrag verpflichtet wird,

– die mit der Übertragung der Forderung ggf. anfallenden Steuern, Abgaben und Gebühren zu tragen,

– den Kaufpreis "auf erste Anforderung" zurückzuzahlen, falls der Schuldner der Forderung deren Erfüllung unter Berufung auf Gründe verweigert, die in Zusammenhang mit der "Verität" der Forderung stehen,

– bei verspäteter Zahlung des Schuldners Zinsen nach Maßgabe des für die Bemessung des Kaufpreises maßgeblichen Abzinsungssatzes an den Erwerber zu zahlen.

BFH Urteil vom 02.03.2010 IR 44/09 BFHNV 2010 S. 1622 ff

Begründung:

Im Ansatz zutreffend gehen FA und FG allerdings davon aus, dass von einer "Veräußerung" i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nur die Rede sein kann, wenn tatsächlich ein Forderungsverkauf ("echte" Forfaitierung) stattgefunden hat. Dafür ist es erforderlich, dass das Risiko der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Forderung (Bonitätsrisiko) auf den Erwerber übergeht, insoweit also keine Möglichkeit des Regresses besteht (Urteil des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 21. Juni 1994 XI ZR 183/93, BGHZ 126, 261). Denn nach den Regeln des Kaufrechts haftet der Verkäufer lediglich für den rechtlichen Bestand oder das künftige Entstehen (Verität) der verkauften Forderung. Verbleibt hingegen das Bonitätsrisiko (damit die Delkrederehaftung) hinsichtlich der abgetretenen Forderungen (teilweise) beim Verkäufer, liegt eine sog. unechte Forfaitierung vor. Die Zahlung des "Kaufpreises" stellt dann eine bloße Vorfinanzierung der Forderung dar, deren Abtretung nur erfüllungshalber erfolgt (§ 364 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs –BGB–). In diesem Fall liegt ein Darlehensverhältnis vor.

Die Vereinbarungen im Forfaitierungsvertrag vom 19. November 2004 führen nicht zu einem (teilweisen) Verbleiben des Bonitätsrisikos der übertragenen Forderungen beim X-Kreis. Die in § 4 des Vertrages von der Klägerin übernommenen Garantien betreffen den rechtlichen Bestand bzw. die Einredefreiheit –und damit die Verität– der abzutretenden Forderungen. In § 4 Satz 4 des Vertrages haben die Vertragsparteien vereinbart, dass der X-Kreis keine Haftung für die Zahlungsunfähigkeit der Klägerin übernimmt. Danach liegt das Bonitätsrisiko der verkauften Forderungen –wie bei Forfaitierungsgeschäften üblich– beim Erwerber. Die Übertragung des Bonitätsrisikos auf die Y-Bank wird durch die vom FG herangezogenen anderen Vertragsklauseln nicht eingeschränkt.

Mit der in § 8 des Vertrages statuierten Erstattungspflicht des X-Kreises für Gebühren, Steuern und Abgaben, die die Y-Bank im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Vereinnahmung zu entrichten hat oder die von der Klägerin bei der Ausschüttung einzubehalten sind, haben die Vertragsparteien klargestellt, dass der Y-Bank der Forderungsbetrag in der vereinbarten Höhe effektiv (netto) zufließen soll. Es kann offenbleiben, ob die nicht näher untermauerte Beurteilung des FG zutrifft, wonach das Abgabenrisiko "typischerweise" vom Erwerber zu tragen sei. Denn jedenfalls betrifft das Abgabenrisiko nicht die Bonität der übertragenen Forderungen; es hat mit deren Verwertbarkeit, d.h. mit der Fähigkeit und dem Willen des Drittschuldners, die Forderung bedienen zu können, nichts zu tun. Seine Übernahme durch den X-Kreis nimmt dem Vertragsverhältnis deshalb nicht den Charakter des Forderungskaufs.

Gleiches gilt in Bezug auf die Bestimmung des § 5 Abs. 1 des Fortfaitierungsvertrages, wonach der X-Kreis auf erstes Anfordern zur Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet ist, wenn die Klägerin die Zahlung bei Fälligkeit unter Berufung auf Gründe verweigert, deren Nichtvorliegen der X-Kreis in § 4 zugesichert hat. Das FG sieht darin die Übernahme des typischen und die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Forderungen mindernde Gläubigerrisikos, die Zahlung einer Forderung notfalls im Klagewege –mit dem üblichen Prozessrisiko– erzwingen zu müssen.