Bezugsfertigkeit eines zur Vermietung vorgesehenen Bürogebäudes

Ein neu errichtetes Bürogebäude, das nach seiner Funktion zur Vermietung einzelner, entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Mieter gestalteter Büros dienen soll, ist bezugsfertig i.S. von § 146 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 145 Abs. 1 Satz 3 BewG, wenn die für das Gebäude wesentlichen Bestandteile (z.B. Außenwände, Fenster, tragende Innenwände, Estrichböden, Dach, Treppenhaus) fertiggestellt sind und zumindest eine Büroeinheit benutzbar ist.

BFH Urteil vom 18.4.2012, II R 58/10

Begründung:

Gebäude sind als bezugsfertig anzusehen, wenn den zukünftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern zugemutet werden kann, sie zu benutzen; die Abnahme durch die Bauaufsichtsbehörde ist nicht entscheidend (§ 145 Abs. 1 Satz 3 BewG). Im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit beginnt die Benutzbarkeit der Gebäude (§ 145 Abs. 1 Satz 2 BewG), mit der Folge, dass das Grundstück als bebautes Grundstück anzusehen ist (§ 146 Abs. 1 BewG).

Ein Gebäude ist bezugsfertig, wenn die wesentlichen Bauarbeiten ausgeführt sind und nur noch unwesentliche Restarbeiten verbleiben. Die Bezugsfertigkeit setzt grundsätzlich voraus, dass Fenster und Türen eingebaut, Anschlüsse für Strom- und Wasserversorgung, Heizung sowie sanitäre Einrichtungen vorhanden sind. Bei einem betrieblich genutzten Gebäude ist von einer Bezugsfertigkeit auszugehen, wenn das Gebäude in seinen wesentlichen Bereichen bestimmungsgemäß für den vorgesehenen Betrieb nutzbar ist.

Ein neu errichtetes Bürogebäude, das nach seiner Funktion zur Vermietung einzelner, entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Mieter gestalteter Büros dienen soll, ist bezugsfertig i.S. von § 146 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 145 Abs. 1 Satz 3 BewG, wenn es potentiellen Mietern möglich ist, Büroräume zu nutzen. Dies setzt neben der Fertigstellung der für das Gebäude wesentlichen Bestandteile (z.B. Außenwände, Fenster, tragende Innenwände, Estrichböden, Dach, Treppenhaus) voraus, dass zumindest eine Büroeinheit benutzbar ist. Eine Benutzbarkeit liegt vor, wenn die Büroeinheit durch Wände bzw. eingebaute Türen gegenüber dem noch nicht vermieteten Bereich abgegrenzt ist, die Innenwände eingebaut und Heizung, Sanitäreinrichtungen sowie alle notwendigen Grundleitungen für Wasser, Strom, Be- und Entlüftung, Kommunikationsanlagen usw. installiert sind.

Die Berücksichtigung einer Alterswertminderung i.S. des § 146 Abs. 4 Satz 1 BewG erfordert nicht, dass in einem neu errichteten, zur Vermietung vorgesehenen Bürogebäude bereits alle Büroeinheiten mietergerecht ausgebaut und benutzbar sind. Durch den pauschalen Abzug von 0,5 % des Ausgangswerts für jedes seit der Bezugsfertigkeit vollendete Jahr soll der Wertminderung des Grundstücks durch die altersbedingten Abnutzungserscheinungen des Gebäudes Rechnung getragen werden. Bei einem Bürogebäude, bei dem der Innenausbau der jeweiligen Büroeinheiten wegen der Anpassung an die Wünsche der zukünftigen Mieter zurückgestellt wird, setzt die Wertminderung schon mit der Abnutzung der bereits fertiggestellten wesentlichen Gebäudebestandteile ein. Auch das Alter des Bürogebäudes bestimmt sich maßgeblich danach, wann die Fertigstellung der wesentlichen Bauteile erfolgt ist. Ist in einem solchermaßen fertiggestellten und für den Innenausbau vorbereiteten Bürogebäude zumindest eine Büroeinheit benutzbar, steht damit zugleich fest, dass auch das Bürogebäude als solches genutzt werden kann. Deshalb ist mit der Fertigstellung einer Büroeinheit die Bezugsfertigkeit des Bürogebäudes i.S. des § 146 Abs. 4 BewG gegeben.