Im Rahmen des Nachweises einer innergemeinschaftlichen Lieferung kann ein CMR-Frachtbrief auch ohne ausgefülltes Feld 24 ein geeigneter Versendungsbeleg i.S. des § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und § 10 Abs. 1 der UStDV sein.
Die ordnungsgemäße Erfüllung von Steuererklärungspflichten ist kein Tatbestandsmerkmal der Unternehmereigenschaft.
BFH Urteil vom 14.12.2011 – XI R 32/09 BFHNV 2012 Seite 1004
Begründung:
Umsatzsteuer-Sonderprüfungen sind zwar Außenprüfungen i.S. des § 173 Abs. 2 AO; eine Änderungssperre lösen sie aber nur aus, wenn die daraufhin ergangenen Bescheide endgültigen Charakter haben, also nicht nur Vorauszahlungen oder Voranmeldungen betreffen. Nach den Feststellungen des FG betrafen die Umsatzsteuer-Sonderprüfungen die Umsatzsteuer-Voranmeldungen des Klägers für Januar bis November 1997 und Januar 1998 bis Januar 1999.
Die im Januar 1998 und im April bis Mai 1999 im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen vorgelegten Belege haben als Besteuerungsgrundlagen zwar Eingang in die Jahressteuerfestsetzungen für die Streitjahre gefunden; die Umsatzsteuerjahresbescheide für 1997, für 1998 und für 1999 standen allerdings bis zum Abschluss der nachfolgenden Steuerfahndungsprüfung des FA unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Es handelte sich somit für den Kläger erkennbar um lediglich vorläufige Beurteilungen, die keine bindende und abschließende Festlegung durch das FA darstellten. Ein allgemeiner Vertrauensschutz mit Bindungswirkung ist dadurch nicht entstanden.
Der EuGH hat in dem Urteil zwar ausgeführt, es verstoße gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, wenn ein Mitgliedstaat, der die Voraussetzungen für die Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung festgelegt hat, indem er u.a. eine Liste von Unterlagen aufgestellt hat, die den zuständigen Behörden vorzulegen sind, und der die vom Lieferanten als Nachweise für das Recht auf Befreiung vorgelegten Unterlagen zunächst akzeptiert hat, den Lieferanten später zur Zahlung der auf diese Lieferung entfallenden Mehrwertsteuer verpflichten könne, wenn sich herausstelle, dass die betreffenden Gegenstände wegen eines vom Erwerber begangenen Betrugs, von dem der Lieferant weder Kenntnis hatte noch haben konnte, den Liefermitgliedstaat in Wirklichkeit nicht verlassen haben.
Entgegen der Auffassung des FG (Urteil Seiten …) kann im Rahmen des Nachweises einer innergemeinschaftlichen Lieferung ein CMR-Frachtbrief auch ohne ausgefülltes Feld 24 ein geeigneter Versendungsbeleg i.S. des § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und § 10 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) sein.
Nach der Rechtsprechung des BFH erlaubt die Feststellung, der Empfänger der Lieferung habe die mit Hilfe der bezogenen Lieferungen ausgeführten Umsätze nicht versteuert, für sich genommen nicht den Schluss, nicht der Vertragspartner ("Missing Trader"), sondern eine andere Person sei Empfänger der Lieferung. Darüber hinaus ist die ordnungsgemäße Erfüllung von Steuererklärungspflichten kein Tatbestandsmerkmal der Unternehmereigenschaft. Sofern die Annahme der spanischen Finanzbehörden, es handle sich bei den Vertragspartnern um Scheinfirmen, lediglich darauf beruht, dass das Unternehmen seine innergemeinschaftlichen Erwerbe aus Deutschland in Spanien nicht anmeldete, begründet dies allein keine Zweifel an der Unternehmereigenschaft.
Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist.
Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer.
Die Nachweispflichten (§ 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a, 17c UStDV) sind keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a Abs. 1 UStG) nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbrachte.
Ferner ist ggf. zu prüfen, ab welchem Zeitpunkt die betreffenden Umsatzsteuer-Identifikationsnummern der Vertragspartner ggf. ungültig sind. Sofern dieser Zeitpunkt nach dem Tag der Lieferung liegt, ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der einzelnen Lieferung von der Gültigkeit auszugehen.