Ein selbständiger Unternehmer kann nicht mehrere Betriebsstätten haben. Die Rechtsprechung zu den Arbeitnehmern ist auch hier anwendbar.
FG Münster 22.03.2013, 4 K 4834/10 E
Begründung:
Der Betriebsausgabenabzug ist nicht nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Sätze 1 und 2 EStG begrenzt. Nach dieser Regelung dürfen Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte den Gewinn nur in dem in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG bestimmten Umfang mindern. Danach sind Fahrten eines Arbeitnehmers zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte mit der Entfernungspauschale von 0,30 EUR für jeden vollen Entfernungskilometer, höchstens 4.500,- EUR im Kalenderjahr, abgegolten.
Nach bisheriger BFH-Rechtsprechung war unter „Betriebsstätte“ jede Beschäftigungsstätte des Steuerpflichtigen zu verstehen. Dies ist das Gelände, auf dem die Tätigkeit ausgeübt wird ohne Rücksicht darauf, ob es sich um eine abgrenzbare Fläche oder Räumlichkeit handelt oder ob eine eigene Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen besteht. Im eigenen Wohnhaus belegene oder in die private Sphäre eingebundene Räumlichkeiten konnten dagegen nicht als Betriebsstätte im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG qualifiziert werden.
Dementsprechend waren Fahrten eines freiberuflichen Dozenten zu ihm zur Verfügung gestellten Unterrichtsräumen in verschiedenen Schulen nur in Höhe der Entfernungspauschale abzugsfähig. Nur bei ständig wechselnden Beschäftigungsstätten, auf die sich der Steuerpflichtige nicht einstellen kann, kam ein voller Betriebsausgabenabzug in Betracht. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung wären die sechs Einrichtungen, die die Klägerin regelmäßig wöchentlich außerhalb der Ferienzeit aufgesucht hat als Betriebsstätten anzusehen. Die zu diesen Einrichtungen durchgeführten Fahrten unterlägen dem begrenzten Betriebsausgabenabzug, nicht aber die übrigen Fahrten, die zu lediglich einmaligen Zielen oder zur Musikschule A unternommen wurden. Diese Fahrten können bereits mangels Regelmäßigkeit nicht als Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte angesehen werden.
Die die regelmäßige Arbeitsstätte von Arbeitnehmern betreffende Rechtsprechung hat der BFH ausdrücklich aufgegeben. Der Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte entspreche dem für die Abzugsbeschränkung für Mehraufwendungen für Verpflegung (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG) maßgeblichen Begriff des Mittelpunkts der betrieblichen Tätigkeit. Die regelmäßige Arbeitsstätte als ortsgebundener Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit könne lediglich an einem Ort liegen. Nur insoweit könne sich der Arbeitnehmer auf die immer gleichen Wege einstellen und so – etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder eine zielgerichtete Wohnsitznahme in der Nähe der Arbeitsstätte – auf eine Minderung der Kosten hinwirken. Dies sei nicht möglich, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit an mehreren Orten ausübe, so dass ein bloß eingeschränkter Abzug der Wegekosten nicht gerechtfertigt sei. In solchen Fällen sei anhand der Umstände des Einzelfalles zu prüfen, welcher von mehreren Tätigkeitsstätten gegenüber den anderen eine hinreichend zentrale Bedeutung zukommt, dass sie als einzige regelmäßige Arbeitsstätte beurteilt werden kann. Treffe dies auf keine Tätigkeitsstätte zu, liege keine regelmäßige Arbeitsstätte vor.
Der Senat schließt sich hinsichtlich der Auslegung des Begriffs der Betriebsstätte im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG der geänderten BFH-Rechtsprechung zur Frage der regelmäßigen Arbeitsstätte in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG an. Das Erforderniseiner entsprechenden Auslegung ergibt sich aus der bereits nach der bisherigen Rechtsprechung zum Betriebsstättenbegriff gebotenen Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Unternehmern in Bezug auf den Abzug von Fahrtkosten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeits- bzw. Betriebsstätte.
Ebenso wie ein Arbeitnehmer kann auch ein selbstständiger Unternehmer bei wechselnden Betriebsstätten nicht durch Bildung von Fahrgemeinschaften oder die Verlegung seines Wohnsitzes die Fahrtkosten minimieren. Schließlich spricht auch der in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG enthaltene Verweis, wonach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 insgesamt und nicht nur in Bezug auf seine Rechtsfolgen anzuwenden ist, für eine gleichartige Auslegung beider Vorschriften.
Nach der gebotenen Gesamtwürdigung der Umstände des Streitfalles hatte die Klägerin im Streitjahr 2008 keine Betriebsstätte im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG. Ihr häusliches Arbeitszimmer kann bereits nach der bisherigen Rechtsprechung mangels räumlicher Trennung von der Privatsphäre keine Betriebsstätte darstellen. Von den sechs aufgesuchten Schulen und Kindergärten, die sie alle etwa gleich häufig und jeweils zum gleichen Zweck aufgesucht hat, hat keine Einrichtung eine derart zentrale Bedeutung gegenüber den anderen, dass sie als Mittelpunkt der freiberuflichen Tätigkeit der Klägerin angesehen werden könnte.
Ebenso ist unerheblich, dass einige Tätigkeitsorte aufgrund ihrer geringen Entfernung zur Wohnung der Klägerin in einem „festen Einzugsbereich“ liegen. Solche Fahrten konnten nach früherer Rechtsprechung auch dann nicht mit den tatsächlichen Kosten (als Betriebsausgaben oder Werbungskosten) angesetzt werden, wenn ständig wechselnde Einsatzstellen vorlagen. Nach Aufgabe dieser Rechtsprechung können Fahrtkosten auch bei kurzen Entfernungen in der tatsächlichen Höhe abgezogen werden.