Konkurrenzverhältnis mehrerer Steuerbefreiungen für den Vorsteuerabzug

Eine innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen, deren Lieferung im Inland ohne Recht zum Vorsteuerabzug steuerfrei wäre, berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug.

Offenbleibt, ob dies auch für den Fall der Ausfuhrlieferung gilt.

BFH Urteil vom 22.8.2013, V R 30/12

Begründung:

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet, ausgeschlossen..

Diese Vorschriften sind entsprechend Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG auszulegen. Danach ist der Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.

Neben dem Vorsteuerabzug für steuerpflichtige Leistungen gegen Entgelt ist der Unternehmer gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b UStG auch insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt, als er Eingangsleistungen für Zwecke der dort aufgeführten steuerfreien Umsätze zu verwenden beabsichtigt. Zu diesen gehören die nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen, nicht aber z.B. die nach § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG steuerfreie Lieferung von menschlichem Blut im Inland.

Unionsrechtliche Grundlage hierfür ist Art. 17 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG. Danach gewähren die Mitgliedstaaten jedem Steuerpflichtigen den Abzug oder die Erstattung der in Abs. 2 genannten Mehrwertsteuer auch, soweit Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. g und i, Art. 15, Art. 16 Abs. 1 Teile B, C, D und E und Abs. 2 sowie Art. 28c Teile A und C der Richtlinie 77/388/EWG befreiten Umsätze verwendet werden. Zu den danach zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen gehören innergemeinschaftliche Lieferungen i.S. von Art. 28c der Richtlinie 77/388/EWG, nicht aber auch die Lieferung von menschlichem Blut, die nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist

Im Streitfall ist die Klägerin nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wie das FG zutreffend unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2006 C-240/05, Eurodental (Slg. 2006, I-11479) entschieden hat. Bezieht der Unternehmer Leistungen für die innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen, deren Lieferung im Inland aber steuerfrei ist, hat der Unternehmer kein Recht auf Vorsteuerabzug.

Maßgeblich ist hierfür die Entscheidung des EuGH, dass, wenn die innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen ein Recht auf Vorsteuerabzug im Abgangsmitgliedstaat eröffnen würde, obwohl die Inlandslieferung dieses Gegenstandes steuerfrei ist, derartige Gegenstände in der Gemeinschaft unter vollständiger Befreiung von der Mehrwertsteuer geliefert werden könnten, da im Hinblick auf die Steuerfreiheit der Inlandslieferung auch der innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat gemäß Art. 28c Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG (im Inland: § 4b Nrn. 1 und 2 UStG) steuerfrei wäre und daher ein Vorsteuerabzug ohne Besteuerung auf der folgenden Stufe erfolgen würde (EuGH-Urteil Eurodental in Slg. 2006, I-11479 Rdnr. 40). Nach der Zielsetzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und der durch die Richtlinie 77/388/EWG eingeführten Regelung für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten kann aber "ein Steuerpflichtiger, dem eine Steuerbefreiung zugute kommt und der folglich nicht zum Abzug der innerhalb eines Mitgliedstaats gezahlten Vorsteuer berechtigt ist, dieses Recht auch dann nicht haben, wenn der betreffende Umsatz innergemeinschaftlichen Charakter hat"

Danach hat das FG zu Recht entschieden, dass die Klägerin im Streitfall nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Selbst wenn sie innergemeinschaftliche Lieferungen ausgeführt hat, die grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist entgegen der Auffassung der Klägerin der Vorsteuerabzug ausgeschlossen, weil die Lieferung von Blutplasma im Inland nach § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG steuerfrei ist.