Verdeckte Gewinnausschüttung wegen vorzeitiger Kapitalabfindung einer Pensionszusage

Findet eine GmbH die einem beherrschenden –oder infolge gleichgelagerter Interessen steuerrechtlich als beherrschend behandelten– Gesellschafter-Geschäftsführer erteilte Zusage auf laufende Rentenzahlungen entgegen der zugrundeliegenden Versorgungsvereinbarung vor der Beendigung des Dienstverhältnisses in einem Einmalbetrag durch Auszahlung der fälligen Beträge aus einer Rückdeckungsversicherung ab, indiziert das die im Gesellschaftsverhältnis liegende Veranlassung der Kapitalabfindung.

Die Kapitalabfindung führt bei der GmbH auch dann zu einer Vermögensminderung als Voraussetzung einer verdeckten Gewinnausschüttung, wenn zeitgleich die für die Pensionszusage gebildete Pensionsrückstellung aufgelöst wird. Es gilt insofern eine geschäftsvorfallbezogene, nicht aber eine handelsbilanzielle Betrachtungsweise.

BFH Urteil vom 23.10.2013, I R 89/12

Begründung:

Der Vorinstanz ist darin zuzustimmen, dass jedenfalls die Kapitalauszahlung durch das Gesellschaftsverhältnis im Streitjahr 2006 veranlasst ist; die Klägerin hat den Kapitalbetrag ausgezahlt, obschon der vereinbarte Leistungsfall noch nicht eingetreten war. Dass sie damit einhergehend die bis dato gebildete Pensionsrückstellung aufgelöst hat, lässt die infolge der Kapitalauszahlung bewirkte Vermögensminderung allerdings nicht entfallen. Das FG hat deshalb im Ergebnis zu Unrecht das Vorliegen einer vGA auch im Umfang der getätigten Kapitalauszahlung verneint.

Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes, ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt. Von einer beherrschenden Stellung ist nach der Rechtsprechung des BFH im Regelfall auszugehen, wenn der Gesellschafter die Mehrheit der Stimmrechte besitzt und er deshalb bei Gesellschafterversammlungen entscheidenden Einfluss ausüben kann. Dies ist im Allgemeinen der Fall, wenn er über mehr als 50 v.H. der Stimmrechte verfügt. Verfügt ein Gesellschafter –wie im Streitfall im Zeitpunkt der Zusage sowie der Erhöhung der Pension– über lediglich 50 v.H. oder weniger der Gesellschaftsanteile, wird er aber dennoch einem beherrschenden Gesellschafter gleichgestellt, wenn er mit anderen gleichgerichtete Interessen verfolgenden Gesellschaftern zusammenwirkt, um eine ihren Gesellschafterinteressen entsprechende Willensbildung der Kapitalgesellschaft herbeizuführen.

Folgt man auf dieser Basis der vom FG bevorzugten Lesart der am 15. August 1984 gegebenen Versorgungszusage, ist die aus Anlass des vollendeten 60. Lebensjahres an HM getätigte Kapitalauszahlung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Denn danach ist der in Nr. 1 der Vereinbarung aufgenommene Zusagepassus "Sie erhalten eine einmalige Kapitalzahlung in Höhe von 750.000 DM, wenn Sie nach vollendetem 60. Lebensjahr aus unseren Diensten ausscheiden" so zu verstehen, dass die Leistungsfälligkeit auch von dem Ausscheiden des HM aus dem aktiven Dienst abhängt. Diese Lesart ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden: Die Würdigung des festgestellten Sachverhalts obliegt in erster Linie dem FG; der BFH ist daran gebunden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Lediglich Verstöße gegen die Denkgesetze oder die allgemeinen Erfahrungssätze könnten daran etwas ändern. Solche Fehler sind im Streitfall jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr deckt sich das Verständnis des FG durchaus mit der zitierten Formulierung der Zusage. Es wird nicht zuletzt dadurch gestützt, dass der Versorgungsfall in Nr. 2 der Zusage alternativ und abweichend wie folgt bestimmt wird: "Das Kapital wird mit Vollendung Ihres 60. Lebensjahres fällig, wenn Sie vorher wegen Invalidität aus unseren Diensten ausscheiden." Mit anderen Worten: Während die Fälligkeit bei Eintritt einer –vorherigen– Invalidität und dem dadurch bewirkten Ausscheiden von HM auf das vollendete 60. Lebensjahr festgelegt wurde ("mit"), verlangt Nr. 1 der Zusage die Vollendung jenes Lebensjahres und zusätzlich das Ausscheiden aus dem Dienst und bestimmt hierfür als Fälligkeitszeitpunkt nicht das vollendete 60. Lebensjahr, sondern einen Zeitpunkt danach ("nach"), was zwanglos so aufzufassen ist, dass es für diese Alternative auf besagtes Ausscheiden aus dem Dienst ankommt.

 

Wird das Kapital dessen ungeachtet und trotz unveränderter Weiterbeschäftigung von HM als Geschäftsführer bereits "mit" vollendetem 60. Lebensjahr ausbezahlt, dann indiziert dies die im Gesellschaftsverhältnis gründende Veranlassung der Zahlung. Die vorzeitige Auszahlung dürfte sich in der Tat –wie das FG zutreffend ausführt– nur durch die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit des Geschäftsführers erklären lassen: Bei einem fremden Dritten wäre überprüft worden, ob und wann die Zahlung zu erfolgen hat. Dass sich die Klägerin alleine auf den Zeitpunkt der Auszahlung des Versicherungsguthabens durch die Rückdeckungsversicherung verlassen hat, ohne auf die vertraglich vereinbarte Fälligkeit zu achten, ist allein der gesellschaftsrechtlichen Stellung des Geschäftsführers geschuldet.