Nachträgliche Anschaffungskosten bei Verzicht auf Kleinanlegerprivileg

Hat der darlehensgebende Gesellschafter mit der Gesellschaft vereinbart, das Darlehen solle “wie Eigenkapital” behandelt werden und halten sich die Beteiligten in der Insolvenz der Gesellschaft an diese Abrede, führt der endgültige Ausfall des Darlehensrückforderungsanspruchs zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung, auch wenn der Gesellschafter mit nicht mehr als 10 % am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt war.

BFH Urteil vom 6.5.2014, IX R 44/13

Begründung:

Das FG hat zutreffend den Ausfall der Darlehen als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Auflösungsverlusts des Klägers gemäß § 17 Abs. 1, 2 und Abs. 4 Satz 1 EStG berücksichtigt. Dass der Kläger nur mit 10 % an der Gesellschaft beteiligt war, nicht Geschäftsführer war und damit unter das Kleinanlegerprivileg des § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a.F. fällt, steht dem nicht entgegen. Denn der Kläger hatte von vornherein mit der Gesellschaft vereinbart, die Darlehen wie “Eigenkapital” und damit im Insolvenzfall nur nachrangig zu behandeln und somit auf seine insolvenzrechtliche Privilegierung verzichtet.

Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb –unter weiteren hier nicht problematischen Voraussetzungen– auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft. Entsprechendes gilt für einen Auflösungsverlust als dem Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten (entsprechend den Veräußerungskosten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) sowie seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen.

Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten sind. Zu in diesem Sinne funktionellem Eigenkapital werden Finanzierungshilfen oder Finanzierungsmaßnahmen, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise der Gesellschaft ein Darlehen gewährt (§ 32a Abs. 1 GmbHG a.F.) und diese Finanzierungsmaßnahme eigenkapitalersetzenden Charakter hat. Das gleiche gilt, wenn eine Finanzierungsmaßnahme krisenbestimmt ist. Dies ist der Fall, wenn die zur Aufnahme der Geschäfte notwendige Finanzausstattung der Gesellschaft durch eine Kombination von Eigen- und Fremdkapital erreicht werden soll und die Maßnahme von vornherein als Krisenfinanzierung ausgelegt ist, der Gesellschafter sich also verpflichtet hat, das Darlehen auch in der Krise der Gesellschaft stehen zu lassen und dass die Darlehensforderung im Rang hinter die Forderungen der übrigen Gesellschaft zurückzutreten hat. Das Darlehen ist in diesem Fall nicht einseitig vom Gesellschafter kündbar.

Fehlt es an der zivilrechtlichen Voraussetzung des Eigenkapitalersatzes, hat das Darlehen nicht die Funktion von Eigenkapital und der Gesellschafter ist wie jeder Drittgläubiger zu behandeln. Das Einkommensteuerrecht respektiert die Entscheidung der Gesellschafter, der Gesellschaft nicht Eigenkapital, sondern Fremdkapital zur Verfügung zu stellen. Das (objektive) Nettoprinzip wird durch den Grundsatz eingeschränkt, dass Verluste in der Privatsphäre des Steuerpflichtigen einkommensteuerrechtlich nicht berücksichtigt werden.