Aufwendungen für eine energetische Sanierung können zu anschaffungsnahen Herstellungskosten führen

Die Aufwendungen für die Erneuerung der Putzfassade zuzüglich energetischer Maßnahmen stellen anschaffungsnahe Herstellungskosten dar, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.

FG Münster Urteil vom 17.11.2014, 13 K 3335/12 E

Sachverhalt:

Streitig ist die Behandlung von Aufwendungen für eine energetische Sanierung eines Vermietungsobjekts als sofort abzugsfähige Werbungskosten oder als anschaffungsnahe Herstellungskosten im Streitjahr 2010.

Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit; sowohl der Kläger als auch die Klägerin erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Mit notariellem Vertrag vom 15.7.2010 (UR-Nr. …/10 des Notars S. E1. in Y.) erwarben die Kläger das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück „V.-Straße 02“ in Z. zu einem Kaufpreis von 100.000 EUR je zum hälftigen Eigentum. Der Kaufpreis entfiel nach den Bestimmungen des Kaufvertrags i.H.v. 72.000 EUR auf das Gebäude und i.H.v. 28.000 EUR auf den Grund und Boden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Kaufvertrag verwiesen. Das Objekt diente der Vermietung, wobei die Kläger im Jahr 2010 noch keine Mieteinnahmen erzielten. In ihrer am 2.3.2012 abgegebenen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung geltend und erklärten einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von insgesamt 37.393 EUR.

Die Absetzungen für Abnutzung – AfA – berechneten Sie auf der Grundlage von Anschaffungs- und Herstellungskosten in Höhe von insgesamt 126.099,28 EUR. Hiervon entfielen (inklusive Erwerbsnebenkosten) ein Anteil von 77.976,02 EUR auf das mit Vertrag vom 15.7.2010 erworbene Gebäude und ein Anteil von 48.123,26 EUR auf Aufwendungen, die nach der Anschaffung angefallen waren und die sie als anschaffungsnahe Herstellungskosten behandelten (Erneuerung der Bäder, der Fenster und der Heizungsanlage etc.).Darüber hinaus erklärten sie einen Betrag von 34.140 EUR als voll abzuziehende Erhaltungsaufwendungen. Diese Aufwendungen resultierten aus der energetischen Sanierung der Putzfassade des Gebäudes.

Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2010 mit Bescheid vom 15.6.2012 auf 24.343 EUR fest. Dabei berücksichtigte er die Vermietungseinkünfte aus dem Objekt „V.-Straße 02“ nur in Höhe von insgesamt ./. 3.538 EUR. Zur Erläuterung gab er an, er habe die Kosten für die energetischen Maßnahmen i.H.v. 34.140 EUR den Anschaffungskosten des Objektes hinzugerechnet und die AfA entsprechend erhöht. Wegen der Überschreitung der 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes – EStG – sei diese Umqualifizierung erforderlich gewesen. Es handle sich bei den energetischen Maßnahmen zwar um Erhaltungsaufwendungen; da diese jedoch nicht alljährlich wiederkehrend seien, sei die vorgenannte Vorschrift in diesem Fall anwendbar.

Den hiergegen am 19.6.2012 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 5.9.2012 als unbegründet zurück.

Mit ihrer am 28.9.2012 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Während sie ihre Klage zunächst auch darauf gestützt haben, die Aufwendungen in Höhe von 34.140 EUR seien als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG zu behandeln, begehren sie nun (nur noch) einen sofortigen Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Streitjahr.

Dies begründen sie damit, sie hätten die Aufwendungen nicht freiwillig, sondern durch gesetzlichen Zwang tragen müssen. Denn derjenige Teil der Putzfassade, der aufgrund von Beschädigungen habe erneuert werden müssen, habe mehr als 10 % betragen. Aufgrund der Vorschriften der Energieeinsparverordnung – EnEV – 2009 habe die Außenfassade wegen dieser mehr als 10 %-igen Beschädigung vollständig saniert werden müssen. Dies habe auch die Dämmung und den Fassadenputz umfasst. Eine Ausbesserung lediglich der defekten Stellen des Fassadenputzes sei gesetzlich nicht zulässig gewesen. Hätten sie – die Kläger – die Fassadensanierung nicht in dem gesetzlich geforderten Umfang durchgeführt, so hätten sie für diese Ordnungswidrigkeit eine Geldbuße in Höhe von bis zu 50.000 EUR riskiert.

Daher seien die geltend gemachten Aufwendungen durch einen gesetzlichen bzw. behördlichen Zwang entstanden. Aufwendungen, die durch einen solchen Zwang entstünden, könnten jedoch nicht als anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG angesehen werden. Es sei widersprüchlich, wenn energetische Sanierungen einerseits gesetzlich gefördert würden (z.B. durch Vergabe von Kreditprogrammen), steuerlich jedoch ein sofortiger Abzug der Aufwendungen nicht möglich sei.

Darüber hinaus meinen die Kläger, in den Gesetzesmaterialien zu § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG finde sich der Hinweis, dass die frühere Regelung in R 157 EStR 2002 weiterhin ihre Gültigkeit besitzen solle. Nach dieser Richtlinie seien „verdeckte Mängel“ nicht in die Berechnung der 15 %-Grenze aufzunehmen (bzw. damals habe es sich um eine 30 %-Grenze gehandelt). Diese Regelung solle nach den Ausführungen in den Gesetzesmaterialien zu § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG nunmehr fortbestehen. Zwar lägen im Streitfall keine „verdeckten Mängel“ vor; aus der Existenz dieser Ausnahmeregelung sei aber zu schließen, dass auch andere Ausnahmen von der 15 %-Grenze gemacht werden könnten. Nach ihrer Auffassung ist eine solche weitere Ausnahme hier anzuerkennen, weil die Aufwendungen ausschließlich durch behördlichen Zwang entstanden seien.

Im Übrigen sei es nicht gerechtfertigt, die Aufwendungen für die energetische Sanierung über einen Zeitraum von 50 Jahren abzuschreiben, obwohl die aufgebrachten Wärmedämmplatten lediglich eine Nutzungsdauer von ca. 20 bis 30 Jahren aufwiesen. Darüber hinaus führe die Anwendung der 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu einer Ungleichbehandlung, weil dasselbe Gebäude, wenn es an einem anderen Standort belegen wäre, teurer gewesen wäre und damit ein höheres Reparaturpotential im Sinne der 15 %-Grenze gehabt hätte. Dies gelte insbesondere deshalb, weil Kosten für Handwerker und Baumaterial an unterschiedlichen Standorten in etwa gleich hoch seien.

Schließlich handle es sich um einen jährlich üblicherweise anfallenden Erhaltungsaufwand im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG. Denn die Ausbesserung des Außenputzes sei eine Maßnahme, die der Erhaltung der Substanz diene und damit zu den üblicherweise anfallenden Erhaltungsaufwendungen zu rechnen sei.

Begründung:

Die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen für die Erneuerung der Putzfassade stellen keine Erhaltungsaufwendungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern anschaffungsnahe Herstellungskosten im Sinne der § 9 Abs. 5 Satz 2, § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG dar.

Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören nach dieser Vorschrift auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG). Zu diesen Aufwendungen gehören nicht die Aufwendungen für Erweiterungen im Sinne des § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches – HGB – sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG).

Die Aufwendungen für die Erneuerung der Putzfassade stellen anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S.d. §  6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG dar.

Der Begriff der Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen umfasst grundsätzlich sämtliche Aufwendungen für Baumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude, durch die Mängel beseitigt oder das Gebäude in einen zeitgemäßen Zustand versetzt werden. Grundsätzlich als anschaffungsnahe Herstellungskosten erfasst werden auch alle Maßnahmen, bei denen die Aufwendungen eindeutig den Erhaltungsaufwendungen zuzuordnen sind, so dass alle Aufwendungen zu addieren sind. Ausgenommen werden lediglich die Erhaltungsaufwendungen, die jährlich üblicherweise anfallen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG).

Hiervon ausgehend stellen die Aufwendungen der Kläger Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG dar. Die Kläger ließen an dem Haus „V.-Straße 02“ umfangreiche Fassadensanierungen durchführen, um Mängel zu beheben und das Haus zu modernisieren. Dies geschah innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes. Die Aufwendungen in Höhe von 34.140 EUR überstiegen auch unstreitig 15 % der Anschaffungskosten ohne Umsatzsteuer.

Entgegen der Auffassung der Kläger sind Aufwendungen, die „durch gesetzlichen oder behördlichen Zwang“ entstehen, nicht von diesem Begriff der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG ausgenommen. Der Gesetzeswortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG bietet für die Annahme einer solchen Ausnahme keinerlei Grundlage. Er sieht keine Ausnahmen vor. Außerdem differenziert er nicht nach dem Motiv für die Aufwendungen, etwa ob diese freiwillig oder zwangsweise durchgeführt werden. Der gesetzliche bzw. behördliche Zwang nach der EnEV 2009 ist daher – entgegen der Auffassung der Kläger – unerheblich.

Hiergegen können die Kläger auch nicht mit Erfolg einwenden, eine Ausnahme von der gesetzlichen Berechnungsmethode sei deshalb im Streitfall anzuerkennen, weil die Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG bereits eine Ausnahme enthalten habe durch den Hinweis, R 157 Abs. 4 EStR 2002 solle weiterhin anzuwenden sein (BT-Drucks. 15/119, Seite 37; BR-Drucks. 630/03, Seite 53). R 157 Abs. 4 EStR 2002 bestimmte in Satz 6 ausdrücklich, dass Aufwendungen zur Beseitigung verdeckter Mängel sofort wie laufender Erhaltungsaufwand als Werbungskosten abgezogen werden können. Aus dieser Regelung können die Kläger jedoch aus zwei Gründen keine Folgerungen für Aufwendungen herleiten, die ausschließlich durch gesetzlichen bzw. behördlichen Zwang entstanden sind:

Zum einen kann diese Argumentation der Kläger bereits deshalb nicht zum Erfolg führen, weil von der möglichen Existenz einer Ausnahme zu § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG nicht auf eine weitere Ausnahme geschlossen werden kann. Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber eine solche (weitere) Ausnahme vorsehen wollte, liegen nicht vor.

Zum anderen haben die Kläger bei ihrer Argumentation nicht berücksichtigt, dass nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung, Verwaltung und Schrifttum den zitierten Gesetzesmaterialien ausdrücklich nicht zu folgen ist, sondern Aufwendungen zur Beseitigung verdeckter Mängel in die Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG einzubeziehen sind. Vor diesem Hintergrund ist der Argumentation der Kläger die Grundlage entzogen. Bei den streitigen Aufwendungen handelt es sich auch nicht um Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG).

Die Kläger haben – in anderem Zusammenhang – bereits selbst ausgeführt, dass die aufgebrachten Wärmedämmplatten eine Nutzungsdauer von ca. 20 bis 30 Jahren aufweisen. Aufgrund dieses Vortrags steht fest, dass die Erneuerung der Putzfassade nicht üblicherweise jährlich stattfindet.

Die Kläger können weiterhin auch nicht mit Erfolg argumentieren, es sei nicht gerechtfertigt, die Aufwendungen für die energetische Sanierung über einen Zeitraum von 50 Jahren abzuschreiben, obwohl die aufgebrachten Wärmedämmplatten lediglich eine Nutzungsdauer von ca. 20 bis 30 Jahren aufweisen. Denn bei der AfA für ein Gebäude wird nicht zwischen den einzelnen Materialien unterschieden, mit denen das Gebäude errichtet wird, sondern die Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Gebäudes unterliegen einer einheitlichen AfA, da es sich um ein einheitliches Wirtschaftsgut handelt.

Schließlich führt die Anwendung der 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG entgegen der Auffassung der Kläger nicht zu einer Ungleichbehandlung, weil dasselbe Gebäude, wenn es an einem anderen Standort belegen wäre, teurer gewesen wäre und damit ein höheres Reparaturpotential im Sinne der 15 %-Grenze gehabt hätte, zumal Kosten für Handwerker und Baumaterial an unterschiedlichen Standorten in etwa gleich hoch seien.

 

Dieses Argument ist nicht überzeugend, weil sich unterschiedliche Immobilienpreise eher durch einen unterschiedlichen Grundstückspreis und weniger durch einen unterschiedlichen Gebäudepreis begründen lassen. Die 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG bezieht sich aber nur auf die Anschaffungskosten des Gebäudes, nicht des Grundstücks. Im Übrigen ist es weder das Ziel noch die Aufgabe des Gesetzgebers, durch steuerrechtliche Regelungen Ungleichgewichte im Immobilienmarkt auszugleichen.