Ermittlung eines Aufgabegewinns bei Betrieben der Liebhaberei

Bei einer Geschäftsaufgabe eines Liebhaberei-Betriebes ist der Veräußerungsgewinn zu ermitteln und steuerlich zu erfassen.

FG Düsseldorf Urteil vom 16.10.2014, 11 K 1509/14 E

Begründung:

Aufgrund der im Jahr 2008 erfolgten Veräußerung des Hotels und der damit einhergehenden Betriebseinstellung ist im Jahr 2008 ein Aufgabegewinn zu ermitteln. Anknüpfungspunkt für die Ermittlung des Aufgabegewinns ist in zeitlicher und wertmäßiger Hinsicht der Zeitpunkt des Übergangs des Hotelbetriebs vom steuerlich relevanten Betrieb zum Liebhabereibetrieb. Dies ist im vorliegenden Fall der 31.12.1993. Dem liegt folgende rechtliche Beurteilung zu Grunde:

Der Übergang zum Liebhabereibetrieb führt nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht zu einer Betriebsaufgabe, so dass zu diesem Zeitpunkt, solange der Steuerpflichtige nicht ausdrücklich die Betriebsaufgabe erklärt, das Betriebsvermögen nicht unter Auflösung der stillen Reserven in das Privatvermögen überführt wird. Gleichwohl hat der Übergang zur Liebhaberei eine der Betriebsaufgabe ähnliche Wirkung. Denn die Fortführung des Liebhabereibetriebs ist in Ermangelung einer Gewinnerzielungsabsicht der steuerlich irrelevanten Privatsphäre (§ 12 Nr. 2 EStG) zuzuordnen, mit der Folge, dass das dabei eingesetzte Vermögen als Privatvermögen angesehen wird, obwohl eine Betriebsaufgabe mangels Aufgabehandlung (noch) nicht vorliegt.

Die Zuordnung zur Privatsphäre wirkt sich in der Weise aus, dass bei der Betriebseinstellung im Jahr 2008 ein Betriebsaufgabegewinn zu ermitteln ist, der sich ausschließlich nach dem Wert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei richtet. Ebenso wie die Einkünfte aus dem Liebhabereibetrieb steuerlich nicht mehr erfasst werden, sind auch alle Wertänderungen des Betriebsvermögens während der Zugehörigkeit zum Liebhabereibetrieb steuerlich unbeachtlich. Stille Reserven, die sich während dieser Zeit gebildet haben, können deshalb – vorbehaltlich einer Erfassung im Privatvermögen nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG – steuerlich nicht erfasst. Dies hat zwingend zur Folge, dass das Betriebsvermögen zum Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei „festzuschreiben“ ist. Dem entsprechend sind die Beteiligten im Rahmen der tatsächlichen Verständigung vom 06.11.2001 dahin gehend übereingekommen, dass die stillen Reserven des Anlagevermögens insgesamt 2.933.815 DM betragen haben und haben diesen Wert für die Zukunft „festgeschrieben“.

Die „festgeschriebenen“ stillen Reserven entsprechen im Jahr 2008 dem Aufgabegewinn. Gem. § 16 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 und 7 EStG ist Aufgabegewinn der Betrag, um den der gemeine Wert nach Abzug der Aufgabekosten den Wert des Betriebsvermögens übersteigt. Dabei wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (§ 9 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes – BewG). Sofern der gemeine Wert um den Wert des Betriebsvermögens gemindert wird, ergeben sich die im Betriebsvermögen gespeicherten stillen Reserven. Im vorliegenden Fall sind dies die in der tatsächlichen Verständigung vom 06.11.2001 und im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der in einem Betrieb beim Übergang zur Liebhaberei ruhenden stillen Reserven vom 12.11.2001 festgestellten stillen Reserven. Aufgabekosten sind bei dem Übergang des gewerblichen Hotelbetriebs zum Liebhabereibetrieb nicht entstanden, so dass die stillen Reserven zum 31.12.1993 im Ergebnis dem Aufgabegewinn entsprechen.

Die zum 31.12.1993 festgestellten stillen Reserven sind unabhängig von der Höhe des im Jahr 2008 erzielten Veräußerungserlöses als Aufgabegewinn zu versteuern. Entgegen der Auffassung der Klägerin setzt die Versteuerung im Jahr 2008 nicht voraus, dass die zum 31.12.1993 festgestellten stillen Reserven der Höhe nach tatsächlich realisiert worden sind. Durch den Übergang zum Liebhabereibetrieb wird das Betriebsvermögen des Hotels der steuerlich irrelevanten Privatsphäre zugeordnet. Es liegt quasi eine Betriebsaufgabe vor, für die der zum 31.12.1993 entstandene und festgeschriebene Aufgabegewinn aber erst zum Zeitpunkt der tatsächlichen Betriebseinstellung versteuert wird. Die im Jahr 2008 erfolgte Veräußerungshandlung stellt – entgegen der Auffassung der Klägerin – keine steuerlich relevante Betriebsveräußerung nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG dar. Vielmehr liegt in der Veräußerungshandlung die für steuerliche Zwecke seit 1993 hinausgeschobene Betriebseinstellung. Die Hinausschiebung bewirkt ausschließlich eine spätere Versteuerung des bereits im Jahr 1993 „angelegten“ Betriebsaufgabegewinns. Durch die spätere Versteuerung soll nach der Rechtsprechung des BFH vermieden werden, dass der Steuerpflichtige alleine aufgrund einer steuerlichen Umqualifizierung des gewerblichen Betriebes in einen Liebhabereibetrieb gezwungen wird, seinen Betrieb zu veräußern, um die Mittel zur Begleichung der durch den Aufgabegewinn entstandenen Steuern aufzubringen. Eine solche Konsequenz würde über den mit dem Begriff der Liebhaberei verfolgten steuerlichen Zweck weit hinausgehen (vgl. BFH-Urteil vom 29.10.1981 IV R 138/78, BStBl II 1982, 381). Dem gegenüber soll der Steuerpflichtige, der seinen Betrieb nach der Umqualifizierung zum Liebhabereibetrieb zunächst fortführt und später einstellt, nicht besser gestellt werden als jeder andere Steuerpflichtige, der seinen Betrieb aufgibt. Derjenige, der seinen Betrieb aufgibt und sein Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt, hat die stillen Reserven zu versteuern, ohne dass ihm ein Veräußerungserlös und damit tatsächlich ein Gewinn zugeflossen ist. Das Einkommensteuerrecht folgt im Falle einer Betriebsaufgabe bei der Besteuerung der stillen Reserven gerade nicht dem reinen Realisationsprinzip, nachdem nur verwirklichte Gewinne ausgewiesen und besteuert werden.

 

Der Aufgabegewinn ist auch nicht um einen Rückstellungsaufwand i.H.v. 2.247.000 DM zu mindern. Denn der Aufwand ist tatsächlich nicht entstanden. Selbst für den Fall, dass bei tatsächlicher Betriebseinstellung zum 31.12.1993 eine Rückstellung in dieser Höhe zu bilden gewesen wäre, wäre diese mangels tatsächlicher Zahlung an die A-Stadt nach 20 Jahren wieder gewinnerhöhend aufzulösen gewesen und könnte nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden. Die steuerrechtliche Würdigung knüpft an den tatsächlich verwirklichten und nicht an einen hypothetischen Sachverhalt an. Der Senat kann es somit dahin gestellt sein lassen, ob eine Rückstellung in dieser Höhe hätte gebildet und steuerlich noch geltend gemacht werden könnte. Gegen die steuerliche Geltendmachung könnte eine möglicherweise bestehende Bindungswirkung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung der in einem Betrieb beim Übergang zur Liebhaberei ruhenden stillen Reserven vom 12.11.2001 sprechen.

Die Versteuerung ist im Streitfall auch nicht unangemessen, so dass ein Verstoß gegen das Übermaßverbot nicht vorliegen kann. Die Versteuerung resultiert unstreitig aus der Auflösung des in der Steuerbilanz bis zum 31.12.1993 entstandenen negativen Kapitals. Das negative Kapital ist durch die Verluste des Hotelbetriebs bis zum Wirtschaftsjahr 1993 entstanden. Diese Verluste haben sich in den Veranlagungszeiträumen bis 1993 und auf Grund der Verlustfeststellung zum 31.12.1993 in den Veranlagungszeiträumen 1994 ff. im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes steuermindernd ausgewirkt. Die Versteuerung ist Folge der Anwendung des § 16 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 und 7 EStG und nicht des § 15a EStG

Die Versteuerung des Aufgabegewinns richtet sich nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG in der Fassung des Streitjahres 2008. Die Versteuerung knüpft an die tatsächliche Betriebseinstellung an. Diese erfolgte im Jahr 2008. Ein Rückgriff auf die Vorschriften über die Versteuerung außerordentlicher Einkünfte aus dem Jahr 1993 ist nicht möglich.