Steuerliche Behandlung von kundenspezifischen, mit Werkzeugkostenzuschüssen geförderten Werkzeugen beim Hersteller

Ob an Zulieferer geleistete Werkzeugkostenzuschüsse der Auftraggeber zur Herstellung von kundenspezifischen Werkzeugen zu Betriebseinnahmen führen oder als vorab vereinnahmtes Entgelt für spätere Lieferungen von Erzeugnissen im Wege der Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens zunächst als erfolgsneutral zu behandeln sind, richtet sich nach den im Einzelfall getroffenen Vereinbarungen zwischen Zulieferer und Auftraggeber.

BFH Urteil vom 28.05.2015 – IV R 3/13 BFH/NV 2015, 1577

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine gewerblich tätige GmbH & Co. KG, stellte in den Streitjahren (1999, 2000, 2002 und 2003) einbaufähige Komponenten und Systembaugruppen überwiegend für Automobil- und Nutzfahrzeughersteller oder deren Lieferanten her. Für die Produktion von Serienteilen fertigte sie die erforderlichen kundenspezifischen Spezialwerkzeuge und Vorrichtungen (Werkzeuge) selbst.

Von den Auftraggebern erhielt die Klägerin im Zusammenhang mit der Herstellung der Werkzeuge sog. Werkzeugkostenbeiträge oder -zuschüsse (im Folgenden Werkzeugkostenzuschüsse), die die Herstellungskosten im Regelfall überstiegen. Die Werkzeuge gingen durch Vereinbarung eines Besitzkonstituts (§ 930 des Bürgerlichen Gesetzbuchs –BGB–) in das zivilrechtliche Eigentum der Auftraggeber über. Bei entsprechenden vertraglichen Regelungen wurde das Eigentum des jeweiligen Auftraggebers auch durch das Anbringen von Markierungen an den Werkzeugen und die Aufnahme in entsprechende Bestandslisten zum Ausdruck gebracht. Im Konkurs- bzw. Insolvenzfall konnte ein Auftraggeber die Herausgabe der Werkzeuge verlangen.

Begründung:

Unter den im Streitfall festgestellten Umständen durfte die Klägerin hinsichtlich der von ihr vereinnahmten Werkzeugkostenzuschüsse keinen passiven Rechnungsabgrenzungsposten bilden. Die Würdigung des FG, dass die Werkzeugkostenzuschüsse nicht für künftige Lieferungen geleistet worden, sondern als Entgelt für die Herstellung und Übereignung der Werkzeuge anzusehen sind, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

Gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) sind als Rechnungsabgrenzungsposten auf der Passivseite Einnahmen vor dem Abschlussstichtag anzusetzen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. Ein vom Steuerpflichtigen vorab vereinnahmtes Entgelt wird hierdurch entsprechend dem Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 und Nr. 5 des Handelsgesetzbuchs –HGB–) erst dann –durch Auflösung des Rechnungsabgrenzungspostens– erfolgswirksam, wenn der Kaufmann seine noch ausstehende Gegenleistung erbracht hat. Der Sinn dieser Vorschrift liegt also darin, Einnahmen dem Jahr zuzuordnen, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Die Ertragswirkung der Einnahmen soll in die Periode verlagert werden, in der die korrespondierenden Aufwendungen anfallen.

Der Anwendungsbereich der Rechnungsabgrenzung betrifft in erster Linie typische Vorleistungen eines Vertragspartners im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages i.S. der §§ 320 ff. BGB. Er ist zwar nicht auf synallagmatische schuldrechtliche Leistungen beschränkt. Da das bezogene Entgelt am jeweiligen Bilanzstichtag nur insoweit abzugrenzen ist, als es Ertrag für eine bestimmte Zeit „nach diesem Zeitpunkt” darstellt, muss jedoch eine Verpflichtung zu einer nach diesem Bilanzstichtag (zumindest zeitanteilig) noch zu erbringenden Gegenleistung bestehen. Im Hinblick auf eine bereits vollzogene Leistung kann eine Rechnungsabgrenzung nicht erfolgen. Nach diesen Maßstäben kommt im Hinblick auf die streitbefangenen Werkzeugkostenzuschüsse die Bildung eines Rechnungsabgrenzungspostens auf der Passivseite nicht in Betracht.

Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG beruhte die Zahlung der Werkzeugkostenzuschüsse auf mit den Auftraggebern geschlossenen Verträgen, die neben der Verpflichtung der Klägerin zur Lieferung der mit den streitbefangenen Werkzeugen herzustellenden Teile gegen Entgelt auch eine Verpflichtung der Klägerin regelten, den Auftraggebern gegen Zahlung der Werkzeugkostenzuschüsse das zivilrechtliche Eigentum an den Werkzeugen zu verschaffen. Dementsprechend stellte die Klägerin ihren Auftraggebern nach den Feststellungen des FG jeweils nach Fertigstellung bzw. Abnahme der Werkzeuge eine Schlussrechnung über die Werkzeugkostenzuschüsse. Schon aufgrund dieser Feststellungen ist die Würdigung des FG möglich, dass die Werkzeugkostenzuschüsse auf der Grundlage von die streitbefangenen Werkzeuge betreffenden Kauf- bzw. Werklieferungsverträgen jeweils Gegenleistungen für die Verschaffung des Eigentums an den von der Klägerin hergestellten Werkzeugen und keine Vorleistungen auf die künftige Lieferung der mit den Werkzeugen hergestellten Serienteile darstellten.

Das angefochtene Urteil beruht im Wesentlichen auf einer Auslegung der Verträge zwischen der Klägerin und ihren Auftraggebern, die dem FG als Tatsacheninstanz obliegt, und einer Würdigung der festgestellten Umstände der Abrechnung über die Werkzeugkostenzuschüsse. Dabei entspricht die Vertragsauslegung den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Denn eine vertragliche Verknüpfung der Werkzeugkostenzuschüsse mit dem –zwischen den Beteiligten unstreitigen– Übergang des zivilrechtlichen Eigentums an den Werkzeugen legt eine synallagmatische Verknüpfung zwischen Herstellungs- und Lieferpflicht hinsichtlich der Werkzeuge und den Werkzeugkostenzuschüssen als hierauf bezogene Gegenleistung der Auftraggeber nahe. Danach scheidet aus, dass die Werkzeugkostenzuschüsse für die Erbringung noch ausstehender Gegenleistungen in Gestalt der herzustellenden Serienteile geleistet worden sein könnten. Soweit nach den Feststellungen des FG Schlussrechnungen über die Werkzeugkostenzuschüsse erstellt worden sind, liegt es im Streitfall auch fern, dass Zuschüsse vorab für erst in nachfolgenden Jahren hergestellte Werkzeuge vereinnahmt worden sein könnten. Allein der Umstand, dass die Klägerin verpflichtet war, die zu produzierenden Serienteile in Abhängigkeit von der Zuschusshöhe verbilligt zu liefern, führt unter den Umständen des Streitfalles noch nicht zwingend zu der Annahme, dass die Werkzeugkostenzuschüsse nur als Vorleistungen auf die künftige Lieferung von Fahrzeugteilen verstanden werden dürfen.