Fahrtkosten eines Selbständigen zur Betriebsstätte eines Kunden

Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG ist der Ort, an dem ein selbständig Tätiger seine Leistungen gegenüber den Kunden erbringt; eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen über die von ihm genutzte Einrichtung ist dafür – anders als bei § 12 AO – nicht erforderlich.

Der Arbeitsplatz eines Gewerbetreibenden oder sonstigen Selbständigen ist keine Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG, wenn er einen Teil der Wohnung oder des Wohnhauses bildet. Dies trifft auch dann zu, wenn sich die zu Wohnzwecken und die betrieblich genutzten Räume in einem ausschließlich vom Steuerpflichtigen genutzten Zweifamilienhaus befinden und zwischen ihnen keine der Allgemeinheit zugängliche oder von fremden Dritten benutzte Verkehrsfläche liegt.

BFH Urteil vom 13.05.2015 – III R 59/13, BFH/NV 2015, 1365

Sachverhalt:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielt als Unternehmensberater Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes –EStG–), die er durch Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermittelt. Im Streitjahr 1999 war er wie bereits in den Vorjahren ausschließlich bei der X AG in A tätig. Er war dort im Jahr 1997 an 223 Tagen, 1998 an 228 Tagen und im Streitjahr an 205 Tagen mit der Einführung von EDV-Programmen befasst und arbeitete im Auftrag der Y GmbH (im Folgenden: GmbH), deren alleinige Gesellschafterin seine Ehefrau ist.

Der Kläger und seine Ehefrau sind Eigentümer des von ihnen bewohnten Zweifamilienhauses in B. Die ca. 98 qm große Dachgeschosswohnung besteht aus drei Räumen, Küche und Bad und wird sowohl von der GmbH als auch vom Kläger genutzt. Die Möblierung des ca. 50 qm großen Raumes besteht aus einem Schreibtisch, Computer, Schränken, Regalen, einer Polstergruppe mit drei Sesseln sowie einem Tisch mit Stühlen. Der 13 qm große Raum enthält ein Bett und Schränke, der ca. 15 qm große Raum ein Doppelbett und einen Schrank. Für die Wohnung bestand bis Ende 1998 –zunächst mit dem Kläger, danach mit der GmbH– ein Mietvertrag. Im Streitjahr wurde keine Miete mehr entrichtet. Der Kläger beschäftigte im Streitjahr seine Schwägerin als Hilfskraft. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existierte nicht; die Schwägerin wurde nach geleisteten Arbeitsstunden entlohnt.

Begründung:

Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Betriebsausgaben des Klägers für die Fahrten zwischen seiner Wohnung in B und dem 92 km entfernten Tätigkeitsort A nur beschränkt abgezogen werden können.

Aufwendungen für Fahrten des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte dürfen den Gewinn gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,03 % des inländischen Listenpreises i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG des Kfz im Zeitpunkt der Erstzulassung je Kalendermonat für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 oder Absatz 2 EStG ergebenden Betrag (sog. Entfernungspauschale) nicht mindern; ermittelt der Steuerpflichtige die private Nutzung des Kfz nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG (Fahrtenbuchmethode), so treten an die Stelle des mit 0,03 % des inländischen Listenpreises je Entfernungskilometer ermittelten Betrags für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte die auf diese Fahrten entfallenden tatsächlichen Aufwendungen.

Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG ist der Ort, an dem ein selbständig Tätiger seine Leistung gegenüber den Kunden erbringt. Der Begriff der Betriebsstätte in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG ist somit weiter als der in § 12 der Abgabenordnung (AO), der eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen über die von ihm genutzte Einrichtung voraussetzt. Danach sind z.B. Unterrichtsräume in öffentlichen Schulen und Kindergärten, in denen ein selbständiger Lehrer seine Leistungen gegenüber Kunden erbringt, Betriebsstätten i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG. An dieser Definition der Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG ist ungeachtet der neueren Rechtsprechung des VI. Senats des BFH zu dem in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (i.d.F. bis 2013) verwendeten Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte festzuhalten, denn das vom VI. Senat für Zwecke der Besteuerung von Arbeitnehmern entwickelte Differenzierungskriterium, ob deren Arbeitgeber bei dem Kunden, in dessen Räumen der Arbeitnehmer tätig sei, eine eigene Betriebsstätte unterhalte oder nicht, kann auf die Gewinneinkünfte nicht übertragen werden.

Die vom Kläger –wie bereits in den Vorjahren– an fast allen Arbeitstagen aufgesuchten Räume des Kunden in A waren mithin Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG, ohne dass es z.B. darauf ankäme, ob dem Kläger dort ein eigener Raum zugewiesen war und er diesen aus eigenem Recht nutzte.

Aus der mit der Begrenzung des Fahrtkostenabzugs in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG angestrebten Gleichbehandlung des Betriebsausgabenabzugs von Selbständigen mit dem entsprechenden Werbungskostenabzug bei Arbeitnehmern folgt, dass die für Arbeitnehmer geltenden Ausnahmen von den Abzugsbeschränkungen der Fahrtkosten bei gleich liegenden Sachverhalten grundsätzlich auf selbständig Tätige zu übertragen sind. Der Senat hat daher die Fahrten einer selbständigen Musiklehrerin nicht der Abzugsbegrenzung unterworfen, weil sie an mehreren Schulen unterrichtete und dies der Situation eines Arbeitnehmers mit ständig wechselnden Tätigkeitsstätten entsprach, bei dem keiner dieser Stätten eine hinreichend zentrale Bedeutung gegenüber den weiteren Tätigkeitsorten zukommt. Eine derartige Ausnahmesituation ist beim Kläger, der stets in denselben Räumen tätig wurde, jedoch nicht gegeben.