Führt die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft, zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit

Führt die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft, die der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH gegenüber einem Mandanten der GmbH übernommen hatte, zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit.

FG Münster, Urteil vom 15.10.2015. 3 K 472/14 E

Begründung:

Werbungskosten sind gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach ständiger Rechtsprechung liegen Werbungskosten vor, wenn die Aufwendungen durch den Beruf bzw. durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt wurden (vgl. BFH, Urteil vom 16.11.2011 VI R 97/10, BStBl. II 2012, 343 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Nicht abzugsfähig sind privat veranlasste Aufwendungen.

Privat veranlasste Aufwendungen liegen im Streifall nicht vor. Der Senat kann unter Berücksichtigung der glaubhaften und glaubwürdigen Aussagen des Klägers nicht feststellen, dass zwischen dem Kläger und seinem Mandanten ein verwandtschaftliches oder freundschaftliches Näheverhältnis bestand, aufgrund dessen der Kläger sich zur Übernahme der Bürgschaft bereit erklärt hat. Vielmehr sind dem Kläger die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Mandatsbearbeitung im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Steuerberater entstanden. Allein die Tatsache, dass sich die Bürgschaftsübernahme letztlich als wirtschaftliche Fehlentscheidung erwiesen hat und der Kläger tatsächlich in Anspruch genommen wurde, führt nicht dazu, dass die Aufwendungen dem nicht einkunftsrelevanten Bereich zuzuordnen wären.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG sind Werbungskosten bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Stehen Aufwendungen mit mehreren Einkunftsarten in einem objektiven Zusammenhang, sind sie bei der Einkunftsart zu berücksichtigen, zu der sie nach Art und Weise die engere Beziehung haben. Sie sind der Einkunftsart zuzuordnen, die im Vordergrund steht und die Beziehungen zu anderen Einkünften verdrängt. Ist der Geschäftsführer einer GmbH in einem nicht nur unbedeutenden Umfang an der Gesellschaft beteiligt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass eine Stützungsmaßnahme zugunsten der Gesellschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist (vgl. BFH, Urteile vom 26.11.1993 VI R 3/92, BStBl. II 1994, 242; vom 05.10.2004 VIII R 64/02, BFH/NV 2005, 54; vom 25.11.2010 VI R 34/08, BStBl. II 2012, 24;vom 16.11.2011 VI R 97/10, BStBl. II 2012, 343, jeweils mit weiteren Nachweisen zu Rechtsprechung und Literatur). Diese Rechtsprechungsgrundsätze sind sämtlich zu Fallgestaltungen entwickelt worden, in denen ein Gesellschafter – Geschäftsführer bzw. ein Geschäftsführer mit dem Bestreben, als Gesellschafter aufgenommen zu werden, „ihrer“ GmbH eine finanzielle Stützungsmaßnahme (Darlehn, Bürgschaft, verlorener Zuschuss) gewährt haben. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass ein fremder, nicht durch eine Beteiligung mit der Gesellschaft verbundener Arbeitnehmer im Regelfall weniger bereit sein wird, das Risiko einer derartigen Maßnahme einzugehen, als ein an der Gesellschaft beteiligter Arbeitnehmer, der auch Einfluss auf die Leitung der Gesellschaft nehmen kann (vgl. BFH, Urteil vom 26.11.1993 VI R 3/92, BStBl. II 1994, 242).

Der vorliegend zu entscheidende Fall unterscheidet sich maßgeblich von diesen Konstellationen, da hier der Kläger nicht „seiner“ Gesellschaft eine finanzielle Stützungsmaßnahme gewährt, sondern die Bürgschaft für einen von ihm im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses als Steuerberater betreuten Mandanten übernommen hat. Trotz der Stellung des Klägers als nicht nur gering beteiligter Gesellschafter der SteuerberatungsGmbH liegt insofern eine Verbindung der Bürgschaftsübernahme mit der Gesellschaftsbeteiligung nicht auf der Hand wie bei einer Stützungsmaßnahme zugunsten der Gesellschaft selbst. Aufgrund dieser anders gelagerten Konstellation im vorliegenden Fall scheidet deshalb nach Auffassung des Senats der von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs beschriebene Regelfall der Zuordnung der Aufwendungen zum Gesellschaftsverhältnis und damit zu etwaigen Einkünften gem. § 17 EStG aus.

Es ist zwar zutreffend, dass mit der Stützung eines Mandanten auch die Gesellschaft gestützt wird, indem das Mandat und der damit zusammenhängende Umsatz auf weitere Zeit oder sogar auf Dauer erhalten bleiben. Dies führt aber letztlich nur zu einem mittelbaren Zusammenhang mit der Stellung des Klägers als Gesellschafter, insbesondere, weil es sich nicht um ein Mandat gehandelt hat, von dem der wirtschaftliche Bestand der Gesellschaft und damit die Gesellschafterstellung des Klägers abhängig bzw. betroffen gewesen wäre. Unmittelbar und deshalb vorrangig ist dagegen der Zusammenhang der Aufwendungen mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers. Denn die Aufwendungen sind durch die berufliche Beratungstätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit dem konkreten Mandat entstanden. Sie sind deshalb der beruflichen Sphäre des Klägers zuzuordnen. Darüber hinaus hat der Kläger auch einen direkten Einfluss der Aufwendungen auf die von ihm erzielten Einnahmen dargelegt. Denn ein Ausfall der Honorarforderung wäre zu Lasten der von ihm als Teil seines Arbeitslohns bezogenen Tantieme gegangen. Das ergibt sich aus dem Protokoll der Gesellschafterversammlung.

Soweit der Beklagte meint, die Bürgschaftsübernahme zugunsten eines Mandanten sei deshalb dem gesellschaftsrechtlichen Bereich und damit den Einkünften gem. § 17 EStG zuzuordnen, weil ein angestellter Steuerberater eine derartige Bürgschaft üblicherweise nicht übernehme, teilt der Senat diese Sichtweise nicht. Denn derartige Bürgschaftsübernahmen gehören -wenn auch nicht als Regelfall, jedoch in diversen Einzelfällen- zur Mandatsbetreuung im Rahmen einer umfassenden steuerrechtlichen und wirtschaftsberatenden Tätigkeit. So hat auch der Kläger auf einen weiteren Fall eines Kollegen hingewiesen. Im Übrigen meint der Senat, dass für einen etwaigen Fremdvergleich auch nicht zwingend auf den Fall eines angestellten Steuerberaters zurückzugreifen ist. Denn die Steuerberatungsgesellschaft mit beschränkter Haftung, in der die Gesellschafter ihre steuerberatende Tätigkeit als angestellte Geschäftsführer ausüben, ist nach Auffassung des Senats das Pendant zur Freiberufler-Sozietät, deren Gesellschafter infolge ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Steuerberater Einkünfte gem. § 18 EStG erzielen. In dieser Konstellation würde die Inanspruchnahme aus einer zugunsten eines Mandanten übernommenen Bürgschaft zu Betriebsausgaben gem. § 4 Abs. 4 EStG führen und nicht die Vermögensebene betreffen.