Beiträge zu Kranken- und Altersvorsorgeversicherungen, die vom Gehalt französischer Beamter einbehalten worden sind, mindern nicht deren im Rahmen des Progressionsvorbehalts zugrunde zu legenden steuerfreien Einkünfte. Dies verstößt nicht unter dem Aspekt einer Schlechterstellung gegenüber inländischen Beamten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz oder die Diskriminierungsverbote des Unionsrechts oder des DBA-Frankreich.
BFH Urteil vom 16.09.2015 – IR 61/13
Sachverhalt:
Die in den Streitjahren (2003 und 2004) im Inland wohnenden Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war inländischer Beamter und erzielte dadurch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin war französische Staatsbürgerin und in der französischen Finanzverwaltung als Beamtin tätig. Sie bezog dafür Bruttoarbeitslöhne von 21.380 EUR (2003) und 21.092 EUR (2004). Ausweislich ihrer Gehaltsmitteilungen wurden die Bruttobezüge der Klägerin um folgende Abzugspositionen gemindert (in Klammern die vom Finanzgericht –FG– festgestellte Bedeutung der jeweiligen Abzüge):
Die FInanzverwaltung berücksichtigte diese Einkünfte aber –vermindert um die Positionen „Pension civile” und „Pension civile IMT”, bei denen es sich seiner Auffassung nach nicht um zugeflossenen Arbeitslohn handele– im Rahmen des Progressionsvorbehalts nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes.
Die Kläger sind der Auffassung, das FA habe die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte der Klägerin unzutreffend ermittelt. Mit Ausnahme der Quellensteuer (Retenue à la source) dürften die Abzugspositionen vom Bruttoarbeitslohn der Klägerin im Rahmen des Progressionsvorbehalts nicht berücksichtigt werden. Vorrangig leiten sie aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) ab, die Bezüge der Klägerin dürften im Rahmen des Progressionsvorbehalts nicht anders ermittelt werden als die steuerpflichtigen Einkünfte deutscher Beamter, denen der Staat erhebliche steuerfreie Sozialleistungen gewähre. Die darin zu sehende Ungleichbehandlung verstoße zudem gegen die Diskriminierungsverbote des Art. 21 DBA-Frankreich 1959 und des Unionsrechts. Darüber hinaus sind die Kläger der Auffassung, bei den Abzugspositionen handele es sich um abzugsfähige vorweggenommene Werbungskosten bzw. um berücksichtigungsfähige Sonderausgaben.
Begründung:
Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Die streitigen Aufwendungen der Klägerin sind im Rahmen des Progressionsvorbehalts nicht zu berücksichtigen dies verstößt nicht gegen die ins Feld geführten Diskriminierungsverbote Ein Abzug als Sonderausgaben scheitert jedenfalls daran, dass die Kläger die jeweiligen gesetzlichen Höchstbeträge schon ohne die streitigen Aufwendungen ausgeschöpft haben.
Nach den einschlägigen gesetzlichen Regeln mindern die streitigen Aufwendungen der Klägerin nicht das für die Berechnung des Progressionsvorbehalts anzusetzende steuerfreie Einkommen.
Die Einkünfte der Klägerin aus ihrer Tätigkeit in Frankreich sind nach dem sog. Kassenstaatsprinzip des Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Buchst. a DBA-Frankreich 1959 von der Bemessungsrundlage der Einkommensteuer der Kläger auszunehmen. Das Kassenstaatsprinzip umfasst nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich 1959 Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen sowie Ruhegehälter, die (u.a.) einer der Vertragstaaten an in dem anderen Staat ansässige natürliche Personen für gegenwärtige oder frühere Dienstleistungen in der Verwaltung oder in den Streitkräften zahlt. Die Einkünfte sind aber gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002 a.F. in die Ermittlung eines besonderen Steuersatzes einzubeziehen, der auf das zu versteuernde Einkommen der Kläger anzuwenden ist. Darüber herrscht zwischen den Beteiligten kein Streit.
Der besondere Steuersatz bemisst sich nach demjenigen zu versteuernden Einkommen, das sich ergibt, wenn das tatsächlich zu versteuernde Einkommen um die nach dem Abkommen zur Vermeidung der doppelten Besteuerung (DBA) steuerfreien Einkünfte vermehrt oder vermindert wird (§ 32b Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002 a.F.).
Das FG hat die vom FA in die Bemessung der steuerfreien Einkünfte einbezogenen Einnahmen der Klägerin –nämlich die Bruttoarbeitslöhne mit Ausnahme der Positionen „Pension civile” und „Pension civile IMT”– zu Recht als in den jeweiligen Streitjahren zugeflossen angesehen.