Beschränkte Steuerpflicht bei nicht im Inland lebende Arbeitnehmer

Besteuerung von nachträglichen Lohnzahlungen an einen Arbeitnehmer der nicht mehr im Inland seinen Wohnsitz unterhält.

FG Düsseldorf 28.01.2016, 16 K 3444/14 L

Sachverhalt:

Die Klägerin hatte für ihre Angestellte Frau A Lohnsteuer einbehalten. Frau A war seit dem 9.2.2009 bei der Klägerin beschäftigt. Ihr Arbeitsvertrag wurde mit Wirkung zum 31.3.2012 aufgelöst. Sie gab in diesem Zusammenhang am 23.12.2011 ihren Wohnsitz im Inland auf, nachdem sie bereits zum Ende des Jahres 2011 von der Arbeit freigestellt worden war.

Sie trug vor, das laufende Gehalt für die ersten drei Monate des Jahres 2012 dürfe ganz überwiegend nicht der Besteuerung unterworfen werden, da sie, die Klägerin, zu dieser Zeit in Deutschland keine Tätigkeit (mehr) ausgeübt oder verwertet habe. Die Abfindung gehöre zwar gem. § 49 Abs. 1 Nr. 4 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu den inländischen Einkünften, aber sie sei zum Ausgleich des Verlustes zukünftiger Einnahmen gezahlt worden. Damit habe sie Versorgungscharakter und sei gemäß der Verständigungsvereinbarung mit Großbritannien vom 8.11.2011 dort zu versteuern. Die im Januar (10.500 Euro) und im März (2.500 Euro) gezahlten Tantiemen beträfen deutsche und britische Arbeitstage und seien daher aufzuteilen (zur Berechnung vgl. Anlage 1 zur Klageschrift).

Begründung:

Die streitgegenständlichen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit unterlagen nur teilweise der inländischen Besteuerung, so dass die Lohnsteueranmeldungen unzutreffend sind. Zwar sind sämtliche Einnahmen, also laufendes Gehalt, Tantiemen und Abfindung, beschränkt steuerpflichtige Einkünfte der beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmerin. Jedoch sind nach Art. 14 Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) Großbritannien und Nordirland 2010 die Einkünfte grundsätzlich in dem Ansässigkeitsstaat (hier: Großbritannien) zu besteuern. Anders verhält es sich, wenn die Arbeit in dem anderen Staat, hier Deutschland, ausgeübt wird, was in den Monaten ab Januar 2012 aber nicht der Fall war.

Werden als Lohn zu qualifizierende Einnahmen, wie hier, zu einem Zeitpunkt gezahlt, zu dem die Arbeit nicht (mehr) ausgeübt wird, bleibt es, wenn die Zahlungen nicht für die zuvor im Inland ausgeübte Tätigkeit erfolgt, bei der Grundregel der Versteuerung im Ansässigkeitsstaat (hier: Großbritannien). Folgerichtig gehen die Beteiligten davon aus, dass das laufende Gehalt und die Tantiemen nur insoweit der inländischen Besteuerung unterliegen, als sie auf Zeiten der Ausübung der Tätigkeit der Arbeitnehmerin im Inland entfallen. Über die getroffene Aufteilung haben sich die Beteiligten in nicht zu beanstandener Weise in der mündlichen Verhandlung tatsächlich verständigt.

In Bezug auf die Abfindung findet eine Besteuerung vollständig im Ansässigkeitsstaat statt, da die Abfindung nicht ‚für‘ ausgeübte Arbeit, sondern für entgehende zukünftige Einnahmen gezahlt wird. Hieran ändert auch die zwischen den Vertragsstaaten am 8.11.2011 geschlossene Verständigungsvereinbarung  nichts, da die hier zu beurteilende Abfindung Versorgungscharakter i.S. dieser Verständigung hat und es deshalb auch unter Beachtung der Verständigungsvereinbarung bei der Zuständigkeit des Ansässigkeitsstaates verbleibt. Inwieweit derartige Verständigungsvereinbarungen die Gerichte binden, kann deshalb dahingestellt bleiben.

Daher begegnet die von der Klägerin begehrte Änderung der Lohnsteueranmeldungen ihrem Umfang nach keinen Bedenken.

Der Änderung der Lohnsteueranmeldungen in dem zuvor beschriebenen Umfang steht aus verfahrensrechtlicher Sicht insbesondere die Regelung in § 41 c Abs. 3 Satz 1 EStG zum Lohnsteuerabzugsverfahren in seiner für das Streitjahr geltenden Fassung nicht entgegen.

Nach § 168 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) steht eine Steueranmeldung (§ 41 a EStG: Lohnsteueranmeldung) einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) gleich, ist also jederzeit änderbar. Diesbezüglich ergeben sich aus dem Lohnsteuerabzugsverfahren im Übrigen keine Einschränkungen.

hat der Arbeitgeber alsbald nach Ablauf des Besteuerungszeitraumes das Lohnkonto des Arbeitnehmers abzuschließen und sodann eine elektronische Lohnsteuerbescheinigung zu erstellen und zu übermitteln sowie dem Arbeitnehmer einen Ausdruck auszuhändigen. Dem Wortlaut des § 41 c Abs. 3 EStG ist zu entnehmen, dass danach eine Änderung des Lohnsteuerabzugs nur bis zur Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung zulässig und eine Erstattung von Lohnsteuer an den Arbeitnehmer nach Ablauf des Kalenderjahres nur noch im Wege des Lohnsteuer-Jahresausgleichs (§ 42 b EStG) durch den Arbeitgeber möglich ist. Die letztgenannten Vorschriften beschäftigen sich mit dem Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie mit der Lohnsteuerbescheinigung, nicht jedoch mit der eigentlichen Entrichtungsschuld des Arbeitgebers, also mit dem Verhältnis zwischen Arbeitgeber als Entrichtungsschuldner und Finanzbehörde, das sich in dem Steuerbescheid „Lohnsteueranmeldung“ manifestiert. Im Hinblick auf die Lohnsteueranmeldungen verbleibt es deshalb bei der eingangs festgestellten jederzeitigen Änderbarkeit.

Der hierzu geäußerten Verwaltungsauffassung in H 41c.1 der Lohnsteuerrichtlinien „Änderung des Lohnsteuerabzuges“, eine Erhöhung der Lohnsteuer-Entrichtungsschuld sei unter den Voraussetzungen des § 164 Abs. 2 Satz 1 AO auch nach der Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung zulässig, und der Arbeitnehmer sei auf § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 b) i.V.m. Satz 7 EStG (Antragsveranlagung) bzw. auf § 50 d Abs. 1 Satz 2 EStG analog (Erstattungsantrag) verwiesen, kann nicht gefolgt werden. Aus dem Gesetz ergibt sich jedenfalls keine Einschränkung der Änderbarkeit von Lohnsteueranmeldungen ausschließlich mit dem Ziel der Erhöhung der Entrichtungsschuld. Eine vertretene Auffassung , dass eine Änderung der Lohnsteuer zu Gunsten des Arbeitgebers nach § 164 AO (nur) dann möglich sein soll, wenn der Arbeitnehmer Geld veruntreut hat und der Arbeitgeber die Lohnsteuerbescheinigung berichtigt.

Das Gericht sieht sich durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt. Der BFH hat festgestellt, dass (sogar) der Arbeitnehmer aus eigenem Recht die Lohnsteuer-Anmeldung des Arbeitgebers anfechten kann und dieses Anfechtungsrecht wegen der unterschiedlichen Bedeutung von Lohnsteuer-Anmeldung und Lohnsteuer-Bescheinigung davon unberührt ist, dass der Arbeitnehmer nach der Übermittlung der Lohnsteuer-Bescheinigung eine Änderung dieser Bescheinigung nicht mehr verlangen kann. Die Lohnsteuer-Anmeldung stehe einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.

Der BFH hat, deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Änderung der Festsetzung der Lohnsteuer-Entrichtungsschuld unter den Voraussetzungen des § 164 Abs. 2 Satz 1 AO auch nach Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung (§ 41 c Abs. 3 EStG) zulässig ist. Eine Einschränkung, wie sie hierzu im BMF-Schreiben vom 7.11.2013, BStBl I 2013, 1474, getroffen wird, ist der Entscheidung des BFH nicht zu entnehmen.

Dem stehen auch das Urteil des BFH wonach nach Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung der Arbeitnehmer deren Berichtigung nicht mehr verlangen kann, , wonach der Lohnsteuerabzug nach Abschluss des Lohnkontos nicht mehr geändert werden kann, nicht entgegen.