Grunderwerbsteuer bei Abtretung des Anspruchs auf Übertragung eines Gesellschaftsanteils

Die Abtretung eines kaufvertraglichen Anspruchs auf Übertragung von mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft und die Begründung der Verpflichtung dazu unterliegen nicht der Grunderwerbsteuer.

Gleiches gilt für die Übertragung der Gesellschaftsanteile vom bisherigen Gesellschafter unmittelbar auf den Abtretungsempfänger.

Das FG ist nicht berechtigt, den vom FA in einem Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer zu Unrecht festgestellten Erwerbsvorgang durch einen anderen zu ersetzen.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 12.5.2016, II R 26/14

Sachverhalt:

Die A-Bank hielt ursprünglich 100 % an der B-AG, die ihrerseits 100 % der Anteile an verschiedenen Kapitalgesellschaften hielt. Diese waren Eigentümer von in der Bundesrepublik Deutschland belegenen Grundstücken. Mit Vertrag vom 1. September 2006 verkaufte die A-Bank ihre Anteile an der B-AG an die C-Bank. Der Vertrag stand unter verschiedenen Bedingungen. Der C-Bank stand das Recht zu, vor dem Vollzug des Vertrags eine Gesellschaft ihrer Unternehmensgruppe als Käuferin zu benennen. Nach Erfüllung der Bedingungen und noch vor Vollzug der Transaktion benannte die C-Bank die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) als Käuferin. Zur Umsetzung des ausgeübten Benennungsrechts schlossen die A-Bank, die C-Bank und die Klägerin am 1. Dezember 2006 eine entsprechende Änderungsvereinbarung. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 1. Dezember 2006 übertrug die A-Bank ihre Anteile an der B-AG unmittelbar auf die Klägerin.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) erließ am 20. November 2007 gegenüber der C-Bank aufgrund des Vertrags vom 1. September 2006 einen auf § 1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 und § 17 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) gestützten Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) ist das FA zutreffend von einem steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG ausgegangen. Einschlägig sei jedoch § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG, denn die Anteile seien von der A-Bank unmittelbar auf die Klägerin übertragen worden. Der Anteilskaufvertrag vom 1. September 2006 stehe einer Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG nicht entgegen, denn die Klägerin sei daran schuldrechtlich nicht beteiligt gewesen. Die fälschliche Bezeichnung der C-Bank als Veräußerin stelle allenfalls einen Begründungs-, nicht aber einen Bestimmtheitsmangel i.S. des § 119 Abs. 1 der Abgabenordnung dar.

Begründung:

Das FG hat zwar zu Recht entschieden, dass der Eintritt der Klägerin in den zwischen der A-Bank und der C-Bank geschlossenen Vertrag nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt. Es durfte den vom FA festgestellten Erwerbsvorgang (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG) aber nicht durch einen anderen Erwerbsvorgang (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG) ersetzen. Zudem unterliegt die Anteilsübertragung von der A-Bank auf die Klägerin nicht der Grunderwerbsteuer.

Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % der Anteile an dieser Gesellschaft begründet, nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG fingiert einen Grundstücksübergang von dem Veräußerer der Anteile auf den Erwerber und rechnet dem Erwerber die der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar gehörenden Grundstücke grunderwerbsteuerrechtlich zu.

  • 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG erfasst nach seinem eindeutigen Wortlaut nur die Begründung eines Anspruchs auf Übertragung von mindestens 95 % der Anteile an einer Gesellschaft, nicht aber die Abtretung eines bereits bestehenden Übertragungsanspruchs oder die Begründung der Verpflichtung dazu. Letztere sind Zwischengeschäfte, die von der Vorschrift nicht erfasst werden. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass § 1 Abs. 1 Nrn. 5 bis 7 GrEStG vergleichbare Zwischengeschäfte in den im Einzelnen genannten Fällen durch eigenständige Regelungen ausdrücklich der Grunderwerbsteuer unterwerfen.

Eine entsprechende Anwendung des § 1 Abs. 1 Nrn. 5 bis 7 GrEStG auf die Fälle des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG ist nicht zulässig. Sie würde gegen das im Steuerrecht geltende Verbot verstoßen, über den Wortsinn des Gesetzes hinaus Steuertatbestände auszuweiten oder neue Steuertatbestände zu schaffen. Der am 1. Dezember 2006 vereinbarte Eintritt der Klägerin in den zwischen der A-Bank und der C-Bank am 1. September 2006 geschlossenen Anteilskaufvertrag unterliegt somit nicht der Grunderwerbsteuer. Es kann demgemäß auf sich beruhen, ob das FA den im Feststellungsbescheid vom 20. November 2007 festgestellten Erwerbsvorgang zwischen der A-Bank und der Klägerin mit der Einspruchsentscheidung durch die Feststellung eines Erwerbsvorgangs zwischen der C-Bank und der Klägerin ersetzen durfte.

Das FG durfte den Erwerbsvorgang, für den die Feststellung erfolgte (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG), nicht durch einen Erwerbsvorgang (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG) ersetzen, an dem ein anderer Veräußerer beteiligt war. Gegenstand der gesonderten Feststellung nach § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG ist in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht nur die verbindliche Entscheidung über die Steuerpflicht dem Grunde nach, sondern u.a. auch die verbindliche Entscheidung über die als Steuerschuldner in Betracht kommenden Personen.