Eine Ware, deren Hauptfunktion in der Darstellung elektronisch gespeicherter Buchinhalte mit Hilfe der E-Papier-Technologie besteht, ist in der Unterpos. 8543 70 90 KN einzureihen.
BFH Urteil vom 26.01.2016 – VII R 13/13 (NV) BFH/NV 2016, 1076 |
Begründung:
Entgegen der Auffassung des FG hat das HZA die beiden E-Book-Reader mit der streitgegenständlichen vZTA vom 30. März 2012 im Ergebnis zu Recht in die Unterpos. 8543 70 90 KN eingereiht.
Bei den streitgegenständlichen E-Book-Readern handelt es sich um elektrische Geräte i.S. der Pos. 8543 KN, die über eine eigene Funktion (die Textdarstellung mit Hilfe der E-Papier-Technologie) verfügen und in Kap. 85 KN anderweit weder genannt noch inbegriffen sind. Sie besitzen nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO den Senat bindenden Feststellungen des FG verschiedene Funktionen. Dabei handelt es sich um die Lesefunktion, mit der elektronische Bücher gelesen werden können. Darüber hinaus ermöglichen die Geräte aufgrund des standardmäßig aufgespielten Internet-Browsers das Surfen im Internet und verfügen über eine Sprachausgabeoption sowie ein Programm zur Wiedergabe von Audioformaten. Schließlich haben die Geräte eine Übersetzungs- und Wörterbuchfunktion, über die dem Nutzer eine Erläuterung bzw. Übersetzung im Text markierter Wörter angezeigt werden kann oder über die er in den auf den Geräten installierten Wörterbüchern direkt recherchieren kann.
Wie der EuGH in seiner Entscheidung Amazon EU (EU:C:2015:385, ABlEU Nr. C 270/9) ausgeführt hat, gibt es in der KN keine Unterposition, deren Wortlaut sich ausdrücklich auf ein elektrisches Gerät mit einer Lesefunktion als Hauptfunktion bezieht (Rz 21). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, ein Gerät sei in Ermangelung einer Unterposition, die exakt seiner Hauptfunktion entspricht, aufgrund einer seiner Zusatzfunktionen in eine spezielle Unterposition einzureihen. Die zolltarifliche Einreihung einer Ware ist nämlich unter Berücksichtigung ihrer Hauptfunktion vorzunehmen (Rz 22 f.). Anm. 3 zu Abschn. XVI KN sieht dementsprechend vor, dass eine Maschine, die ihrer Beschaffenheit nach dazu bestimmt ist, zwei oder mehrere verschiedene, sich abwechselnde oder ergänzende Tätigkeiten (Funktionen) auszuführen.
Nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG handelt es sich bei den E-Book-Readern „Y” und „Z” um Lesegeräte für elektronische Bücher. Bei der Darstellung elektronisch gespeicherter Buchinhalte mit Hilfe der E-Papier-Technologie handelt es sich somit um die Hauptfunktion der hier zu beurteilenden Waren. Auch die Klägerin selbst hat die Waren in ihrem Antrag auf Erteilung einer vZTA als „E-Book-Reader” bezeichnet. Weiterhin führt die Klägerin aus, dass die Geräte von ihren Nutzern zum Herunterladen, Speichern und Lesen elektronischer Publikationen verwendet würden und zudem u.a. über eine Wörterbuchfunktion verfügten. Dementsprechend werden die Waren in der streitgegenständlichen vZTA als „Lesegerät für elektronische Bücher” bezeichnet. Auch die Ausstattung der Waren mit der E-Papier-Technologie spricht dafür, dass die Geräte in erster Linie dem Lesen längerer elektronisch angezeigter Texte dienen.
Die Wörterbuch- bzw. Übersetzungsfunktion ist demgegenüber lediglich eine zusätzliche Nutzungsmöglichkeit. Dies ergibt sich –abgesehen von der Bezeichnung und Umschreibung der Waren durch die Klägerin– auch daraus, dass diese Funktion nicht eingesetzt werden muss, um elektronische Inhalte zu lesen oder lesbar zu machen. Darüber hinaus gehen auch die Beteiligten davon aus, dass es sich bei der Lesefunktion um die Hauptfunktion der Geräte handelt.
Eine Einreihung der E-Book-Reader in die Unterpos. 8543 70 10 KN kommt dagegen nicht in Betracht. Im Wortlaut der Unterpos. 8543 70 10 KN wird zwar –im Gegensatz zur allgemein formulierten Auffangpos. 8543 70 90 KN „andere”– die Übersetzungs- oder Wörterbuchfunktion ausdrücklich angesprochen, über die der E-Book-Reader unstreitig verfügt. Jedoch hat die Einreihung einer Ware nicht unter Berücksichtigung einer ihrer Zusatzfunktionen, sondern unter Berücksichtigung ihrer Hauptfunktion –hier der Lesefunktion– zu erfolgen, und zwar selbst dann, wenn die KN keine Unterposition enthält, die dieser Hauptfunktion genau entspricht.